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Moritzbastei und Bürgerschule - Schillerstraße 9

Fotomontage

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historisches Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Fotomontage

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historisches Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

weitere Ansicht als Moritzbastei

weitere Ansicht als Moritzbastei

mit freundlicher Genehmigung Graphikantiquariat Martin Koenitz

Wappen der Moritzbastion, Zustand 1925

Wappen der Moritzbastion, Zustand 1925

Rekonstruktion nach Gurlitt

Rekonstruktion nach Gurlitt



weitere Ansichten als Erste Bürgerschule

weitere Ansichten als Erste Bürgerschule weitere Ansichten als Erste Bürgerschule weitere Ansichten als Erste Bürgerschule

weitere Ansichten als Erste Bürgerschule weitere Ansichten als Erste Bürgerschule weitere Ansichten als Erste Bürgerschule

mit freundlicher Genehmigung Graphikantiquariat Martin Koenitz

Ansicht der Aula 1925

Ansicht der Aula 1925

weitere Ansichten als Annenschule

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Ansicht um 1810

Ansicht um 1810

Die Frauenberufsschule in Leipzig, ein klassizistischer Bau

Von Dr.-Ing. Hermann Kuhn, Leipzig

Aus: Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Dresden 1925, Mitteilungen Heft 7 bis 8

Wohl die Mehrzahl von Leipzigs Einwohnern geht tagtäglich gedankenlos an manch altem schönen Baudenkmal früherer Zeiten vorbei, ohne zu wissen, welchen baugeschichtlichen Zusammenhängen oder welchem Manne die betreffende Bauschöpfung ihren Ursprung verdankt. Ich habe es mir zur Aufgabe gestellt, in der vorliegenden Abhandlung eines Mannes zu gedenken, der am Ende des achtzehnten Jahrhunderts lebte und in Leipzig für die Einführung des klassizistischen Baustiles von großer Bedeutung war, des Baudirektors Johann Carl Friedrich Dauthe. - Wie wenigen der Jetztzeit wird dieser Name bekannt sein! Und doch haben wir noch heute in unserer Stadt ein Bauwerk, welches beredtes Zeugnis ablegt für die großen Fähigkeiten jenes Mannes. Es ist dies die jedem Leipziger wohlbekannte Frauenberufsschule in der Schillerstraße, welche als erste Bürgerschule von Dauthe geschaffen wurde. Zweck dieser Zeilen soll es sein, die interessante Entstehungsgeschichte dieses in seiner ursprünglichen Form erhaltenen Gebäudes in kurzen Worten zu skizzieren.

Nach Abschluß des Hubertusburger Friedens (1763) stellte der damalige regierende Kurfürst von Sachsen die gesamten Festungswerke Leipzigs, die sich während des Siebenjährigen Krieges als völlig ungeeignet und zwecklos erwiesen hatten, dem Rate der Stadt mit der Bedingung zur Verfügung, daß die Festungsanlagen beseitigt und die gewonnenen Plätze "gemeinnützig" gemacht werden sollten. Die Stadt nahm wohl das Anerbieten an, kam jedoch den gestellten Bedingungen aus Geldmangel nur langsam nach. Die festen Basteien blieben zunächst noch bestehen, doch wurde ein großer Teil der Schanzen ("Ravelins") abgetragen, das Erdreich zur Ausfüllung des Festungsgrabens verwandt, und auf dem so gewonnenen Boden teils Alleen, teils Obst- und Gemüsegärten angelegt. Erst Bürgermeister Müller trat mit Energie für die restlose Erfüllung der vom Kurfürsten gestellten Bedingungen ein. Es waren die Befestigungsanlagen zwischen dem Grimmaischen und Halleschen Tore längs der Stadtmauer, die noch der Umwandlung bedurften; so war auch die alte Moritzbastion an der Südostecke der Stadt noch erhalten geblieben. Um das gewaltige Mauerwerk dieser Anlage sachgemäß auszunutzen, hatte man die Absicht, die Moritzbastion als Untergrund für eine zu errichtende Bürgerschule zu verwenden. Der Gedanke zur Schaffung dieser Schule ist der nimmermüden Regsamkeit des Bürgermeisters Müller zu verdanken. Bereits im Jahre 1792 war auf dessen Betreiben eine Ratsfreischule errichtet worden. Für die arme Stadtbevölkerung Leipzigs war dadurch Sorge getragen, aber auch für die mittleren Volksklassen, die gern ein mäßiges Schulgeld bezahlt hätten, mußte eine öffentliche Schule geschaffen werden. Im Februar 1795 richteten auf Müllers vorherige Anregung hin fünfundzwanzig Leipziger Innungen ein Schreiben an den Rat, worin sie die Bitte aussprachen, der Rat möge ihnen "eine allgemeine Bürgerschule schenken", in welcher ihre Kinder "gegen ein billiges Schulgeld einen ebenso wohltätigen und zweckmäßigen Unterricht als die armen Kinder in hiesiger Freischule genießen könnten".

