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Cornelius Gurlitt
Die Pflege der kirchlichen Kunstdenkmäler
Ein Handbuch für Geistliche,
Gemeinden und Kunstfreunde
Leipzig 1921 Erlangen
A. Deichertsche Verlagsbuchhandlung Dr. Werner
Scholl
Vorwort.
Das vorliegende Werkchen beabsichtigt nicht, Kunstgeschichte
oder Altertumskunde zu lehren. Es ist gelegentlich in anderen verwandten
Büchern versucht worden, zum mindesten in einigen Abbildungen die
Grundlagen der Stilkunde zu geben. Mir scheint dies vergebliche Bemühung,
solange man nicht dem Texte ein umfassendes Bildermaterial beizufügen
gedenkt. Aber auch dies wird nur den auf den rechten Weg leiten, dessen
Augen geschult sind, um das Unterschiedliche in den Werken verschiedener
Zeiten zu erkennen. Um dies handelt es sich aber nicht in dem Teil der
Denkmalpflege, der dem Geistlichen und den Gemeindemitgliedern zusteht.
Es ist weit besser, wenn diese sich an Sachkundigere, namentlich an die
amtlich für die Denkmalpflege Berufenen wenden. Hier kann es sich
zunächst nur darum handeln, darauf hinzuweisen, wann und ob eine Änderung
im alten Bestand der Kirche sich nötig macht, damit Schaden verhütet
werde; aber auch darum, die Liebe zu stärken und zu wecken, die die
Gemeinde an den ihr überkommenen Kunstbesitz binden soll nicht nur
um der Kunst, sondern um des kirchlichen Lebens willen.
Inhalt.
I. Die Aufgabe der kirchlichen Denkmalpflege
Zweckmäßigkeit und Schönheit
– Die Künstler – Die Stilfrage – Vom guten Geschmack –
Kunst und Wissenschaft – Der Wert alten Kunstbesitzes
II. Die Organe der kirchlichen Denkmalpflege
Der Pfarrer und die Denkmalpflege – Die staatliche
Denkmalpflege – Die Denkmalämter –
Kirchliche Denkmalpflege – Die Aufzeichnung der
Denkmäler – Die Denkmalpflegen –
Der Bauherr – Der Architekt – Erhaltungsarbeiten
– Der Umbau
III. Die Pflege der kirchlichen Baudenkmäler
Bildhauer- und Steinmetzarbeiten – Ziegelbau
– Putz und Stuck – Das Ausmalen der Kirchen –
Holzbau und Dächer – Die Heizung und Lüftung
– Die Kirchenbeleuchtung –
Inschriften und Wappen – Der Friedhof und die
Gruft – Der Pflanzenwuchs und die Kirche –
Die Umgebung der Kirche – Sicherung gegen Brand
und Raub
IV. Die Pflege der kirchlichen Einrichtungsgegenstände
Ölgemälde – Holz – Unbemaltes und bemaltes
Holzwerk – Die Vergoldung des Holzes –
Wandmalereien – Bronze und Messing – Eisen –
Zinn – Gold und Silber – Elfenbein und Verwandtes –
Glas – Leder und Papier – Gewebe – Ton und Porzellan
Schlußwort
I. Die Aufgabe der kirchlichen Denkmalpflege.
Die Pflege der Kunst, besonders der kirchlichen,
ist nicht nur eine Forderung der Kirche selbst, sondern von alters her
eine solche des Volkswillens, ein Ausdruck des Volksempfindens. Der christliche
Gottesdienst kann in der kunstlosesten Hütte ebenso wirkungsvoll sein,
wie in der größten Kathedrale. Immer wieder sind im Laufe der
Entwicklung des Christentums Männer aufgetreten, die für die
Gotteshäuser die größte Einfachheit forderten, während
eine reiche Ausbildung, viel künstlerischer Schmuck von den Kirchenleitungen
nie als ausdrückliche Forderung aufgestellt wurde. Man denke an das
Frühchristentum und seine scharfe Ablehnung der ihm als heidnisch
verächtlichen und doch so hoch entwickelten antiken Kunst; man denke
an Männer wie Bernhard von Clairveaux oder Franziskus von Assisi,
an Calvin und die Bilderstürmer der Reformationszeit, Männer,
die in der Einfachheit des Gottesdienstes, in der Ablehnung der bildlichen
Darstellungen unter verschiedenen Gesichtspunkten den Weg zur Vertiefung
der Kirche erblickten.
Kunst
ist eine Sprache der Völker, gleichwertig mit der in Worten. Kunst
in den Kirchen ist Ausdruck der Gottesverehrung der Gemeinde, nicht Forderung
des Glaubens und seiner Lehre. Sie ist Ausdruck des Schönheitsempfindens
nicht der Kirche selbst, sondern der ihr anhängenden Völker.
Sie scheidet sich nicht in ihren Formen nach Konfessionen, sondern nach
Zeiten und Nationen. Und wenn die Völker auch einem oder dem anderen
Kult angehören, finden sie doch innerhalb gemeinsamer Stilbewegungen
den nationalen Ausdruck für ihre Glaubenswelt.
Daher
auch die Gemeinsamkeit der Kunst bei Verschiedengläubigen; daher aber
auch der Wechsel in dieser im Laufe der Zeiten. Es kommen die Tage, in
denen den Nachlebenden das mißfällt, was ihre Vorfahren schufen.
Es mißfällt ihnen aus sachlichen und aus ästhetischen Gründen;
weil es einem für unrichtig gehaltenen Glauben diente oder weil es
als unschön empfunden wird. Die Darstellung von einem fremden Glaubensinhalt
erscheint dem Betrachter als Verlockung zu diesem für unwahr gehaltenen,
und mithin als ein frevelhaftes Beginnen. Das junge Christentum ebenso
wie der Islam mißachteten die Werke der Vergangenheit und ließen
sie teilnahmslos verfallen, ja man sah ein gutes Werk darin, sie zu zerstören.
Unendliche, bitter beklagte Werte gingen damit verloren. Die Juden der
Prophetenzeit sahen in der Kunst der umwohnenden Völker den Ausdruck
des Götzentums und kämpften leidenschaftlich gegen Bilder, von
Menschenhand gemacht, denen keine Kraft inne wohne. Sie wehrten sich dabei
vor allem gegen die falsche Einschätzung des Götterbildes als
eines heilbringenden Wesens, gegen den Götzenkult, den sie hierin
sahen. Die evangelischen Gemeinden des Mittelalters und der Reformation
Luthers und Zwingli-Calvins wehrten sich gegen den Bilderkult, ähnlich
den Parteien des byzantinischen Reiches. Es standen sich da Ansichten gegenüber,
die darum stritten, ob eine besondere Kraft in den Bildern stecke; ob man
sie selbst anbeten solle oder das was sie darstellen; d.h. ob die Gottheit
in den Bildern selbst anwesend sei oder ob dem Betenden die Gottheit durch
das Bild nur geistig nähergerückt werde; ob sie zu verehren seien
um der dargestellten Tatsache willen. Es spricht sich da die alte Scheidung
zwischen semitischen und indo-germanischen Völkern aus, die heute
noch sich im Verbot für Synagogen wie Moscheen gegen bildliche Darstellungen
äußert, jene Unfähigkeit der Semiten, sich in das Verhältnis
zur Kunst einzuleben, wie dies etwa für die katholische Christenheit
durch das Tridentiner Konzil festgelegt wurde.
Dies
drückt sich auch im Verhältnis unserer Zeit zu Darstellungen
aus, die sachlich im Gegensatz zu unseren Glaubenslehren stehen. Kein gebildeter
Christ, kein Christ überhaupt wird die Bildsäule eines Buddha
oder Zeus, eines Laotse oder Ahuramazda mit der Besorgnis ansehen, daß
er dadurch zu fremdem Glauben hinübergeführt werde. Er traut
diesem Bilde keine wundertätige Macht zu, sondern sieht es als Ausdruck
einer durch den Künstler vermittelten Vorstellung einer teils geschichtlichen,
teils mythischen Persönlichkeit an, gleichviel ob es in uns religiöse
Empfindungen weckt oder uns nur überwundene, wenigstens uns fremde
Vorstellungen eines Übernatürlichen darstellt. Und so sind wir
in der Lage, ohne Sorge um unsere eigenen Überzeugungen das Fremdartige,
aber an sich Schöne um uns zu dulden. Wir wollen es nicht neu schaffen,
zum mindesten nicht für unsere Kirchen, aber wir können es ertragen.
Namentlich scheut die protestantische Kirche nicht die Zeugnisse ihrer
katholischen Vergangenheit. Sie wird nicht ihre Gotteshäuser mit neuen
Darstellungen katholischer Heiligenlegenden ausstatten, wohl aber den alten
Schmuck ihrer aus dem Mittelalter ererbten Kirchen vor Verfall schützen.
Es
begann eine Zeit, die der Romantik, in der die Liebe zur Vergangenheit
mächtig erstarkte. Das, was man mit dem Schimpfwort Gotik – Kunst
der für barbarisch gehaltenen Goten – belegt hatte, wurde nun auf
das höchste gefeiert; nicht so sehr weil es alt war, sondern weil
der Geschmack sich dahin gewendet hatte, das bisher als kraus, überladen,
regelwidrig Empfundene für schön anzusehen. Man umfaßte
es mit stürmischer Liebe und las aus den Kunstwerken jener Zeit eine
Gläubigkeit heraus, die der eigenen Zeit verloren gegangen sei. Man
schlug wieder die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Und
in der geistigen Vereinigung beider sah man einen Weg zur Steigerung des
Kunstgefühls ebenso wie zur Rückkehr zur Gläubigkeit.
Mehr
und mehr erkannte man, daß man verarme, wenn man alte Kunst mißachte,
sei sie in ihren Erscheinungsformen uns auch fremd und in ihren Darstellungen
unserer Auffassung nicht angemessen. Eben um der Eigenschaft als völkische
Kunst, als Ausdruck der früheren Stellung unseres Volkes zum Glauben,
ist sie ein wertvolles Gut, demgegenüber die Anschauungen unserer
Tage sich vorsichtig zurückzuhalten haben. Langsam hat sich dieses
Bescheiden durchgearbeitet, das uns lehrt, sich in das Fremdartige einzuleben,
nicht es nach der Augenblicksstimmung zu verdammen. Und es ging aus diesem
Bescheiden ein seelischer Reichtum hervor, die wachsende Freude an dem
einst Verkannten, die oft dahin führte, es nun hoch über die
Kunstäußerungen der eigenen Zeit zu stellen, so daß die
Kunst in Nachahmung verfiel. So namentlich hinsichtlich der mittelalterlichen
Baukunst, die als der höchste Ausdruck christlichen Geistes durch
Menschenhand anerkannt wurde, nicht nur von Katholiken, sondern auch von
Protestanten. Ging es doch soweit, daß man von diesen beiden Seiten
die Forderung aufstellte: Kirchen müßten, um "kirchlich" zu
wirken, im Stil des 11. bis 15. Jahrhunderts geschaffen werden, der Baumeister
habe sich in den Geist dieser Zeit zu versenken und danach Angemessenes
zu schaffen. Und die Baumeister folgten begeistert diesem Ruf. Man baute
"stilvolle" Kirchen. Stil ist Ausdruck einer bestimmten Zeit. Als Semper,
der größte deutsche Architekt seiner Zeit, für die Hamburger
protestantische Nikolaikische einen ausgesprochen protestantischen und
neuzeitlichen Bau schaffen wollte, wies man ihn zurück und ließ
durch den Engländer Scott eine Kathedrale im Stil der Zeit der höchsten
Macht der Päpste, also eine Kirche, die Ausdruck dieser Zeit ist,
errichten. Scott folgte den Bahnen seines älteren Landsmannes Pugin,
der leidenschaftlich für die Gotik gegen die klassischen Formen kämpfte,
in diesem Kampf zum Übertritt in den Katholizismus geführt wurde,
dann aber bei einem Besuch von Rom mit schmerzlichem Erstaunen fand, daß
man dort seine Ansichten nicht teilte. Hat doch der weit umspannende Geist
der Kurie stets erkannt, daß die Stilfrage keine kirchliche, sondern
ausschließlich eine künstlerische sei.
Zweckmäßigkeit und Schönheit.
Wenn
mittelalterliche Bauten lange Zeit als besonders geeignet für den
christlichen Gottesdienst angesehen wurden, wenn geistliche Behörden
sich dahin verstiegen, sie für die einzig echten Offenbarungen kirchlicher
Kunst anzusehen, so bedarf es auch hier einer Auseinandersetzung mit dieser
Ansicht. Es ist besonders die Gotik hervorgehoben worden. Sie blühte
etwa von 1180 bis 1500, erlosch in einem Lande früher, im anderen
Lande später; doch kann man ihre Herrschaft auf rund drei Jahrhunderte
festsetzen. Baulich und künstlerisch tätig waren aber Christentum
und christliche Völker durch 19 Jahrhunderte; und es ist mißlich,
16 von diesen die rechte Kirchlichkeit abzusprechen. Wie aber entstand
der Entwurf einer mittelalterlichen Kirche? Darüber besteht unter
den Kunstgelehrten lebhafter Streit, nämlich ob Kleriker oder Steinmetzen
die Architekten jener Zeit waren und mithin den Bau entwarfen und ausführten.
Die Zeitgenossen sprechen zumeist nur von bauenden Bischöfen und Äbten,
die Urkunden berichten von handwerklichen Meistern. Nun aber hat die Untersuchung
der Bauten ergeben, daß die Grundformen der Raumbildung wie die Fähigkeiten
der Technik sich sehr langsam entwickelten, daß aber gewisse Hauptverschiedenheiten
in der Ausgestaltung auf liturgischen Gründen beruhen, nämlich
auf den verschiedenen Zwecken, denen der Bau zu dienen habe. Der kreuzförmige
Grundriß der Klosterkirchen hat im Norden anfangs das Bauwesen beherrscht
und ist zu immer reicherer Entwicklung gekommen. Die Wallfahrtskirche mit
dem Grabe des berühmten Heiligen stellt sich bald als ein besonderer
Typ dar. Die Zisterzienser erstrebten wieder, auf ihre Ordensregel gestützt,
Vereinfachung, Franziskaner und Dominikaner verzichteten auf das Querhaus
in ihrem Bestreben, der Predigt einen größeren Raum im Gottesdienst
zuzuweisen. Das Querhaus verschwindet dann fast ganz aus der Pfarrkirche.
All diese Änderungen waren also nicht Ergebnis ästhetisch-künstlerischer
Betrachtungen der Architekten, sondern es zeigt sich darin, daß die
Kleriker angaben, wie die Kirche zu gestalten sei: nicht etwa durch Zeichnung,
durch architektonischen Entwurf, sondern durch Hinweis auf ein Vorbild,
durch Angabe der Maße, durch Feststellung der besonderen Wünsche,
dabei dem Werkmeister überlassend, die technischen Mittel und die
künstlerische Form zu wählen, durch die der feststehende Grundplan
in die Wirklichkeit übersetzt wurde.
Der
Wandel vollzog sich hierin zuerst durch die italienische Renaissance, die
sich zum Kirchenbau ganz anders stellte. Gewiß ist es nicht richtig,
sie für "heidnisch" zu erklären, weil sie sich in ihren Formen
auf die Antike stützt. Ihre Eigentümlichkeit ist das Zurückdrängen
des Liturgischen durch vorwiegend künstlerische Erwägungen. In
hoch gespanntem Idealismus wollte sie nicht das dem Zwecke am meisten entsprechende,
sondern das schönste Gotteshaus bauen. Es trat daher die Verwendbarkeit
für den Gottesdienst vor der Absicht zurück, ein Haus von höchster
künstlerischer Vollendung zu schaffen, ein Ideal zu erreichen. Wenn
die Meister das Vollkommene im Zentralbau erblickten, wie dies Bramante
und Michelangelo für St. Peter in Rom erstrebten, so hatte das seinen
Grund darin, daß man in der Symmetrie eine der wichtigsten Vorbedingungen
der Schönheit erblickte, der Zentralbau aber nach seinen beiden Achsen
und Diagonalen vollständig symmetrisch ist. Daß der katholische
Ritus diesem Gedanken nicht zu folgen vermochte und den Altar nicht in
der Mitte des Baues, sondern am Ende einer Achse aufstellte, widerspricht
grundsätzlich dem künstlerischen Ideal der Renaissance – und
führte in St. Peter zum Hinzufügen eines Langhauses an Michelangelos
Plangebilde. Das idealistische 19. Jahrhundert sah hierin einen Abfall
von dem Künstlergeist der Renaissance, da auch dieses die Kunstform
als über der Zweckerfüllung stehend betrachtete, ja sogar im
Zweck einen Gegensatz zur Kunst erblickte.
Die
neuere Zeit hat eine Fülle neuartiger Kirchen geschaffen. Sie offenbart
ihre Größe für mich in der Art, wie sie die von der Liturgie
aufgestellten Aufgaben zu lösen verstand; so z. B. in der Frauenkirche
zu Dresden mit einem Innenraum, der der evangelischen, vor dem Altar und
der Kanzel versammelten Gemeinde ihre gottesdienstliche Absicht erfüllt,
im Gegensatz zur katholischen Kirche, der ein Prozessionswesen eigen ist.
Ich weiß sehr wohl, daß die Prozession, der Umzug in der Kirche,
nur einen bescheidenen Einfluß auf den Gottesdienst hat, meine auch
diesen nicht, sondern die zum Stehen gebrachte Prozession, die sich in
der Längenrichtung dem Altar zuwendet. Die Moschee, ursprünglich
der Heerschau der kriegerischen Gläubigen dienend, entspricht einer
soldatischen Halle; die Synagoge verliert ihr Wesen als Schule nicht: all
dies, soweit der liturgische Zweck dem entwerfenden Architekten zu klarem
Bewußtsein kam. Jedes dieser Gotteshäuser ist nur dann in seiner
Gestaltung vollkommen, wenn es dem Zwecke entspricht, dem es dient. Und
selbst der schönste, der "ideale" Bau ist um seiner Form willen "unkirchlich",
wenn er nicht den besonderen Zweck künstlerisch auszugestalten sich
angelegen sein ließ. Eine Synagoge, die wie eine evangelische Kirche
aussieht, sollte abgelehnt werden, nicht aus Gegnerschaft gegen Andersgläubige,
sondern aus den hier entwickelten Gründen, ebenso wie etwa der Bau
in Form eines griechischen Tempels – trotz der künstlerischen Meisterschaft
der Bauten der Akropolis zu Athen – für den katholischen Gottesdienst.
Das erscheint manchem vielleicht als "rationalistisch". Aber ohne ratio
geht es im Bauwesen nicht.
Auf
die hier zu behandelnde Frage, wie das Verhältnis der Denkmalpflege
zu den Anforderungen der Neuzeit sei, lautet demnach die Antwort: In der
Kirche hat der Gottesdienst das Vorrecht. Sie ist nicht ausschließlich
als Denkmal der Kunst, sondern als die Heimstätte einer kirchlichen
Gemeinde anzusehen. Und die Bedürfnisse dieser sind entscheidend.
Erst wenn die Kirche durch irgendwelche Umstände nicht mehr zum Gottesdienst
benutzt wird, gestaltet sie sich in ein reines Kunstdenkmal um, über
dessen Pflege ausschließlich der Kunstsinn zu entscheiden hat. Sonst
besteht das Kirchengebäude zum Zwecke des Gottesdienstes und ist nach
dem Grundsatz zu behandeln, daß es diesen aufs beste in sich aufnehme.
Das heißt: Man ist berechtigt, es umzubauen, zu erweitern, dem neueren
Geschmacke anzupassen – jedoch mit der Auflage, daß das ehrwürdige
Alte dabei geschont werde, soweit das irgend möglich ist; daß
lieber einige Nachteile in Kauf genommen werden, ehe man sich dazu entschließt,
unersetzliches Altes zu beseitigen: Denn das Alte ist stets unersetzlich.
Die Künstler.
Das
führt zur Frage nach dem Verhältnisse von Künstler und Kunstwerk
zur Gemeinde. Zunächst ein Beispiel aus dem Gebiet höchster Kunst.
Michelangelo erhielt den Auftrag, die glatte Altarwand der Sixtinischen
Kapelle im Vatikan mit einem Freskogemälde zu schmücken, mit
einer Darstellung des Jüngsten Gerichtes. So entstand für Papst
Pius III. das vielleicht gewaltigste Werk des gewaltigen Meisters. Es stellte
die Seligen und die Verdammten nackt dar. Der Zeremonienmeister des Papstes
sagte, es sei unschicklich, so viele nackte Gestalten an einem heiligen
Orte zu malen, das Werk eigne sich besser für eine Badestube oder
das Zimmer einer Gastwirtschaft als für die Kapelle des Papstes. Und
wirklich ließ der kirchlich strenge Paul IV. durch Daniele da Volterra
die Blößen vieler Gestalten mit Gewand übermalen. Es siegte
also in der Auffassung der Kunst der Geschmack der Benutzer der Kapelle
über den des Künstlers; aber nur, um der Mißbilligung der
Nachwelt damit zu verfallen. Es zeigt sich hier ein Zwiespalt, der sich
im kleinen sehr oft wiederholt. Wie soll sich die Kirchenverwaltung zu
künstlerischen Vorschlägen verhalten, die ihrem Geschmack und
dem der Gemeinde unerfreulich, ja vielleicht gar unerträglich sind.
Wie soll der Pfarrer sich zu Werken verhalten, die ihm als dem kirchlichen
Geist zuwiderlaufend erscheinen? Andere Beispiele hierfür: Ein protestantischer
Geistlicher erklärte Max Klingers Kreuzigungsbild für eine "ruchlose
Karrikatur des Heiligen". Als Fritz von Uhdes Geburt Christi in München
ausgestellt wurde, empörte sich die katholische Geistlichkeit über
die "Dirne, die ihr Kind im Winkel zur Welt brachte". Wer heute vor den
beiden Bildern steht, wird solche Angriffe schwer begreifen. Es sind zwei
der vornehmsten Offenbarungen ihrer Zeit, die uns deren Auffassung christlicher
Überlieferungen bekunden. Es war nicht das Christliche, was sich in
der Ablehnung der Bilder bekundete, sondern der Umstand, daß sie
dem Geschmacke, also einer rein persönlichen Auffassung widersprachen.
Man hielt für "ruchlos", was im Grunde nichts anderes war als eine
veränderte Darstellungsweise. Die Bilder stehen nicht im Gegensatz
zur Überlieferung der christlichen Kirche und ihren Lehren, sondern
nur zur Auffassung von Tradition bei künstlerisch ihrer Zeit nicht
folgenden Männern. Die Kunst schreitet fort, das ist in ihrem Wesen
begründet. Der Künstler ist berufen, in Neuland der Schönheit
zu führen. Der große Meister überwältigt den Geschmack
der Zeit, er zwingt sie, das anfangs mit Mißbehagen aufgenommene
Neue als das Bessere anzuerkennen. Denn er ist Kind seiner Zeit und Verkünder
der kommenden zugleich. Wir aber, die lediglich die Kunst Betrachtenden,
sind abhängig von der bisher geltenden Kunstanschauung, die wir für
"richtig" halten, um bald, nämlich wenn wir die Entwicklung der Kunst
miterleben, zu erkennen, daß auch wir uns wandeln. So auch in der
Auffassung der kirchlichen Kunst. Wer wird sich heute noch der häßlichen
Christusgestalten erfreuen, die vor 30 Jahren als kirchlich galten jener
Männer mit viel zu kleinem Kopf, viel zu kleinen Händen und Füßen,
weichlicher Haltung und sonderbar nichtssagendem Gesicht, bei dem nur die
übermäßig lange Nase auffällt. Der Prediger sucht
in uns die Gestalt Christi, lebendig zu machen, ihn uns als gegenwärtig
empfinden zu lassen. Er muß ihn sich selbst im Geiste gebildet haben,
um dies Ziel zu erreichen. Der wahrhaft kirchliche Künstler tut dasselbe.
Wir besitzen kein "Porträt" Christi. Die "vera effigies", die sich
in manchen Kirchen erhielt, gibt keine zuverlässige Angabe, sie stammt
erst aus später Zeit. Also ist das Bestreben berechtigt, sich Christi
Bild aus seinen Taten zu bilden. Und wie es im Lauf der Geschichte sich
so vielfach wandelte, so ist auch die Umgestaltung nicht zu vermeiden,
will der Künstler nicht zum seelenlosen Kopisten werden. Fällt
doch selbst die Photographie desselben Kopfes je nach der Auffassung der
Photographen verschieden aus.
Dem
steht entgegen, daß die Kirche eben nicht eine Lehrstätte der
Kunst ist – sie kann es sein, und es ist erfreulich, wenn sie es wird.
Sie soll aber zuerst eine Heimstätte der im Gottesdienst vereinten
Gemeinde sein. An ihr hat sich der Wandel der Stile in entschiedenster
Weise offenbart, sie dient einem Kunstgeschichtler als hauptsächlichster
Beweis für die Schwankungen in der Kunstanschauung der Christenheit.
Ob sich dieser Wandel stets unter Zustimmung der Gemeinden vollzog, ist
uns nicht berichtet. Aber der feiner Beobachtende sieht aus den Bauten
auch die künstlerischen Kämpfe heraus, die sich in der Vergangenheit
zwischen Altgewohntem und Neueingeführtem abspielten: So war es zu
Anfang des 13. Jahrhunderts, als die Gotik, zu Anfang des 16. Jahrhunderts,
als die Renaissance die alten Stile überwand. Klarer sind wir von
den Kämpfen späterer Zeit unterrichtet: über das Entsetzen,
als die Kunst des "finsteren" Mittelalters wieder aufgenommen wurde, über
den Abscheu gegen die "heidnische" Renaissance, gegen das "frivole" Barock
usw. Dann tauchte das Bestreben nach zeitgemäßer Kunst auf,
das nicht minder mißtrauisch empfangen und heftig abgelehnt wurde.
Begreiflich
ist das Streben der Gemeinden nach dem bereits Gefallenden. Man kauft lieber
fertige Werke, statt solche bei einem Künstler zu bestellen, da dies
stets die Gefahr in sich birgt, daß dieser den Geschmack der Gemeinde
nicht treffe, weil er, wenn er ein echter Künstler ist, auf diesen
Rücksicht zu nehmen ablehnt. Er will und soll ja das schaffen, was
ihn innerlich bewegt, nicht nach Beifall haschen, sondern den von seinem
ganzen Wesen bedingten Weg gehen.
Fertige
Kunst findet man aber nicht in den Werkstätten der Künstler,
wohl aber in den kirchlichen Kunstanstalten, seien sie nun reine Geschäftsunternehmen
oder von kirchlicher Seite eingerichtet. Sind die letzteren nicht besonders
gut geleitet, so klebt ihnen der Nachteil der von einem gewandten Kaufmann
geleiteten Geschäfte an, – nämlich, daß sie in Kunstindustrie
verfallen. Auch sie müssen sich an Künstler wenden, die ihnen
Modelle liefern; diese müssen dann vielfach kopiert werden. Dadurch
können die Anstalten billiger liefern als der Künstler. Sie verlangen
von ihm, daß er für den großen allgemeinen Geschmack arbeite
und daß er dies billig tue, da die Ware lange Zeit unverkauft bleibt,
also durch Zinsenverlust und Geschäftsspesen sich verteuert. Als ich
auf dem Denkmalpflegetag 1913 gewisse Anstalten damit kennzeichnete, daß
man dort den salvator mundi billiger erhalte, wenn man ihn im Dutzend kaufe,
fand ich lebhaften Beifall. Und zwar zunächst von katholischer Seite
durch den Prälaten Professor Dr. Swoboda, der namentlich darauf hinwies,
daß die Herz-Jesu-Andacht und die Marienlehre etwas viel Geistreicheres
und Kräftigeres sei, als die "christlichen faden Herz-Jesu-Statuen
und die nichtssagenden Marienstatuen": "Pofelware", wie sie viele Kunstanstalten
auf Lager hätten, und daß vielfach hierdurch wertvolle alte
Kunstwerke verdrängt worden seien. In gleicher Weise mußte ich
mich einst gegen die Geschäftsanzeigen einer für die evangelische
Kirche arbeitenden Anstalt wenden, die sich erbot, z. B. die Gemeinden
mit bunten Fenstern zu "bemustern". Bei ihr wurde eine lebensgroße
Figur mit 100 M. berechnet, wobei also, da die Herstellung solcher Glasmalereien
schon aus technischen Gründen und bei halbwegs guter Ausführung
zu diesem Preise nicht lieferbar ist, dem Künstler Schundpreise angeboten
wurden. Demgemäß ist dann auch die gelieferte Ware, die ich
als eine "Kirchenpest" bezeichnete: ein mit Beifall aufgenommenes und später
öfter herangezogenes Wort. Die Kirche soll und darf nicht der Kunst
gegenüber als "Lohndrücker" wirken, sondern soll lieber auf ein
Kunstwerk verzichten, als sich auf Anschaffungen einlassen, die ihrer Bedeutung
nicht angemessen sind. Das haben manche Kunstanstalten begriffen, die nicht
Dutzendware vertreiben, sondern sich als Mittler zwischen Kirche und Künstler
betätigen in dem Sinne, wie es gutgeleitete Vereine für kirchliche
Kunst zu tun bemüht sind.
Und
noch eins: Man klagt darüber, daß die Kunst "verweltlicht" sei.
Wie ist dies anders zu bekämpfen, als dadurch, daß die Kirche
sich der besten Künstler der Zeit annimmt, nicht aber ihnen den Eintritt
verwehrt, etwa weil Pfarrer oder Kirchenrat anderen Geschmackes sind, als
der Künstler. Die Kirche baut auf überliefertem Gut. Ihre Lehre
ist bald zweitausend Jahre alt. Aber sie soll leben in ihrer Zeit. Und
niemals ist ihr dies notwendiger als heute. Aufgabe der Kirche ist Seelsorge,
Sorge um die lebendige Seele im Volke. Und Kunst ist eine der vornehmsten
Ausdrucksformen dieser Seele.
Das
führt schließlich zu einer viel besprochenen Angelegenheit,
zu den in den Kirchen eingeführten "Nuditäten". Die Bibel sagt,
der Mensch sei nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen. Das Kleid ist das
Menschliche, Ungöttliche an der Erscheinung. – Wer die Erhabenheit
des Herrn der Welten sich vorstellen will – eine schier unerfüllbare
Aufgabe – der wird in die schwersten Zweifel kommen, wie er ein darstellbares
Bild im Geist zu gestalten habe. Man kann sich einen Zeus, einen Wodan
bildlich vorstellen, Naturgottheiten mit bestimmten menschlichen Eigenschaften,
nicht aber den Allgegenwärtigen, den über Zeit und Raum Erhabenen.
Es bleibt dem Künstler nichts übrig, als den ehrwürdigsten
Menschen zu schildern, den allem rein Menschlichen tunlichst Entrückten.
Und ebenso Christus: Ist er der körperlich Vollkommene, oder trug
er, der Träger alles menschlichen Leides, auch die Last der Häßlichkeit?
Ist er am Kreuz als der Sieger über die Sünde in seiner Glorie
darzustellen, oder als der Leidende, in seinem Menschentum elend Sterbende?
Der
Künstler denkt zuerst an die menschliche Gestalt, wenn er Heiliges
darzustellen beabsichtigt. Es gab hieratische Formen für die Verzerrungen
dieser Gestalt, die durch Herkommen als heilig angesehen wurden. Sie wirkten
auf den daran Gewöhnten als überirdisch, als außermenschlich.
Aber sie sind unkünstlerisch, nicht ein vom Künstler selbst Empfundenes,
sondern lediglich ein Angelerntes. In der Wiederholung werden sie leblos,
schematisch.
Darum
kehrt jede echte Kunst wieder zur Natur zurück. Und der natürliche
Mensch ist eben der nackte Mensch. Das Kleid ist Erzeugnis der Mode, sei
dies nun einer zur Zeit getragenen oder einer für die Künstler
gültigen Mode. Wir kennen das Kleid nicht, das Christus in seinem
Erdenwandel trug. Wahrscheinlich war es nicht dasjenige, in dem wir ihn
dargestellt zu sehen gewohnt sind. Und wie die Engel gekleidet sind, wissen
wir auch nicht. Gern stellt man sie sich kindlich vor, noch unberührt
von jener Scham, die die Gegenwirkung gegen die Sinnlichkeit ist. Künstler
wünschen sich Beschauer, die von jener Schamhaftigkeit noch so frei
sind wie die Kinder. Wenn da in einem Gemälde ein paar nackte Beine,
ein paar Frauenbrüste, ein unverhüllter Leib zu sehen ist, so
entstand das nicht, weil der Künstler die Sinne kitzeln, sondern weil
er das Edelste darstellen wollte, was der Kunst sich darbietet, die gottgewollte
Schönheit des menschlichen Leibes, den packendsten Ausdruck für
die geistigen Strömungen, die sich in den Bewegungen der Glieder,
des Kopfes zeigen.
