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Gutachten von Dr. Hans Nadler

Die Pauliner-Universitätskirche zu Leipzig


Das spätmittelalterliche Bauwerk an der Westseite des Karl-Marx-Platzes, die Pauliner-Universitätskirche, ist ein Denkmal in Sinne der Verordnung über die Pflege und den Schutz der Denkmale vom 28. 9. 1961 (GBL. 72, Teil II v. 23. 10.61). In diesem Bauwerk ist in beispielhafter Weise der Charakter und der Begriff des Denkmals in "künstlerischer, geschichtlicher und wissenschaftlicher Bedeutung" im Sinne der Verordnung vom 28. 9. 61 manifestiert.

Daten zur Baugeschichte der Pauliner-Universitätskirche


1231 ist die Paulinerkirche als Klosterkirche am Grimmaischen Tor innerhalb der Mauern von dem Dominikanerorden gegründet worden. Das Bauwerk ist ein Backsteinbau mit Hausteingliederung, als Typus war der Ursprungsbau von 1231 eine flachgedeckte, dreischiffige Halle mit einschiffigem Chor.

1485 wurde die Langhaushalle des Ursprungsbaues von 1231 um Kreuzgangsbreite nach Süden erweitert und die aus 7 Jochen mit 12 Achteckpfeilern bestehende Raumform der Halle durch eine besonders charakteristische Einwölbung, ein Sternnetzgewölbe, spätgotisch umgeprägt. Malereien aus dieser Zeit, die das spätgotische Raumbild bestimmten, befinden sich heute noch unter der Tünche späterer Jahrhunderte.

1519-1521 ist die dreischiffige Chorhalle mit einem Rautennetzgewölbe, vier Jochen und acht Pfeilern, nach Abtragung des einschiffigen ersten Chores errichtet worden. Auch an diesem Gewölbe befinden sich unter späteren Übermalungen Reste von Malereien aus der Entstehungszeit der Chorhalle.

1543 wird die gesamte bauliche Anlage des ehemaligen Dominikanerklosters durch die Initiative des ersten Rektors der Leipziger Universität nach der Reformation, Caspar Borner, der Universität Leipzig übereignet. Die Paulinerkirche wird im Inneren verändert, z.B. wurden Ausstattungsstücke und der Lettner entfernt und bereits 1543 als "Aula" für die Leipziger Universität benutzt, zugleich auch als Gottesdienstraum von der Universität verwendet.

1546 wurde das Chorhaupt des Mittelschiffes, das in die Stadtmauer ragte, während der Erneuerung der Befestigungsanlagen abgebrochen.

1710-12 erfolgte eine durchgreifende Umgestaltung des Innenraumes bei Einführung des "Academischen Gottesdienstes": Einbau von doppelgeschossigen Emporen zu beiden Seiten des Triumphbogens wurden "Kapellen" proszenienhaft für Rektor und die Dekane angeordnet. Das 1710-12 axial angelegte Portal an der Westseite des Baues bildete den "architektonischen" Auftakt für den Einzugsweg der Professoren und Studenten bei akademischen Feiern. Der von der Universität 1710-12 als "theatrum academicum" umgestaltete Innenraum war der künstlerische Höhepunkt einer Umgestaltung nach seiner Entstehung.

1838 wurde die klassizisierende Chorfassade der Universitätskirche von Albert Geutebrück im Zusammenhang des Universitätsneubaues "Augusteum" errichtet. Diese Gebäude schlossen sich zu der städtebaulich hervorragenden Platzgestaltung des Augustusplatzes aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusammen.

1887-89 ist die neugotische Fassade der Universitätskirche im Zusammenhang mit den in Neubarock- und Neorenaissanceformen erbauten Hauptgebäuden der Universität (1891-1894) von Arwed Roßbach 1895-1897 nach hochgotischem italienischem Vorbild errichtet worden. Im Innern wurde die Universitätskirche durch Veränderungen wieder auf den in der Raumstruktur erhalten gebliebenen spätgotischen Charakter zurückgeführt. Die jetzige Bemalung stammt ebenfalls aus der Zeit von 1887-89.