Die Stadtbehörde kam der Eingabe wohlwollend entgegen. Mit dem Entwürfe und der Ausführung wurde der damalige Baudirektor der Stadt Leipzig, Dauthe, betraut. Im März 1796 legte er die Pläne zu dem Schulgebäude vor, das auf der Moritzbastei seinen Platz finden sollte, da man dort in dem Mauerwerk der alten Festung den besten Untergrund zu finden hoffte. Diese Festungsbastion war in den Jahren 1551 bis 1555 in offener Fünfeckform erbaut worden, und zwar auf Veranlassung des Kurfürsten Moritz, der auch weiterhin die alten Befestigungswerke Leipzigs aufbauen und noch mehrere neue Bastionen dazu errichten ließ. Die Leitung der Bauten lag dem damaligen Bürgermeister Lotter ob. Aus dem ersten Baujahre (1551) existiert ein altes kurfürstliches Wappen an der Spitze der alten Zwingmauer, das heute noch, allerdings stark verwittert, von den Anlagen aus zu sehen ist. Die Festungskeller der Bastion sind mit der Zeit zum großen Teile zugeschüttet worden, nur etwa ein Sechstel der gesamten Kelleranlage ist noch zugänglich. Diese starken äußeren Bastionsmauern bewiesen sich als standhaft zum Aufbau der Schule und sind es auch heute noch, aber das Innere der Bastion bot nicht den Baugrund, den man zu finden hoffte. Man war gezwungen, die nach dem Hofe zu liegenden Umfassungsmauern des Schulgebäudes auf die Gewölbe der Bastion zu setzen. Diese gaben jedoch nach, da außerdem der tiefere Baugrund nicht aus "gewachsenem Boden" bestand, sondern aus den ehemals bei der Ausgrabung des Stadtgrabens hier aufgeschütteten Erdmassen, ein Baugrund, "in dem der Rammel noch bei den längsten Pfählen keinen Halt gefunden". Man sah sich deshalb veranlaßt, die Gewölbe zu untermauern, nachdem außerdem durch Pfahlroste ein einigermaßen geeigneter Baugrund geschaffen worden war. Trotzdem waren aber späterhin noch des öfteren Reparaturarbeiten an der Gründung nötig. - Die Form der Bastion bedingte eine auch nicht alltägliche Grundrißlösung. Ein Blick auf den Grundriß der Schule zeigt das Fest halten Dauthes an einem damals bereits überholten Baustile*). Man könnte meinen, es hier mit einem Bau aus der Rokokozeit zu tun zu haben, während die Fassade dem entgegengesetzt das Wiederaufleben des Klassizismus zur Schau trägt. Auffällig und eigentümlich ist die Gestaltung der Aula, die stark an den alten Gewandbauskonzertsaal Dauthes in Form und Abmessung erinnert (rund 11 Meter x 23 Meter). Auch hier in dieser Schulaula zeigt sich wie dort eine gute Akustik; es scheint, als ob der Architekt hierauf ebenfalls großen Wert gelegt hat, denn es sind ähnliche Prinzipien befolgt wie bei jenem Saale.