Die Stilfrage.
Es
gab Zeiten, die im Geiste lange vergangener Tage künstlerisch zu schaffen
bemüht waren. So z. B. in Ägypten, im Rom des 1. nachchristlichen
Jahrhunderts. Man nennt solche Zeiten archaistisch, altertümelnd,
im Gegensatz zu archaisch, dem echten Alten. Man nennt sie wohl auch hieratisch,
weil diese altertümliche Form sich namentlich an gottesdienstlichen
Denkmälern zeigt, so an jenen der späten Ägypter, deren
Priesterschaft in der Erinnerung an vergangene große Zeiten lebte;
so im alten Rom, wo man bei verfallender Gläubigkeit die aus der Frühzeit
stammenden Darstellungen der Gottheiten in ihrer steifen Zierlichkeit nachzuahmen
suchte. Mit der Renaissance des 15. Jahrhunderts setzte eine ähnliche
Bewegung wieder ein: das Griechen- und Römertum gewann Einfluß
auf die Künstler. Aber sie nahmen das Antike nicht als eine mit wissenschaftlicher
Strenge zu befolgende Regel, sondern sie bewahrten ihre eigne starke völkische
Kraft, schufen selbständige nationale Stile, die sich bei Anlehnung
an einzelne Hauptformen der Alten doch in überraschender Selbständigkeit
fortentwickelten. Erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts verschärften
sich die archaistischen Bestrebungen, die Sehnsucht, die Antike in ihrer
Reinheit wieder aufleben zu lassen. Und nun erstreckte sich seit Beginn
des 19. Jahrhunderts dasselbe Bestreben auch auf die Kunst des Mittelalters.
Malerei, Bildnerei und Baukunst wurden hieratisch, wie dies die griechisch-orthodoxe
Kunst zu allen Zeiten geblieben war. Es bildete sich im Schaffen ein Gegensatz
heraus, indem ein besonderer kirchlicher Stil entstand im Widerspruch gegen
alles, was als "modern" für unkirchlich erklärt wurde. Modus
heißt das Maß, das Ziel, die Art und Weise; maniera moderna
nannten die Italiener des 15. Jahrhunderts das nach neuzeitlicher Art und
Weise Geschaffene: aber nicht in unserem Sinne, sondern sie nannten maniera
antica die Kunst des Altertums, modern die spätere, nun bekämpfte
gotische Kunst. Im 19. Jahrhundert drehte sich die Sache um: Modern heißt
nun die neuzeitliche Art und Weise im Gegensatz zu jedem alten Stile. Und
weil überall nach dem Vorbilde der Vergangenheit geschaffen wurde,
so kam man zu der Ansicht, die hieratische Schaffensweise sei der Ausdruck
des 19. Jahrhunderts; eine eigene Art und Weise, eigenen Stil habe dieses
nicht, und jeder Versuch, einen solchen zu schaffen, führe auf Irrwege,
eigne sich namentlich nicht für die Kirche. Das Aufblühen der
geschichtlichen Forschung, die zahlreich entstehenden Veröffentlichungen
über Werke der Vergangenheit brachte den Künstlern immer neuen
Stoff zur nachahmenden Verarbeitung, die Erkenntnis der Schönheit
früher entstandener Kunstwerke vertiefte und verbreitete sich immer
mehr, so daß das Aufnehmen eines bisher mißachteten Stiles
der Vergangenheit für das neue Schaffen als eine "moderne" Tat angesehen
wurde. Zugleich schritt die Kenntnis aller dieser Stile in ihrer Eigenart
immer weiter, so daß das Neuentstandene immer "echter" wurde, d.
h. daß immer mehr auch dem Fachmann die Unterscheidung zwischen wirklich
echt Altem und ihm Nachgeahmten immer schwerer wurde.
Alle
jene Künste, die in der Natur ihre Vorbilder suchten, waren von solchen
Bestrebungen freier. Man erkannte z. B. sehr wohl, daß die Bildnerei
und Malerei des Mittelalters die Natur nicht ganz richtig oder doch einseitig
erfaßt hatte. Am Zeichnen nachdem Nackten erkannte man, daß
die Antike hierin weiter fortgeschritten war. Immer wieder Rat holend an
älterer Kunst, machten sich Malerei und Bildnerei nach und nach immer
freier, wurden zu einem bewußten Ausdruck unserer Zeit. Schwerer
kämpften sich die Baukunst und das Kunstgewerbe los, bis zu Ende des
19. Jahrhunderts sich auch hier ein bewußtes Loslösen von der
Vergangenheit zeigte, in stürmischer Bewegung, bei der die Verneinung
stärker war als die Bejahung. Dem Verzicht auf die alte Formensprache
kam der Wert der neuen zumeist nicht gleich, somit den am Alten Hängenden
den Beweis liefernd, daß ein solches Streben überhaupt verfehlt
sei und zu Mißbildungen führen müsse. Es entstand der sogenannte
"Jugendstil", der jetzt zu Unrecht verhöhnte. Denn wenn auch seine
Erzeugnisse meist verfehlt sind, so gab er doch die Erlösung zur Selbständigkeit.
Und die Folge war, daß sich ein deutscher Baustil unserer Zeit zu
entwickeln begann, der als solcher mit Anerkennung oder Mißbilligung
vom Ausland scharf erkannt, für uns aber durch sachliche Durchbildung
immer bedeutungsvoller wurde. Nicht mehr fordern wir Verzicht auf alles
früher Geschaffene, aber auch nicht mehr leben wir in dem Gedanken,
daß jedes Werk die Merkmale einer vergangenen Zeit "stilrein" zu
tragen habe um künstlerisch zu sein; daher galt nun die Freiheit im
Bilden der aus dem Zwecke entwickelten Form. Und dies ist heute noch das
heiße Bemühen der führenden Künstler.
Die
Losung im kirchlichen Bauwesen heißt daher nicht mehr, man solle
in kirchlichen Stilen bauen, sondern man solle so bauen, wie es die kirchlichen
Anschauungen und das im Gottesdienst ausgedrückte kirchliche Wesen
fordern. Der Bau soll das Verhältnis der Gemeinde zur Kirche und das
Verhältnis der Kirche zur Gemeinde ausdrücken. Wie eine indische
Gemeinde nicht gut tut, gotisch zu bauen, sondern indisch, so soll eine
deutsche Gemeinde deutsch bauen. Wir wollen nicht aufhören, geschichtlich
die Vergangenheit zu durchforschen, aber nicht um daraus zu lernen, in
deren Art unser Verhältnis zu den höchsten Fragen auszudrücken,
sondern um zu erkennen, wie sehr jede Zeit den für sie eigenartigen
Ausdruck hierfür fand. Wir wollen uns z. B. nicht bloß der gewaltigen
technischen Erfindungen erfreuen, auf denen die Gotik beruht, nämlich
derjenigen im Wölbbau; sondern wollen die Erfindungen und Fortschritte
unserer Zeit der Kirche wie dem übrigen Bauwesen zur Verfügung
stellen. Kirchlich ist kein Stil; es ist dies jeder Stil, der auf das kirchliche
Wesen sachgemäß angewendet wird. Es gibt kein katholisches Kirchengesetz,
das einen bestimmten Stil als kanonisch erklärt hat. Es gab zwar für
die lutherischen Kirchen das sogenannte Eisenacher Programm, das die mittelalterlichen
Stile als kirchlich empfahl. Aber längst haben die Kirchenregierungen
und die Gemeinden dies als für sie bindend abgelehnt. Als der Erzbischhof
von Köln für seine Kirchenprovinz in gleicher Weise die mittelalterlichen
Stile für Neubauten empfahl und vor der Moderne warnte, fand er alsbald
Widerspruch. Schwerlich hat sein Wort heute noch Gesetzeskraft. Prälat
Dr. Swoboda sagt: "Die Kopie gehört in die Schule, und für das
künstlerische Leben gehört die Form der Entwicklung."
Es
ist also unberechtigt, wenn man vom Künstler für die Kirche einen
bestimmten Stil fordert. Und es führt meist zu Mißgriffen: Ist
die Madelaine in Paris nicht ein solcher, bei der die Kirche sich in die
Maske eines römisch-heidnischen Tempels einhüllt? Sind es die
protestantischen Kirchen nicht, die sich in vorreformatorische Gewandung
stecken? Sind es die "orientalischen" Synagogen nicht, die den Stil des
islamischen Lustschlosses Alhambra in Granada als besonders jüdisch
so lange Zeit hinnahmen!
Daher
löst sich die Stilfrage von selbst: Behandelt sie so, wie es unsere
Altvorderen taten! Wenig Kirchen, namentlich wenig Dome sind einheitlich
im Stil. Ihr Bau dauerte oft Jahrhunderte, und nie hat der spätere
Meister versucht, im Stil des älteren zu arbeiten. Neue Gedanken,
neue Werkformen, neue Arten des künstlerischen Ausdrucks traten auf,
und jeder Meister folgte den Eingebungen seiner Zeit, fügte sein Werk
dem Alten an in der Erkenntnis, es werde mit diesem zusammenpassen, wenn
es aus gleichem Geist hervorging. Und wir sehen, daß diese Erkenntnis
nicht trügt, sobald wir die Dinge nicht mit vorgefaßten Stilbegriffen
vermengen. Sie schafft den Eindruck des Altehrwürdigen, denn an dem
Wechsel ihrer Formen erkennen wir die Jahrhunderte, die am gemeinsamen
Werk schufen.
Vom guten Geschmack.
Viel
Unheil wurde dadurch angerichtet, daß Kirchenverwaltungen sich auf
den "guten Geschmack" der bei ihnen leitenden Persönlichkeit verließen.
Oft sah ja der verantwortliche Geistliche in seinem Geschmacksurteil, seiner
Ansicht über häßlich und schön einen Prüfstein
hinsichtlich seiner seelsorgerlichen Pflichten der Gemeinde gegenüber:
um dieser Pflichten willen wollte er das von ihm als häßlich
Empfundene vom Gotteshaus fernhalten, in der ehrlichen Meinung, schön
sei, was ihm gefalle und häßlich, was ihn abstoße. Er
warf etwa seinen Vorgängern im Amte vor, sie hätten das Häßliche
geduldet. Er machte ihnen daraus einen Vorwurf oder entschuldigte sie nur
mit geistiger Schwäche, die eben in einem schlechten Geschmack bestanden
habe. Er konnte sich nicht vorstellen, daß das Getadelte einem früheren
Geschlecht gefiel und daß das uns Gefallende dem nächsten Geschlechte
als unschön erscheinen wird. Denn es besteht naturgemäß,
wie gegen das aufkommende Neue, unserem Gewohnheitsgeschmacke Widersprechende,
so auch gegen das überwundene Alte, von der neuen Gewohnheiten Abgelehnte
ein starker Widerwille. Der einzige Weg, der uns vor Fehlgriffen behüten
kann, ist: Bewahrt das Alte, ob es Euch nun gefällt oder nicht. Und
gestaltet das Neue nach dem Stande der zeitgenössischen Kunst in dem
Bewußtsein, daß es an einen Ort kommt, der es bewahren wird
und an dem kommende Geschlechter unser Schaffen beurteilen werden: Gebt
ihnen einen Beweis vom Ernste unseres Willens zum Guten.
Wir
wollen uns also nicht auf unseren Geschmack verlassen, nicht auf den der
Geistlichen, aber auch nicht auf den der Sachverständigen, der Kunstgelehrten,
und Künstler, die sich auf ihren feiner ausgebildeten Geschmack berufen.
Tausende von wertvollen Kunstwerken sind zerstört worden, infolge
von Werturteilen, die oft von hervorragenden Sachverständigen ausgingen,
Werturteile, die ganze Akademien abgaben und die wir Nachlebenden jetzt
als erheiternde Entgleisungen belächeln. Das hat uns gelehrt, im Hinblick
auf ästhetische Werturteile bescheiden zu werden. Der Kunsthändler
weiß, was ein Kunstwerk "wert" ist. Er weiß, was auf dem Kunstmarkt,
auf Versteigerungen für ein solches gezahlt werden wird. Aber er weiß
auch, daß derselbe Gegenstand in einigen Jahren vielleicht das Doppelte,
vielleicht die Hälfte "bringen" wird. Der Denkmalpfleger aber hat
mit Kunsthandel nichts zu tun. Er soll daher nicht nach einem Werturteil
über Erhaltung oder Entfernung eines Denkmals entscheiden. Es ist
ja in der Regel auch nicht in die Kirche gebracht worden, weil es schön
sei, sondern um eines Zweckes willen, der die schöne Form als allein
ihm angemessen fordert.
Der
Pfarrer hat Recht, wenn er erklärt, seine Kirche sei kein Museum,
das den Zweck habe, Kunstwerke zu beherbergen und die Pflicht habe, Minderwertiges
aus seinem Bestände auszuschließen. Gerade den Pfarrer als berufenen
Denkmalpfleger darf der ästhetische Teil seines Amtes nicht einseitig
beherrschen. Es soll das für die Kirche zu Schaffende in höchst
erreichbarem Maße den Gottesdienst zu fördern berufen sein.
Daß das Häßliche dies nicht tun kann, ist klar. Daß
es ein dem Geiste der Gemeinde widersprechendes Schönes auch nicht
tut, ebenso: Man kann erwarten, daß ein solches die Gemeinde zu einer
höheren, besseren Auffassung von Kunst erzieht. Und in Künstlerkreisen
besteht diese Ansicht und mithin der Wille, das Volk zur Kunstanschauung
des Künstlers zu "bilden", d. h. meist umzubilden. Denn es erscheint
als durch die ältere, nun bekämpfte Kunst "verbildet". Die Erfahrung
belehrt uns aber, daß auch auf die neueste Kunst eine noch neuere
folgen wird. Es hat sich stets als ein Fehler erwiesen, wenn Kirchen grundsätzlich
sich für irgendeinen Stil festzulegen versuchten. Ihr Grundsatz ist
und soll sein: Wie die Ausübung des Gottesdienstes nicht an Ort und
Zeit gebunden ist, so auch nicht an einen Stil und eine bestimmte Kunstform:
Nur in der Zeit und in dem ihr anhängenden Volke soll die Kirche leben,
sie soll die lebendigen, starken und ernsten Kräfte in sich aufnehmen,
um durch den Geist der Zeit auf die Zeitgenossen zu wirken. Wie alt sie
auch ist, soll sie doch selber kein "Altertum" sein, sondern lebendigstes
Leben. Als eine ständig sich Verjüngende soll sie sich der Ehrwürdigkeit
nicht entblößen, die das Alter verleiht. Und dieses offenbart
sich ja gerade in den Denkmälern der Vergangenheit.
So
ist der Wunsch zu verstehen, daß die Kirche am Überlieferten,
an der "Tradition", hängt. Diese bezieht sich auf die Fragen des Glaubens,
nicht auf die der Kunst. Mit dieser haben die Zeiten ihr gedient, je nach
ihrer besonderen Weise. Wenn die griechisch-orthodoxe Kirche diesem Grundsatze
nicht folgte, wenn sie für die Kirche künstlerischen Stillstand
durch Wiederholung einmal für heilig erklärter Bilder forderte,
so gelang ihr dies nicht in der Hauptsache, in der architektonischen Gestaltung,
wohl aber in der Malerei. Aber der Sieg, den sie erfocht, scheint mir für
die Kirche kein Segen, für die Kunst ein schweres Hemmnis geworden
zu sein. Denn sie schaltete das lebendige Leben der Gläubigen, die
selbständige Äußerung des Kunstgeistes, dieses Gebet der
Schaffenden, aus.
Geschmack
ist nach Kant der sensus communis aestheticus die Übereinstimmung
Vieler, Aller in schönheitlichen Fragen bei der Beurteilung eines
Gegenstandes durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen. Andere haben
ihn als die Fähigkeit bezeichnet, das Schöne vom Häßlichen
zu unterscheiden, als ein Werturteil über Dinge von deutlich bestimmter
Richtung. Aber überall hapert es mit der Übereinstimmung im Geschmacksurteil.
Will man diese annehmen, so kommt man in ungezählten Punkten zu einem
Absprechen oder Zuerkennen des richtigen Geschmackes am Urteilenden, je
nachdem, ob seine Äußerungen mit unserem Geschmack oder dem
einer Mehrheit übereinstimmen. De gustibus non est disputandum, über
Geschmacksachen läßt sich nicht streiten. Streiten kann man
in Dingen, in denen sich Recht von Unrecht trennen läßt. Aber
das Schöne ist eben nicht logisch zu erfassen, die Freude an ihm,
die Ablehnung des Häßlichen erfolgt aus Gefühlsregungen,
die durch Gründe nicht greifbar sind. Jeder erlebt, daß Dinge
die ihm heute gefielen ihm, morgen nicht mehr behagen, und umgekehrt. Sein
Werturteil ändert sich, nicht weil er selbst vom guten zum schlechten
Geschmack umsattelte, sondern weil er ein Anderer geworden ist und ihm
nun das seinem veränderten Wesen Entsprechende gefällt. Wir können
nicht Anderen oder unserem früheren Ich den gesunden Menschenverstand
absprechen, weil wir mit ihm nicht in Geschmacksachen übereinstimmen,
ebenso wie wir uns verbitten, daß man uns den Verstand abspreche.
Geschmack
ist das Erzeugnis einer Erziehung, die uns durch das ganze Leben umbildend
begleitet. Wer sich über das Wesen des Geschmackes unterrichten will,
tut gut, seine Gedanken zunächst nicht auf die Werke der hohen Kunst
zu richten, sondern auf die alltäglichen Äußerungen des
Geschmackswandels, also auf das, was wir Mode nennen. Diese ist nirgends
klarer zu beobachten, als in der menschlichen Kleidung, namentlich jener
der Frauen. Denn diese beschäftigen sich mehr mit der schönheitlichen
Form ihrer Kleidung, sind unermüdlich am Werke, diese zu ändern,
in der Absicht sie zu verbessern, ihren Geschmack an ihr zu betätigen.
Da sieht man mächtige Strömungen nicht nur über die Stadt,
das Land, sondern nahezu über die ganze zivilisierte Erde schreiten,
die den, der den Wahn hat, erhaben über ihnen zu stehen, doch mit
sich fortreißen, selbst wenn er im eigenen Kleide sich ihnen nicht
anschließt, ja wenn er die Modeausschreibungen heftig zu bekämpfen
sich berufen fühlt. Er merkt, bald an der Unfruchtbarkeit seiner Bemühungen,
daß er da nicht gegen vereinzelten bösen Willen, sondern gegen
eine unwiderstehliche Macht kämpft, gegen eine Führung der Geister,
deren Führer nicht zu erkennen ist; gegen einen geheimen Willen, der
von keinem Einzelnen ausgeht und dessen Einfluß abzulehnen Anderen
nicht leicht zuzumuten ist. Moden sind ein Zeitausdruck, über den
der das neue Kleid Tragende nur sehr beschränkte Macht besitzt.
Denn
es gibt kein Kleid, selbst keine Amtstracht, die nicht aus Mode hervorging,
und es fragt sich nur, ob man die Mode von heute ablehnen, oder bei einer
vor zwei, vor zwanzig oder vor zweihundert Jahren gültigen beharren
will. Ist es doch z. B. nicht schwer, die "Nationalkostüme", die Bauerntrachten,
auch die der Geistlichen auf jene Zeit zurückzuführen, aus denen
ihre Eigenart stammt. Wer die Trachtenkunde beherrscht, erkennt ohne viel
Mühe, welchem Jahrhundert eine bestimmte Form der Kleidung entlehnt
ist. Und zwar deutet sie meist auf höchstens zwei bis drei Jahrhunderte
zurück. Die Mode "macht" auch Niemand, sie "kommt!" Auch die vornehmste
Frau läßt sich ihr Kleid nicht aus einem Stoff herstellen, dessen
Muster sie selbst entwarf, wählt keine Farbe, die nicht vorher irgendwo
ein Farbenchemiker herstellte, führt ihre Geschlechtsgenossinnen nicht
zur Nachahmung ihrer eigenen Tracht, wenn nicht tausend fleißige
Hände jahrelang vorher die Mittel schufen, die die Mode braucht. Denn
es heißt dann die Anforderungen von Millionen Käuferinnen zu
befriedigen. Diese können ja nur das anschaffen, was der Kaufmann
auf Lager hat; und der Kaufmann kann nur das den Kunden vorlegen, was lange
vorher die Webereien schufen; und die Weberei kann nur das herstellen,
was der Musterzeichner und ihre sonstigen Hilfskräfte vorher entwarfen.
Da spielen vielerlei ineinandergreifende Kräfte mit, die aber ihrerseits
nur das durchsetzen können, was "gefällt", d. h. was dem von
ihnen vorher zu erforschenden Gange der in ständigem Wandel befindlichen
Geschmacksrichtungen entspricht. Mode entsteht also aus der Führung
der Modeindustrie, die mit feinem Gefühl den Geschmack auf ihre Bahnen
zu lenken versteht, indem sie die Richtung voraus erkennt, die er in naher
Zukunft machen wird. Indem die Industrie dem Geschmackswandel folgt, beherrscht
sie ihn, lenkt sie ihn in ihre Bahn.
Das,
was im täglichen Leben Mode heißt, nennen wir, auf die Kunst
übertagen, Stil. Hierunter versteht die Kunstgeschichte die Übereinstimmung
des Werkes mit dem Zeitempfinden oder mit den Anforderungen des Stoffes,
aus dem das Werk gebildet ist. Man redet daher von einem Zeitstil und einem
Materialstil. Die Aufgabe, die während des 19. Jahrhunderts die Kunstgeschichte
beschäftigte, bestand im wesentlichen darin, die Zeitstile zu erforschen,
und zwar nicht nur die in Deutschland zur Herrschaft gelangten, sondern
die aus aller Welt. Galt um 1800 fast nur die Antike als wahre Kunst, so
daß man in der Nachahmung dieser das Heil alles zeitgenössischen
Schaffens erblickte und daher Kirchen wie Bethäusern, Theatern wie
Schlössern die Formen griechischer und römischer Tempel aufnötigte,
so folgte bald ein geschichtlicher Stil nach dem anderen, nordische Gotik,
italienische Renaissance, Barock und Rokoko in der Aufnahme in der als
"gut" bezeichneten Stile, ja sie erstreckte sich auf japanische und islamische
Formen, endlich bis zur Erkenntnis des Wertes dessen, was man Volkskunst
nannte, also auf das Schaffen der großen Menge, und sogar auf die
Kunstäußerungen auch der "Wilden". Das heißt also: Unzählige
Dinge, die man durch Jahrhunderte oder in weiten Teilen der Welt als abschreckend
häßlich angesehen hatte, betrachtete der Kunstgelehrte mit Teilnahme,
ja mit Liebe; sie waren ihm zu einem Schönen geworden, für dessen
Anerkennung als solchem er lebhaft eintrat. Und die Künstler folgten
ihm auf diesem Wege. Heute berufen sich viele hinsichtlich des Wertes ihrer
Werke und deren Anspruch auf Schönheit auf die Kunst der "primitiven"
Völker, selbst auf die von Negern, weil sie in deren Erzeugnissen
eine unmittelbarere Äußerung der Empfindung erblicken, als bei
jenen Völkern, deren Werke auf eine lange Schulung ihrer Schaffenden
zurückgehen.
Diese
Vorgänge lehren, daß die Übereinstimmung im Geschmack aller
mit Verstand Begabten eine unerfüllbare Sache ist. Der Japaner wird
seine Kunst für besser halten, zum mindesten für sich und sein
Volk geeigneter finden, wie etwa die griechische; der moderne Europäer
sucht leidenschaftlich nach selbständigem Ausdruck seiner Gedanken;
und der vielseitig gebildete Kunstgelehrte wird Werturteile nur in dem
Sinne zu geben versuchen, ob ein Werk innerhalb seines Stiles die Zeitstimmung
mehr oder weniger stark ausgeprägt zeigt. Er sucht im Werk den schaffenden
Meister, er sucht ihn und die Bedingungen seines Schaffens zu ergründen
und das Erreichte am Gewollten zu messen. Er will aber nicht das zeitlos
Schöne, d. h. das allen Zeiten Gefallende erwarten. Denn Jahrhunderte
hindurch wurde die Kunst der Griechen so wenig geachtet, daß man
ihre Werke verfallen ließ oder absichtlich zerstörte; und Jahrhunderte
hindurch galten die Dome des Mittelalters als geschmacklose Anhäufungen
krausen Ornaments. Es gibt keine Kunst, die allezeit gefallen hätte:
Fragt einen jungen modernen Künstler unserer Tage, was er von Rafael
halte, und redet mit ihm über die Gründe, die er für die
Ablehnung von dessen Kunst hat: Vielleicht überzeugt er euch nicht,
aber ihr werdet ihm den gesunden Menschenverstand nicht absprechen können.
Das heißt: Die tiefere Erkenntnis vom Wesen verschiedenartigster
Kunst und die genauere Beobachtung der zeitgenössischen Kunstbewegung
hat gelehrt, daß eine Übereinstimmung des Geschmackes nie bestand
und daß sie in einer geistig hoch stehenden Zeit nicht bestehen kann.
Erzählt uns doch die Geschichte der Kunst dort, wo die Quellen einen
genaueren Einblick gestatten, vom heißen Kampf der Führer in
Geschmacksfragen, der Künstler. Längst haben wir erkannt, daß
diesem Kampfe kein endlicher Friede beschieden ist, daß dieser wohl
zwischen den einzelnen Menschen, nicht aber zwischen anstrebenden Geistern
hergestellt werden kann. Damit schwinden denn auch Geschmacksurteile, wie
die vom Erblühen und vom Verfall einer Kunst, denn jede Kunstbewegung
trägt diese beiden Elemente in sich. Es setzt sich ein Neues an Stelle
des Alten, weil eben die Geschmacksübereinstimmung nicht vorhanden
war. Auch darüber, ob man sich im Aufstieg oder im Verfall befinde
oder darüber, wie ein Nachlebender auf Grund des "historischen Abstandes"
einen Zeitabschnitt zu beurteilen habe, fehlt uns das Urteil; hier scheitert
selbst die "Objektivität" der Wissenschaft.
Der
Wechsel im künstlerischen Schaffen, im Stil, ist ja nicht die Folge
eines bösen Willens, einer eigenwilligen Schwäche, eines Versagens
der Kraft; sondern er entwickelt sich aus psychologischen Gründen,
ebenso wie in der Mode, denn diese kommt nicht von ungefähr, sie vergeht
auch nicht grundlos. Hat der Geschmack eine Anordnung erfaßt, ist
sie ihm zum Schönen geworden, so werden die Möglichkeiten ausgespürt,
um sie fortzubilden. Wir wissen, daß dies bald zu Übertreibungen
führt. Man denke nur, wie das weitfaltige Frauenkleid sich zur Krinoline
entwickelte – um von neuzeitigen Modevorgängen nicht zu sprechen.
Die Lust am Neuen, am Selbständigen betätigt sich an der Anordnung,
bis sie zu ihren letzten Folgerungen gebracht ist. Wenn aber nichts Neues
mehr mit ihr anzufangen ist, wenn sie in ihrer Weise zur Vollendung geführt
ist, so bricht die Anteilnahme an ihr jäh ab. Dann tragen nur die
in ihrem Fortbildungsdrange Erschlafften die alte Kleidform weiter, solche,
die den Hohn der Modernen auf sich lenken: Seht dort, Frau X trägt
das Kleid auch heute noch, in dem sie voriges Jahr uns so sehr gefiel –
wie unmodern, wie häßlich! Und daneben steht ein Künstler,
der einst mit vollen Segeln im Fahrwasser der Moderne fuhr und jetzt bei
seinen Jugendidealen verharrt – ein abgetaner Mann: denn das, was er erstrebte,
ist längst von anderen erreicht, sein Schaffen erscheint den neuen
Zielen Zustrebenden als zwecklos, sein Werk als veraltet, seine Kunst als
erledigt.
Hundertfach
ist das Schicksal führender Künstler erzählt worden. Sie
treten mit einer neuen Auffassung dessen, was von der Kunst zu fordern
sei, auf, sie schaffen Dinge, die den das Alte Gewöhnten peinlich
überraschen. Denn sie erscheinen ihm geschmacklos, häßlich
– das heißt aber doch nur, dem Geschmack des Beschauers widersprechend.
Die älteren Künstler, die andere Wege wanderten, verurteilen
die neue Kunst als "falsch", als Abfall vom "Ideal", d. h. vom alten Ideal,
das als das einzig berechtigte beweislos hingenommen wird. Die Ästhetiker
hatten freilich bewiesen, daß jenes Ideal das richtige sei, und sie
beweisen nun, das Neue sei ein Irrtum Der "hypermoderne" Künstler
findet auf der ganzen Front heftigen Abscheu, schwerste Verurteilung. Regen
sich in der Öffentlichkeit für ihn günstige Stimmen, so
klagt man über die der Reklame zugängliche Kritik. Der Kampf
setzt ein. Nach zehn Jahren ist der Sieg der neuen Kunst erfochten, nach
zwanzig Jahren schütteln die stets weiser sich dünkenden Nachlebenden
den Kopf darüber, daß man sich einst über Selbstverständlichkeiten
erhitzte. Die neue Kunst ist ja nun auch wieder durch die neueste verdrängt.
Die Größe eines Meisters erkennen wir in der Macht, mit der
er den Geschmack seiner Zeit umwandelt und an der Dauer seines Einflusses.
Kunst und Wissenschaft.
Kunst
ist nicht Glaube und nicht Wissenschaft. Es gibt in ihr keine Hierarchie
und keine Unrichtigkeit im Sinne der Logik. Theologie und Philosophie bieten
keine rechte Handhabe zum Verstehen künstlerischer Fragen. Ihr gegenüber
haben wir nur eine Macht, nämlich die Fähigkeit, uns an sie auszugeben,
und damit sie in uns aufzunehmen. Man tritt vor das Kunstwerk wie vor einen
Fürsten, indem man wartet, ob es uns anrede. Und erst wenn es dies
tat, lernen wir es verstehen. Wer nie die Überlegenheit des Kunstwerkes
über uns, die Betrachtenden, erlebte, wer nie ergriffen von seiner
Gewalt vor ihm stand, selbst sprachlos, aber voll inneren Schauens, der
ist nicht auf dem Wege, aus Kunst den wahren Vorteil zu ziehen: zu erkennen,
daß sie das Mittel ist, unseren Geschmack zu schaffen, nicht aber
Gegenstand der Prüfung durch unseren Geschmack. Man vergesse nie,
daß man sich beim Betrachten eines Kunstwerks in Beziehung zu einem
Schaffenden stellt, einem Mann meist von höherer Einsicht in Kunstfragen,
wie es der Betrachter ist – und daß die Frage an das Kunstwerk nicht
heißen soll: Wie gefällst du mir? sondern umgekehrt: Inwieweit
bin ich befähigt, dich zu verstehen? Es ist nicht eine einseitige
Prüfung, der das Kunstwerk unterliegt, wie dies wohl mancher, Kritiker
sich einbildet, sondern es wird ein Verhältnis zwischen Kunstwerk
und Beschauer hergestellt, bei dem freilich der Beschauer zunächst
das Wort hat, ein Wort, das aber bald genug auf seinen Wert geprüft
wird. Nach wenig Jahren erscheint der höhnende Kritiker als eine lächerliche
Gestalt, weil er ein über seinem Erkennen Stehendes aus geistigem
Unvermögen für minderwertig erklärte. Er urteilte nach seinem
Geschmack.
Aus
all diesen Gründen mögen sich die Kirchenverwaltungen jene Ästhetiker
vom Halse halten, die erklären, die "ewigen Gesetze des Schönen"
zu kennen. Es mögen sehr wohlmeinende und sehr gelehrte Leute sein,
aber ihre Wissenschaft reicht nicht aus zum Beurteilen des Schönen.