Kunstgeschichtliche Bedeutung und denkmalpflegerische Bewertung


Der Gründungsbau der Paulinerkirche von 1231 gehörte als Typus zu den charakteristischen Bettelordensbauten, die diese Bauweise innerhalb der mittelalterlichen Architekturgeschichte in der mitteldeutschen Kunstlandschaft hervorgebracht hat. Teile vom Gründungsbau sind in dem jetzigen von 1485 stammenden spätgotischen Bauwerk erhalten geblieben, dessen Gestalt kunstgeschichtlich charakterisiert werden kann als eine "architektonische Sonderform der sie umgebenden städtischen Bauweise". Die kunstgeschichtliche Bedeutung des Bauwerkes liegt darin begründet, daß in der Zeit der Spätgotik (1485-1521) ein typischer Bettelordensbau in künstlerisch originaler Weise zu einer eindrucksvollen spätgotischen Halle umgebaut wurde. Damit gehört die Universitätskirche zusammen mit der Thomaskirche und der Nikolaikirche zu den drei bedeutendsten Architekturleistungen des Mittelalters in Leipzig. Die neugotische Chorfassade der Universitätskirche hat ihren historischen Eigenwert als eine künstlerische Ausdrucksform, die sich an den architektonischen Leistungen anderer Epochen zu orientieren versuchte.

Zur universitätsgeschichtlichen Tradition


In der Leipziger Universitätsgeschichte ist die Funktion der Universitätskirche von besonderer gesellschaftlicher Bedeutung gewesen, denn schon mit der Gründung der Universität 1409 wird der "R a u m " der Paulinerkirche von der Universität für die spezifischen Formen akademischer Akte in Anspruch genommen. Seit dieser Zeit fanden Rektoratswechsel, Disputationen, Promotionen und Begräbnisfeierlichkeiten bis ins frühe 20. Jahrhundert statt.
Als Begräbnisstätte für Universitätsangehörige wurde die Paulinerkirche schon vor der Reformation gewählt, z. B. der erste Rektor der Universität Leipzig, Johannes von Münsterberg, ist 1411 in der Paulinerkirche begraben, Caspar Borner und viele andere Professoren haben hier ihre Ruhestätte gefunden, neuerdings ist auch der Sarkophag von Christian Fürchtegott Gellert (Lehrer Goethes) in die Universitätskirche überführt worden. Die noch zahlreich erhaltenen Grabmäler und Epitaphien im Innenraum und im Kreuzgang vom späten Mittelalter bis zum Barock repräsentieren bedeutende Namen von Persönlichkeiten in der Entwicklung der Universität überhaupt und sind in dieser Form noch heute gleichsam eine "Ahnenreihe der Wissenschaft" von überregionaler universitäts- und geistesgeschichtlicher Bedeutung.

1545 wird die Paulinerkirche von Martin Luther als erste deutsche "Universitätskirche" geweiht und gewinnt damit für den deutschen Protestantismus ihre Einmaligkeit; als theologische Bildungsstätte ist die Universitätskirche im europäischen und außereuropäischen Raum weit bekannt.

Der hohe Denkmalwert des Bauwerkes bestimmt sich


a) durch die vollständige Unversehrtheit der spätgotischen Gestalt des Bauwerkes mit seinen reichen, sich durch hervorragende Qualität auszeichnenden Rippengewölben und der Ausstattung. Das Bauwerk ist in den Bombenangriffen des 2. Weltkrieges durch den mutigen Einsatz Leipziger Bürger vor der Vernichtung durch Feuer gerettet worden.

b) Durch die universitätsgeschichtliche Tradition, die an dieser Stätte durch das älteste erhalten gebliebene universitätseigene Monument in ihrer 550jährigen Geschichte dokumentiert bleibt und ein sichtbares Zeugnis in Gegenwart und Zukunft abgibt für das sinnvolle Bewahren der künstlerischen, geschichtlichen und wissenschaftlichen Tradition.

Zusammenfassend wird festgestellt:


1. Die Universitätskirche ist Denkmal im Sinne der Verordnung über die Pflege und den Schutz der Denkmale vom 28. 9. 1961.

2. Innerhalb der mittelalterlichen Architekturgeschichte des Landes nimmt die Universitätskirche einen bedeutenden Rang ein.

3. Die alte "Universitätsaula", die Universitätskirche zu Leipzig ist ein Monument internationalen Ranges, das in hervorragender Weise von den geistesgeschichtlichen Traditionen innerhalb der deutschen Universitätsgeschichte Zeugnis ablegt.

4. Die Universitätskirche ist nicht nur "Universitätsaula" in Abständen durch Jahrhunderte gewesen und Forum wissenschaftlicher Disputationen, sondern auch die bevorzugte Begräbnisstätte der Rektoren und Professoren und Angehörigen der Leipziger Universität, deren Ruhestätten und Grabmäler im Kirchenraum verblieben sind.

5. Mit der Erhaltung und Einordnung der Universitätskirche in den Karl-Marx-Platz wird die Kontinuität der stadtgeschichtlichen Entwicklung sichtbar bewahrt, und der Bau wird in die repräsentative Neugestaltung des Karl-Marx-Platzes überzeugend einzubeziehen sein.