Die genauen Fortschritte des Baues lassen sich aus den Akten nicht feststellen, man kann lediglich die verbrauchten Bausummen hierbei zu Rate ziehn. 1796 war begonnen worden, 1802 war erst ein Drittel der Gesamtanlage äußerlich vollendet. Schuld an der Verzögerung waren die Gründungsarbeiten, die in unvorhergesehenem Maße Zeit und Geld verschlangen. Müller sollte die Vollendung des Baues nicht mehr erleben, da er 1801 verstarb. Mit ihm war der Hauptförderer dahingegangen, was auf dem weiteren Fortgang der Bauarbeiten von wenig gutem Einfluß war. 1803 wurde versuchsweise in dem inzwischen ausgebauten linken Flügel mit dem Unterricht begonnen. Bis 1804 wurde dann noch der Mittelbau fertiggestellt, während die nun folgenden Jahre nur geringen Fortschritt der Bauarbeiten zeigen. Erst Dauthes Nachfolger im Leipziger Bauamte, der Bauinspektor August Wilhelm Kanne, stellte die Schule vollständig bis zum Jahre 1834 fertig. In der Grundrißgestaltung ist deutlich zu erkennen, daß beim Ausbau des rechten Flügels eine andere Architektenhand als bisher gewirkt hat. Bei Dauthe ist ein Festhalten an barocker Grundrißgestaltung unverkennbar, Kanne ist jedoch darauf bedacht, den Grundriß so übersichtlich wie möglich auszubilden: alle Räume sind bei ihm fast durchweg rechteckig gehalten. Im Äußeren mußte sich Kanne an den bereits bestehenden Flügelbau halten und ihn in derselben Weise ausführen. Durch die schlechten Erfahrungen Dauthes über die Gründungen der Hofumfassungsmauern war Kanne gewitzigter geworden; er ließ die darunter befindlichen Keller einfach ausfüllen und gut verstampfen und schaffte sich dadurch einen guten Baugrund, den Dauthe erst nach großer Mühe, durch viele Kosten und dann auch noch unvollkommen erreicht hatte. Gleichzeitig wurden bei dem weiteren Ausbau an den bereits bestehenden Gebäudeteilen verschiedene Ausbesserungen vorgenommen, da sich dort die Gründungsmauern wieder wesentlich im Laufe der Jahre gesenkt hatten. Im Schulhofe ließ Kanne einen Brunnen aufführen, der später wieder weggerissen wurde. Der neuausgebaute Flügel wurde zunächst der Lehrerschaft zur Verfügung gestellt, erst im Jahre 1848 wurde er seiner ursprünglichen Bestimmung zugeführt. Äußerlich vollendet war das Gebäude im Jahre 1826, die inneren Ausbauarbeiten zogen sich jedoch noch längere Zeit hin, so daß die Schule erst 1834 als endlich fertig gelten konnte.

Führt heute die Leipziger ihr Weg an diesem Gebäude vorüber, so wird wohl selten jemand bei Anblick der Schule sich bewußt sein, ein baugeschichtlich wertvolles und typisches Beispiel reinsten Klassizismus vor sich zu haben. Es liegt dies wohl daran, daß sich unsere heutigen Begriffe über bauliche Schönheiten in ganz anderen Bahnen bewegen. Sollte aber dennoch dieser oder jener durch meine Ausführungen dazu angeregt werden, sich eingehender mit diesem Baustil zu befassen, so möchte ich es nicht versäumen, auf einige andere Schöpfungen Dauthes hinzuweisen. Man besichtige nur einmal das Innere der Nikolaikirche, um verstehen zu können, daß Dauthe durch diese geniale Arbeit den Ruf eines der bedeutendsten Vertreter des Neu-Klassizismus (des sogenannten Zopfstiles) erlangt hat. Und welchem Leipziger ist es unbekannt, daß dem alten, vor drei Jahrzehnten beseitigten Gewandhauskonzertsaal eine Akustik innewohnte, die der ganzen Welt bekannt und vorbildlich war; wer aber wußte bis heute, daß das Verdienst, diese überragende Anlage geschaffen zu haben, Dauthe gebührt? Wie oft auch eilen wir im Hasten der Großstadt gedankenlos durch Anlagen unserer Stadt, ohne sie einer näheren Würdigung zu unterziehen. Man nehme sich nur einmal die Zeit, unsere Schwanenteichanlage, deren Gestaltung wir ebenfalls Dauthe verdanken, in Muße zu betrachten, und man wird erkennen, welch imposante Schönheit und reizvolle Anmut dieser Promenadenteil bietet. Diele andere Schöpfungen dieses Architekten sind der Zeit zum Opfer gefallen; wer sich restlos mit diesen Dingen zu befassen gedenkt, dem möge mein eingehendes Werk "Leipzigs Bauwesen in der Zeit von Dauthe bis zu Geutebrück" als Wegweiser dienen**).

*) Der rechte Flügelbau des Schulgebäudes ist nicht eigentliches Werk Dauthes, er ist später nach dessen Tode fertiggestellt worden, worauf später nochmals hingewiesen wird.

**) Exemplare zur Einsicht befinden sich im Stadtgeschichtlichen Museum und in der Leipziger Stadtbibliothek.