Namentlich jene sind gefährlich, die eine sogenannte "normative Ästhetik"
treiben, eine solche, die der Kunst Gesetze vorschreiben will. Noch gibt
es kein solches, wenn man nämlich unter Gesetz eine Willensforderung
versteht: Du mußt oder sollst, wenn du nicht Strafe haben, unvernünftig
denken, wirken, schaffen willst! Die Kunst muß nichts sollen und
soll nichts müssen. Man kann Forderungen an das einzelne Kunstwerk
stellen: Es soll auf dem Altar stehen, es soll diesen oder jenen Gedanken
etwa im Sinne des Tridentiner Konzils darstellen, es soll auf die Gemeinde
eine bestimmte Wirkung ausüben, belehrend, zum Gebet anreizend, Stimmung
verbreitend – aber das alles sind nicht Gesetze der Kunst, sondern Anforderungen
der das Werk Bestellenden oder Betrachtenden. Ein ehrlicher Künstler
lehnt die Ausführung des Kunstwerkes ab, wenn solche Anforderungen
seinen schöpferischen Willen beeinträchtigen. Aber sie berühren
nicht eigentlich diesen Willen, der auf Sichtbarmachung eines innerlich
Erschauten gerichtet ist, auf Äußerung eines Empfundenen mit
der Absicht der Übertragung auf Andere.
Der Wert alten Kunstbesitzes.
Die
Kirchenvorstände mögen sich allezeit des Umstandes bewußt
sein, daß sie Verwalter eines Erbes sind: nicht selbst Erben, sondern
Vorerben, die das Gut einem Nacherben zu überliefern haben. Die Kirche
ist gebaut und mit vielerlei Dingen ausgestattet, nicht damit sie denjenigen
allein diene, die all dies schufen, sondern mit dem Willen, daß nicht
nur das lebende Geschlecht Gott die Ehre erweise, sondern auch alle Kommenden.
Diese erben das Gut mit der Auflage, daß sie es zu erhalten haben.
Und wenn eine Gemeinde einem Wohltäter der Kirche ein Denkmal in der
Kirche aufstellte, so tat sie das, um von diesem der Nachwelt Kunde zu
geben. Sie verpflichtete also diese zum Erhalten der Dankesbekundung durch
die Aufwendung, die ja auch den Nachlebenden zugute kommt. Ein schlechter
Erbe der, der zwar das hinterlassene Gut annimmt, den Geber aber vergißt
und sein Gedächtnis verfallen läßt, die mit dem Gute übernommene
Verpflichtung nicht durchhält.
Es
kommen Kunstverständige in die Kirche, die deren Verwaltung anklagen,
weil sie in dem schönen Bau Dinge dulde, die nicht hineinpassen, die
vielleicht einen anderen Stil haben oder an sich unschön sind. Es
ist namentlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Zeit, in der man
Stilübereinstimmung in allen Teilen des Baues als ästhetische
Forderung aufstellte, grausam in den Kirchen durch die damaligen Kunstverständigen
gehaust worden, ein Tun, dessen man sie jetzt bitter anklagt. Denn es kamen
die Zeiten, die das Schaffen dieser Künstler als ebenso verkehrt wie
ihr Verhältnis zur älteren Kunst bemängelten und in denen
der Wunsch auftauchte, das Ältere wieder in die Kirche hineinzutragen,
wenn es noch aufzufinden sei, oder es durch neuere Nachahmungen zu ergänzen,
dagegen aber die Kunst jener ästhetischen Bilderstürmer wieder
aus den Kirchen herauszunehmen. Das hieße den Kirchen den ehrfurchtgebietenden
Zug der Geschichtlichkeit nehmen und sie zum Kampfplatz der Stile, endlich
der Kunstmoden machen: Wenn Ihr zur Ansicht gekommen seid, daß Eure
Väter künstlerische Fehler machten, so ertragt sie nicht nur
um der Väter, sondern auch um der Enkel willen, damit nicht auch diese
Euer Tun als fehlerhaft wieder vernichten. Laßt die Zeiten gewähren,
soweit es ihnen einst um ihr Tun ernst war, und kämpft nicht mit den
Toten!
Der
Wert des in der Kirche Befindlichen ist sehr verschieden: Da spricht zunächst
der Alterswert. Der "praktische" Mann schätzt diesen wenig. Er bevorzugt
das Neue. Denn die Zeit wirkt schädigend auf jedes Gebilde von Menschenhand,
es verfällt. Es wird daher weniger verwendbar, weniger geschickt zur
Erfüllung seines Zweckes. Leicht taucht der Gedanke auf, es durch
Neues zu ersetzen, das dem Zwecke dienlicher gestaltet werden soll. Auch
haben die Zwecke sich geändert. Soll man Altes, seinem Zwecke nicht
mehr vollständig Entsprechendes, Gebrechliches erhalten, nur weil
es alt ist? Soll man sich um diese Erhaltung bemühen, wie man sich
etwa um die Lebenserhaltung eines gebrechlichen Greises bemüht? Es
wird nicht immer leicht sein, die Ansichten der Gemeinde dahin umzustimmen,
daß sie auf diese Frage mit Ja! antworte.
Der
Alterswert wird aber trotzdem als bestehend anerkannt. Man frage in einer
Stadt, einem Dorfe nach der Kirche. Man wird mit jenem Tone, mit dem man
rühmend den überalten Mann erwähnt, auch vom Alter des Gotteshauses
als eines ehrwürdigen Denkmales sprechen hören. Man wird finden,
daß Alter auch einen gewissen Geldwert verleiht, daß der Händler
sich um das Alter der von ihm zu kaufenden Waren kümmert und daß
die Wissenschaftler größeren Anteil am Alten nehmen als am Neuen
– meist auch die Künstler.
Wenn
die Zeit die Denkmäler zerstört, so erwächst daraus den
erhaltenen die Eigenschaft der Seltenheit. Wer ein Denkmal beseitigt, erhöht
mithin den Wert der verwandten, an anderer Stelle erhaltenen. Der Sammler
liebt seine "unica", seine "rara" mehr als die schönsten, aber häufig
vorkommenden Stücke. Das echte Kunstwerk erhält seinen Sammlerwert
auch dadurch, daß es eben ein Werk von der Hand eines bestimmten
Meisters ist und als solches das Einzige seiner Art. Maler, die sich selbst
kopieren, entwerten damit die Wiederholungen wie das Urwerk.
So
gibt das Alter dem Gegenstand idealen wie realen Wert. Der Gelehrte vermag
aus ihm seine Schlüsse zu ziehen. Gewiß ist ein Gestühl
im Schiff einer katholischen Kirche keine Seltenheit, ich meine das für
die Kirchgänger, nicht das für den Klerus bestimmte. Wenn aber
eine Kirche noch ein Stück Laiengestühl aus dem Mittelalter besitzt,
so mag sie es sorgfältig bewahren, denn sie besitzt dann eine Rarität,
die dem Studium der Entwicklungsgeschichte der Ritusformen ebenso wie dem
kirchenbauenden Architekten von Wert sein wird.
Besitzt
die Kirche etwa Grabdenkmäler, so werden die neuen unter ihnen der
Gemeinde wert sein um der Menschen willen, denen sie gesetzt wurden und
die in ihrer Erinnerung nachleben; ältere wird die Gemeinde achten,
weil die Ortsgeschichte sie die Bedeutung des Geehrten lehrt, oder weil
sie sich an der künstlerischen Form erfreut. Aber mit dem Abstande
jedes weiteren Jahrhunderts tritt eine veränderte Wertbemessung ein.
Ein gotisches Denkmal wird der Kunstgelehrte aufsuchen, ein romanisches
wird im Reisehandbuch vermerkt werden und ein solches aus der Frühzeit
deutscher Kunst – wenn ein solches aufgefunden wird – lenkt die Aufmerksamkeit
der weitesten Kreise auf sich: Es ist ein Schatz, den zu bewahren die Kirche
stolz sein wird und den zu vernichten ihr zu steter Schande gereicht. Denn
damit verschwand eine wertvolle Geschichtsurkunde, die nicht mehr der Kirche
allein gehört, sondern die einen geistigen Besitz der Allgemeinheit
darstellt – gleichviel ob sie Kunstwert hatte oder nicht. Draußen
auf dem Felde findet der Pflüger allerhand Topfscherben, plumpe Arbeiten
mit kindlichen Verzierungen. Er wirft sie als wertlos beiseite, bis er
darüber belehrt wird, sie seien viele tausend Jahre alt, bis Sachkundige
ihm sagen, daß die Wissenschaft große Sorgfalt auf die Erforschung
dieser Dinge verwendet, daß ein starker Altertumswert in ihnen stecke.
Die Gelehrten werden sich in der verschiedensten Weise mit diesen Dingen
beschäftigen und sie aufs Genaueste untersuchen. Da hängt im
Turm eine Glocke, bisher unbeachtet: Man hat festgestellt, daß sie
aus dem 12. Jahrhundert stammt. Der eine will wissen, welches die Metallegierung
ist, der andere erforscht den Ton, der dritte die Spruchformel der Inschrift,
der folgende die Form der "Rippe" und der Buchstaben, die Gußtechnik
usw. Jeder will, um nicht in Fehler zu fallen, den Gegenstand selbst sehen
– und hat ein geistiges Recht dazu, das über dem Verfügungsrecht
des derzeitigen Verwalters des Besitzes hinausgeht. Darin besteht ja die
rechtliche Grundlage jedes Denkmalschutzgesetzes.
Das
Alte ist also zu erhalten, solange in ihm nach irgendeiner Seite der geistige
Wert steckt, der für uns im Neuen nicht verborgen liegt. Aber was
von unserem Werk in Jahrhunderten übrig sein wird, wird eben dann
auch die Ehren des Alters genießen.
Dazu
kommt der Stimmungswert. Wer hat nicht einmal einer Versteigerung beigewohnt,
in der der Nachlaß von uns ganz Unbekannten veräußert
wurde. Wir sehen da alte, veraltete Geräte, wohl auch allerhand Plunder.
Wir sehen aber zugleich, daß im Kreise dieser Dinge ein Mensch gelebt,
Glück und Leid empfunden, gezweifelt und gehofft hat, daß ein
geheimnisvolles Etwas an den Dingen hängt, gerade an den Zeichen ihrer
Abgebrauchtheit, was auch die vornehmste Ausstattung ihnen nicht geben
kann und was den Räumen der Fürstenschlösser so oft fehlt,
ein erwärmender Zug, der von einem schlagenden Herzen kommt und zum
Herzen spricht. Nicht jeder empfindet es so, nicht der Versteigerer und
die sich andrängenden Berufskäufer. Sie lachen über die
"Sentimentalität" der Anderen. Sie sind solche Eindrücke gewöhnt.
Aber doch packt sie gelegentlich die Empfindung, daß es schade sei,
wenn geistig Zusammengehöriges auseinander gerissen wird. Und jeder
von uns empfindet das wohl, wenn er aus der gewohnten Umgebung ein viel
benutztes Stück hergeben soll. Und es sind nicht die Schlechten, die
Schwachen, die Rohen, die sich an die sie umgebenden Dinge hinzugeben wissen,
so daß sie mit ihnen geistig verwachsen. Der Mann mit starkem Heimatsgefühl,
mit dem Sinne für Haus und Hof, für Sippe und Vaterland wird
auch der Kirche näher stehen als die Empfindungskalten. Der Pfarrer
wird in ihm einen Helfer erblicken. Denn auch um die in der Kirche alt
gewordenen Gegenstände weht, für jede empfindende Seele deutlich
erkennbar, wenn auch nicht sinnlich faßbar, die Erkenntnis, daß
all das oft so bescheidene Gerät nicht durch ein Menschenleben, sondern
durch viele Geschlechter einer größeren Gemeinschaft als gewohnter,
aber doch besonderen höheren Zwecken geweihter Besitz gegolten hat,
daß auf den Bänken die Ältesten der Gemeinde saßen,
als die Großeltern in kindlicher Scheu zum erstenmal in die Kirche
geführt wurden, daß am Taufstein durch Jahrhunderte an Tausenden
dieselbe Feier sich vollzog, daß um Altar und Kanzel dieselbe weihevolle
Stimmung durch die Zeiten wehte. Es ist nicht mehr ausschließlich
die sakramentale Bedeutung, sondern eine zweite, die auf Empfindungswerten
beruht. Dem Pfarrer, der immer wieder die geistlichen Handlungen auszuüben
hat, mag es nicht immer leicht sein, diese Stimmung in sich selbst zu bewahren.
Aber er wäre ein schlechter Seelsorger, wenn er sie nicht in seiner
Gemeinde zu erhalten suchte und durch sie die Liebe zum Gotteshaus. Denn
er würde damit sich einer starken Stütze in der Seelsorge berauben.
Es
kommt weiter hinzu der Handelswert, der auf der Kostbarkeit des Stoffes
beruht. Die Kirchenverwaltung mag sich Rechenschaft darüber legen,
ob sie in der Lage ist, einen Gegenstand in ihrem Besitz zu behalten, der
nur um dieses Wertes willen zu schätzen ist; ob nicht der Kaufertrag
besser verwendet werden kann, mehr im Geist werktätiger Liebe, wenn
der Gegenstand nicht zugleich Kunstwert besitzt.
Wohl
der Kirche, die solche Gegenstände besitzt in Gold, Silber oder anderen
wertvollen Stoffen, die sich durch mehrere Wertarten auszeichnen, durch
ihr Alter, die von ihnen ausgehende Stimmung und hohe Kunstvollendung.
Auf ihnen ruht das Auge der kirchlichen und staatlichen Behörden wie
der Öffentlichkeit als auf einem der Allgemeinheit geistig Zugehörigen.
Selbst in schwersten Zeiten ist dieses Gut, dies kostbarste Erbe der Vergangenheit
für seinen Zweck und an seinem Ort zu bewahren.
II. Die Organe der kirchlichen
Denkmalpflege.
Der Pfarrer und die Denkmalpflege.
Die Wahl eines Geistlichen
in sein Amt erfolgt nicht nach dem Grundsatz, daß er als Kunsthistoriker
oder Denkmalpfleger ausgebildet sei. Er hat vielleicht in der Zeit seines
Studiums über diese Gebiete Vorträge gehört, hat sich am
Seminar seines Professors beteiligt – aber dies ist nicht der Grund der
Wahl gewesen, durch die er an diese oder jene Stelle gekommen ist. Sein
Amt fordert von ihm Eigenschaften, die in diesem wesentlicher und wichtiger
sind, als ein Kunstverständnis, das über das Maß des einem
gebildeten Manne Zuzumutenden hinausgeht. Dessen wollen wir uns jederzeit
klar sein. Denn hieraus folgt zweierlei: Der maßgebende Einfluß
des Pfarrers auf seine Gemeinde soll sich auf seiner Eigenschaft als Theologe,
als Seelsorger aufbauen, hier soll er im Rate die entscheidende Stimme
haben. In Fragen der Kunstpflege aber soll er, ohne sich dabei der eigenen
Meinung zu entäußern, auf diejenigen hören, die in diesen
Dingen sachverständig sind. Und seine Meinung wird er dort überall
geltend machen müssen, wo es sich um die Pflege des dem Pfarrer anvertrauten
materiellen Gutes der Gemeinde handelt und wo die Kunstfragen die theologische
Seite berühren, also, wo sich etwa Unkirchliches, den theologischen
Anschauungen Widersprechendes oder doch ihnen nicht Angemessenes in die
Kirche einschleichen will, wenn also die Kunst die seelsorgerische Tätigkeit
zu berühren beginnt. Der Pfarrer hat die Rechte eines für das
Heil der Seinen besorgten Hausvaters zu wahren und in dieser Hinsicht die
Gemeinde zu vertreten, indem er sich mit dieser und zugleich mit den vorgesetzten
Behörden ins Einvernehmen setzt. Er soll aber auch, um auf die Seelen
seiner Gemeinde wirken zu können, an dem Leben des Volkes, in das
ihn Geburt und Amt gestellt hat, teilnehmen. Als Seelsorger muß er
die seelischen Kämpfe seiner Zeit verstehen. Er soll ein Führer
zum Guten sein, und das Gute steht dem Schönen so nahe! Er soll also
auch das Kunstleben seiner Zeit auf sich wirken lassen, wie dies eine Forderung
an Jedermann ist. Und daher soll er sein Kunsturteil unter strenge Selbstzucht
nehmen.
Um die Denkmalpflege ordnungsgemäß
betreiben zu können, ist es nötig, zunächst die staatlichen
und kirchlichen Einrichtungen kennen zu lernen, die dieser dienen.
Die staatliche Denkmalpflege.
Gering war bisher der Einfluß
des deutschen Reiches auf die Denkmalpflege. Zwar erwähnt das Strafgesetzbuch
für das deutsche Reich die kirchlichen Denkmäler gelegentlich;
doch ohne daß dabei diese anderen Denkmälern gegenüber
besondere Rechte genössen. Es schützte sie durch Strafandrohung
gegen den Verbrecher, der sich an ihnen vergreifen, sie beschädigen,
zerstören oder entwenden will. Anders der Staat. Die Pflege ist nach
seinen Anordnungen Sache des Eigentümers, und dies war nach verschiedenen
Rechtsauffassungen die Kirche, oder der Staat, auch als Privateigentümer,
oder die Gemeinde, oder auch der Stifter, der sie der Gemeinde zum Nutznieß
überlassen hatte. In hervorragender Weise ist somit die Denkmalpflege
an die mit besonderem Rechte ausgestatteten Kirchengesellschaften verwiesen,
Körperschaften des öffentlichen Rechtes, denen das Recht der
Besteuerung ihrer Mitglieder zusteht. Ihre Gotteshäuser, die allein
Kirchen, nicht bloß Bethäuser genannt werden, geniessen die
Vorrechte der öffentlichen Gebäude. Der Staat leistet namentlich
dort, wo er Patron ist, wesentliche Beiträge zu ihrer Erhaltung. Als
solcher hat er ein besonderes Aufsichtsrecht, namentlich hinsichtlich der
Vermögensverwaltung; aber zugleich eine nicht unbedeutende Beitragspflicht
zu den Verwaltungskosten. Die Verhältnisse liegen in den Ländern
und Provinzen sehr verschiedenartig. Es ist nicht die Aufgabe dieses Buches,
die Leistungen des Staates für die Kirche und die eigenen Leistungen
der Kirche gegeneinander abzuwägen, da ja diese Verhältnisse
eben jetzt in allen deutschen Gebieten ins Schwanken gekommen sind und
der Neuordnung entgegengehen.
Die allgemeine Richtung
der Gesetzgebung geht dahin, das Recht der Öffentlichkeit auf Erhaltung
alter Kunstwerke festzusetzen, unter Umständen auch im Gegensatz zu
den Besitzrechten des einzelnen. Es handelt sich also um die Anerkennung
des Rechtes der Öffentlichkeit auf den historischen und künstlerischen
Besitz des Volkes. Das aus einer fernen Vergangenheit Ererbte ist ein Besitz
weitester Kreise geworden, da es ein Stück der Geschichte der Stadt,
des Landes ausmacht. Es soll dem tatsächlichen Besitzer verwehrt werden
können, es zu verändern oder zu beseitigen, denn er raubt damit
der Öffentlichkeit einen wertvollen geistigen Besitz.
Dies gilt auch von den Kirchen.
Sie sind Denkmäler im Sinne der Gesetze, wenn sie künstlerische
oder geschichtliche Bedeutung haben. Und welche ältere Kirche hat
das nicht! Sie gehören also nicht ausschließlich dem jeweiligen
rechtlichen Besitzer, sondern je größer ihr ideeller Wert ist,
desto mehr Anspruch hat die Allgemeinheit auf ihre Erhaltung. Wenn es niemandem
verargt wird, sein Haus zu verändern, sobald er dies will und sobald
er nicht Neues schafft, was dem Orte zur Unzierde gereicht, so wächst
seine Verpflichtung gegen die Allgemeinheit mit der Bedeutung des Baues.
Der Vorstand einer Kirche, der an dieser Änderungen vornimmt, tut
dies unter der Verantwortung nicht bloß vor den kirchlichen Obern
und der Gemeinde, sondern vor der ganzen Welt: Beschädigt die Änderung
den Bau in seinem künstlerischen und geschichtlichen Wesen, so darf
man sich nicht wundern, wenn von rechtlich am Bau gar nicht Beteiligten
heftige Vorwürfe erhoben werden: denn es ist vielleicht das materielle
Gut am Denkmal erhöht, das ideelle aber gemindert worden. Und eine
solche Handlung steht der Kirche am wenigsten an.
Um Vorwürfen zu entgehen,
soll eine Kirchenverwaltung sich Kenntnisse darüber verschaffen, welches
die Mittel sind, um Rat einzuholen. Hierin wird sie vor allem die Aufsichtsbehörde
beraten. Auch sie ist ihrem Wesen nach nicht kunstverständig, wohl
aber meist in der Lage, den Weg anzugeben, der mit Erfolg einzuschlagen
ist. Denn in fast allen Staaten bestehen Denkmalämter und durch diese
bestellte Denkmalpfleger, deren Amt die Beratung der Besitzer der Denkmäler
ist. Es sei dabei gleich hier bemerkt, daß fast überall der
Zweck dieser Ämter ein gemeinnütziger ist, daß die Beratung
mithin kostenfrei erfolgt und daß die Ämter zumeist mit den
staatlichen und kirchlichen Behörden in engem Verkehr stehen. Es wird
also eine Anfrage bei diesen Ämtern oder der Hinweis auf diese in
den an die Oberbehörden gerichteten Gesuchen dem Kirchenvorstande
manche Weiterung ersparen.
Die Denkmalämter.
Es wird von den Vorkehrungen
zu sprechen sein, die der Staat zur Pflege nicht nur der in seinem Besitz
befindlichen, sondern der kirchlichen wie weltlichen Denkmäler überhaupt
veranstaltete und die im wesentlichen zum Zweck haben die Beratung und
Unterstützung der Besitzer von Denkmälern bei deren pflegsamen
Erhaltung und bei sich notwendig machenden Erneuerungen und Veränderungen.
Diese Stellen sind zugleich Mittler zwischen den Besitzern und den zu berufenden
Künstlern für die Ausführung des als notwendig Erkannten.
Die Ämter, die sich
mit Denkmalpflege zu befassen haben, sind in fast jedem Lande anders organisiert.
Baden hat drei Konservatoren für weltliche öffentliche und kirchliche
Denkmäler, Bayern ein Generalkonservatorium der Kunstdenkmäler
und Altertümer, Braunschweig einen Ausschuß für Denkmalpflege,
Hessen Denkmalpfleger für Altertümer, für Baudenkmäler
und bewegliche Gegenstände des Mittelalters und der Neuzeit und einen
Denkmalrat sowie ein Denkmalarchiv, Mecklenburg-Schwerin eine Kommission
zur Erhaltung der Denkmäler, Preußen einen Generalkonservator
der Kunstdenkmäler und Provinzialkommissionen für Denkmalpflege
je mit einem Konservator; den Ämtern für die Provinz Sachsen
ist Anhalt angeschlossen. Sachsen hat ein Landesamt für Denkmalpflege,
Thüringen eine Kommission zur Aufzeichnung der Kunstdenkmäler
Thüringens. Württemberg ein Konservatorium vaterländischer
Kunst- und Altertumsdenkmale, Österreich eine Zentralkommission für
Denkmalpflege und ein Staatsdenkmalamt, die Schweiz genossenschaftliche
Organisationen für Kunstpflege und Denkmalschutz. Die Aufgabe aller
dieser Ämter ist ungefähr die gleiche: Begutachtung und Raterteilung
bei allen die Erhaltung und Umgestaltung der Denkmäler betreffenden
Fragen, Unterstützung der in dieses Gebiet fallenden Arbeiten durch
Bewilligung in eigener Verwaltung stehender Mittel oder durch Antrag bei
der staatlichen Oberbehörde auf eine solche Bewilligung, Überwachung
der Ausführung der Arbeiten, sowie Aufzeichnung der Denkmäler
und Herausgabe dieser Aufzeichnungen im Druck, endlich Sammeln von Aufnahmen,
Nachrichten und Schriftwerken über diese in den Denkmalarchiven. Fast
überall steht der Rat der Ämter den Besitzern der Denkmäler
kostenfrei zur Verfügung, und das Amt ist so eingerichtet, daß
es aus eigenem Antrieb dort einzugreifen berechtigt ist, wo es dies im
Belang eines Denkmals für angemessen erachtet.
In der Regel setzt sich
das Amt zusammen aus Vertretern der Regierung, der Kirchenverwaltungen,
der Geschichtsvereine und der Künstlerschaft und ist nach außen
vertreten durch einen Denkmalpfleger (Konservator), dem die sachliche Arbeit
zu leisten obliegt. Konservatoren sind zumeist kunstwissenschaftlich gebildete
Architekten oder Kunsthistoriker. Es ist nicht das Amt des Konservators
oder sollte es doch nicht sein, Entwürfe für Umbauten u. dgl.
selbst zu schaffen, Bauten zu leiten, sich also als Künstler zu betätigen;
sondern er soll durch sachverständigen Rat sich dem Besitzer des Denkmals
zur Seite stellen und auf die an den Arbeiten Beteiligten wie auf den Besitzer
im Sinne der Erhaltung des Alten einwirken. Er soll der Verteidiger des
uns Überlieferten gegen unberechtigte Neuerungssucht und gegen Unkenntnis
des Wertes des Alten sein. Seine Aufgabe ist, zu belehren und dieser Belehrung
Nachdruck zu verleihen. In dieser Richtung hat er die Hilfe des Staates
und der kirchlichen Behörden hinter sich, die meist auf die Beschlüsse
der Denkmalräte entscheidendes Gewicht legen. Der Konservator ist
also nicht berufen, den Kirchenvorständen Befehle zu erteilen, wohl
aber in manchen Ländern dazu, ihm für die Denkmäler schädlich
erscheinende Maßnahmen aufzuhalten und sich an eine entscheidende
Stelle zu wenden, wo er seine Bedenken begründet. Ersprießliches
Wirken an Denkmälern ist also nur dann zu erwarten, wenn sich Kirchenverwaltung
und Denkmalamt, Pfarrer und Konservator über die zu ergreifenden Schritte
einträchtig verständigen. Dies wird am besten dadurch erfolgen,
daß die Kirchenvorstände, sobald sie eine Veränderung an
ihrer Kirche oder deren Einrichtung vorhaben, sich von vornherein an das
Denkmalamt um Erteilung von Rat wenden.
Den Mitgliedern der Ämter
steht eine umfangreiche Literatur zur Seite, die sich mit der Entwicklung
der Rechtsfrage, der staatlichen Organisation und der Theorie und Praxis
der Denkmalpflege beschäftigt. Dazu kommen die Ergebnisse der Kunstgeschichte,
die dem Fachmann mit stetig wachsender Deutlichkeit an jedem Kunstwerk
erkennen lassen, welcher Zeit es angehört und welchen Grad der künstlerischen
Vollendung innerhalb der Entstehungszeit es einnimmt.
Der Einfluß der Denkmalämter
wird sich nicht in geeigneter Weise durchsetzen können, wenn er nicht
vom öffentlichen Willen getragen wird. Ihm zur Seite muß eine
in die Tiefe greifende Belehrung des Volkes im Sinne der Heimatliebe und
-pflege, des Kunstverständnisses eingreifen. Es ist ein Teil der Seelsorge,
wenn der Pfarrer diese Gedanken unterstützt, wenn er durch verständnisvolles
Eingehen auf die Geschichte der Kirche der Gemeinde den Wert des Baues
und seiner Einrichtung für die kulturelle Entwicklung des Ortes vor
Augen führt. Die zahlreichen und blühenden Geschichts- und Altertumsvereine,
die Vereine für Heimatschutz und Volkskunst, die Genossenschaften
der Künstler, namentlich der Bund deutscher Architekten in seinen
Einzelorganisationen sollten herangezogen werden, um den Sinn für
das Ehrwürdig-Alte und das Künstlerische zu wecken. Viel hat
nach dieser Richtung der seit 1900 bestehende deutsche Denkmalpflegetag
getan, an dem auch Österreicher und Schweizer regelmäßig
teilnahmen. Diese freie Vereinigung stellte sich die Aufgabe, die Fragen
der Denkmalpflege durch die ersten Fachleute in öffentlichen Sitzungen
besprechen zu lassen, an denen die Vertreter der Regierungen, der Kirchen,
der Städte lebhaftes Anteil nahmen. Nicht faßt man dort Beschlüsse,
sondern sucht nur in Rede und Gegenrede die Ansichten über die einzelnen
Fragen zur Klärung zu bringen. Die stenographischen Berichte über
die Tagungen bilden ein ausgezeichnetes Lehrbuch der Denkmalpflege, in
dem sich die verschiedenen Ansichten und deren Wechsel im Lauf der Zeiten
widerspiegeln. Auch für die hier vorliegende Arbeit sind diese Berichte
ergiebig ausgenutzt worden. Aufgabe des Staates ist es, das Zusammenarbeiten
aller dieser Kräfte zu regeln, indem er seine Beamten hierauf einstellt.
Dies geschieht durch Beweglichkeit des staatlich zu beschaffenden Denkmalpflegers
und der Denkmalämter, denen die Aufgabe der Förderung der Pflege
bei tunlichst freier Betätigung zuzuweisen ist. Durch Besprechen aller
einschlagenden Fragen vor der Öffentlichkeit wird mehr erreicht, als
durch die Staatsgewalt. Voraussetzung müßte freilich sein, daß
der Staat gewillt ist, Mittel für die Zwecke der Denkmalpflege bereit
zu stellen, daß die Volksvertretungen diese bewilligen und daß
die Kirchen den Gedanken in die Massen zu tragen als eine ihrer Aufgaben
ansehen.
In dieser Richtung ist bereits
ein Schritt geschehen, indem in die Reichsverfassung von 1919 der Satz
aufgenommen wurde:
Artikel 150. Die Denkmäler
der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie der Landschaft genießen
den Schutz und die Pflege des Staates. Es ist Sache des Reichs, die Abwanderung
deutschen Kunstbesitzes in das Ausland zu verhüten.
Dieser Artikel tritt in
besondere Bedeutung angesichts der Bestrebung, die Kirche vom Staate zu
trennen. Über die Folge dieses Schrittes jetzt schon zu urteilen ist
nicht möglich. Jedoch geben die in Frankreich sich entwickelnden Verhältnisse
dafür ein warnendes. Beispiel. Noch vor 20 Jahren wurde Frankreich
als ein Land angesehen, das uns in der Denkmalpflege weit voraus sei. Jetzt
liegen die Verhältnisse umgekehrt. Dort waren durch die erste Revolution
die Kathedralen in Staatsbesitz, die Pfarrkirchen in den der Religionsgemeinden
übergegangen. Dem Staat fiel damit die Last der Erhaltung der wichtigsten
Bauten zu, der er sich anfangs dadurch entzog, daß er sie zum Abbruch
an Bauunternehmer verkaufte. Herrliche Bauten gingen damit verloren. Der
Staat schuf eine Denkmalliste, in die als monuments historiques eine größere
Zahl von Bauten aufgenommen und somit der staatlichen Pflege unterstellt
wurden. Es ergab sich hieraus ein classement der Denkmäler, die für
die nicht in die Liste aufgenommenen sehr nachteilig wirkte; namentlich
für die in Frankreich sehr zahlreichen profanierten Kirchen, aber
auch für die Pfarrkirchen. Berichte der Sachkundigen klagten schon
vor dem Weltkriege über den Verfall vieler wichtiger Kunstdenkmäler.
Kirchliche Denkmalpflege.
Die Kirche erhebt mit Recht
den Anspruch, Herr im Kirchengebäude zu sein, Herr ihres Besitzes
an Schätzen von künstlerischem und altertümlichem Wert.
Sie hat von jeher ihre Pflicht erkannt, den Besitz, den ihre Anhänger
ihr zutrugen, sorgfältig zu bewahren und in gutem Zustande zu erhalten,
soweit dieser Besitz ihrer Aufgabe entsprach. Sie hat aber auch den Wunsch,
diesen abzustoßen, wenn er nicht oder nicht mehr dem gottesdienstlichen
Zwecke entspricht. In der Kirche soll Leben herrschen, und Leben heißt
auch Vergehen.
Die Aufgabe der Kirchen
gegen die Denkmäler hat sich auch in gesetzlichen Bestimmungen ausgedrückt.