Dresden, 2.12.1963Dr. Ing. Hans Nadler
AugustusstraßeKonservator
Leiter der Arbeitsstelle

Institut für Denkmalpflege - Arbeitsstelle D r e s d e n -

Niederschrift


über die Besprechung mit dem stellv. Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Leipzig, Kollegen Häußler, zur Frage Universitätskirche am Freitag, 3. Januar 1964

Herr Häußler hatte um eine Besprechung gebeten, um anhand des ihm vorliegenden Gutachtens zur Universitätskirche die Begründung des Denkmalwertes für die Universitätskirche mit dem Unterzeichneten zu erörtern und sie in den künftigen Beratungen zur Gestaltung des Karl-Marx-Platzes auszuwerten sowie auch auf ein vorliegendes Schreiben des Ministers antworten zu können.

Es wurde eingangs der Architekturwert besprochen, der von Herrn H. zunächst als nicht sehr bedeutend festgestellt wurde. Im Laufe des Gesprächs und anschließend bei der örtlichen Besichtigung konnte er sich der besonderen künstlerischen und handwerklichen Leistung, insbesondere der Einwölbung, nicht verschließen.

Für den Geschichtswert wurde noch einmal betont, daß der Raum in erster Linie Universitäts-Aula und Universitätsgebäude war und ist. Nachdem nach der Säkularisation auf Ansuchen des Caspar Borner das gesamte Kloster einschließlich der alten Klosterkirche der Universität Leipzig als Universitätsgebäude übereignet wurde. Diese Feststellung war für Herrn Häußler wichtig. Des weiteren war die Tatsache, daß die Universitätskirche verordnete Begräbnisstätte der Leipziger Professoren und Angehörigen der Universität war, wichtig. Die Frage nach der Anzahl der Begräbnisstätten wurde von mir auf etwa 800 geschätzt, ohne damit eine zuverlässige Zahl angeben zu können, lediglich, um die Größenordnung damit zu charakterisieren.
Die Tatsache, daß die Universität Leipzig im Klosterbereich nach Einrichtung der Universität mit Anatomie und der Anlage von Kräuter- und Heilgärten besonders wichtige und neue Forschungsthemen einleitete, interessierte Herrn Häußler in besonderem Maße.

Der Kunstwert der Epitaphien wurde nicht ohne weiteres anerkannt.
Herr Häußler versicherte wiederholt, daß in der Frage Universitätskirche bisher keinerlei Entscheidung getroffen sei. Er fragte aber, ob ein Versetzen der Epitaphien und Grabsteine möglich sei, was in technischer Hinsicht ja ohne Schwierigkeiten möglich sein dürfte.

An der anschließenden Besichtigung der Kirche nahmen der Vorsitzende der ständigen Kommission für Kultur beim Bezirkstag sowie der Abteilungsleiter für Kultur teil. Es wurde die Kirche besichtigt einschließlich der Grabsteine und Epitaphien und die Fragen einer evtl. alten Bemalung erörtert, wobei Umfang und Erhaltungszustand der alten Malereien natürlich nur vermutet werden konnten, da die früher angestellten Proben nur kleine Untersuchungen darstellten.

Die Vorstellung von Herrn Häußler für den Neubau einer Universität geht dahin, daß ein durchgehender Block von der Grimmaischen Straße bis zum Schinkeltor errichtet wird, doppelbündig angelegt und in entsprechender Höhe. Ich habe ihm erklärt, daß der Bau einer Universität von der Funktion und von der städtebaulichen Wirkung her bestimmt wird und daß es durchaus möglich ist, unter Einbeziehung von Hochbauten das Universitätsbauprogramm befriedigend unter Erhaltung der Universitätskirche zu lösen. Ich habe mich bereit erklärt, mit Studierenden der Technischen Universität einen Studienentwurf zur Darstellung der möglichen Lösungen zu veranlassen und Herrn Häußler darauf hingewiesen, daß er verpflichtet sei, diese Untersuchungen vorzunehmen.

Nach längerer Besprechung dieser Frage sagte er die Bearbeitung solcher Varianten zu. Es schien jedoch, daß der durchgehende Längsblock schon sehr fest in seiner Vorstellung verankert war.

In den Beratungen wurde auch von meiner Seite auf den internationalen Maßstab der Denkmalpflege hingewiesen sowie auf die Erklärung der Unesco aber den Wert der Denkmale als Besitz der Menschheit.

Dresden, 6. Januar 1964Dr. Nadler

Quelle: Archiv Landesamt für Denkmalpflege, Dresden