Für die römisch-katholische Kirche ist der Codex maßgebend
geworden, der unter Papst Benedikt XV. 1917 herausgegeben wurde und ältere
Gesetze und neuere Bestimmungen zusammenfaßt. In diesem ist, was
allein hier in Betracht kommt, von Gegenständen die Rede, die von
hervorragendem Wert hinsichtlich ihrer künstlerischen, geschichtlichen
oder stofflichen Artung sind, von Bildern, die durch Alter, Kunst oder
durch die ihnen geweihte Verehrung hervorragen (vetustate, arte aut cultn
praestantes). Solches Kirchengut darf ausnahmsweise veräußert
werden, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen, wenn nämlich ein
verständiger Grund (justa causa) oder eine dringende Notwendigkeit
(urgens necessitas) vorliegt, oder wenn die Veräußerung augenscheinlich
der Kirche zum Vorteil gereicht (evidens utilitas), oder wenn andere kirchliche
Aufgaben dadurch erfüllt werden (christiana caritas). Es muß
dann von Sachverständigen eine schriftliche Wertangabe über den
Gegenstand und die Zustimmung der kirchlichen Oberen eingeholt werden.
Ohne diese ist der Verkauf rechtsungültig. Beträgt der Wert 1000
bis 30000 Lire, so ist in der Regel der Diözesanbischof um die Erlaubnis
anzugehen, der der Zustimmung des Kathedral- oder Domkapitels bedarf, ferner
des Diözesenverwaltungsrates und der am Verkauf Beteiligten. Bei einem
Wert unter 1000 Lire ist der Diözesanbischof nach Anhörung der
Diözesanverwaltung zuständig; bei einem Wert von mehr als 30000
Lire ist der Heilige Stuhl zu befragen.
Der Kodex setzt den Wert
nach der italienischen Lira fest. Diese entspricht dem Franken der Schweiz,
Frankreichs usw., also der Münzeinheit der Lateinischen Münzkonvention.
Unter normalen Verhältnissen ist sie also gleich 0,8 deutsche Mark
oder 1 österr. Krone. Bei der Ungleichheit des Geldwertes in verschiedenen
Ländern kann man annehmen, daß die Festsetzung des Wertes nach
dem an sich so schwankenden Geldwert, also doch wohl des Verkaufspreises,
nicht eben glücklich ist, tatsächlich ist es nur ein Versuch,
eine Art von Grenze aufzustellen. Ein Volkswirt würde wohl als zuverlässiger
empfohlen haben, den Wert nach Scheffeln Getreide festzulegen.
Wenn also der Verkauf von
Kunstgegenständen auch möglich gemacht ist, so ist er doch von
kirchlicher Seite unter strenge Aufsicht gestellt, so daß er dem
einzelnen Pfarrer oder dessen Gemeinde nicht ohne weiteres zusteht, wenn
es sich um einen wertvollen Gegenstand (res preciosa) handelt. Nicht minder
stehen Veränderungen an solchen unter der Aufsicht der kirchlichen
Oberen, die verständige und sachkundige Männer zur Beratung heranziehen
sollen.
Freilich bleibt die Frage
offen, wer darüber bestimmt, ob eine Sache wertvoll sei. Mithin werden
gewissenlose Händler die ihnen erwünschten Gegenstände als
wertlos hinstellen, um den Verkauf zu ermöglichen, der dann für
sie erst recht nutzbringend ist. Die Festsetzung der Bedingungen, unter
denen kirchlicher Besitz überhaupt verkauft werden darf, gleichviel
ob er der Gemeinde als wertvoll erscheint oder nicht, das Heranziehen am
Handel nicht beteiligter Sachverständiger auch hier ist also jedenfalls
eine wichtige Angelegenheit, die noch über die Anforderungen des Kodex
von 1917 hinaus zu betreiben ist. Dasselbe gilt von der Beseitigung und
Zerstörung von Gegenständen, die den Beteiligten als minderwertig
gelten, es aber tatsächlich nicht sind oder doch nicht in ihrem Verhältnis
zur Kirche, in der sie sich befinden. Viele Gegenstände kommen nicht
durch eine Handlung Sachunkundiger oder gar Böswilliger und Eigennütziger
in Verlust, sondern durch das Unterlassen der Pflege; sie sind nicht wertlos
von Haus aus, sondern werden es durch Verfall. Man denke etwa an ein Ölgemälde,
dessen Leinwand an feuchter Wand vermoderte und das nun in Fetzen im Rahmen
hängt. Selbst der mit den feinsten Künsten der Wiederherstellung
Bekannte wird oft zugestehen müssen, daß das einst wertvolle
Bild vollständig verwüstet ist, eben weil man an ihm nichts getan
hat.
Durch die Anordnungen des
Heiligen Stuhles ist jedoch der Staat von der Denkmalpflege keineswegs
ausgeschlossen. Als Beispiel sei Bayern genannt. Durch das Konkordat von
1817 regelte dieser Staat seine Verhältnisse dahin, daß der
Religionsgesellschaft das Eigentumsrecht gesichert wurde. Trotzdem ist
der Staat Eigentümer zahlreicher zum Teil sehr wichtiger Kirchen,
während ihm über den sonstigen kirchlichen Besitz ein Schutzrecht
zusteht. Aus diesem heraus entwickelte sich die gesetzliche Bestimmung,
daß die Veräußerungen und Änderungen an Kirchen der
Genehmigung der Kreisregierung unterstehen und daß bei Zuwiderhandlung
Strafen ausgeworfen sind. Ähnlich in Württemberg und Baden.
Auch die evangelischen Kirchen
griffen zur Pflege ihres künstlerischen Besitzes ein. Die Schilderung
der Sachlage ist erschwert durch die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse,
so daß ich mich hier auf die Sachkenntnis der Geistlichen der einzelnen
Länder verlassen muß. Nur kurze Bemerkungen seien gestattet.
Überall besteht die Anschauung, daß den Kirchengemeinden die
Verwaltung des Kirchenvermögens zusteht, daß sie aber bei Veräußerung
und wesentlicher Veränderung von Gegenständen, die einen besonderen
wissenschaftlichen, geschichtlichen oder Kunstwert haben, sowie bei Ausbesserung
und Erneuerung von kirchlichen Gebäuden die Zustimmung der Staatsregierung
oder der kirchlichen Oberbehörde einholen müssen. Hierdurch wird
das Verfügungsrecht der Gemeinden über die hier in Frage kommenden
Gegenstände ganz erheblich eingeschränkt. Dazu kommt die Gesetzgebung,
die sich ausdrücklich mit dem Schutze der Denkmäler beschäftigt
und naturgemäß in den verschiedenen Ländern und den verschiedenen
Konfessionen gegenüber sich anders stellt.
Die Pflege der kirchlichen
Denkmäler ist somit eine der Aufgaben der kirchlichen Oberbehörden,
so namentlich in den kleineren Staaten Norddeutschlands, wo die evangelischen
Konsistorien mit dieser Aufgabe betraut sind. Ebenso liegen die Verhältnisse
in Sachsen, wo das Landeskonsistorium die entscheidende Oberbehörde
ist, die durch die Kircheninspektionen unterstützt wird. Diese bestehen
aus kirchlichen und staatlichen Abteilungen. Auf einem Umwege wirkt somit
der Staat in diesen Angelegenheiten mit, hierin wieder beraten durch das
Landesamt für Denkmalpflege.
In Preußen bedürfen
bei Veräußerungen die Kirchengemeinden aller Konfessionen, sowie
ihre oberen Organe der Genehmigung auch der staatlichen Aufsichtsbehörde,
nämlich des Kultusministers und des Regierungs- oder Oberpräsidenten,
der sich des Provinzialkonservators als Gutachters bedient. Der Regierung
stehen, falls mit den kirchlichen Behörden Übereinstimmung nicht
erzielt wird, Zwangsmittel zur Verfügung. Anders steht es hinsichtlich
der Umbauten der Kirchen und wesentlicher Veränderungen in ihrer Einrichtung.
Wenn hier auch angenommen werden kann, daß die Absicht der Gemeinden
mit der der kirchlichen und staatlichen Behörden übereinstimmt,
nämlich in dem Wunsch, das erreichbar Beste zu leisten, so ist doch
über den einzuschlagenden Weg, um dies zu finden, eine gesetzliche
Anweisung nicht gegeben. Es ist dann Aufgabe des Konservators, sein überwiegendes
Sachverständnis der Gemeinde gegenüber geltend zu machen und
diese auf gütlichem Wege zu einem ersprießlichen Ziele zu fuhren.
Ihn unterstützen hierbei ministerielle Verfügungen der verschiedensten
Art.
Einheitliche Denkmalpflege
besitzen Hessen und Oldenburg, in denen beiden eine Denkmalliste eingeführt
ist. Das hessische Gesetz von 1902 sieht Eintragung auch öffentlich-rechtlicher
Bauten in der Liste vor, jedoch ist der Schutz nicht abhängig von
dieser, was in Oldenburg hinsichtlich aller in der Liste eingetragenen
Bauten, also auch der Kirchen, der Fall ist.
Über die Denkmalpflege
in den jüdischen Gemeinden fehlt es an ausreichenden Nachrichten.
Im allgemeinen dürfte es dort nicht eben glücklich stehen. Es
haben wohlhabende Juden sich stattliche Sammlungen jüdischer Kunstdenkmäler
angelegt, auch öffentliche Sammlungen, so das Kunstgewerbemuseum in
Düsseldorf, das Germanische Museum in Nürnberg und andere mehr
besitzen solche. Auch hat sich in neuerer Zeit die Literatur des Stoffes
in starkem Maße bemächtigt. Aber zu einer planmäßigen
Pflege der jüdischen Altertümer ist es meines Wissens noch in
keinem Lande gekommen. Wohl aber wird viel über Verkauf und Verschleuderung
des Gemeindebesitzes geklagt.
Die Aufzeichnung der Denkmäler.
Von großer Bedeutung
für die Denkmalpflege sind die durch den Staat hergestellten Verzeichnisse
der Denkmäler einzelner Gebiete, die sogenannten Denkmal-Inventare.
Seit den 1870er Jahren haben einzelne Staaten, zuerst Kurhessen durch von
Dehn-Rothfelser, dann Elsaß Lothringen durch Franz Xaver Krauß,
solche Inventare aufgestellt. Bald folgten die übrigen Staaten und
die preußischen Provinzen, zumeist in der Weise, daß ein Fachmann
angestellt und mit den nötigen Mitarbeitern versehen wurde. Die einzelnen
Bezirke des Landes oder der Provinz wurden nun bereist und die gefundenen
Denkmäler schriftlich und bildlich dargestellt und in einzelnen Heften
oder Bänden veröffentlicht.
Dabei hat sich ergeben,
daß die Genauigkeit der Aufnahme in stetem Fortschreiten sich befindet.
Anfangs war die Gesamtarbeit als eine vorzugsweise der Kunstgeschichte
dienende Aufgabe aufgefaßt worden. Man fügte der Liste von den
aufgefundenen Gegenständen nur solche ein, die von Bedeutung eben
für die Kunstgeschichte sind, und beurteilte sie demgemäß
von dem Standpunkt, daß man das Bedeutende, für die Entwicklungsgeschichte
der Kunst Wertvolle hervorhob. Naturgemäß war man dabei abhängig
von dem Stande der kunstwissenschaftlichen Erkenntnis. Vor 1870 galt die
Deutschrenaissance, vor 1890 das Barock und das Rokoko noch als minderwertig
und fiel bei der Einreihung in die Liste vielfach aus, da es als "schlechte"
Kunst gewertet wurde. Meist galt auch die Zeit der Freiheitskriege als
Grenze dessen, was in die Inventare aufzunehmen sei, da diese sich nur
mit "älterer" Kunst zu beschäftigen hatten. Mit den Jahren wuchs
die Erkenntnis, daß das Geschmacksurteil nicht zutreffend für
die Bewertung sei, sondern daß das geschichtlich, namentlich auch
das ortsgeschichtlich Beachtenswerte herangezogen werden müsse ebenso
wie das, was man als Erzeugnis der "Volkskunst" inzwischen schätzen
gelernt hatte. Der immer tiefer greifende geschichtliche Sinn belebte die
Teilnahme für die verschiedensten Dinge. Vernachlässigte man
z. B. anfangs die an stilistischen Formen armen Dorfkirchen, so wurde nun
gerade der Wandel an diesen einfachen Gebilden beachtet, dem bescheiden
Typischen besondere Sorgfalt zugewendet. Aufgabe der Aufzeichnung ist,
das tatsächlich Vorhandene festzustellen, nicht etwa vergleichende
Kunstgeschichte zu geben, obgleich auch in der Absicht, den Wert des Erhaltenen
zu erkennen, Untersuchungen über dessen Stellung zur Zeitkunst nicht
abgelehnt werden können.
So kam es, daß z.
B. in Brandenburg, in Hessen und anderen Ländern die ganze Arbeit
wiederholt werden mußte, weil man erkannte, daß das anfänglich
rasch hergestellte Werk den neuen Bedürfnissen nicht entsprach. So
sind denn in vielen Hunderten von Bänden die Denkmäler Deutschlands
in einer nun fast 50 Jahre währenden Arbeit zur Darstellung gelangt.
Einen guten Überblick über diese bietet das vom deutschen Denkmalpflegetag
angeregte "Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler" von Georg Dehio,
das seit 1905 bei Ernst Wasmuth in Berlin erschien, jetzt aber an die Vereinigung
wissenschaftl. Verleger Berlin übergegangen ist.
In gleicher Weise ist man
in Österreich vorgegangen. Da dort die Aufzeichnung später einsetzte,
hat sie die deutschen Erfahrungen ausnutzen können und ihre Arbeit
zu einer besonderen Reife gebracht, indem z. B. auch der Privatbesitz in
umfassender Weise herangezogen wurde. Auch die Schweiz hat ähnliche
Arbeiten herstellen lassen, so daß, wenn man das Riesenwerk deutscher
Sachkenntnis und deutschen Fleißes übersieht, man zu der Erkenntnis
kommt, daß kein Volk der Welt sich so in den Vollbesitz seiner Kunst
gesetzt hat, wie das deutsche: denn erst dadurch, daß man den Besitz
im ganzen Umfange kennt, gelangt man zu einem geistigen Eigentumsrecht.
Und so haben die Aufzeichnungswerke
auch jeder einzelnen Kirche einen Nachweis über den ihr unterstehenden
Besitz gegeben. Wenn auch über den Verkaufswert der einzelnen Gegenstände
keine Angaben sich finden, so geben diese doch einen Anhalt über das
Erhaltenswerte und bieten den Aufsichtsbehörden eine gute Handhabe,
die Vollständigkeit des Kunstbesitzes einer Kirche nachzuprüfen.
Sie sind also Inventuraufnahmen im Sinne des Kaufmannes, Unterlagen für
eine Kircheninspektion. Kein Pfarrer sollte sein Amt übernehmen, ohne
sich zu vergewissern, daß der Kirchenbesitz seiner Kirche noch vollständig
erhalten ist, da ihm die Verantwortung für das Fehlen von Gegenständen
zugemutet werden kann. Und dort, wo leider einige Aufzeichnungswerke in
dieser Hinsicht nicht ausreichen, ja wo sie noch fehlen, sollte man jetzt
mit erhöhtem Eifer einsetzen, um das Versäumte nachzuholen.
Die Denkmalpflegen.
Überall sollte der
Grundsatz herrschen, daß die Mitglieder der Denkmalämter und
die Denkmalpfleger nicht selbst ausführende Künstler sind. Die
Ämter sind beratende Dienststellen, in denen sich die größte
Erfahrung in der Denkmalpflege vereinigen soll. Sie haben also hauptsächlich
aus Sachverständigen, d.h. aus Künstlern, Kunstgelehrten, Kunstfreunden
zu bestehen, müssen jedoch auch Techniker, Verwaltungsmänner
und Vertreter der mit der Denkmalpflege vorwiegend betrauten Organisationen,
also der Kirchen, der Städte usw. unter sich zählen. Ihre Aufgabe
ist Beratung der Behörden, der Kirchengemeinden, aller Besitzer und
Verwalter von Kunstdenkmälern dort, wo sie um ihr Gutachten angegangen
werden, jedoch auch dort, wo sie aus eigenem Antrieb sich mit einer Angelegenheit
zu befassen für richtig befinden. Denn ihnen ist die Überwachung
aller Denkmäler ihres Bezirkes anzuvertrauen, so daß sie auch
dem Besitz des Staates gegenüber Einspruchsrecht haben. Gerade durch
die Zusammensetzung aus angesehenen Männern verschiedener Lebensstellung
wird es möglich sein, die unvermeidlichen Verschiedenheiten in der
Behandlung der Einzelfragen zu einem ersprießlichen Ausgleich zu
bringen, namentlich wenn die Aussprache sich in voller Freiheit vollzieht,
nicht gebunden durch die Weisungen einer vorgesetzten Behörde oder
durch den überwiegenden Einfluß einer Zweckgemeinschaft.
Auch nicht durch die der
Künstler, denen unzweifelhaft eine wichtige Stellung in diesen Ämtern
zufällt. Man wird sich freuen, die Angesehensten unter diesen den
Ämtern einreihen zu dürfen und trotzdem den Grundsatz aufzustellen
haben, daß nicht die künstlerische Arbeit auf die Amtsmitglieder
allein fällt, daß somit die Gefahr entstehe, das Amt werde als
ein "Klüngel" angesehen. Wenn das Amt auch auf die Mitwirkung der
ihm angehörigen Künstler im Interesse der Sache nicht verzichten
will, so wird es doch die Gefahren erkennen, die durch das Überwiegen
Weniger in der Pflegetätigkeit liegen. Sehr leicht wird eine schematische
Behandlung eingreifen und die Mitwirkung der Jüngeren, Außenstehenden
zum Nachteil der Kunst und mithin auch der Denkmäler beeinträchtigt
werden. Aufgabe des Amtes wird sein, den jeweilig Besten zu finden, der
die Arbeit ausführen kann, aber auch dem vom Besitzer selbst Gewählten
nicht etwa die Hände in der Durchführung seiner künstlerischen
Absichten zu binden, wohl aber guten Rat über die einzuschlagenden
Wege zu erteilen und das als ungeeignet Erscheinende zu verhindern. Es
gilt nicht etwa einseitig einen staatlich anerkannten Kunstgeschmack einzuführen,
sondern das als verfehlt Erkannte abzulehnen. Im Amt sollen Männer
mit tiefem künstlerischen und kunstwissenschaftlichen Verständnis
überwiegen, die nicht von der Absicht beseelt sind, selbst am Denkmale
sich künstlerisch zu betätigen. Man soll den Künstler nicht
in den Zwiespalt hineinführen, der sich in ihm zwischen dem Schaffensdrang,
der sich in tunlichst umfassender Weise betätigen will, und dem Wunsch
der Erhaltung des Alten erhebt. Der Kirchenvorstand soll vor allem sich
hüten, Arbeiten an Leute zu vergeben, die nicht befähigt sind,
sie in künstlerischem Sinne durchzuführen. Denn jede, auch die
kleinste Arbeit an der Kirche soll in diesem Sinne Wert haben. Man soll
sich hüten, durch Rücksichtnahme auf Personen, etwa auf Mitglieder
des Kirchenvorstandes oder der Gemeinde, die Lösung der zu stellenden
Aufgabe zu beeinträchtigen.
Der Bauherr.
Bauherr in der Kirche ist
die Gemeinde. Sie ist in der Regel der Geldgeber, sie soll später
der Nutznießer des Kirchengebäudes sein. Die Formen der Gemeindeverwaltung,
die Verhältnisse zum Pfarrer und zu den kirchlichen wie staatlichen
Oberbehörden sind verschiedenartig, aber überall bestehen gesetzliche
Bestimmungen oder durch die Gewohnheit festgestellte Vorschriften, die
die freie Ausgestaltung des Kunstwerkes beeinflussen. Sie umschreiben mehr
oder weniger stark den Einfluß der Kirche auf die künstlerische
Form in dem Sinne, daß die Tauglichkeit des Baues oder des Gerätes
für die kirchlichen Zwecke sichergestellt werden muß. Es wurde
dies in den Satz zusammengefaßt: Bauherr in der Kirche ist die Liturgie.
Der Kirchenbau, soweit er ein Werk ist des Künstlers und der Handwerker,
ist ein Gerät, das geeignet sein soll, dem gottesdienstlichen Zwecke
zu dienen, und zwar je nach den besonderen Formen der Gottesverehrung in
den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Der Bau sowohl, wie die einzelnen
Teile seiner Einrichtung erhalten ihre kirchliche Form nicht durch Schönheit,
Stil, Herstellungsstoff, sondern dadurch, daß sie sich für ihren
Zweck eignen oder doch an die durch den Gebrauch als geeignet erkannte
Form sich anbequemen.
Es ergibt sich daraus die
Aufgabe zunächst des Bauherrn: Er hat dafür zu sorgen, daß
der Zweck erreicht wird, nämlich eine den kirchlichen Absichten vollkommen
entsprechende Anlage zu erhalten. Entsprochen wird diesen Absichten dadurch,
daß der Gottesdienst nicht nur zur Not eine Unterkunft findet, sondern
daß die Anlage aus seiner Eigenart heraus entwickelt ist. Und da
im Gottesdienste der verschiedenen Bekenntnisse sehr starke Unterschiede
bestehen, soll die Kirche dem Bekenntnis entsprechend, dieses versinnbildlichend,
gestaltet werden, also im Sinne des Bekenntnisses kirchlich gestaltet sein,
nicht lediglich im Sinne eines allgemein kirchlichen "Ideals". Daß
dem so werde, dafür hat der die Gemeinde leitende Geistliche zu sorgen.
Er ist nicht Richter über die schönheitliche Form – dies ist
Sache des Architekten – wohl aber darüber, ob der Bau den Bestimmungen
der kirchlichen Gemeinschaft entspricht, die sich ja auf die künstlerische
Form nicht erstrecken.
Während die Kunstgeschichte
sich eingehend mit den Problemen der Ästhetik beschäftigt, während
die Architekturgeschichte sorgfältig die Formentwicklung, die technische
Seite behandelte, wurde dem Bauherrn als dem Besteller des Kunstwerkes
bisher nicht genug Beachtung zugewendet.
Die Kunst des Mittelalters
war fast ausschließlich an Überlieferung gebunden. Noch gab
es keine Ausstellungen, in denen man Bilder und Statuen kaufen konnte,
noch keinen Kunsthändler, der Bilder geschäftsmäßig
vertrieb, d. h. solche Werke, die der Künstler nach freiem Willen
schuf, nur seinen eigenen Trieben folgend. Die Kirchen sind selten in der
Lage, auf diesem Wege geschaffene Werke zu verwenden. Man mag darüber
streiten, welche Entstehungsart für das einzelne Kunstwerk oder für
die gesamte Kunst heilsamer ist. Ich möchte hier in die Frage nicht
weiter eindringen. Fest steht, daß die Kirche eben nicht ausschließlich
ein dem Künstlergeist entsprossenes Werk in majorem Dei gloriam ist,
sondern eine Schöpfung, der ein bestimmter Zweck zugrunde liegt, ebenso
wie dem Altar, der Kanzel, dem Taufsteine usw.
Die Gemeinde oder wer hinter
ihr steht, wendet sich, wenn eine Kirche gebaut oder umgebaut werden soll,
an einen tüchtigen Architekten oder sucht durch ein Preisausschreiben
einen solchen zu finden. Diesem übergibt man das Bauprogramm, d. h.
einen Bericht über die Wünsche des Bauherrn. Solche bestehen
in Angaben über den Bauplatz, die Raumbedürfnisse, die Kostenberechnung
und dgl. mehr. Dabei wird zumeist angenommen, daß der Architekt die
kultische Anforderung an den Bau genügend kennt, um einen entsprechenden
Entwurf zu schaffen. Es besteht nunmehr seine Aufgabe darin, einen Plan
in Grundriß und Aufriß aufzustellen, der den Innenraum wie
die Außenerscheinung deutlich erkennen läßt. Man fordert
also von ihm Vorschläge darüber, wie die Kirche anzulegen sei,
Vorschläge, die nun vom Bauherrn zu prüfen sind, ob sie den Anforderungen
der Liturgie, der Zweckmäßigkeit usw. entsprechen. Der Architekt
kennt, dank kunstwissenschaftlicher Schulung, das kirchliche Bauwesen aller
Jahrhunderte; er hat, wenn er Anlehnungen an Älteres sucht, oder selbst
wenn er diese streng zu vermeiden beflissen ist, doch mit der Fülle
der ihm geistig gegenwärtigen Vorbilder sich abzufinden, denn er will
nicht das Alte wiederholen, sondern das Neue schaffen. Dabei sagt er sich
mit Recht: das so hoch gefeierte Alte war ja doch auch einst ein Neues.
Die Gemeinde wird Besteller des Kunstwerkes, das der Architekt nach seinen
Angaben durch die Handwerker ausführen läßt. Es treten
also drei Beteiligte in ein Verhältnis zueinander: der Bauherr, der
Baukünstler und die Bauhandwerker.
Der Architekt.
Zur Erneuerung einer Kirche
bedarf es für die Gemeinde des sachgemäßen Rates. Es fragt
sich nur, an wen sie sich zu wenden hat, um diesen zu erhalten.
Ich spreche hier nicht von
den Fragen der Genehmigung durch die kirchlichen und weltlichen Behörden,
der Geldbeschaffung, den Beschlüssen innerhalb der Gemeinde, bei denen
es selten ohne Meinungsverschiedenheiten abgeht, sondern von dem, was nach
Erledigung aller dieser Dinge zu tun ist.
Eine der wichtigsten Fragen
ist die Wahl eines Architekten. Auch bei kleinen Aufgaben ist es dringend
zu empfehlen, sich eines solchen zu bedienen. Nun ist wohl die Ansicht
vertreten, der Architekt verteure die Arbeit, denn er fordert mit Recht
für seine Tätigkeit Bezahlung, während der Maurermeister
des Ortes erklärt, er fordere für den Riß und die Aufsicht
auf dem Bau nichts.
Die deutschen Architekten
haben sich zu einem Bunde zusammengetan, der sich sehr strenge Satzungen
gegeben hat. Nach diesen soll der Architekt Treuhänder und Vertrauensmann
des Bauherrn sein, er soll keinerlei andere Bezahlung oder Verdienst annehmen
außer vom Bauherrn und an diesen seine Forderung nach einer vom Bunde
aufgestellten Norm stellen. Er ist verpflichtet, nicht unter dieser Norm
zu arbeiten. Er steht also zum Bauherrn etwa in dem Verhältnis wie
der Rechtsanwalt zu seinem Klienten.
Der Bund nimmt nur solche
zu Mitgliedern auf, die gewisse künstlerische Leistungen nachweisen
können. Nur diese dürfen ihrem Namen das Verbandszeichen B. D.
A. beifügen. Da die Berufsbezeichnung "Architekt" nicht gesetzlich
geschützt ist, mußte ein solches Merkmal eingeführt werden.
Nun ist freilich nicht jedes Bundesmitglied berufener Leiter von Kirchenumbauten.
Aber auch die vielbeschäftigten Kirchenbaumeister sind nicht immer
diejenigen, die die beste Arbeit sicherstellen. Es kommt bei ihnen leicht
zu eintönigen schematischen Lösungen, die ernüchternd wirken.
Die Wahl des Architekten ist nach all dem eine schwierige Aufgabe für
den Bauherrn, vielleicht die verantwortungsvollste, die er zu erfüllen
hat.
Dem Architekten wird das
Bauprogramm vorgelegt und mit ihm durchgesprochen. Er wird seine Einwendungen
gegen ihm ungeeignet erscheinende Bestimmungen erheben. Seine Aufgabe ist
die künstlerische Verwirklichung des Programms. Er liefert dazu Skizzen,
d. h. zeichnerische Vorschläge für die Gestaltung des Baues.
Diese werden den kirchlichen Behörden und. dem Denkmalamt zur Begutachtung
übergeben. Es ist vieles zu erwägen, an das man ursprünglich
gar nicht gedacht hat, mancher Fehler kann vermieden, mancher guter Gedanke
ausgeführt werden.
Der Architekt schafft nun
nach der genehmigten Skizze den Plan. Dieser bietet ihm die Unterlage für
die Berechnung der Baustoffmassen und der Arbeitsleistungen, die zur Herstellung
des Werkes nötig sein werden. Von diesen Berechnungen gehen Abschriften
(Blanquette) an die Handwerker, die nun ihre Preise einsetzen: So und soviel
Kubikmeter Mauerwerk kosten x Mark, so und soviel der laufende Meter Holz
usw. Nun ist es bei Umbauten oft sehr schwer, diesen Anschlag richtig aufzustellen.
Die Menge des "Unvorhergesehenen" wird wahrscheinlich groß sein,
so daß der Kostenvoranschlag überschritten werden wird, ohne
daß daraus dem Architekten ein Vorwurf erwächst. Da ist es eben
notwendig, daß der Bauherr einen Treuhänder zur Seite hat, der
ihn gegen unberechtigte Ausnutzung solcher im Vertrag nicht festgelegten
Arbeiten schützt. Daher muß zwischen Bauherrn und Architekten
sorgfältig erwogen werden, welche Handwerksmeister zu wählen
seien. Sicher nicht glattweg die billigsten, sondern wenn irgend möglich
die besten.
Der Architekt, der ja meist
mehrere Bauten zu gleicher Zeit zu versorgen hat, stellt den Bauführer
an, der ihn auf dem Bau zu vertreten, also die Handwerker im Sinne des
Bauherrn zu überwachen hat, indem er die angelieferten Baustoffe auf
ihre Verwendbarkeit prüft, die Arbeit überwacht, den geregelten
Baubetrieb vorbereitet, die Leistungen der Handwerker nach entsprechender
Vermessung feststellt und "abnimmt", d. h. als fertig anerkennt.
Und schließlich überreicht
nach Fertigstellung des ganzen Baues der Architekt dem Bauherrn die Schlüssel
der Kirche und die Schlußabrechnung und verabschiedet sich mit dem
Wunsche, daß die Gemeinde erkannt habe, wie nötig seine Mitwirkung
war und daß der Bau durch sie nicht verteuert, wohl aber kunstgerecht
geschaffen worden sei.
Ist der Architekt, wie er
soll, in erster Linie Künstler, so wird er jede Arbeit an einem Kirchenbau
als eine Lehrstätte für den Ausführenden ansehen. Er wird
sich freuen, z. B. am Ort befindliche Handwerker heranzuziehen, die nach
Künstlerentwurf das als notwendig Erkannte auszuführen haben.
Er wird aber auch davor warnen müssen, Arbeiten an Männer zu
vergeben, die ihnen unverkennbar nicht gewachsen sind. Nicht minder soll
die kirchliche Gesinnung für die Auswahl der Bearbeiter maßgebend
sein. Ein wahrhaft kirchliches Werk kann ohne ein tiefes Verständnis
für kirchliches Wesen nicht geschaffen werden. Aber dieses Verständnis
muß durch eine besondere Gabe, nämlich den schöpferischen
Geist unterstützt werden. Die Gesinnung allein tut es nicht!
Erhaltungsarbeiten.
Alten Kirchen sieht man
das Alter an, ebenso wie alten Leuten. Und wir Alten schämen uns,
wenn wir den Eindruck erwecken, als wollten wir noch jung sein. Selbst
die Frauen machen sich in unseren Augen lächerlich, die sich äußerlich
zu verjüngen suchen. Wir wollen in späteren Jahren die Würde
des Alters vertreten und erheben auch Anspruch auf Ehrung des Alters.
Also sorgt euch nicht darum,
wenn die Kirche alt aussieht, sondern seid stolz darauf. Die alte Kirche
zeige freudig ihre Runzeln und Schrunden auf, die ihr die Zeit beibrachte.
Pflegt sie gut, aber pflegt sie nicht mit schmeichlerischen Absichten,
in dem ihr sie als jung herausschmücken wollt. Tut alles, um sie vor
weiteren Schäden zu bewahren, nicht um sie zu verschönern, sondern
um sie bei ihrem Wesen zu erhalten. Und wollt ihr der Kirche ein Opfer
bringen, durch ein Werk der Kunst, durch Schaffen besserer Einrichtung,
so schafft es so gut und so schön als irgend möglich, vor allem
aber in die Kirche passend, so wie ihr geliebte alte Menschen beschenken
werdet: Wer in einem bescheidenen Stübchen wohnt, dem schenkt man
eben keinen Blüthnerschen Flügel; und wer in einfach bürgerlichen
Verhältnissen lebt, dem schenkt man kein Reitpferd. Man lasse auch
dem Bescheidenen seine Würde.
Die Kirche werde aber nicht
zur Ruine, sie höre nicht auf, im Leben zu stehen, im Leben der Gemeinde
ihren Platz auszufüllen. Sie versinke nicht in die Einseitigkeit,
lediglich Denkmal der Vergangenheit zu sein. Man hüte sie in ihren
Grundformen und störe sie nicht in ihrem Altertum, indem man falschen
Reichtum einzuführen sucht, einen Prunk, aus dessen Löchern die
Armut hervorschaut. Die "praktischen" Leute sagen wohl, die Gemeinde müsse
stets die Kosten bedenken, da die Kirche ihr Geld zu wichtigen Wohltätigkeitszwecken
brauche, also sparen müsse. Das ist sicher richtig. Spart dann damit,
daß ihr der Kirche keinen neuen Schmuck durch Bau oder Einbau schafft,
und zwar so lange, bis es möglich ist, das wirklich Gute zu leisten:
Keinen Ersatz, kein Surrogat, keine ästhetische Lüge!
Wohl ist es leichter solche
Forderungen aufzustellen, als die rechten Wege zu ihrer Erfüllung
zu finden. Der Putzbewurf hat sich von der Außenseite der Kirche
abgelöst. Soll man nun die ganze Kirche, an der man ohnehin sieht,
daß gleicher Unfall sie schon öfter betraf, neu verputzen? Nur
wenn es wirklich nötig ist. Denn die schlichte Dorfkirche, die in
ihrem etwas buntscheckigen Gewände ernst und feierlich aussieht, wird
neu verputzt und gestrichen wahrscheinlich nüchtern, langweilig erscheinen,
so daß man sich in der Gemeinde sagt: Hier muß etwas geschehen!
Es kommt dann zu dem Wunsche, Schmuck an der Kirche anzubringen, den vorher
niemand an ihr vermißte, zu Umgestaltungen, die Kosten verursachen
und selten Verbesserungen gegen den ursprünglichen Zustand sind: Quieta
non movere.
An den Profilen der Kirche
zeigen sich Lücken: der Stein ist ausgewittert und teilweise abgefallen,
Hier und da ist ein Stück aus dem Mauerwerk abgebrochen, am Tor sind
die Gewände beschädigt. Ein herbeigerufener Maurer ist bereit,
die Schäden schnell zu beseitigen. Er streicht die fehlenden Stellen
mit Zement aus und überarbeitet diesen so, daß er dem Stein
ähnlich erscheint. Nach ein paar Jahren färbt der Zement sich
schwarz und der Bau sieht schlechter aus als vorher: damals vorn Alter
beschädigt, jetzt elend zusammengeflickt. Man warte bis die Erneuerung
wirklich dringlich wird und bis man die Mittel hat, die beschädigten
Steine durch gleichwertige neue auszuwechseln.
Aber das Nichtstun ist auch
nicht der Weisheit letzter Schluß. Denn die Zeit und ihr nagender
Zahn halten sich nicht daran. Sie sind es, die Veränderungen bringen
und die Denkmalpflege zum Eingreifen nötigen. Auf dem Kirchhofe wird
seit Jahrhunderten begraben. Die Leichen sind zu Erde geworden, der Boden
wächst empor. Schon muß man in die Kirche Stufen hinabsteigen.
Der Fußboden ist feucht, die Feuchtigkeit steigt in den Wänden
empor, es zeigen sich allerhand Pflanzen an den Wänden, Ausschwitzungen
von Salpeter, schließlich Schwamm; die Luft in der Kirche wird dumpfig,
es riecht teils moderig, teils scharf, pfefferig; die dort bewahrten Gegenstände
rosten, beschlagen oder stocken: die Erkenntnis, daß etwas gesehen
müsse, wird allgemein.
Es fragt sich vor Allem,
ob Arbeiten am Bau selbst vorzunehmen sind. Man lasse zunächst durch
einen erfahrenen Architekten untersuchen, ob sich die Kirche nicht von
außen her trocken legen läßt: durch Herumführen eines
Grabens um die Außenmauer, der bis unter die Gleiche des Fußbodens
hinabgesenkt wird, so daß nach ihm die Feuchtigkeit sich verzieht
und abgeleitet werden kann, etwa nach einer Senkgrube oder nach einer sonst
tiefer gelegenen Stelle. In den Graben legt man groben Schotter oder was
sonst das Wasser durchläßt und schüttet ihn dann zu, so
daß sich im Boden ein Gerinne offen hält. Oder man decke ihn
längs der Mauer mit Steinplatten ab, so daß zwischen dieser
und dem anstehenden Boden eine trocknende Luftschicht eingefügt wird.
Dazu lasse man die Kirche selbst planmäßig ventilieren.
Solche Mittel wirken meist
besser als alles andere, wenn die Arbeiten nur von kundiger Hand geleitet
werden, also zugleich der Einfluß auf den Kirchhof und die diesem
anvertrauten Leichen beurteilt wird.
Es kommt zu schwierigen
Entscheidungen zunächst über die Frage, ob die Kirche zu restaurieren
sei. Fremdworte haben leicht die Eigenschaft, daß sie nicht ganz
klar die Sache ausdrücken, die man eben meint. Restaurieren heißt
wiederherstellen, den Bau zurückführen auf seinen ursprünglichen
Zustand, ihn in seinem alten Wesen bekräftigen. Restaurieren kann
man auch seinen hungernden Magen in einer Restauration. Und so verstand
man auch die Sache. Man entfernte alles das, was sich nicht schon in der
Zeit der Erbauung der Kirche in ihr befand. Und da man hiermit zumeist
den Bau vollständig ausleerte, Altäre, Kanzel, Orgel usw. entfernen
mußte, entschloß man sich, diese neu, aber in jener Form in
die Kirche hineinzustellen, wie sie nach jeweiliger Ansicht wohl ursprünglich
ausgesehen haben konnten. Man entfernte das Werk späterer Zeiten,
um den Eindruck zu erwecken, die Kirche habe seit so und so viel Jahrhunderten
keinerlei umgestaltende Tätigkeit der Gemeinde erlebt. Und man ging
weiter. Wenn die Kirche nach dem Plane, den man als den ursprünglichen
erkannt hatte, nicht fertig gebaut worden war, wenn spätere Zeiten
das Unvollendete hinzugefügt hatten, so hielt man sich für ernstlich
verpflichtet, dies zu entfernen und etwas an seine Stelle zu setzen, was
dem Willen des ersten Meisters nach Ansicht des Restaurators entsprach.
Dieser sollte auf kunstwissenschaftlichem Wege diesen Willen feststellen
und sich streng an das Gefundene halten. Zu Anfang der Restaurierungstätigkeit
sprach man z. B. noch von reiner, "guter" Gotik. Und weil der Ansicht der
Architekten aus der Schule Schinkels der Chor des Kölner Domes dieser
guten Gotik nicht entsprach, änderte man ihn ab. Man korrigierte also
die alten Meister nach den kunstwissenschaftlichen Erforschungsergebnissen,
die freilich bald als gründlich verfehlt erkannt wurden. Später
schritt man in der Forschung weiter. Man erkannte, daß verschiedene
Zeiten verschiedene Ausdruckformen besessen hatten, und der gelehrte Architekt
lernte nun seinen Bau so restaurieren, daß das Hinzugefügte
der Kunst der Landschaft und womöglich des Jahrzehntes der Entstehung
des Urbaues entsprach. Der Restaurator war stolz darauf, wenn selbst der
Fachmann nicht erkennen konnte, was alt und was von ihm dem Alten angefügt
sei. Ja er baute neue Kirchen je nach seinem Entschluß etwa in rheinisch-romanischem
Stil der Zeit um 1100 oder in französischer Frühgotik von 1200,
in deutscher Renaissance von 1550 oder endlich im Barock von 1700. Er vertiefte
sich so in den Geist der verschiedenen Zeiten, daß er Alles das konnte.
Da nun nach diesem Vorgehen eine restaurierte Kirche des 13. Jahrhunderts
genau so aussehen mußte, wie eine neue im Stil des 13. Jahrhunderts
erbaute, so ergab sich eine Entwertung der alten, die man als solche nur
an ihren Altersschrunden erkannte. Aber auch diese zu entfernen war der
Restaurator ängstlich bemüht.
Wenn man die grundsätzliche
Berechtigung dieser Bauart anerkennt, so muß man auch zugeben, daß
die Absicht oft in hervorragendem Maße erreicht ist: Leider! Denn
wie der große Architekt Semper sagte, man verleugnet die Vergangenheit
und belügt die Gegenwart.
Zu Ende des 19. Jahrhunderts
setzte der Widerspruch gegen diese Kunst ein. In Deutschland mit dem 1.
Denkmalpflegetag in Dresden, in Frankreich durch den Verein "Amis des monuments",
in England durch die "Society for protection of ancient buildings". Überall
erscholl der Ruf: "Erhalten, nicht restaurieren!" Man erkannte, wieviel
durch das Arbeiten an alten Bauten zerstört worden war. Noch gibt
es ältere Architekten, die dem Restaurieren huldigen. Aber sie sind
im Absterben. Bald wird es soweit kommen, daß die künstlerischen
Sünden des 19. Jahrhunderts der Vergangenheit angehören. Und
niemand wird dieser wissenschaftlich künstlerischen Tätigkeit
eine Träne nachweinen.
Der Umbau.
Die Stunde kommt, in der
der Umbau einer alten Kirche erwogen werden muß. Er wird abzulehnen
sein, wenn es sich dabei nur um Stilfragen handelt, wenn es bloß
Geschmacksfragen sind, die den Anlaß geben. Zum mindesten ist hierin
die größte Vorsicht vonnöten. Anders, wenn es sich um Fragen
des Gottesdienstes handelt: die Gemeinde hat sich vergrößert,
der alte Bau reicht zur Erfüllung seines Zweckes nicht mehr aus. Es
sollen neue Altäre aufgestellt werden; oder es soll die Orgelempore
für eine größere Sängerschaft erweitert werden, man
braucht mehr Plätze im Gestühl, und was sonst noch sich nötig
machen kann. Die alte Kirche hemmt die Entwicklung des Gottesdienstes,
den Besuch der Gemeinde bei diesem. Die sich hieraus ergebenden Anforderungen
haben das vollste Recht auf Erfüllung. Denn der Kirchenbau ist nicht
Herr im Gottesdienst, sondern er hat sich diesem unterzuordnen: er ist
Diener.
Es wird sich schwerlich
die grundsätzliche Form finden lassen, mit der man solche Anforderungen
befriedigen kann. Wenn die alte Kirche ein Werk von hervorragendem Wert
ist, und wenn sie tatsächlich den kirchlichen Bedürfnissen nicht
entspricht, so wird die Antwort zu lauten haben: Man baue eine neue Kirche
an eine andere Stelle und lasse die alte Kirche als ein Denkmal der Vergangenheit
unberührt. Der Neubau kommt in solchen Fällen meist nicht teurer
als ein tiefgreifender Umbau. Die alte Kirche ist dann als Kapelle oder,
wenn eine solche nicht für gottesdienstliche Zwecke erforderlich oder
verwendbar ist, für eine andere, im äußersten Falle auch
profane Bestimmung einzurichten, soweit dies ohne Schädigung ihres
künstlerischen und kunstgeschichtlichen Wertes möglich ist. Denn
Bauten, die eines tatsächlichen Zweckes entbehren, werden schwer in
baulichem Zustande zu erhalten sein. Es ist der Denkmalpflege erfolgreich
gelungen, solche Bauten abzutragen und in allen ihren Teilen an eine andere
Stelle, etwa auf einen Kirchhof zu überführen, wo sie dann als
Gottesackerkirche Verwendung fanden.
Sind diese Wege nicht gangbar,
so entsteht die Frage, ob durch Anbau der Zweck sachgemäß erreicht
werden kann. Es handelt sich hier um Aufgaben, deren Lösung besondere
Sachkenntnis und hervorragend hohes künstlerisches Empfinden erfordern.
Während in früheren Jahrhunderten solche Anbauten oft rücksichtslos
hergestellt wurden, unverkennbar in geringer Achtung der älteren,
als veraltet geltenden Teile, fordern wir von dem Neuanbau zwar künstlerische
Selbständigkeit, den Stil unserer Zeit, aber zugleich Ehrfurcht vor
dem Alten, Einordnen, ja Unterordnen unter dieses.
Ist nun der neue Grundsatz
richtig? Er hängt zusammen mit dem Erwachen des Selbstgefühles
der Zeit, die nach eigenem Ausdruck drängt, denn mit dem Erhalten
des Alten ist's nicht getan. Wenn wir auch in die Schule der Vergangenheit
gingen, so wollen wir doch nicht vergessen, daß sie nicht bloß
erhielt, sondern daß sie fortbildete, und wir beklagen oft, daß
sie dabei Altes, Erhaltenswertes zerstörte, also Fehler begangen hat,
die auf uns schmerzlich wirken. Gutes wurde oft durch minder Wertvolles
verdrängt. Es überwog das Streben auf das Fortbilden über
die Ehrfurcht vor dem Überlieferten. Unser Ziel ist, beide Richtungen
miteinander zu verbinden, unsere Zeitanschauungen auch an einem alten Bau
geltend zu machen, sobald das sich als nötig, als verständig
erweist, jedoch dabei zu erhalten, soviel immer möglich ist.
Wenn nun aber an einer alten
Kirche in diesem Sinne Änderungen vorgenommen werden sollen, so stelle
man zunächst mit Hilfe des Denkmalpflegers fest, welche Teile dabei
mit besonderer Sorgfalt zu behandeln seien. Vielleicht hat die Kirche eine
seltene, bemerkenswerte Form des Chores, die an sich nicht auffällt,
wohl aber denjenigen, der viele Kirchen des Landes kennt, überrascht.
Da ist vielleicht ein Tor, dessen Form über die Entstehungszeit des
Baues Aufschluß gibt, ein Fenster, eine Empore, ein Gemälde,
deren Erhaltung wünschenswert ist. Da ist sachverständiger Rat
nötig, nicht nur um das Erhaltenswerte festzustellen, sondern auch
um den Weg anzugeben, wie das neu zu Schaffende in ein gutes Verhältnis
zum Alten gebracht werden kann. Es tauchen künstlerische Fragen auf.
Und in diesen hat der Künstler das entscheidende Wort zu sprechen.
Man sorge dafür, den rechten Mann zu finden, dessen Rat man Vertrauen
schenken kann, und scheue Beratung mit dem Altertumsfreunde nicht, da dieser
dem Künstler Rat zu erteilen hat, Rat in der Pflege des Alten, um
dieses gegen die etwa allzu stark hervortretenden Neuerungen des zum Schaffen
berufenen Meisters zu verteidigen. Handelt es sich hier doch nicht um ein
Werk, das aus seinem Geiste allein erwachsen, sondern um ein solches, das
sich verehrtem Vorhandenen treulich anschließen soll.
Der Architekt kennt aus
den Fachschriften solche Umbauten: Wie hier an eine einschiffige Kirche
durch Ersatz einer Seitenwand durch Pfeiler ein zweites und drittes Schiff
angebaut wurde, ohne tieferen Eingriff in den nun als Seitenschiff verwendeten
ursprünglichen Bau; wie dort die Kirche verlängert wurde, ohne
daß die Einheitlichkeit der Raumwirkung durch den Wandel im Stil
gestört wurde; wie hier Emporen eingefügt, dort entfernt wurden;
und was sonst alles mit geschickter Hand durchgebildet wurde. Am Entwurfe
des Architekten liegt es, die Wünsche des Denkmalpflegers der Gemeinde
verständlich und gefällig zu machen und sie dann durch die Ausführung
zur künstlerischen Tat werden zu lassen.
III. Die Pflege der kirchlichen
Baudenkmäler.
Bildhauer- und Steinmetzarbeiten.
Steinbildhauer des Mittelalters
arbeiteten in einer Weise, die sich vielfach von der der Neuzeit unterscheidet.
Diese schaffen ein Modell in Ton und suchen dann den Stein, aus dem die
modellierte Gestalt herausgeholt werden kann. Jene hatten den Block vor
sich und suchten die Gestalt in diesem in dem Sinne, wie noch Michelangelo
arbeitete, der meinte, die Gestalt stecke im Block drin, man brauche nur
das sie Umhüllende abzuschlagen, um sie aus diesem herauszuholen.
Das ist nicht nur ein geistreiches Wort, sondern in hohem Grade bedeutend
für das künstlerische Schaffen: Nämlich für die Geschlossenheit
der Figur, für das Verzichten auf weit ausgreifende Bewegung, für
die Klarheit des Umrisses, so daß man bei genauem Hinsehen die Grenzen
des Blockes noch an der Haltung der Gestalt erkennt, an den am weitesten
hervorragenden Gliedern oder Gewandfalten.
Anders bei einer Modellbildnerei.
Da wird nach der zunächst geschaffenen Skizze ein Eisengerüst
aufgebaut und um dieses aus Ton das eigentliche Modell. Nichts hindert
daran, die Bewegung von Armen, Beinen, Gewand weit ausgreifend zu machen:
Ein starkes Eisen hält die Tonmasse fest. Es wird dann das Modell
in Gips abgeformt und nach dieser Form eine Gußform hergestellt,
so wie bei den Glocken. Auch werden wohl einzelne Teile gesondert gegossen
und am Rumpfe befestigt, da hier für sicheres Halten gesorgt werden
kann, was im Stein meist sehr fragwürdig ist. Diese Form der Bildnerei
hat sich nun vielfach auf den Stein übertragen, indem Bronzefiguren
schon im Altertum in Stein nachgeahmt wurden, trotz des großen Verlustes
an Stoff, der sich dabei herausstellte.
Dagegen wird man noch an
den Werken des Barockstile die Sparsamkeit am Stein erkennen. So lebhaft
bewegt die Gestalt ist, so fest steckt sie in den ihr gegebenen Grenzen.
Aber sie wächst scheinbar aus ihnen heraus. Denn der dargestellte
Mensch ist oft tatsächlich größer, wie der Stein hoch war,
da er sich nicht gerade aufrichtet, sondern vielleicht kniet oder sich
beugt oder sonst eine Bewegung unternimmt.
An gotischen Toren findet
man oft figürliche Gestalten: Man prüfe sie auf ihre Einordnung
in die Bauformen und wird finden, daß sie stets im Sinne des Steinbildhauers
gestaltet sind. Die Gotik betont die Lotrechte, und so stehen denn die
Gestalten zumeist lotrecht, mit Gliedern, die sich nicht weit vom Körper
trennen; sie sind oft überschlank, nur wenig bewegt, durchseelt von
dem Gedanken, den Stein zu beleben, in dem die Heiligengestalt schlummerte.
Das Streben war auf Ausdruck gerichtet, nicht auf Schönheit. Kein
Wunder, daß Jahrhunderte kamen, in denen das Werk mißfiel,
verachtet wurde. Man sprach von "greulichen Fratzen", die dem Beschauer
entgegengrinsen. Langsam kam das Verständnis wieder, endlich die Erkenntnis,
daß dem Alter gegenüber nicht der Tagesgeschmack, sondern ein
auf Kenntnis der damaligen Zeitkunst berührendes Urteil am Platze
ist. Die Denkmalpflege will nicht erhalten, was ihr heute als schön
erscheint, sondern was einst für künstlerisch galt.
Wie ist nun das Erhalten
durchzuführen? Den ganzen Kirchbau, ebenso auch die bildnerischen
Werke schütze man vor Feuchtigkeit. Ein durchnäßter Stein
friert im Winter aus, d. h. der Frost zerstört Teile seiner Oberfläche,
die Haut: Er verwittert. Und die Verwitterung schreitet nach innen immer
tiefer fort. An der Haut aber ist bei einem Bildwerk das meiste, alles
gelegen. Weiter bröckeln wohl ganze Stücke vom Stein ab, namentlich
vorspringende Teile, eine Backe ein Finger, ein Stück der Falten.
Je tiefer die Einschnitte sind die der Bildhauer in Ausgestaltung seiner
Gestalt machte, je mehr sich hier Wasser, Schnee festsetzen konnte, desto
uns scheinbarer wird der Stein, desto mehr zerstören ihn der Frost,
die chemischen Bestandteile der Luft, namentlich die der größeren
Städte, der Fabriken mit ihrem starken Kohlenverbrauch.
Endlich erkennt jeder: Für
die Figur muß etwas geschehen! Aber was?
Das Einfachste ist, sie
in ein Museum zu stellen, das sie in dem Zustande bewahrt, in dem sie sich
befindet, und einen Bildhauer zu beauftragen, eine neue Figur au Stelle
der alten zu setzen, entweder eine solche, die der Bildhauer neu erfindet
oder eine solche, in der er die alte ergänzt nachahmt. Dann ist aber
doch eine Hauptsache für die Kirche verloren, nämlich die alte
Figur. Oder man erhält diese, läßt sie aber durch einen
geschickten Mann ergänzen. Es gibt sehr gute Steinkitte, die dabei
in Verwendung kommen können. Man schlägt also ein Stück
des verdorbenen Steines weg und setzt hier ein gesundes Stück derselben
Steinart, womöglich aus demselben Bruch, aus dem der alte Stein stammt,
an, macht eine Vierung, wie der Fachmann sagt, und ergänzt mit Vorsicht
die fehlende Kunstform, tunlichst sich an das Vorbild des Abgeschlagenen
haltend. Zugleich sorgt man für Befestigung der alten Steinteile durch
gewisse Anstriche, Imprägnierungen.
Es gibt eine Anzahl von
Mittein dieser Art, deren Hauptzweck ist, den einzelnen Teilchen, Körnern
des Steines, den gelockerten Halt wieder zu geben, so daß sie dem
Eindringen von Feuchtigkeit und der beim Ausfrieren und bei großer
Hitze entstehenden Bewegung Widerstand leisten können. Manche Vorschriften
fordern, daß man vor dem Imprägnieren das Verwitterte bis auf
den gesunden Kern entferne, ein Vorgehen, das einem Bildwerke gegenüber
undenkbar ist, an dem ja die Haut über den künstlerischen Wert
entscheidet. Doch wurde auch dann guter Erfolg erzielt, wenn der Stein
beim Anstrich trocken war. Über die Dauer der Wirksamkeit der verschiedenen
Mittel fehlt es noch an den nötigen Erfahrungen, selbst bei solchen
Steinmetzen, die sich dieser besonders lebhaft rühmen. Denn hier handelt
es sich ja nicht um jene Erfahrungen, die man in einem Menschenleben sammeln
kann, sondern um solche über eine erheblich weitere Spanne Zeit. Wenn
der Steinmetz erklärt, er habe mit gutem Erfolg ein Sandsteindenkmal
imprägniert, so erkundige man sich, wie lange es steht. Ist die Imprägnierung
nicht vor mindestens 30 Jahren erfolgt, so hat sein Zustand für die
hier zu behandelnden Fragen wenig Bedeutung.
In den alten Stein eingeführte
Verzierungen werden in der Farbe sich scharf vom Alten sondern. Man lasse
sich dadurch nicht stören: An Kirchen soll man nicht für den
Augenblick, sondern für die Dauer arbeiten. Und diese wird auch dem
neuen Stein die rechte Farbe geben. Man soll auch nicht jeden kleinen Fehler
zu entfernen ängstlich besorgt sein. Der alte Pfarrer sieht ja auch
nicht ganz jugendblank aus und wird gerade um seines Alters willen geachtet
und geehrt. Denkmäler haben gleiche Rechte. Man tue das, was zu ihrer
Erhaltung nötig ist und erstrebe nicht eine Verjüngung.
Vor allem aber halte man
fachunkundige, geschäftseifrige Hände vom Werke fern, so z. B.
die Fabrikanten aller Arten von Kitt, die schnell fertigen Ausbesserer
aller Schäden in Zement, das längst als ein böser Schädling
erkannt ist. Anfangs wird es nach der Steinfarbe des alten Baues abgestimmt,
bald aber tritt der häßliche graue Ton hervor: Die Zerstörung
des Steines schreitet fort, der Zement aber behauptet sich mit unerbittlicher
Hartnäckigkeit, so daß man Stücke des Steines losschlagen
muß, wenn man ihn wieder entfernen will. Ausbesserungen mit Zement
sollten kunstpolizeilich verboten werden!
Was nun von den Statuen
gilt, ist auch für Reliefs, für Ornament, für Architekturglieder,
für die Masse des Hausteinmauerwerks maßgebend. Auch hier sollte
der Grundsatz gelten: Das Alte erhalten, auch wenn es nicht ohne Runzeln
und Schrunden ist, und zwar so lange, als es nicht zur Gefahr für
das Ganze wird oder in sich den Halt verloren hat. Aber kein künstliches
Altmachen, keine Täuschungen hervorrufen, sondern das Neue als neu
erscheinen lassen, selbst wenn das für einige Zeit störend wirkt.
Ein beliebtes Mittel war
in der Anfangszeit der Denkmalpflege das Überarbeiten alten Steinwerkes,
das Abscharrieren, d. i. Wegschlagen der Haut mit einem breiten Eisen,
so daß Vertiefungen in der Oberfläche, entsprechend der Länge
des Eisens entstehen. Oder das Stocken, d. i. Bearbeiten mit einem Hammer,
auf dessen breiter Fläche kleine pyramidenförmige Erhöhungen
sind, die den Stein so bearbeiten, daß er körnig wirkt. In beiden
Fällen verschwinden die Eigenarten der Bearbeitung des alten Steines
und damit seine Wirkung. Es verschwinden dabei auch gewisse Denkmäler,
auf die der Kunstforscher sein Auge richtet, nämlich die Steinmetzzeichen,
die der Gesell und der Lehrling an das von ihm bearbeitete Zeichen schlug,
als sein ihm vom Meister verliehenes Wappen. Aus den Gesellen aber werden
wieder Meister. Die Forschung hat die Zeichen der wichtigsten bekannten
Meister festgestellt, und das Finden eines Zeichens an einem Stein eines
etwas älteren Baues gibt uns den Nachweis, wo der Meister früher
gearbeitet, wo er gelernt hat. Andererseits kennen wir Zeichen ohne den
Namen ihres Trägers ermittelt zu haben und besitzen damit die Möglichkeit,
das künstlerische Wesen des Unbekannten geschichtlich festzustellen.
Wer also Steinmetzzeichen entfernt, beraubt die Architekturgeschichte um
Forschungsmittel. Wichtig sind namentlich die Meisterzeichen, die meist
größer gebildet, an besonders auffälligen Stellen, oft
in einem Wappenschild angebracht sind.
Die Denkmalpflege ist bis
zu ihrer heutigen Auffassung seltsame Wege gewandert. So schlug man vor,
beschädigte Bauglieder durch nachgeahmte und in einer Form ergänzte
zu ersetzen, die genau so zu bilden seien, wie die alten ursprünglich
aussahen; um aber dem Einwände zu entgehen, daß dies doch eigentlich
Fälschung sei, wäre die Jahreszahl der Wiederherstellung einzumeißeln
mit besonderen Angaben darüber, ob die Form Nachahmung oder frei erfunden
seien. Man wollte dem Beschauer dadurch den Eindruck des ursprünglichen
Baues geben, so wie er aus des Meisters Hand hervorging, dem Forscher aber
erkennbar machen, was neu hinzugefügt worden sei: Sehr vorsichtig,
sehr gelehrt, aber sehr unkünstlerisch. Dem hielt man entgegen, wie
vergangene Jahrhunderte sich ähnlichen Aufgaben gegenüberstellten.
Sie machten das Neue in ihrem Geschmack, zeigten, daß eine spätere
Zeit sich künstlerisch anders äußerte und wußten
sich doch in den Gesamtraum einzuschicken. Unsere Aufgabe ist, ihnen hierin
zu folgen, indem wir den geschichtlichen Geist wahren: Offenes Bekennen
zur eigenen Zeit bei höchster Bewertung der Vergangenheit. Also nicht
ein auf Gelehrsamkeit beruhendes Bilden in einem vergangenen Stil, sondern
freudiges Einreihen der eigenen Schöpferkraft in den von den Alten
uns hinterlassenen Bau. Der letzte Inhalt jeder gottesdienstlichen Handlung
ist ein Zurückgreifen auf die Lehre Christi. Aber seit nun bald zwei
Jahrtausenden sucht der Prediger sie aus dem Geiste seiner Zeit darzustellen,
in der Sprache seines Volkes. Auch die Kunst ist eine solche Sprache.
Die Frage ist noch offen,
in wieweit Haustein im Mittelalter bemalt wurde. Darüber ist gelegentlich
der Ausmalung alter Kirchen weiteres zu sagen. Berechtigt ist die Bemalung
des Steines zweifellos. Es fragt sich nur, ob eine solche nicht eine Benachteiligung
der Wirkung ist, da der Stein oft in seiner künstlerischen Wirkung
über der Farbschicht steht: So vor allem die edleren Steinarten, an
der Spitze der Marmor. Es gibt bekanntlich weißen, solchen der meist
bläulich geädert ist, sowie bunte Marmorsorten; selbst schwarze,
ferner sogenannte Breccien verschiedener Art, einen Stein, der aus farbigen
Brocken zusammengesetzt ist. Dazu kann man Marmor mit Erfolg beizen und
färben, so daß es eine falsche Vorstellung ist, wenn man bei
dem Worte zunächst nur an das zuckerige Weiß der berühmten
Brüche der Alten, der pentelischen, parischen und carrarischen denkt.
Man verwendete die farbigen Marmorarten sehr oft, um dadurch Muster zusammenzustellen,
indem man Platten in Rahmen einführte und durch Polieren deren Glanz
erhöhte. Solche Marmormosaiken und -intarsien sind in Kirchen vielfach
verwendet worden, und zwar unter Hinzunahme auch anderen Gesteins bis zu
dem vornehmsten, wie dem tiefblauen Lasurstein, dem grünen Malachit
und anderen in größeren Stücken gebrochenen Halbedelsteinen.
Die Herstellung von Steinmosaik wurde zu einem Gewerbe, das auch in kleinstem
Maßstab für Frauenschmuck arbeitete, aber sich auch in manchen
— namentlich venetianischen — Kirchen, über die ganze Architektur
erstreckte. Mit der Philosophie der Armen hat man sich über diese
"Verschwendung" entsetzt. Das mag der tun, der die Grenzen der Opfertätigkeit
für die Kirche glaubt feststellen zu können, der anzugeben weiß,
inwiefern die evangelische Einfachheit diese einzuschränken habe.
Ich möchte damit sagen, es seien theologische, nicht aber künstlerische
Bedenken, die sich hier geltend machen. Und die ersteren zu beurteilen,
ist nicht meine Sache.
Von besonderer Wichtigkeit
ist auch der Haustein für das Kirchenpflaster, das Paviment. Man sieht
in altchristlichen Kirchen, wie sich die Künstler aus den verfallenden
heidnischen Bauten die edlen Stoffe zum Schmuck des Fußbodens herbeiholten:
Säulenschäfte wurden da in Scheiben zersägt und diese auf
den Fußboden gelegt, andere Stücke benutzt, um Muster daraus
zu bilden, die alte Kunst des Herstellens eines Mosaik aus farbigen Steinbrocken
wurde erfolgreich fortgeführt. Und wo die Kunst verloren gegangen
war, wo es an farbigem Gestein fehlte, wurde doch der Boden mit Platten
aus Sandstein oder ähnlichen am Orte befindlichen Baustoffen belegt.
Auch Ziegel verschiedenster Art treten auf. Oder man schlug verschiedenartige
Steine in einem Mörtelguß zusammen und breitete diesen auf dem
Boden aus, indem man ihn nach Art des Estrichs auf dem Boden verstrich
oder ihn in fertiggestellte Stücken zerlegte (Terrazzo oder Battuta).
Ziegelbau.
Lange hat man den Ziegel
lediglich als einen Ersatz für den Haustein betrachtet, als ein Surrogat
von geringem Wert. Es waren die Zeiten, in denen der Bürger sein in
Ziegeln errichtetes Wohnhaus mit Kalk abputzen ließ, um es damit
vornehmer zu machen. Es folgten die Tage, in denen man die feierliche Größe,
namentlich der kirchlichen Ziegelbauten Norddeutschlands und die behäbige
Stimmung der alten Wohnhäuser dieser Art erkannte und sich hieraus
das lebhafte Streben entwickelte, ähnliche Wirkungen zu erzielen.
Der Ziegelbau drang damit auch in Gebiete vor, in denen es Haustein zur
Genüge gab. Es entstanden Kirchen und Paläste in diesem nun zu
hohen Ehren gelangten Stoff, dessen "Echtheit" nunmehr unangefochten war,
seit man die besonderen Bedingungen seiner Verwendung erkannt hatte.
Der Backstein unserer Tage
hat durch ein Abkommen ein festgesetztes Maß von 25 zu 12 zu 6,5
cm. Er liegt zwischen Kalkfugen von l cm Breite so, daß abwechselnd
eine Langseite an der Außenseite erscheint, als Läufer, oder
die Schmalseite als Binder. Liegen die Steine auf der Schmalseite aneinander
geschichtet, so bildet sich eine Rollschicht. Im Wechsel der Binder und
Läufer entwickeln sich mancherlei Steinverbände von verschiedenen
Namen, durch die eine große Wand eine gewisse Musterung erhält.
Diese tritt schärfer hervor durch die Benutzung von zufälligen
Umständen. Wenn in den Feldbränden beim Härten der aus Lehm
oder Ton gebildeten, an der Luft getrockneten Steine nicht fertige, sondern
aus diesen Steinen selbst gebildete Öfen verwendet wurden, brannten
die dem Feuer zunächst zugänglichen Steine stärker und wurden
dadurch bläulich rot (Klinker), während die dem Feuer ferner
bleibenden rot, die äußersten gelblich brannten. Indem man nun
den Klinker mit der Kopfseite nach außen in die Schicht einbettete,
erhielt die Musterung im Verbande eine deutlich bemerkbare Farbe. Freilich
gelang selten eine gleichmäßige Durchbildung des Musters, da
es meist an der genügenden Zahl von Klinkern fehlte, dafür aber
wirkte die Fläche um so lebendiger, minder schematisch als moderne
Wandmusterungen.
Im allgemeinen brannte das
Mittelalter größere Steine als die Jetztzeit. Sie unterscheiden
sich auch von den mit Maschinen hergestellten dadurch, daß sie minder
gleichmäßig gebildet sind, im Mauerwerk selbst durch die verschiedenartige
Behandlung der Fugen. Wenn nun in neuerer Zeit Klagen gegen die künstlerische
Wirkung moderner Ziegelmauern sich erhoben, so berief man sich auf die
ältere Arbeitsweise als nicht erreichtes Vorbild. Die saubere Gleichmäßigkeit
erweckte Langeweile und Nüchternheit, das deutliche Hervortreten der
die Masse bildenden Einzelsteine, namentlich bei kleinen Bauten, wirkte
störend, die Verwendung zu Schmückgebilden spielerisch, an die
Baukasten unserer Kinder erinnernd. Gerade die Massigkeit der alten Bauten
erschien nun als der Grund ihres künstlerischen Wertes.
Steine wurden auch glasiert,
d. h. in gelben und grünen Glasfluß getaucht und dann gebrannt.
Es wurden Steine von anderer Gestalt, als der gleichmäßigen
hergestellt, Formsteine, aus denen Gesimse, Zierformen, aufsteigende Säulen
Gewölbrippen gebildet wurden. Eine Frage gelehrten Streites war es,
ob vermauerte Ziegel ähnlich wie Haustein mit dem Meißel bearbeitet
wurden. Erwiesen ist, daß dies tatsächlich geschah, doch nicht
allgemeiner Brauch war.
Wenn ein Ziegelbau Schaden
erleidet, so ist die Frage, ob man zu seiner Ausbesserung Steine der den
alten Formen entsprechenden Gestalt auftreiben kann. Denn Steine anderer
Größe als die alten, werden sich als unerfreulich erscheinende
Flickerei bemerkbar machen. Vielfach sind auch Kirchen nachträglich
verputzt worden. Schlägt man den Putz ab, so ist es doch schwer, die
Ziegelfläche wieder zu reinigen. In den Niederlanden sah ich, daß
man dann die Flächen abscharriert, d. h. die Haut des Ziegels weghaut.
Bei uns wird angenommen, daß dieser hierdurch an Widerstandskraft
gegen Verwitterung verliere, was belgische Fachleute mir gegenüber
verneinten.
In alten Ziegelkirchen sieht
man oft, daß gewisse Flächen zwischen den Steinmassen verputzt
und bemalt waren, ein Mittel, mit dem man den schweren Ernst des Stoffes
aufheiterte. Ähnlich wechselt auch im Innern der rote Stein mit der
weißen Putzfläche und werden dadurch malerische Wirkungen erzielt.
Putz und Stuck.
Das 16. Jahrhundert führte
eine große Zahl von Italienern nach Deutschland, die den Bau in Putz
verbreiteten, d. h. das Verkleiden der Flächen mit einem Kalkbewurf.
Zugleich brachten sie den Stuck auf, ein Arbeiten in einer aus Gips oder
Marmorstaub gebildeten knetbaren Masse, die entweder in Formen gepreßt
und erhärtet an die Wand gebracht, oder mit der Kelle an diese geworfen
und mit Modellbrettern als Gesimse gezogen oder endlich auch nach Art des
Bildhauers geformt wird. Zwar ist das Wort Stuck mittelhochdeutscher Herkunft,
und Stuckarbeiten aus dem 13. Jahrhundert sind auch bei uns bekannt — so
Gestalten an den Chorschranken der Michaeliskirche in Hildesheim — aber
der Name der Arbeiter in Stuck, stuccatore, stuccateur ist uns doch noch
aus dem 17. und 18. Jahrhundert geblieben.
Im Anfang des 19. Jahrhunderts,
auch durch einen so großen Meister wie Schinckel es war, wurde der
Putz der Schauseiten (Fassaden) so gestaltet, wie es die klassizistische,
vom Marmorbau entlehnte Kunst erforderte, also in Nachahmung des Steinbaues.
So würden zum Beispiel vertiefte Linien in den Putz eingezogen nach
Art der Quaderfugen am Steinbau und somit ein dem Putzbau fremdes Wesen
vorgespiegelt. Jeder Baustoff nun, der als etwas anderes erscheinen will,
womöglich als etwas Besseres als er ist, erscheint uns als Ersatz
und damit an sich als minderwertig. Nun ist aber Kalk ein ebenso echter
Stoff wie jeder andere, der Fehler lag nur in der Verwendung. Das 18. Jahrhundert,
das nachmals mißachtete Rokoko, hatte die verputzten Wände durch
Wandstreifen und umrahmte Felder gegliedert und damit dem Putz eine durchaus
angemessene Gestaltung gegeben, nicht eben aus tiefsinniger ästhetischer
Betrachtung, sondern weil das die verständigste und sinngemäßeste
Verwendung eines in Flächen aufgetragenen Stoffes war. Seit man das
Rokoko nicht mehr als "Zopf" verhöhnte, seit man die hohe Schönheit
der Werke des 17. und 18. Jahrhunderts erkannt hatte, verschwand auch das
Bedenken gegen Putz und Stuck, die man als unkirchlich, als frivol bezeichnet
hatte. Das Gerede vom prunkhaften Jesuitenstil und seiner "hohlen Überladung",
von der Unwürdigkeit protestantischer Gotteshäuser der Zeit eines
Spener und Zinzendorf verstummte, um den Bauten jener Zeit zu vorbildlicher
Bedeutung zu helfen. Und so blicken wir jetzt auch auf diese Werke mit
freudigem Stolz, in denen der Reichtum der Ausstattung, die vornehme Raumweite
und die Fülle des Schmuckes ein erhöhtes Leben uns vermitteln.
Mit Stolz auch deswegen, weil das deutsche Barock nicht Nachahmung des
italienischen und das deutsche Rokoko nicht Nachahmung des französischen
ist, sondern weil es ebenso sehr deutsche Baumeister waren, die den eingedrungenen
Fremdstil überwanden, wie deutsche Musiker dies Befreiungswerk in
ihrer Kunst leisteten. Man versteht wieder die nie erloschene Vorliebe
der Volksmassen für jene Bauten, die von Form, von Farbe, von Gold,
von Kunst strotzen, und trotzdem so lange als arge Auswüchse eines
verkommenen Geschmackes angesehen wurden.
Darum halte die Geistlichkeit
alle Hände auch über den Stuck, über die verputzten Wände,
über die lichte Pracht. Ja selbst dort, wo ältere, etwa romanische
oder gotische Kirchen "verzopft" wurden, d. h. wo die spätere Zeit
sie durch Neuausstattung mit Stuck und Malerei gründlich umgestaltete,
nehme man diesen Wandel als geschichtliche Tatsache hin. Was nach Fortschlagen
all des Reichtums zum Vorschein kommt, ist doch meist verstümmelt,
seiner besten Teile beraubt, namentlich seiner ursprünglichen Ausstattung,
so daß an Stelle eines geschichtlich Gewordenen meist ein trübes
Abbild eines Vergangenen zutage tritt.
Stuck wird bemalt und vergoldet,
auch in der Masse gefärbt. Doch wird er auch in verfeinerter Form
verwendet als Stuckmarmor, indem in die Masse verschiedenartige Marmorbrocken
eingeführt und das Ganze dann geschliffen wird, ähnlich dem Naturmarmor.
Alle diese Werkformen sind in unserer Zeit wieder aufgenommen worden, so
daß der beschädigte Stuck leicht wieder ausgebessert werden
kann — selbstverständlich nur durch kunstgeübte Hände, von
Männern, die sich in den Stil einlebten. Die Farben müssen den
alten entsprechen, die stets leicht, zierlich, fein, meist weißlich
gehalten sind. Schwere Farben, tiefes blau, violett, braun, dunkelgrün,
bräunliches Purpur sind zu vermeiden, ebenso wie zu viel Glanzvergoldung:
Schau um dich in echten Stuckkirchen, und du wirst lernen, wie du diese
bei Erneuerungen zu behandeln hast!
Das Ausmalen der Kirchen.
Seit dem Vordringen der
Renaissance im 19. Jahrhundert, seitdem die Malerei, für die in Deutschland
Piloty und Makart bezeichnend sind, die tiefen Töne der orientalischen
Teppiche auf das Bild übertrugen, hatte sich auch der Kirchen eine
eigenartige Färbung bemächtigt. Man liebte vor allem mit braun
gebrochene Farben und übertrug diese auch auf die Ausmalung der Kirchen.
Bei geschickter Verwendung ergab dies eine gewisse Ruhe und Feierlichkeit
des Gesamttones, die dem Zeitgeschmack behagte. Die starken ungebrochenen
Farben waren verpönt, auch das reine Weiß.
An dessen Stelle setzte
man wieder einen leicht gebräunten, Ton, ähnlich dem des Elfenbein,
der feiner, zarter, minder entschieden wirkte, als der nach dem Bläulichen
hinüberschlagende. Mehr und mehr griffen die Farben um sich, die man
als "creme" bezeichnete, als Milchschleim, Rahm, Sahne, also solche, die
nun nach dem hellen Gelblichen gestimmt waren. Eine gewisse Ängstlichkeit,
eine Scheu vor starken Wirkungen war für die farbige Ausschmückung
des Innern bezeichnend, mehr noch für die des Äußeren.
Im Mittelalter war dies anders. Wahrscheinlich waren die reicher verzierten
Teile, namentlich die Tore und die sonst mit Bildwerk und kirchlichem Ornament
versehenen Teile mit ungebrochenen, lebhaften Farben, auch mit Gold bemalt.
Wo sich Reste dieser Ausschmückung erhielten, soll man sie nicht entfernen,
auch wenn sie nicht die ursprünglichen, sondern nachträglich
erneuerte sind. Wenn aber neuzeitliche Architekten Bildstücke und
Architekturteile in den leuchtenden Farben wieder bemalten, von denen sie
an einem alten Werke Spuren entdeckten, so fanden sie meist lebhafte Gegnerschaft.
So erfuhr dies z. B. einer der besten deutschen Kenner der mittelalterlichen
Kunst, Karl Schäfer, beim Ausmalen des Tores an Jung St. Peter in
Straßburg. Die leuchtenden Farben bleichen bald aus, Staub setzt
sich an, so daß die Härte sich mildert und schließlich
jene Ruhe in den Ton kommt, die uns an alten Ausmalungen erfreut.
Es ist dabei vielleicht
zu viel mit Grundsätzen gearbeitet worden, nämlich damit, daß
das Alte in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden müsse,
weil die Alten es eben besser als wir gewußt hätten, was schön
sei. Und daß daher nichts übrig bleibe, als auf ihren Wegen
zu wandern. Der ihnen widersprechende Tagesgeschmack sei einfach schlecht
und müsse zu jenem der Vergangenheit wieder herangebildet werden.
Einzuwenden ist dagegen, daß unser Geschmack zwar anders ist als
der des Mittelalters, darum aber doch nicht falsch gerichtet, und daß
es unsere Aufgabe ist, nicht alten Geschmack wieder aufzunehmen, sondern
neuen aus uns heraus zu entwickeln. Also glaube ich, daß hier gleichwertige
Ansichten sich gegenüberstehen, die sich teilweise bekämpfen.
Der nicht durch Grundsätze Gebundene wird in jedem Einzelfall das
Ersprießliche zu finden suchen.
Die Renaissance und das
Barock bauten die farbige Behandlung der Kirche auf dem Weiß des
Kalkes und des Gipses auf. Heute ist diese Farbtönung wieder sehr
beliebt. Dabei geht man entschiedener Farbigkeit nicht aus dem Wege: Lebhafte
Tönung des Gestühls, der Holzteile, kräftige Farben für
den ornamentalen und figürlichen Schmuck stehen prächtig auf
dem hellen, freundlichen Weiß. Namentlich die ländliche Bevölkerung,
die die starken Farben der Natur gewohnt ist, liebt kräftige Tönung.
Und allgemein tritt diese stärker hervor, als in früheren Zeiten,
ein auch von den Künstlern gern gesehenes Mittel, sich in eindringlicher
Weise zu äußern.
Dabei kommt die Wand- und
Deckenmalerei wieder in ihr Recht. Lange Zeit sträubte sich der Geschmack
namentlich gegen die Deckenmalerei des Barock, die die Felder des Gewölbes
für den Beschauer als Aussicht in den Himmel darstellt. Man warf ihr
vor, daß sie das Auge täuschen wolle, als ob sich der Blick
ins Freie wirklich eröffne und daß dies um so peinlicher sei,
weil die Täuschung augenfällig ist. Niemand wird glauben, daß
über ihm tatsächlich eine Himmelfahrt Christi stattfinde, daß
dort wirklich Engel auf Wolken ruhten; niemand wird auch glauben, daß
die Maler eine solche Täuschung beabsichtigt hätten. Es handelt
sich von der künstlerischen Seite lediglich darum, durch die Illusion
zu bewirken, daß die Decke leicht, der Raum nach oben erweitert erscheint.
Und das ist meist mit Meisterschaft erreicht. Handelt es sich um Täuschung,
so doch nur um jene künstlerische, die die Eigenschaft hat, daß
man ihrer jederzeit bewußt bleibt; so wie man im Theater zwar die
Leidenschaften im Schauspieler walten sieht, ohne aber je darüber
außer Zweifel zu kommen, daß es seine kühl überlegte
Kunst fertig bringt, die Vorgänge auf der Bühne als tatsächlich
uns empfinden zu lassen.
So ist denn jedes Bild auf
dem Grundsatze künstlerischer Täuschung aufgebaut. Unkünstlerisch
ist es dann, wenn man in Zweifel darüber kommt, ob das Dargestellte
nicht ein Tatsächliches sei. So bei manchen Statuen, die, in künstliches
Licht gebracht, wie ein dort stehender Mensch erscheinen. "Realismus" ist
ein künstlerisches Ausdrucksmittel, aber es ist auch ein voller Gegensatz
zur "Realität". Wer diese vortäuscht, wer dem Beschauer des Bildes
etwas anderes vorführen will als eben ein Bild, versündigt sich
am Geiste der Kunst, am Geist der Wahrheit, die auch für die Kunst
eine innere Notwendigkeit ist.
Nicht jeder weiß,
wie viel die gute Auswahl der Farben selbst bei einfachstem Anstrich der
Kirchen ausmacht. Wenn man einen Künstler ruft, der dem Malermeister
die Farben "ansetzt", d.h., ihm die Töne zusammenstellt, die er im
Raume verwenden soll, so wird man dadurch vor Mißbildungen in der
Hauptsache gesichert sein.
Holzbau und Dächer.
Wer je mit Aufmerksamkeit
einen alten und einen neuzeitlichen Holzbau betrachtete, der erkennt meist
einen wesentlichen Unterschied. Die neuzeitlichen Zimmerleute arbeiten
"rationeller", d. h., sie machen sich klarer, wieviel jeder Holzteil zu
tragen hat und wie stark er deswegen sein muß. Die alten Zimmerleute
sorgten sich weniger darum, konnten die zu tragenden Lasten statisch nicht
berechnen und nahmen von vornherein stärkeres Holz, um auf alle Fälle
sicher zu gehen. "Le superflu, c’est le nécessaire" sagt ein französisches
Sprichwort, das für die Kunst starke Bedeutung hat. Es drückt
sich in der Stärke des Holzes ein gewisser Wohlstand aus, dessen man
sich auch bei einfacher Betrachtung bewußt wird.
Da sind in eine Kirche zwei
Holzempore eingebaut, die eine um 1800 oder später, die andere um
100 Jahre früher. Die erstere ruht auf einen im Querschnitt quadratischen,
an den Ecken abgeschrägten (gefasten) Ständer mit einem Kapital.
Dies besteht aus einer profilierten aufgenagelten Leiste, die an den Ecken
durch Absägen im Winkel von 45° zusammengefügt (auf Gehrung
geschnitten ist). Die Fugen klaffen, da das Holz durch das Trocknen in
seiner Länge sich verkürzte (geschwunden ist): die Sache sieht
ärmlich und klapprig aus. Der alte Ständer ist aus einem Holz
gebildet, aus dem die Formen herausgeholt wurden. Diese wirken gesund,
kräftig, selbstverständlich. Darüber liegt ein Balken. Der
neuere ist wieder durch aufgenagelte Leisten verziert, dem griechischen
"Gebälk" entsprechend, der ältere ist mit einem aus der Masse
geschnittenen Profil versehen, das am Ende, dort wo der Balken aufliegt
mit einem "Schiffchen" versehen, einem zierlichen Ornament, das wieder
sachlich und verständig erscheint.
Der alte Zimmermann hatte
seine bestimmten Werkzeuge, andere als der Tischler. Er setzte seinen Ehrgeiz
darein, nur in Holz zu arbeiten. Er überließ das Arbeiten mit
Nägeln und das Leimen dem Tischler. Wo er aber doch Nägel brauchte,
schnitzte er sich diese aus Holz.
Die Balkenlage, die er heute
auf die Mauern oder das Riegelwerk, also die aus Holz gebildete, mit Lehm
verstakte oder mit Ziegeln ausgemauerte Wand legt, wird durch einen Brettbelag
und über einer aufgenagelten Rohrschicht mit Putz von unten abgedeckt:
Die Balken selbst sind unsichtbar und demgemäß unverziert. Die
alten Balken lagen frei, waren in gleicher Weise ausgebildet, wie die beschriebenen
und in den Zwischenreihen waren bemalte Bretter ein geschoben: Das Ganze
oft ein Werk von echt künstlerischem Reiz. Wenn die Kirche alt und
die Decke verputzt ist, sollte man stets bei Neuerungen untersuchen, ob
nicht eine alte Balkenlage darüber steckt, die wieder hervorzuholen
möglich ist, als ein seiner Zeit mißachteter Schmuck der Kirche.
So mancher Pfarrer führte
mich ins Dach seiner Kirche, stolz auf die Bauweise des Dachstuhles. Er
rühmt, daß "ein ganzer Wald" dafür verarbeitet worden sei.
Der Zimmermann und der Architekt von heute klagt wohl darüber, daß
eine solche Konstruktion unnötig schwer die Mauern belaste. Aber sie
hat daher auch Jahrhunderte überdauert, wenn sie nicht Brand zerstörte.
Der Helm des Turmes ist
wieder eine beachtenswerte Leistung. Manchmal von sonderbarer Form, wie
etwa die zwiebelförmigen Hauben so vieler bayrischer Kirchen. Es steigen
da schräg Sparren auf, an denen in bewegten Formen gehaltene Bohlen
befestigt sind. Auf diesen liegen die Latten und weiterhin die Dachziegel,
der Schiefer oder vielleicht sogar auch gespaltene Holzplättchen (Schindeln).
Oft bildet sich noch oben eine Laterne oder Durchsicht und schließt
diese eine weitere Haube ab. Ja gelegentlich wiederholt sich dasselbe zweimal.
Man achte auf die Linienführung: Der Sparren beherrscht sie, die Kurven
sind stets ein Hinzugefügtes, da der Umriß auf der Grundlinie
der Sparren sich aufbaut.
Auch das Dach decken Ziegel,
Schiefer oder Schindeln. Die alten Dachziegel haben einen Sförmigen
Querschnitt (Krummziegel) oder den einer halben Röhre, wobei über
den Enden von je zwei mit der offenen Seite nach oben liegenden ein in
der Gegenform gelegter abschließend wirkt (Mönch und Nonne).
v^v^v^ Oder es sind breite, zungenartige Patten (Pfannen). Bei allen diesen
Formen spielt die Musterung der Deckenfläche eine Rolle in der Erscheinung
des ganzen Baues, die man bei Erneuerungen nicht unbeachtet lassen sollte.
Das alte Dach erscheint wuchtiger, bedeutender. Ebenso das schuppenförmig
eingedeckte alte Schieferdach, bei dem die größten Steine unten,
die kleineren weiter oben auf Bretter aufgebracht wurden, während
jetzt sechseckig bearbeiteter Schiefer geliefert wird, der glatter in der
Oberfläche, sauberer in der Arbeit, aber auch dementsprechend langweiliger
wirkt. Gegen die Schindeln wehrt sich die Feuerversicherung, da sie zweifellos
nicht nur bei einem Brande wenig widerstandsfähig, sondern auch, vom
Flugfeuer fortgetragen, für die Umgegend gefährlich sind.
Man suche, um alten Dorfkirchen
ihre malerische Wirkung zu erhalten, die Dächer möglichst unversehrt
zu lassen, hüte sich bei Neueindeckungen aber vor den Spielereien
mit farbigen Ziegeln oder Schieferplatten, die nur durch eines Künstlers
Hand zu einer guten Wirkung gebracht werden können: Und auch diese
versagt meist!
Ein Schmerzenskind der Kirchenverwaltung
ist meist der Dachboden. Er hat sehr verschiedene Zwecke: Zunächst
dient er als Speicher. Die Kirchendecke ist vielleicht ein Gewölbe,
über dem die Balkenlage liegt. Dann wird diese mit Brettern benagelt,
so daß oberhalb der Gewölbe ein schwer zugänglicher Raum
entsteht, der sich bald mit allerhand Abfall füllt. Oder die Kirche
hat eine flache Decke. Um das Entweichen der Heizungswärme zu verhindern,
bringt man oberhalb dieser oft eine Lehmschicht an. Selten ist der Fußboden
sorgfältig ausgebildet. Es liegen Späne, Holzvorräte, Gerümpel
herum, bei Brand ein gefährlicher Stoff zu rascher Verbreitung des
Feuers. Dann aber liegen oben machmal recht wertvolle Stücke der älteren
bei einer Kirchenerneuerung entfernten Einrichtungsgegenstände. Es
ist den Kirchenvorständen dringend zu raten, gute Ordnung auf den
Dachböden zu halten, nicht den die Glocken Bedienenden und dem Küster
die Sorge allein für diese zu überlassen, namentlich aber dort
nach alten Kunstwerken zu suchen und, wenn solche vorhanden sind, sie wenigstens
durch Einsammeln in Verschläge vor Unbefugten zu schützen: Eines
Tages werden sie noch, in die Kirche zurückgebracht, dieser zur Freude
gereichen, auch wenn sie jetzt noch so verkommen aussehen. Der Laie weiß
zumeist nicht, wieviel geschicktes Ausbessern an ihnen noch zu retten vermag.
In den Türmen nisten
die Eulen und die Dohlen, in den Dächern viel kleinere Vögel,
Fledermäuse usw. Alle diese bringen Schmutz mit sich. Da man sie zu
vertreiben nicht gewillt sein mag — mich wenigstens hat es stets gefreut,
wenn die Dohlen um die Türme mit ihrem hellen Tja! Tja! schwebten
— so muß man eben öfter den Kirchboden reinigen lassen: Es sollten
die Kosten dafür in der Jahresabrechnung einen festen Posten bilden.
Entsteht doch der Verwaltung
eine ständige Sorge aus dem Dach. Ausbesserungen gegen Schäden
in der Deckung, beim Eindringen von Regenwasser und Schnee sind häufig,
das Unterlassen rechtzeitigen Eingreifens rächt sich oft bitter. Nach
jedem Unwetter sollte man den Dachboden und das Dach auf ihren Zustand
untersuchen.
Die Heizung und Lüftung.
Die alten Kirchen wurden
nicht geheizt. Man suchte sich gegen Kälte zu schützen so gut
es ging, mit Pelzen, Überkleidern, Fuß- und Handwärmern
(Stövchen), die mit Holzkohle geheizt wurden. Heute fordert man für
einen Raum, in dem man sich lange aufzuhalten gewillt ist, entsprechende
Wärme. Die großen Eisenöfen, die hier und da aufgestellt
sind, die Schornsteine, die nicht ziehen, wenn sie nicht über die
Höhe des Dachfirstes hinausgezogen sind, kann man meist als Verschönerung
der Kirchen nicht ansehen. Die Sammelheizungen fordern Raum für die
Kesselanlage, jede Art Heizung also Eingriffe in den Bestand des Baues.
Daher begnüge man sich
nicht mit den Vorschlägen des Heizungstechnikers, der vorzugsweise,
oft aber auch leider allein die praktische Seite ins Auge faßt, sondern
frage den künstlerisch geschulten Architekten, den Denkmalspfleger
um seinen Rat, ehe man die Arbeit beginnen läßt. Leicht sind
Schäden der Kirche zugefügt, schwer sie wieder zu beseitigen.
Mit der Heizung sei jedesmal auch für Lüftung gesorgt.
Wenn schon der rasche Wechsel
im Wärmegrad für viele Dinge in der Kirche schädlich ist,
so auch die dumpfige Luft, die in einer stark besuchten Kirche, namentlich
einer gewärmten, sich bildet. Die Beheizung großer Räume
ist zu einer Wissenschaft geworden, deren man sich mittels eines Fachmannes
bedienen sollte, statt auf Grund meist unzureichender Erfahrung auf eigene
Faust Versuche zu machen. Den rechten Mann, die rechte Firma weist die
amtliche Denkmalpflege nach.
Die Kirchenbeleuchtung.
Als Friedrich dem Großen
eine Eingabe des Pfarrers vorlag, in der dieser gegen einen Umbau der Stadtkirche
von Potsdam mit der Begründung Einspruch erhob, daß dadurch
die Kirche dunkel werde, schrieb er an die Seite: "Selig sind, die nicht
sehen und doch glauben!"
Der Pfarrer wird mit der
Anwendung dieses Bibelwortes nicht einverstanden gewesen sein. Aber andererseits
ist ein gewisses Dämmerlicht als von mystischer Wirkung nicht kurz
abzulehnen, also gerade aus kirchlichen Gründen. Die bemalten Fenster
der Gotik sind ein Beweis hierfür. Namentlich in südlichen Ländern,
jenen mit besonders starkem Sonnenlicht, sind solche Räume für
kirchliche Zwecke beliebt. Auch wir empfinden allzu helle Kirchen als nüchtern,
als "rationalistisch" und mithin für kirchliche Zwecke weniger geeignet.
Das Hellsein an sich ist
es nicht, was uns stört: Man betrete eine Barockkirche vom Haupttore
im Westen aus. Am Morgen liegt die Sonne in den Fenstern des Chores um
langsam an die Südseite fortzuschreiten. Es ist nicht erfreulich,
wenn sie lange Lichtstreifen durch die Fenster hervorruft. Der Baumeister
vermied dies, indem er die Fenster hoch legte und die Gewölbe hier
so überschneiden ließ, daß man nicht durch sie hindurch
in das Tageslicht blicken kann. Es ist viel Licht da, aber das Licht ist
gebrochen; es ist hell in der Kirche, weil man nicht noch helleres sieht,
weil man nicht geblendet wird.
Ausscheiden des blendenden
Lichtes ist die Grundbedingung einer guten Beleuchtung. Das Wort "blenden"
bedeutet blind machen. Die Sprache bezeichnet die Sache richtig. Der Geblendete
sieht nicht mit gewohnter Schärfe. Wer von hellem Sonnenschein geblendet
in eine dämmerige Kirche tritt, erkennt das Nahestehende kaum. Erst
langsam gewöhnt sich das Auge an das matte Licht, treten aus dem Düster
die Formen deutlicher hervor. Die Kirche fordert zwar Helligkeit, aber
in gebrochenem, zerstreutem Licht, nicht den Einfall scharfer Sonnenstrahlen,
zum mindesten nicht dort, wohin das Auge sich wenden soll, auf dem Altar,
auf der Kanzel usw. Aber auch nicht dort, wohin das Auge sich nicht wenden
soll, auf Fenster, hinter denen die Wolken vorbeiziehen, auf die Gemälde
in funkelndem Glas. Die Schönheit alter bemalter Fenster liegt eben
darin, daß sie infolge der Undurchsichtigkeit ihres Glases die Lichtstrahlen
brechen, daß sie zwar leuchten, nicht aber blenden.
Man achte weiter auf die
Lichtverteilung in einem gotischen Dome. Das Schiff ist hell, die Vierung
liegt im Halbton, der Chor ist am hellsten. Es legt sich ein leichter Schatten
zwischen Schiff und Chor und läßt diesen als den hellsten Teil
erkennen. Ähnlich in der Barockkirche: Hier ist die Steigerung anders.
Das Schiff liegt im Halbton, die Vierung erhält ein eigenartig aus
der Kuppel niederströmendes Licht, der Altarraum durch starke Seitenbeleuchtung.
Es handelt sich hier um wohlüberlegte Steigerungen!
Das gibt einen Hinweis auf
die anzuwendende Art künstlichen Lichtes. Die alten Kirchen entbehrten
einer Beleuchtung dieser Art. Wohl erhielten sich allerhand Vorkehrungen,
wie die großen Kronen romanischer Kirchen, Wandarme und Hängeleuchter
für Kerzen; wohl mag auch mancher Kirchgänger seine Kerze in
die Kirche mitgebracht haben. Es brannten auch auf dem Altare bei festlichen
Gelegenheiten Wachskerzen, andere Kerzen zündeten sich fromme Kirchbesucher
an, um sie am Eingang in der Kirche aufzustellen. Die Kirche fordert hier
Wachs und läßt nur für den Notfall Unschlitt oder Stearin
zu. Aber diese Kerzen sind Opferflammen, dienen nicht zu Beleuchtungszwecken.
Sie sind dies ebensowenig wie die vor den Altar hängende Ewige Lampe.
Erst mit der Einführung von Gas kam es zur planmäßigen
Kirchenbeleuchtung, wenn auch die halbkreisförmigen Flammen der ursprünglichen
Gasbeleuchtung in ihrem rötlichen Licht nicht gern in den Kirchen
gesehen wurden. Besser wirkt das weiße Licht der Glühlampen
und der elektrischen Beleuchtung. Doch auch hier stört jede Blendung,
Daher die Glocken und Birnen in Milchglas, die das Licht dämpfen und
ihm seine Schärfe nehmen, daher auch die Abneigung gegen einheitliche
stark wirkende Beleuchtung, die schwere undurchsichtige Schatten erzeugt,
somit die nicht unmittelbar beschienenen Gegenstände in Dunkel hüllend.
Besser wählt man viele bescheidene Lichtquellen, die in alle Teile
des Baumes gleichmäßige Helligkeit tragen. Ich sah eine alte
Kirche, in der der Altar ringsum mit elektrischen Birnen umgeben worden
war. Er strahlte in Licht. Ob damit aber die Wünsche der über
die Einrichtung der Kirchen wachenden römischen Rituskongregation
getroffen waren, erscheint mir mehr als fraglich. In protestantischen Kirchen
entscheidet der Wunsch der Gemeinde, daß an allen Punkten der Kirche
auch bei abendlichem Gottesdienst das Gesangbuch gelesen werden kann, das
Bedürfnis drängt also ebenfalls auf gleichmäßige Beleuchtung.
In alte Kirchen eine neue
Beleuchtung einzuführen ist stets eine schwierige Sache, deren Lösung
eines erfahrenen Mannes bedarf. Nicht nur der Beleuchtungstechniker ist
hier maßgebend, sondern auch der künstlerisch Empfindende, der
mit dem Wesen des alten Baues und seinen Anforderungen Vertraute.
Es wird sich die Wahl von
Beleuchtungskörpern nötig machen. Sollen sie in einer romanischen
Kirche romanisch gestaltet sein und sofort durch die verschiedenen Stilzeiten
hindurch? Ich sollte meinen, eine romanische Glühlampe sei ebenso
unberechtigt, wie etwa eine romanische Lokomotive oder ein solches Luftschiff.
Man wähle Formen, die ihrer Artung nach in die Kirche passen, doch
stets mit dem Gedanken, daß der Beschauer sie womöglich als
neu erkenne. Wenn aber in der Kirche sich Beleuchtungskörper finden,
etwa Kronen für Kerzen oder Lampen, so findet sich vielleicht Gelegenheit
diese zu benutzen und sie für neue Zwecke vorzurichten.
Inschriften und Wappen.
Jede Inschrift, sei sie
am Bau oder an sonst einem kirchlichen Gegenstande befindlich, ist eine
zu schützende Urkunde. Es ist freilich nicht immer leicht, sie zu
lesen, da namentlich bei lateinischen Inschriften sehr viele Abkürzungen
vorkommen und Buchstaben und Zahlen vielfach nicht die jetzt üblichen
Formen haben. Das frühere Mittelalter schrieb in Majuskeln, Umbildungen
der großen lateinischen Buchstaben; die Zeit nach dem 14. Jahrhundert
in den der deutschen Druckschrift verwandten Minuskeln, die Renaissance
und die folgenden Zeiten in der Capitale, d. h. den Buchstaben, die wir
in der lateinischen großen Druckschrift kennen. Die Zahlen wurden
in vereinzelten Fällen seit dem 13. Jahrhundert, häufiger erst
im 15. Jahrhundert arabisch wiedergegeben, zu allen Zeiten aber auch nach
dem lateinischen System durch Buchstaben. Es kommen dabei Anordnungen vor,
die dem Gewöhnlichen widersprechen. So bedeutet z. B.
mcvx l iii
tausend, fünfmal hundert, fünfzig weniger zehn und drei = 1543.
Eine Spielerei des 17. und 18. Jahrhunderts sind die Chronostichen
oder Chronogramme. So steht auf dem Grabdenkmal der Brüder van Eyck:
VersV seXta MaI Vos CoLLoCat aCta VerI.
Das ist: einmal M = 1000, dreimal C = 300, zweimal L = 100, viermal V =
20, zweimal I = 2, zusammen 1432. Oder:
honoreM DemVs DomIno In eXCelsis.
Die zu zählenden Buchstaben sind herausgehoben. Tatsächlich ergäbe
sich dreimal M = 3000, zweimal D = 1000, einmal L = 500, zweimal C = 100,
einmal X = 10, einmal V = 5, dreimal I=3, also 4773, gemeint ist jedoch
1618. Oder das Chronogramm auf dem Hubertusburger Frieden 1763:
Aspera beLLa sILent: ReDIIt bona gratIa paCIs; O sI parta foret
seMper In orbe qVIes.
Die Form der alten Inschriften
ist zunächst die, daß die Oberfläche der Buchstaben in
der Flucht des Mauerwerkes liegt, während der Grund in dieser vertieft
ist. Die Inschrift erscheint dadurch mit dem Bau enger verflochten, in
diesen eingegraben, minder aufdringlich, mahnt den Beschauer nicht an die
Firmenschilder unserer Geschäfte. Erhaben über den Grund erschien
sie meist erst mit der Renaissance.
Vielfach erhielten sich
Bauinschriften, z. B. anno milleno quater centum sexaquegeno quarto addicio
choro funditus inchoata.
Aber auch bescheidenere
Inschriften sind zu beachten. So die diesen verwandten Künstlermarken.
Von den Steinmetzzeichen wurde bereits S. 61 gesprochen. Auf Bildern und
an Statuen finden sich Angaben über den Meister, der sie verfertigte,
oft an recht verborgenen Stellen. Meist sind es Monogramme, Anfangsbuchstaben
des Namens u. dgl. Es bestehen nun Werke über diese Zeichen, die wohlgeordnet
den Nachweis führen, welcher Künstler das betreffende Zeichen
führte. Berühmt ist z. B. die Tafel mit dem AD, das Albrecht
Dürer führte und die geflügelte Schlange des Lukas Kranach.
Bei Besprechung der Goldschmiede- und Zinnarbeiten wird auf die hier üblichen
Zeichen hinzuweisen sein. Der Kunstforscher wird für jeden Nachweis
dieser dankbar sein.
Die Inschriften auf Denkmälern
bieten neben der Aufklärung über die Person, der sie gewidmet
sind, vielerlei Anregung. Da sind zunächst die Wappen adliger und
vornehmer bürgerlicher Geschlechter. Sie sind wichtige Urkunden für
die Wappenkunde (Heraldik), nicht nur um die wechselnde Form der Schilde
und Wappenbilder, sondern auch um die verwandtschaftlichen Beziehungen
der Familie (Genealogie) festzustellen. Der Heraldiker betrachtet die Wappen
in dem Sinne, daß sie vom Träger vorgeführt werden. Heraldisch
rechts ist also das auf der Darstellung zur Linken des Beschauers, zur
Rechten des etwa bildlich Dargestellten Befindliche. Heraldisch rechts
steht auf alten Denkmälern das Wappen des Vaters, links das der Mutter.
Und bei langen Wappenreihen, bei denen sich die Wappen der Väter stets
wiederholen müßten, also lediglich die die Herkunft der Mutter
bezeichnenden angebracht sind, kann man durch viele Geschlechter die Verwandtschaft
ablesen. Daher: Schutz der Wappen aus Gründen der Geschichtsschreibung.
Grabinschriften sind das
Ergebnis jeweilig sorgsamer Überlegung der trauernden Hinterbliebenen.
Sie sind also Ausdruck des Zeitgeistes, literarische Denkmäler, die
gerade durch ihre in gewissen Zeiten festgehaltenen Formen ebenso deutlich
zu uns sprechen, wie die wechselnde Ausstattung mit Emblemen und allerhand
Gerät, wie das Streben nach Reichtum in einem, nach Schlichtheit im
anderen Jahrhundert, die schwülstig ruhmredige Form hier, die schlichte
Sinnigkeit dort, die stürmische Betonung des Schmerzes über das
Hinscheiden hier, der gläubige Trost auf ein Wiedersehen an anderer
Stelle.
Ich sollte meinen, daß
ein Überblick über die Grabinschriften an seiner Kirche manchem
Pfarrer einen guten Anhalt für eine Predigt geben könnte, eine
solche, die auch der Gemeinde Anteil an der Kirche und ihren Schmuck schafft.
Wenn er nur versteht, den Geist der Zeiten aus den von ihnen hinterlassenen
Werken herauszulesen.
Der Friedhof und die Gruft.
Alle deutschen Staaten haben
gesetzliche Bestimmungen über die Verwaltung der Friedhöfe aufgestellt.
Die Kirchengemeinden und Stadtverwaltungen schließen sich ihnen an
durch das Aufstellen von Friedhofsordnungen. Nach diesen wird zumeist das
Gelände in "Felder" geteilt, die mit Gräbern belegt werden, bis
sie vollständig angefüllt sind. Es folgt das nächste Feld
usw. bis der Friedhof vollständig in Anspruch genommen ist. An den
Umfassungsmauern ziehen sich wohl Grüfte hin oder es sind solche in
der Kirche selbst oder an diese heran gebaut, Begräbnisstätten
für die reicheren Familien des Ortes. Fehlt es auf dem alten Friedhof
an Platz, so geht man an eine Erweiterung oder an eine Neuanlage an anderem
Ort, etwa aus der Stadt, dem Dorf und der Umgebung der Kirche heraus ins
freie Feld, wo dann für die kirchlichen Feierlichkeiten eine besondere
Gottesackerkirche geschaffen wird, eine Michaels- oder Allerseelenkirche,
ein Beinhaus, eine Totenhalle u. dgl. Ein dörflicher Friedhof, ein
solcher in einer sich nicht stark vermehrenden Gemeinde, bedarf dieser
Vorkehrungen nicht. Die Gräber erhält die Ehrfurcht der Hinterlassenen,
so lange das Gedächtnis an den Toten reicht. Sie verfallen dann. Die
Hügel sinken ein, die Bäume wachsen heran, es entsteht durch
das stille Walten der Natur die Stimmung, die den Eintritt in die Kirche
vorbereitet und den Besucher des Ortes entzückt. Einzelne Denkmäler
bleiben bestehen, die aus dauerhaftem Stoff gebildeten, aus Stein, aus
Schmiedeeisen. An die Friedhofsmauer lehnen sich einige Grüfte. Neue
Denkmäler entstehen. Die Aufgabe der Gemeinde ist, dafür zu sorgen,
daß sie in das Gesamtbild passen. Es ist sehr viel gesündigt
worden gegen diese Regel, und es wird nach wie vor viel gesündigt.
Eine Denkmalindustrie schlimmer Art macht sich geltend, die sich durch
billige Arbeit einführt und das Häßliche, Protzige an der
Stelle der alten Denkmalsformen bringt. Der Pfarrer sollte nicht ermüden,
die Gemeinde vor Zerstörung des ehrwürdigen Friedhofsbildes zu
warnen, vor jener zwar gut gemeinten, aber schlecht beratenen Vorliebe
für die Dutzendware der Städte. Gewiß ist es schwer, auf
den Willen der Hinterbliebenen einen erzieherischen Einfluß zu gewinnen,
aber trotzdem darf die Friedhofsverwaltung hierin nicht erlahmen. Hat sie
doch das Recht, Prüfungen der Entwürfe für das Grab vorzunehmen
und das ihr ungeeignet Erscheinende abzuweisen, sowohl aus theologischen
wie aus künstlerischen Gründen. Denn das Häßliche
wirkt nicht nur für sich, sondern für den ganzen Friedhof störend.
Der Friedhof gehört
der Gemeinde. Sie vergibt einzelne Stellen gegen einen Geldbetrag, damit
dort begraben und ein Denkmal aufgestellt, eine Familiengruft errichtet
werde. Die Erben des Toten kaufen aber den Boden nicht, er wird nicht ihr
Eigentum; sie haben nicht das Recht, ihn zu anderen Zwecken zu benutzen,
noch ihn zu verkaufen. Sie bauen auf ihre Kosten das Denkmal, aber auf
in öffentlichem Besitz befindlichem Boden. Und da das fest mit dem
Boden Verbundene zum Grundbesitz gehört, gehen die Aufbauten auf dem
Friedhofe, die Denkmäler und Grüfte an die Gemeinde über.
Wie aber nun, wenn feststeht, daß der Friedhof nach 30 Jahren aufgelassen
werden soll? Dann erscheint das Denkmal als eine zu vorübergehendem
Zweck aufgestellte Sache, die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Besitz
dessen bleibt, der sie aufstellte. Oder wie liegt es, wenn vor 100 Jahren
eine Familie mit einer Gemeinde einen Vertrag dahin abschloß, daß
sie gegen diese oder jene Leistung dauernd einen Platz erwerbe? Die Fragen
sind schwer zu beantworten, die Rechtslage ist unklar.
Die Friedhofverwaltung wünscht,
daß Ordnung herrsche, daß die Denkmäler gut erhalten werden.
Hat nun der Erbe das Recht, an den dem Friedhof gehörigen beschädigten
Denkmälern Arbeiten vornehmen zu lassen oder kann ihm die Pflicht
hierzu auferlegt werden? Der Gemeinde wird zugemutet, daß sie in
ihrem Besitz befindliche geschichtliche und künstlerische Denkmäler
in Pflege nehme. Also scheint ihr die Sorge zuzufallen.
Der Friedhof füllt
sich immer mehr, er reicht nicht mehr aus. Die alten Grabhügel der
inzwischen in Vergessenheit geratenen Toten werden eingeebnet, die Stellen
neu belegt. Und zwar geschieht dies nach gesetzlichen Verordnungen: Mit
dem Wachsen der Einwohnerzahl wird die Dauer eines Grabes immer mehr eingeschränkt,
von 50 Jahren ist sie vielfach schon auf 25 Jahre beschnitten worden. Dann
schreibt die Kirchenverwaltung wohl ordnungsgemäß in den amtlichen
Zeitungen aus, daß die Hinterbliebenen die Reste der Toten an eine
andere Stelle überführen und die ihnen gehörigen Denkmäler
abholen können. Wenige lesen das, und die es lesen, wissen nicht,
wohin sie sich mit dem ihnen Zugesprochenen wenden sollen. Sollen sie die
Denkmäler etwa in ihren Mietwohnungen aufstellen und mit ihnen umziehen!
Also viele werden nicht abgeholt und in irgend einen Winkel des Friedhofes
beiseite gestellt. Ist der Stein noch verwendbar, so kauft ihn wohl der
Steinmetz. In vielen Fällen wird man nicht etwa über den Verlust
trauern. Es ist unmöglich, allen Toten das Gedächtnis zu wahren,
alle Denkmäler, die ihnen gesetzt werden, zu erhalten. Wohl aber wünscht
man, daß Rücksicht genommen werde auf eine Auswahl. Man klagt,
wenn sich das Grab eines berühmten Mannes nicht mehr auffinden läßt,
wenn sein Grabstein verschwand, ebenso wie darüber, wenn ein Kunstwerk
verloren ging.
Hier hat in jeder Stadt,
in jedem Dorf die Denkmalpflege einzusetzen. Sie soll sich um jene Denkmäler
kümmern, die keine Pflege seitens der Hinterlassenen finden, soweit
sie der Pflege wert sind. Und sie wird dies am besten dadurch tun, daß
sie einen stimmungsvollen Ort benutzt, um diese Denkmäler dort zusammenzustellen,
als einen Ehrenplatz für das Hervorragende und als eine Lehrstätte
für die Grabkunst der Nachlebenden. Man soll sorgsam beraten, welchen
Denkmälern die Ehrung zuteil werden soll, unter die von der Gemeinde
zu schützenden aufgenommen zu werden: nach ortsgeschichtlichen und
künstlerischen Grundsätzen,
Namentlich sollte bei Neuanlage
eines Friedhofes alsbald daran gedacht werden, daß er einst die Denkmäler
des erledigten, vielleicht ganz aufzulassenden in sich in einer Form aufnehme,
die eine weihevolle Stimmung erzeugt. Der Fehler unserer Friedhöfe
liegt auch in dem Wirrwarr der Denkmalformen und der Stoffe, aus denen
sie gebildet sind: Da schwarzer und weißer Marmor, dort Granit, Sand-
und Kalkstein, Bronze, Glasmosaik — alle möglichen Materialien, die
hart nebeneinander stehen auf engem Raume. Einst baute man für die
Grüfte Wandnischen, durch die der Größe der Grabsteine
ein Maß gegeben war, oder kleine Gruftbauten, die ebenfalls sich
an ein festgesetztes Maß hielten, — wohl weniger nach gesetzlicher
Bestimmung, als in selbstgewähltem Bescheiden. Heute denken Angehörige
reicher Leute nur zu oft, ihren Dank für das Erbe in riesigen Bauten
ausdrücken zu müssen, sie messen ihre "Pietät" mit dem Meterstab
und der Größe der aufgewendeten Kosten. Das 17. Jahrhundert
war hierin am nächsten dem 19. verwandt, indem es in Äußerlichkeiten
den Wert des Denkmals und den Grad der durch dieses ausgesprochenen Ehrung
erblickte. Wir haben alle Ursache, darüber zu wachen, daß auf
dem Felde des Todes Schlichtheit und Ruhe herrscht.
Dazu diene eine straffe
Friedhofsordnung, die den Protzen zurückweise, ihn zur Einordnung
in die Allgemeinheit zwinge. Es ist dies nicht leicht, da die zahlungsbereiten
Erben und die ihren Wünschen dienenden Künstler es schwerlich
gutwillig hinnehmen werden, wenn man ihnen verbietet, das zu leisten, was
sie selbst für einen Schmuck des Friedhofes halten. Man muß
sich Rückendeckung durch einen Künstlerrat oder dergleichen zu
schaffen suchen und dieser muß durch entsprechende Bestimmungen in
der Friedhofordnung gedeckt sein. Manche deutsche Städte sind in dieser
Hinsicht mit gutem Beispiel vorangegangen.
Auch nach einer anderen
Seite ist das geschehen, nämlich in der Behandlung der aufgelassenen
Friedhöfe. Es bestehen Bestimmungen darüber, wie viel Jahre ein
Friedhof erhalten bleiben muß, nachdem auf ihm das letzte Begräbnis
stattgefunden hat. Es ist meist ein Zeitalter von etwa 30 Jahren. Inzwischen
liegt er still und verfällt mehr und mehr: Das heißt: er wächst
an malerischer Schönheit. Nun aber macht die Stadt Anspruch auf das
Gelände, das vom Bauwesen vielleicht längst umspannt wurde. Mehrfach
hat man aus dem Friedhof eine öffentliche Anlage gemacht, einzelne
Denkmäler und ältere Bäume stehen lassen zur Erinnerung
an die Vergangenheit und als Schmuck des Neugeschaffenen.
Den Friedhof umgibt eine
Mauer, meist aus dem Gestein, das man eben am Orte findet. Man unterschätze
nicht ihren Wert für die malerische Erscheinung des Ortes. Sorge bereitet
die Mauerkrone. Die Kinder klettern auf der Mauer herum, lockern die Steine,
deren Kalk verwittert ist. Man hat empfohlen, der Mauer einen Schutz durch
deckende Pflanzen zu geben, entweder indem, man in doppelter Schicht Rasenstücke
auflegt, oder indem man Efeu anpflanzt, der sich schützend über
die Mauer verbreitet: Beides sieht besser aus wie eine sauber ausgestrichene
Zementschicht.
An die Mauer lehnen sich
meist Grüfte. Man sorge dafür, daß die in diesen zu errichtenden
Denkmäler die Mauer an Höhe nicht übersteigen, nicht mit
ihrer Rückansicht nach außen häßlich auffallen. Die
älteren Friedhöfe geben hierfür gute Beispiele, indem nach
einheitlichem Plan offene Hallen gebaut und die Denkmäler in diese
gestellt wurden.
Die Grüfte in den Kirchen
schützt zumeist Vertrag mit ihren Erbauern. Doch auch diesen löst
die Zeit, wenngleich in der Urkunde es heißt, er gelte für ewig.
Bei Anlegen von Heizungsanlagen, bei Umbauten u. dgl., kommt oft der Gemeinde
der Wunsch, die Gruft für ihre Zwecke zu verwerten. Der alte Vertrag
wird als Last empfunden, die Gruft verfällt, Nachkommen der Begrabenen
sind vielleicht nicht nachweisbar oder nicht geneigt, für ihre Ahnen
sich Kosten aufzuerlegen. Man sucht nach Wegen, den Vertrag aufzuheben
und erreicht die Erlaubnis, die Reste der Bestatteten an anderer Stätte
zu begraben. Die Gruft wird geöffnet. War sie trocken, so findet man
Sarg, Kleidung, manchmal auch den Körper in überraschend guter
Erhaltung. Oft finden sich in den Gräbern Beigaben von hohem künstlerischen
und kirchlichen Wert. Es entsteht dann die Rechtsfrage, ob die Gemeinde,
oder ob die Nachkommen Anspruch auf diese Dinge haben, oder ob sie Fundstücke
sind, auf die ein Besitzrecht nicht nachweisbar ist. Es werden sich dann
die Nachkommen mit Ansprüchen an das Gefundene melden und sich über
die Störung der Ruhe der Toten beklagen. Es ist dringend zu empfehlen,
bei der Öffnung von Grüften vorsichtig zu handeln, über
den gefundenen Bestand Protokolle aufzunehmen und zur Öffnung einen
Sachverständigen in Kunstangelegenheiten heranzuziehen, damit nicht
Wertgegenstände in falsche Hände geraten.
Der Pflanzenwuchs und die Kirche.
Die Pflanze steht in verschiedenen
Beziehungen zum Kirchengebäude. Ich spreche hier nur von der noch
im Wachstum befindlichen, durch ihre Wurzeln mit dem Boden verbundenen
Pflanze, nicht von den Blumen in Erntekränzen, den bei Festlichkeiten
aufgestellten Topf- und Kastenpflanzen. Da sind zunächst jene Pflanzen,
die an der Kirche frei stehen und sie beschatten, jene, die am Fuß
des Gemäuers wurzeln. und sich an den Wänden emporranken und
endlich jene, die im Mauerwerk selbst wurzeln.
Gewiß ist es wünschenswert,
daß das Grün des Sommers die Kirche umgibt. So mancher an sich
stattliche Neubau steht kahl auf einem Platz wie ein Tafelaufsatz auf abgedecktem
Eßtisch, ihm fehlen die Beziehungen zur umgebenden Natur. Die Moose,
Flechten, Algen auf altem Mauerwerk geben diesem erst den belebten Ton,
der uns an Ruinen so erfreut. Der an den Wänden aufrankende Efeu,
der sich über die Flächen verbreitende Rosenstock, der im Herbst
in prächtigem Rot prangende wilde Wein — das alles sind wahre Zierstücke
unserer Kirchen, die sie unserem Herzen näher bringen. Die gewaltige
Linde oder Eiche, die sich der Dorfkirche anzuschmiegen scheint, ist der
Gemeinde von höchstem Wert, ihr Stolz, ein gern bewunderter Besitz.
Wer an diesen Dingen sich vergreift, wird schwerem Tadel nicht entgehen.
Die Natur ist unermüdlich
im Schaffen, sie bleibt beim Erreichten nicht stehen. Die Pflanzen wachsen
heran, und wenn man den erfreuenden Zustand von heute zu erhalten bestrebt
ist, so ist das nicht mit Gewährenlassen zu erreichen. Man muß
eben eingreifen. Nicht ob etwas zu geschehen habe ist die Frage, sondern
wie und wann?
Pflanzen haben einen starken
Einfluß auf das Gestein, auf dem sie wachsen. So vor allem die größeren.
Auf Ruinen sieht man Bäume entstehen, wie auf Felsen. Ihre Wurzeln
drängen sich in die Ritzen ein, namentlich in die des Mauerwerks.
Im Winde bewegen sich die aufwachsenden Pflanzen und zerren an ihren Wurzeln
hin und her; diese saugen den Kalk aus dem Mörtel und beeinträchtigen
dessen Haltbarkeit. Man sollte solche Pflanzen überall entfernen,
namentlich die starken Wurzeln, die das Mauerwerk oft mit großer
Kraft auseinandertreiben, freilich es auch oft mit festen Armen zusammenfassen.
Die kleinen Pflanzen, die
Algen, Moose und Flechten treiben ihre Wurzeln weniger tief, wirken aber
doch vielfach schädigend auf den Stein. Andererseits üben sie
auch einen gewissen Schutz für diesen aus. Ob ihr Einfluß an
einem Bau sich geltend macht, ob nachteilig oder nicht, läßt
sich grundsätzlich nicht beantworten. Es stehen sich die Urteile der
Fächleute hierin schroff gegenüber, von denen viele das Entfernen
dieser Pflanzen für nachteilig halten, namentlich das Abkratzen mit
scharfen Werkzeugen, das Anwenden von Säuren. Die Verschiedenheit
des Steines, der Feuchtigkeit in diesem und in der Luft ist bei der Beurteilung
der Dinge zu berücksichtigen. Geschichteter Stein wird eher leiden
als körniger, mit weichen Bestandteilen gemengter eher als dichte,
namentlich Eruptivsteine; schlecht gedichtete Fugen werden dem Schaden
eher Boden geben als sorgfältig ausgeglichene.
Die Schlingpflanzen werden
in ihrer Wirkung auf Mauerwerk ebenso widerspruchsvoll beurteilt. Der Wechsel
von Frost und Wärme schadet dem Mauerwerk nach mancher Ansicht mehrmals
die vor diesem schützende Pflanzendecke; vielfach ist an alten Bauten
beobachtet worden, daß jene Mauerteile, die frei lagen, stärker
zerstört gewesen sind, als die vom Efeu bedeckten. Namentlich wurde
das dort beobachtet, wo der Bau dem Schlagregen besonders ausgesetzt war,
so z. B. an der Seeküste. Die Blattschicht deckt die Wand, so daß
der Regen abfließt, die Wurzeln saugen die trotzdem eingedrungene
Feuchtigkeit auf, ja die Bodenwurzeln nehmen ihrer so viel auf, daß
die Bodenfeuchtigkeit am Sockel der Mauer nachläßt. Dem stehen
andere Beobachtungen gegenüber, wo der Efeu seine Wurzeln tief ins
Mauerwerk getrieben hat und diese mit einer Kraft an Umfang wuchsen, daß
sie die Mauer sprengten, ja daß an der Innenseite des Gebäudes
sich fröhlich aus den durch die Wand getriebenen Wurzeln das Grün
entwickelte. Findet er doch durch die Nebenwurzeln Nahrung, auch wenn sie
von ihrer Bodenwurzel getrennt sind, so daß häufig hoch oben
an einer freigelegten Wand ein vergessener Zweig ruhig fortgrünt und
wächst. Es dürfte sich daher in vielen Fällen empfehlen,
die oft armstark werdenden Stämme des Efeu zu entfernen und nur die
jungen Zweige als Schmuck der Wand zu erhalten, freilich auch diese nur
dort, wo sich die Einwirkung der Efeudecke nicht als nachteilig zeigt.
Darüber dürfte nur die Untersuchung durch einen in dieser Frage
bewanderten Fachmann, nicht aber die Ansicht jedes Maurers oder Gärtners
entscheiden können.
Der Efeu bleibt auch im
Winter grün, nicht so der wilde Wein und die Rose. Berühmt ist
der "tausendjährige" Rosenstock am Dom zu Hildesheim. Nachweisbar
ist sein Bestehen seit 300 Jahren, ein Beweis für die lange Lebensdauer
einer Pflanze.
Die Kirchenvorstände
sollten sich die Frage vorlegen, ob sie das Bewachsen einzelner, nüchtern
wirkender Mauerteile wünschen. Prachtvoll wirkt das glänzende
Grün des Efeu auf dem Grau oder Rot der Mauern, sowie die bewegte
Linie der aufkletternden Ranken. Aber die Pflanze bleibe ein schmückendes
Mittel in der Hand des Menschen, wenigstens in ihrer Verbindung mit dem
Bau. Wir haben das Recht, sie zu beschneiden, sie in ihren schmückenden
Pflichten zu beengen, wie wir den Stein behauen. Man halte sie fern von
den geformten Steinen, von den an der Mauer aufgestellten Denkmälern,
von bemalten Wänden.
Und dasselbe gilt von den
freistehenden Gewächsen. Der Gärtner ordnet die Blumen an, damit
sie den Zugang zur Kirche schmücken, er hat das künstlerische
Recht, den Taxus, aber auch die Lindenbäume mit der Schere zu beschneiden,
wenn sie geformte Bauteile zu verdecken beginnen, ja die Bäume zu
entfernen, wenn sie den Anblick der Kirche beeinträchtigen. Eine gute
Kirchenverwaltung wird sich schwer dazu entschließen, einen ehrwürdigen
Baum fällen zu lassen, aber sie wird sich nicht daran hindern lassen,
wenn das Gotteshaus in seiner Wirkung durch ihn beeinträchtigt wird,
dabei jedoch bedenken, daß es vieler Jahre bedarf, ehe ein neuer
Baum zu stattlicher Größe heranwächst.
Die Umgebung der Kirche.
Die Gesetzgebung fast aller
Länder hat sich mit der Frage beschäftigt, wie der Verunstaltung
von Stadt und Land durch Bauten Einhalt geboten werden kann. Diese erfolgt
nicht nur durch tatsächlich häßliche Bauten, sondern auch
durch an sich erträgliche, die in die Umgebung nicht hineinpassen:
etwa durch ein vielstöckiges Haus oder eine Fabrik in der Nähe
einer bescheidenen, aber künstlerisch wertvollen oder auch bloß
einer malerischen Kirche.
Meist gestatten die zu diesem
Zweck geschaffenen Gesetze, daß künstlerisch und geschichtlich
wertvolle Bauten durch Ortsstatute geschützt werden können, die
bestimmen, daß der Umbau alter und der Bau neuer Häuser nicht
nach den baupolizeilichen Vorschriften allein von der Behörde genehmigt
werden soll, sondern daß eine sachkundige obere Instanz befragt werden
muß. Sie hat das Bauvorhaben im Hinblick auf seine Einwirkung auf
das unter Schutz gestellte Gebiet zu prüfen und Ungeeignetes abzulehnen.
Die Vereine für Heimatschutz unterstützen gleich den Denkmalpflegeämtern
diese Bestrebungen. Es kommt darauf an, beizeiten, nicht aber erst bei
einem Antrage auf einen Neubau, das Aufstellen solcher Ortsstatuten bei
der Oberbehörde zu beantragen. Man kommt sonst leicht zu spät
und tut nicht gut, zur Feuerversicherungsgesellschaft erst dann zu laufen,
wenn das Haus schon brennt!
Solche Ortsstatute sind
nicht immer leicht durchzusetzen. Denn sie legen dem Grundbesitz Beschränkungen
auf, die nicht gern ertragen werden. Aber der allgemeine Nutzen sollte
vom Einzelnen bedacht werden.
Es liegt ein Maß in
den Dingen. Neben dem Großen wirkt das bisher als ansehnlich Betrachtete
klein. Wer ein hohes Haus aufführt, schädigt die niederen Bauten
der Nachbarn, ein dreistöckiges Haus beeinträchtigt einen sonst
von einstöckigen umgebenen Platz in seiner abgeglichenen Wirkung.
Nun ist vielleicht zu vermuten, daß bald alle Anlieger solche Häuser
bauen werden, daß also damit die Ruhe in der Platzwirkung wieder
erzielt wird und daß die Gemeinde es als Vorteil empfindet, wenn
das Wohnwesen eine Anregung durch solche Bauten erhält. Es handelt
sich also um Fragen, bei denen Voraussicht für die Zukunft mit in
Frage kommt, Ansichten sich geltend machen, die nicht von vornherein als
unerheblich abgelehnt werden können. Aber die Kirche wird stets Rücksicht
bei den Verständigen finden, so daß für ihre Umgebung ein
solches Ortsstatut leichter durchzusetzen ist, als für die Umgebung
eines weltlichen Baues.
In den Städten ist
die Freilegung der Kirche oft eine wichtige Frage. An die Kirche waren
einst kleine Bauten angefügt, denn das Bauland in den von Mauern eingeschlossenen
Siedelungen war beschränkt. An der Stelle der Häuschen, in denen
Händler mit Wachskerzen, Rosenkränzen und allerhand für
die Kirchgänger erwünschten Waren sich festgesetzt hatten, drängten
sich diese Bauten zusammen und störten den Ausblick, vielleicht auch
den Anblick der Kirche. Ein Viertel von minderwertigen Bauten mit ungesunden
Wohnungsverhältnissen war entstanden. Die Öffentlichkeit und
der Kirchenvorstand mit ihr fordern laut Luft und Licht für das Gotteshaus.
Kostspielige Arbeiten entstanden aus diesen Gründen. Man erwarb die
Häuser, um sie niederzulegen, man schuf Plätze um die Kirche,
Ausblicke auf sie oft aus ansehnlicher Ferne. Nicht immer mit dem gewünschten
Erfolg. Nur zu oft sprach man, als das kostspielige Werk fertig war, mehr
von einer Bloßstellung der Kirche als von einer Freilegung.
Es ist eben darauf Rücksicht
zu nehmen, ob die Kirche daraufhin entworfen wurde, frei zu stehen. Vielfach
wurde sie ja in die engen Straßen hineingebaut, mußte sich
in ihrer Gestaltung diesen anbequemen, so daß z. B. nicht die Achse
des Baues gleichmäßig eingehalten werden konnte. Vielleicht
lehnt sich der Chor etwas zur Seite, eine Erscheinung, der man tiefsinnige
Symbolik zuschrieb: Es neige sich das Haupt des Baues wie das Christi am
Kreuz. Aber mittelalterliche Symbolik entstand aus der Erklärung der
baulichen Formen, nicht diese Formen als symbolischer Ausdruck: so wenigstens
in der Regel. Oft läßt sich einfach aus der noch bestehenden
Bebauung der Umgebung die Neigung der Achse erklären, oft entstand
sie wohl aus der dem Mittelalter eigenen Gleichgültigkeit gegen geometrisch
genaues Schaffen. Man entwarf den Plan weniger auf dem Papier als auf der
Baustelle selbst. Wenn in solchen Fällen die Kirche freigelegt wird,
erscheint das, was als ein liebenswürdiges Spiel mit malerischen Wirkungen
hervortrat, als Fehler, als Unregelmäßigkeit. War es doch nie
die Absicht jener Zeit auf vollständige Symmetrie, auf Gleichheit
aller im Zweck verwandten Teile zu dringen. Jedes Fenster hat anderes Maßwerk,
jede angebaute Kapelle ihre eigenen Formen, jeder der beiden Türme
seine besondere Gestaltung. Der jüngere Meister nahm nicht den Plan
des älteren auf, sondern suchte seine Sache besser zu machen als jener.
Viele Bausagen, die sich an alte Turmpaare knüpfen, sprechen hiervon.
Vor allem aber wird der
Maßstab der Kirche verändert. Dicht neben ihr standen etwa zweigeschossige
alte Wohnhäuser. Die einzelnen Geschosse waren niedrig, die Fenster
klein. Nun hat man im Unterbewußtsein eine gewisse Vorstellung von
der Höhe eines Geschosses. Man mißt an diesem, und zwar an dem
der Kirche nächsten, deren Höhe. Sie erscheint gewaltig in ihrem
Überragen auch der steilen, durch Luken vielfach gegliederten Dächer.
Nun aber werden neue Bauten errichtet, mit 3, ja 4 Obergeschossen, jedes
von bedeutend größerer Höhe, mit stattlichen Fenstern:
Der Maßstab ist verändert, an dem man die Kirche mißt,
sie wirkt kleiner, unbedeutender. Die neuen Häuser sind architektonisch
reich gegliedert, die Türme der Kirche steigen dagegen in schlichten
Massen auf. Man empfindet das als Fehler, man wünscht sie zu beheben,
und es kommt der Wunsch auf, die Kirche umzugestalten — wieder nicht zu
ihrem Vorteil.
Wer also an die Umgebung
der Kirchen mit Änderungen herantritt, soll sich klar machen, welches
die Folgen dieser Änderungen sein werden. Denn leicht ergibt sich
eine unerwünschte Kette solcher Folgen aus dem, was mit Freuden begonnen
worden war.
Sicherung gegen Brand und Raub.
Die Hauptgefahren für
den kirchlichen Besitz an Wertgegenständen, namentlich an solchen
von sachlichem Wert, an Gold, Silber, Edelsteinen, sind Brand und Raub,
die Hauptgefahr für die Kirche selbst ist der Blitzschlag.
Dieser zerstörte früher
häufiger die Kirche. Erst 1752 wurde durch Benjamin Franklin der erste
Blitzableiter gebaut. Seitdem verbreitete sich die Sicherung der den Blitzschlag
besonders ausgesetzten Türme durch Anwendung der neuen Erfindung.
Gebrauch war es schon vorher gewesen, auf den Turmhelm eine Kugel in Messing
anzubringen, in die man Urkunden über die Geschichte des Baues legte
und über dieser einen Eisenstab mit der Wetterfahne, einem nach dem
Winde sich drehenden Eisenblech, das entweder einer Fahne nachgebildet
oder als Hahn ausgebildet wurde, als Wetterhahn. Es ist meist nicht schwer,
die Spitze des Eisenstabes als Blitzauffangstange auszugestalten und mit
der Leitung in angemessene Verbindung zu bringen.
Gegen Brand und Raub sichert
der feuer- und diebsichere Stahlschrank. Eine reiche Kirche sollte auf
diesen nicht verzichten. Denn bei großen Bränden erhitzen sich
die Mauern so, daß die in ihnen befindlichen, oft mit schwer beschlagenen
Türen versehenen und durch kunstvolle Schlösser gesperrten alten
Bewahrungsräume nicht ausreichenden Schutz bieten, wenn sie gleich
dem Einbrecher genügenden Widerstand zu leisten vermögen. Doch
schützt gegen Feuer wie Dieb die Ausstattung solcher Räume mit
Stahlwänden, zwischen denen Isolierschichten mit Holzasche, Asbest
oder ähnlichen nicht brennbaren Stoffen sich befinden, wie sie seit
den 1850er Jahren beim Bau solcher Schränke verwendet werden.
Ob der wertvolle Besitz
in der Kirche selbst zu bewahren ist, wo eine Aufsicht bei Nacht schwer
durchzuführen ist, oder im Hause des Pfarrers, ist Sache der besonderen
Erwägung.
Die Versicherung des Kirchenbesitzes
gegen Brand und Raub bei einer Versicherungsgesellschaft hat für die
Denkmalpflege wenig Bedeutung, denn wenn ein altertümliches Stück
auch noch so hoch versichert ist, so kann es doch durch das an die Gemeinde
gezahlte Geld nicht ersetzt werden. Wichtiger ist, daß die Schätze
der Kirche gut photographiert sind und daß die Photographien für
den Notfall bereit liegen. Denn mit ihrer Hilfe ist es der Kriminalpolizei
oft gelungen, gestohlene Gegenstände zu entdecken und an ihren Besitzer
zurückzubringen, denn sie warnt rechtzeitig die Altertumshändler
vor Ankauf und bringt die Verkäufer zur Anzeige.
IV. Die Pflege der kirchlichen
Einrichtungsgegenstände.
Ölgemälde.
Die Mehrzahl der Gemälde,
namentlich seit dem 17. Jahrhundert, sind auf grobe Leinwand gemalt, über
die eine Kreideschicht, der "Grund", aufgetragen ist. Die Leinwand wird
auf einen schlichten Holzrahmen gespannt, indem sie über diesen hinweggelegt
und am Außenrande festgenagelt wird. Es ist dies der Blendrahmen,
der so eingerichtet ist, daß er nicht an den Ecken fest verbunden,
sondern beweglich ist. Mittels zweier Holzkeile an jeder Ecke kann man
die Rahmenleisten auseinander treiben, so daß damit die Leinwand
angespannt wird. Den Blendrahmen stellt man dann in den Bildrahmen, d.
h. in den von außen sichtbaren Schmuckrahmen, in den er durch ein
paar Stifte so befestigt wird, daß er leicht herausgenommen werden
kann. Das fertige Bild wird dann mit Firnis überzogen.
Die Bilder leiden durch
verschiedene Umstände, abgesehen von den durch Gewalt ihnen beigefügten
Schäden der Löcher, Risse, Abschürfungen der Farbe. Mit
der Zeit dunkelt die Farbe nach, d. h. es verändert sich der Ton des
Bildes; dies geschieht in noch höherem Maße durch das Verderben
des Firnisses. Sie erscheinen nunmehr brauner, später sogar schwärzer,
bis endlich die Farben kaum mehr erkennbar sind und das Bild zu einer unscheinbaren
schwarzen Fläche wird. Nicht minder verliert das Bild seine Wirkung,
wenn der Firnis rissig wird und wie ein grauer Nebel über dem Bilde
liegt. Auch hierdurch wird der Eindruck so stark geschädigt, daß
man oft nicht mehr zu erkennen vermag, was das Bild darstelle. Weiter setzt
sich auf die Bildoberfläche, infolge des Beschlagens bei starkem Wechsel
in der Luftwärme, Feuchtigkeit, durch die Ruß, Staub u. dgl.
auf der Bildfläche befestigt werden, so daß oft einfach eine
dicke Schmutzschicht das Bild entstellt. Aber alle diese Schäden können
von geschickten Händen beseitigt werden, eine Arbeit, die häufig
ein überraschendes Ergebnis bringt.
In längeren Zeitabständen
sollten diese Bilder gereinigt werden. Man nimmt sie von der Wand und aus
dem Schmuckrahmen heraus und wäscht mit einem weichen, leicht angefeuchteten
Leder oder Schwamm Teile des Bildes von etwa Handgroße oben beginnend
ab. Zu verwenden ist lauwarmes Wasser, keine Seife. Wenn die Oberfläche
des Bildes infolge kräftigen Auftrags der Farbe durch den Pinsel des
Malers rauh ist, so schone man diese Unebenheiten. Also nicht drücken
und scheuern, sondern leicht abwaschen, im äußersten Notfall
unter Hinzunahme von etwas Schaum einer venezianischen Seife. Nicht soll
das Wasser am Bild herunterlaufen, die Rückseite darf auf keinen Fall
naß werden; nicht darf man auf das Bild drücken, so daß
in ihm etwa Beulen entstehen. Die Hand einer sorgfältig tätigen
Frau, die eine Einsicht vom Werte eines Kunstwerkes hat, wird hier das
Beste leisten. Die Wirkung solcher Reinigungen wird oft große Freude
erwecken. Man geht von einem gereinigten und wieder abgetrockneten Teile
des Bildes fortschreitend immer weiter, bis das ganze Bild gereinigt ist.
Diese Arbeit soll selten, etwa alle 10 Jahre einmal ausgeführt werden,
damit das Bild nicht durch häufiges Abreiben leidet. Erscheint die
Bildfläche so stark gespannt wie etwa ein Trommelfell, so wird man
gut tun die Keile im Blendrahmen etwas zu lockern; erscheint es faltig,
wird man sie mit leichten Hämmerschlägen anspannen.
Wenn das Bild stärkere
Beschädigungen aufweist, so muß es einem vom Denkmalpflegeamt
empfohlenen Bilderrestaurator übergeben werden. Das Verkehrteste ist,
es von irgendwem, selbst von einem Künstler, übermalen zu lassen,
d. h. die beschädigten Stellen durch neue Farbe zu überdecken,
denn damit verschwindet ein Teil des alten Bildes und an dessen Stelle
tritt ein neues, meist minderwertiges. Man weise den Einwand ab, das alte
Bild tauge nicht viel und sei sehr zerstört: Niemand kann wissen,
was das alte Bild wert ist, solange es sich in verwahrlostem Zustand befindet.
Schäden entstehen auf
die verschiedenste Art. Zumeist ist der Firnis, beschädigt. Der Restaurator
hat die Mittel, ihn zu entfernen, ohne den Farbgrund anzugreifen, und ferner
das Mittel, den Farben wieder ihre Frische zu geben. Oft ist der Kreidegrund
von der Leinwand abgeplatzt, so daß im Bilde Löcher entstanden
sind, in denen die Leinwand zutage tritt. Oder die Farbe ist vom Kreidegrund
abgeplatzt. Nach Entfernen des Firnisses muß dann der Kreidegrund
wieder ergänzt und die fehlende Stelle neu bemalt werden. An feuchten
Wänden vermodert oft die Leinwand, so daß das Bild zerreißt
und oft in Fetzen im Rahmen hängt. Die Arbeit des Restaurators wird
hierbei besonders schwierig. Er muß das Bild mit der Vorderseite
über einer Papierschicht auf eine glatte Fläche aufkleben, die
zerstörten Teile sorgfältig wieder zusammenfügen und die
Leinwand sowie den Kreidegrund, die nunmehr nach oben liegen, vorsichtig
entfernen, so daß auf dem Papier nur die Farbschicht haftet. Auf
diese wird ein neuer Kreidegrund und weiterhin neue Leinwand befestigt,
so daß das Bild nunmehr nur von der Papierüberlage entfernt
zu werden braucht, um als neu befestigt zu erscheinen. Dabei wird sich
in erhöhtem Grade die Notwendigkeit erweisen, das an der Farbschicht
Herausgebrochene durch Übermalen zu ergänzen. Man nennt dies
Verfahren rentoilieren.
Ähnlich ist das Verfahren
bei Bildern, die auf Holz gemalt sind, wie namentlich die des 15. u. 16.
Jahrhunderts. Selbst das älteste Holz "arbeitet" noch, d. h. es dehnt
sich bei Feuchtigkeit aus, "schwindet" in der Trockenheit. Dadurch entstehen
im Holz Risse, die sich auf Kreidegrund und Farbschicht übertragen.
Der Grund platzt in breiten Streifen ab, die Farbe trennt sich vom Grunde.
Hat Trockenfäule oder Wurmfraß außerdem das Holz beschädigt,
so wird vom Restaurator auch hier das Holz von der auf eine Fläche
verkehrt aufgeklebten Bilde entfernt, und zwar durch Hobeln, ja wenn es
nötig ist, auch der Kreidegrund, somit die Farbschicht freigelegt
und diese nun auf eine neu grundierte Holztafel oder Leinwand befestigt.
Solche Tafeln sollten stets von einem sachkundigen Tischler hergestellt
werden, so daß ein Reißen für die Zukunft unmöglich
gemacht wird.
Seltener wurde Kupfer als
Malfläche für Ölmalereien verwendet, so namentlich um 1700.
Dies hat sich meist als sehr beständig erwiesen.
Eine besonders sorgfältig
zu erwägende Frage ist, wie weit der Restaurator in den Ergänzungen
solcher Bildteile zu gehen hat, die sich nicht erhalten haben, wo also
seine nachhelfende Arbeit nicht nur im sorgfältigen Ausmalen kleiner
Flächen, sondern in einem Neuerfinden wichtiger Glieder der Darstellung
besteht. Angenommen es handelt sich um ein Bildnis und es fehlen wesentliche
Teile des Gesichtes, so daß der Restaurator befürchten muß,
dem Kopfe einen der ursprünglichen Darstellung fremden Ausdruck zu
geben, etwa indem er in die alte Darstellung nach eigenem Ermessen Augen
hineinmalt, ohne zu wissen, wie diese ursprünglich beschaffen gewesen
sind. Ein Galeriedirektor würde in diesem Fall das Bild für verloren
erklären und entweder es in den Vorratsspeicher verweisen oder es
in seinem zerstörten Zustande zur Schau ausstellen, namentlich wenn
es sich um eine kunstgeschichtlich wichtige Arbeit handelt. Für eine
Kirche liegt die Frage anders. Denn für sie handelt es sich nicht
darum, das Bild nach seinem Kunstwert einzuschätzen, der durch die
selbständige Arbeit des Restaurators zerstört werden würde.
Sie wird nach dem geschichtlichen Wert fragen, nämlich danach, inwieweit
das Bild als Denkmal anzusehen ist. Auch als solches leidet es dadurch,
wenn es durch einen Maler in umfassender Weise ergänzt wird, der keine
Kenntnis von der Erscheinung des Dargestellten hat, dem das Denkmal gesetzt
wurde. Erhalten bleibt aber der Grundzweck, nämlich die Ehrung des
Dargestellten. So etwa, wie wir ein Denkmal Hermanns des Cheruskerfürsten
aufstellten, ohne daß wir wissen wie er im Leben aussah. Es fragt
sich, ob dieser Zweck ausreicht, um die Erhaltung des Bildes zu rechtfertigen.
Oft findet der Restaurator hinreichende Andeutungen, die ihn bei seiner
Arbeit leiten können, so daß er das Zerstörte mit einiger
Sicherheit so weit ergänzen kann, daß es dem ursprünglichen
Zustande entspricht. Ist dies gewährleistet, so wird auch die Galerieleitung,
der es um Erhaltung des Gemäldes eines vielleicht berühmten Meisters
zu tun ist, einer solchen Arbeit für ihre Zwecke zustimmen, wenngleich
der ursprüngliche Zustand dadurch nicht wiederhergestellt, die Echtheit
des Bildes beeinträchtigt wird. Sie wird etwa im Katalog Kunde davon
geben, was am Bilde neuzeitlicher Zusatz ist. Oder sie wird die Flächen
mit einem einfachen Ton überdecken lassen, so daß man ohne weiteres
erkennt, daß nur eine Ruine des ursprünglichen Bestandes sich
erhielt.
Jedenfalls aber ist darüber
zu wachen, daß der Restaurator so wenig als irgend möglich am
Bilde verändert. Früher suchte man oft es durch Übermalen
dem Beschauer gefälliger zu machen. Heute gilt es als Pflicht, solche
Übermalungen wieder zu entfernen und die ganze Kraft des Restaurators
darein zu setzen, den anfänglichen Zustand wieder zum Durchbruche
zu helfen. Hat man es mit einer kunstsinnigen Gemeinde zu tun, so wird
diese sich ein die Beschädigungen aufweisendes Ergebnis gefallen lassen.
Absichtlich wies ich auf
den Unterschied der Behandlung eines Bildes hin, für den Fall, daß
es in einem Museum oder in einer Kirche seine Aufstellung erhält,
namentlich aber, wenn es in einer solchen erhalten werden soll. Ich fand
in einem sächsischen Dorf den Holzflügel eines Altars, der beiderseits
bemalt war, jedoch zum Bau eines Taubenhauses Verwendung gefunden hatte,
wobei ein Stück des Brettes abgesägt war und zwar dasjenige,
auf dem sich die Köpfe der beiden dargestellten Heiligen befanden.
Bei einer Umfrage bei Dresdener Museumsleitern hielten diese die Bilder
für verloren und warnten vor der Wiederherstellung, die einer Fälschung
gleich käme. Trotzdem wurde das ganze Brett, — die Figuren waren lebensgroß
—, mit einer feinen Säge auseinander getrennt, so daß jedes
Bild für sich auf eine neue Hölztafel aufgeleimt werden konnte,
und die beiden Köpfe wurden ergänzt. Somit kamen zwei ihr seit
dem Anfang des 16. Jahrhunderts angehörige Bilder in die Kirche zurück,
wenngleich in verändertem Zustand, der, um Irrtum zu verhindern, auf
dem Rahmen durch eine die Entstehung erläuternde Inschrift bekannt
gegeben wurde: Die Gemeinde erhielt einen sie erfreuenden Kirchenschmuck,
die alten Bildteile waren gerettet, und der Kunstforscher, der ohnehin
die moderne Ergänzung als solche leicht erkennen wird, ausdrücklich
vor Irrtum gewarnt. Die Gemeinde war erfreut über das ihr neu geschenkte
altehrwürdige Denkmal der Vergangenheit.
Es ist nach all dem die
Pflicht der Gemeinde, unscheinbar gewordene Bilder in einen solchen Zustand
zu bringen, daß sie künstlerisch auf die Kirchenbesucher zu
wirken vermögen. Sie soll sich nicht verführen lassen, den augenblicklichen
Zustand der Entwertung für einen dauernden zu halten, sondern soll
sich an die sachkundige Stelle wenden, die sie zu beraten hat. Und diese
soll nicht nach den Grundsätzen eines Museumsdirektors über Wert
und Unwert entscheiden, so wenig wie nach den Anschauungen des Kunsthändlers:
In der Kirche hängt das Bild nicht weil es ein Kunstwerk ist, sondern
als Denkmal des kirchlichen Sinnes der Vergangenheit, das der Gemeinde
um so willkommener sein wird, wenn es ein Kunstwerk ist, das aber auch
in Ehren gehalten werden soll, wenn es unserem Geschmack widerspricht.
Denn das Denkmal soll ausdauern, unser Geschmack aber, auch der der Künstler
und Kunstgelehrten, ändert sich.
Es fragt sich nun, ob nicht
Mittel angewendet werden können, um die Beschädigung der Bilder
zu verhindern oder ganz zu beseitigen.
Was kann geschehen, daß
Bilder nicht beschädigt werden? Sehen wir doch Gemälde, die vor
einem halben Jahrtausend gemalt wurden, so z. B. einen van Eyck in den
Museen in heller Farbe leuchten, stärker als manche der neuesten Bilder.
Ist eine solche Pflege nicht auch in der Kirche möglich?
Manche Bilder stehen oder
hängen von Haus aus am falschen Fleck. So z. B. schon die Altarbilder,
die mit dem Rücken gegen das Licht eines von Fenstern stark durchbrochenen
Chores stehen. Bilder fordern schräg auffallendes Seitenlicht, da
sie bei in rechtem Winkel auffallendem Lichte durch den Wiederschein (Reflex)
in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden. Keine der christlichen Konfessionen
fordert Bilder auf dem Altare. Manche sind aus verschiedenen Gründen
Gegner solcher Bilder. Es fragt sich also, ob eine Anordnung, die ausschließlich
aus künstlerischen Zwecken erfolgt ist, beibehalten werden soll, wenn
diese Zwecke infolge der Aufstellung unvollkommen erfüllt werden.
Ist man doch in sehr vielen Fällen dahin gekommen, besonders wertvolle
Bilder in Museen abzugeben — eine üble Empfehlung für die noch
an ihrem Ort befindlichen. Es fragt sich namentlich, ob die Besichtigung
eines Altarbildes während des Gottesdienstes von der Gemeinde aus
möglich ist, der Entfernung wegen, in der sich diese befindet, und
wenn es möglich wäre, ob es dann erwünscht sei, d. h. ob
durch die Berühmtheit des Bildes der Gottesdienst nicht gestört
wird. Vielfach hat man Wächter in kunstreichen Kirchen aufgestellt,
um die Unannehmlichkeiten, einzuschränken, wenn diese von Kunstfreunden
als Museen behandelt werden.
Man wird mir vielleicht
Mangel an Kunstliebe und Kunstverständnis vorwerfen, weil ich das
schrieb. Ich denke aber doch "rationalistisch" genug, mir zu sagen, daß
eine künstlerische Ausführung, die künstlerisch nicht wirkt,
zwar an sich sehr schön sein mag, aber in der Gesamtheit verfehlt
ist. Hier ist ja nicht zu sprechen von neu zu erbauenden Altären,
sondern von alten zu erhaltenden. Und davon, ob man Mittel und Wege kennt,
diese zur besten Wirkung zu bringen. Das geschieht, indem man das Kunstwerk
in gutes Licht rückt, oder indem man ihm gutes Licht schafft. Bei
baulichen Umgestaltungen in der Kirche wird man an letzteres zu denken
haben.
Sonst soll man Bilder auch
in der Kirche so aufhängen, daß man sie betrachten kann, womöglich,
daß die Gemeinde sie sieht. Also wenn man einen Platz für ein
Bild sucht, so forsche man nach einer gut belichteten Wand, vor der man
zurücktreten kann und wo man das Bild nicht zu hoch zu hängen
hat. Denn eigentlich fordert das Bild, daß es uns entgegentrete,
wie es auf der Staffelei des Malers, stand, also in Augenhöhe, was
freilich selten sich wird erreichen lassen.
Man hänge das Bild
nicht dahin, wo es durch Stoß oder Druck äußerlich beschädigt
werden kann und wo es dem "Ulk" böser Buben ausgesetzt ist, oder wo
Geräte, Besen, Leitern angelehnt werden. Man hänge es nicht an
eine feuchte Wand, d. h. nicht an eine solche, in der die Bodenfeuchtigkeit
aufsteigt, oder schütze es wenigstens dadurch, daß man Klötzchen
an die Rahmen nagelt, so daß zwischen Bild und Wand ein lüftender
Abstand entsteht. Man setze es nicht den unmittelbaren Sonnenstrahlen aus
und lasse es nicht lange in dunkeln Räumen, sondern suche ihm einen
Ort anzuweisen, der in seinen Licht- und Wärmeverhältnissen sich
nicht zu sehr ändert. Bei großen Wärmeschwankungen, etwa
wenn die winterkalte Luft der Kirche an warmen Frühlingstagen durch
Öffnen von Fenstern und Türen plötzlich verändert wird,
werden Niederschläge auf den Wänden und Bildern erfolgen, die
den Bildern schädlich sind, ebenso wie die Feuchtigkeit der Luft in
dumpfigen Räumen.
Nur dort, wo Sammelheizungen
eingeführt sind, hat man zu große Trockenheit der Luft zu befürchten,
die durch Aufstellen von Wasserbecken beseitigt werden kann.
Nach all dem werden einem
sorgsamen Kirchenvorstande mancherlei Aufgaben erwachsen: Abstäuben
der Bilder mit einem Federwedel, der nicht deren Oberfläche durch
Kratzen beschädigt. Das mag vielleicht einmal alle Jahre erfolgen;
ferner Abwaschen mit wenig lauwarmem Wasser und einem sehr weichen Lappen,
was etwa alle 10 Jahre nötig sein wird. Und wenn trotzdem sich Schäden
zeigen, rechtzeitiges Melden an die sachverständige Stelle, damit
die Schäden beseitigt werden, ehe das ganze Bild leidet und seine
Wiederherstellung zuviel Kosten verursacht.
Holz.
Die alten Meister haben
sehr wohl gewußt, daß man einem Werke aus Holz nur dann Dauer
versprechen konnte, wenn man sorgfältig trockenes, astfreies Holz
auswählte. Aber sie haben recht oft nicht nach dieser Erkenntnis gearbeitet.
Die viel wiederholte Ansicht von der handwerklichen Tüchtigkeit und
Sorgfalt der Meister der Vergangenheit ist doch mit einiger Vorsicht zu
betrachten. Erhalten haben sich zumeist natürlich die gut gearbeiteten
Werke, aber wenn man gelegentlich ein solches findet, das wenig beachtet
an verborgener Stelle sich erhielt, so sieht man, daß es auch in
früheren Zeiten leichtfertige Meister gab, die billig arbeiten mußten
und daher nicht die volle Sorgfalt auf ihr Werk verwenden konnten.
Es wurde oft ungeeignetes
Holz gewählt, d. h. solches, das geschlagen worden war, als der Saft
im Stamme saß, also etwa im Frühjahr, und das nicht genügend
getrocknet war, d. h. in dem der Saft noch steckte. Das bringt mancherlei
Nachteil mit sich. Das Holz reißt, schwindet, wirft sich, d. h. es
entstehen allerhand Bewegungen in ihm, die den Zusammenhang der Teile beeinträchtigen.
Trockenes, d. h. saftfreies Holz widersteht der Wärme, Kälte
und Feuchtigkeit besser, wenn es gleich gegen die Einwirkungen dieser nicht
unempfindlich ist. Gut verwahrtes Holz hat außerordentlichen Bestand,
das beweisen Holzbildwerke, die bis zu 4 Jahrtausenden im trockenen Sande
Ägyptens lagen und Stämme aus dem Rhein, die von den Pfahlrosten
altrömischer Brücken stammten und von der modernen Tischlerei
als wertvolle Arbeitsstoffe aufgekauft wurden. Auch der gefährlichste
Feind des Holzes, die Holz- und Klopfwürmer, setzen sich mit Vorliebe
im Splint, d. h. in den saftreicheren Außenteilen des Stammes fest.
Bei Eichenholz kommen sie nur im Splint fort.
Die Bekämpfung der
Holzwürmer, des Holzfraßes, ist eine sehr schwierige Sache.
Die Würmer bohren kreisrunde Gänge in das Holz, von dem sie leben,
und hinterlassen es in staubförmigem "Holzmehl". Man erkennt ihre
Einwirkung an den Außenseiten und an dem Herausfallen des Mehles.
Können sie ungestört ihr Werk vollführen, so bringt dies
bei der starken Vermehrung der Würmer den vollständigen Verfall
des Holzes hervor, so daß es bei leichtem Druck zusammenbricht. Meist
hält es dann die weniger durchbohrte Außenschicht zusammen,
bis sich zeigt, daß es bei dem geringsten Stoß vollständig
zerfällt. Zahlreiche wertvolle Kunstwerke sind auf diese Weise zerstört
worden.
Es sind viele Mittel empfohlen
worden, um den Holzwurm zu bekämpfen. So zunächst solche, durch
die sein Auftreten von vornherein verhindert werden soll, Anstrich mit
einer heißen Mischung von Terpentin und Wachs mit verdünntem
Chlorzink oder mit Borsäure.
Es empfiehlt sich, Holz
von Zeit zu Zeit zu beklopfen, um festzustellen, ob dadurch Wurmmehl zum
Vorschein kommt. Ist das der Fall, so sind baldigst Vorkehrungen zu treffen,
die aber am Besten durch einen von der Denkmalbehörde einzufordernden
Fachmann angeordnet werden. Am unschädlichsten, aber auch zeitraubend,
wenn es wirkungsvoll sein soll, ist das Ausfüllen der Bohrlöcher
mit sehr gut geschmolzenem Wachs, was durch eine Spritze geschehen kann.
Ferner wird ein Anstrich mit verdünntem Petroleum oder Benzin empfohlen.
Aber damit beschädigt man leicht die Farbe des Holzes oder des Anstriches
auf diesem und erzeugt unangenehme Gerüche; auch ist es gefährlich
wegen des leicht sich entzündenden Dampfes. Kreosot und Karbolsäure,
die meist in Alkohol gelöst werden, zeigen ähnliche Nachteile.
Schwefelkohlenstoff wird als besonders wirksam empfohlen. Ich las einst,
daß man ihn in einem vom Wurm stark befallenen amerikanischen Tabakspeicher
anwendete und zwar mit bestem Erfolg. Ich wendete mich daher an einen Chemiker,
um das Mittel in einer Kirche zu verwenden, die besonders stark in allen
ihren Holzteilen vom Wurm befallen war, in der Annahme, daß, wenn
dies Mittel auf den in seinem Geschmack zu erhaltenden Tabak angewendet
wurde, es auch in der Kirche nicht dauernd unerwünschten Geruch erzeugen
werde. Ich dachte damit einen Frontangriff auf das ganze Wurmheer, das
sich im Altar, in den Emporen, im Orgelgehäuse und im Dachstuhl festgesetzt
hatte, zu unternehmen: Massenvertilgung! Mein Kollege von der Chemie erklärte,
es sei leicht, den Kohlenwasserstoff in Dämpfe aufzulösen und
damit den Wurm zu töten, nur solle ich die Verantwortung dafür
übernehmen, daß nicht etwa Feuer in die Nähe der Kirche
komme, da dann diese und ein guter Teil des Dorfes in die Luft fliegen
würde. Ich verzichtete auf dieses Mittel, zumal durch dieses auch
bleihaltige Farben und die Firnisanstriche sich schwärzen würden.
All dies zeigt, daß man gut tut, die genannten Mittel nicht selbst
anzuwenden, zumal es auch auf den Grad der Verdünnung ankommt, sondern
sie dem Fachmanne zu überlassen. So wurden z. B. mit Kohlenwasserstoff
in den Versuchsanstalten die besten Erfolge erzielt, wenn der betreffende
Holzgegenstand, etwa eine Statue, in einem wohlverschlossenen Kasten mehrere
Wochen lang den Dämpfen ausgesetzt wird. Handelt es sich doch nicht
nur um die Tötung des Wurmes, sondern auch um die seiner Brut. In
ähnlicher Weise wird etwa auf 60° C. überhitzter Wasserdampf
angewendet, der die Tötung aller lebenden Wesen bewirkt, aber auf
mit Farben versehene Gegenstände nachteilig wirkt und leicht eine
Veränderung im Holze selbst herbeiführt.
Ist aber ein wertvolles
Holzgebilde stark vom Wurm befallen, so ist es damit noch nicht verloren.
Es gibt Verfahren; die selbst dem rettungslos zerstört erscheinenden
Gegenstande wieder innere Festigkeit geben durch Imprägnierung, d.
h. durch ein Ausfüllen aller Wurmgänge und der Mehlmassen mit
oxydiertem Öl, wie es z. B. als Linoleum für den Fußbodenbelag
verwendet wird. Auch das kann nur in dazu eingerichteten Anstalten geschehen.
Das so behandelte Holz wird sehr schwer. Es wird daher oft nötig,
den Aufbau des so behandelten Bauteiles, etwa einen Altaraufsatz, zu verstärken.
Wie es in einem verständigen Buche über die Behandlung der Krankheiten
durch Hausmittel heißt: Im Ernstfalle rufe man einen guten Arzt!
so heißt es auch hier: Rufe den Fachmann herbei, den das Denkmalpflegeamt
dir als vertrauenswürdig empfiehlt.
Die Veränderungen im
Holz erfolgen durch Wärme, Feuchtigkeit und Trockenheit; sie zeigen
sich verschieden nach der Form der hölzernen Gegenstände. Starkes
Holz reißt. Läßt man einen Baumstamm liegen, so werden
sich bald in der Umfassung nach der Mitte zu laufende Risse zeigen, die
oft bis auf den Kern reichen. Nun sind z. B. die Figuren in den Flügelaltären
des Mittelalters aus Vollholz geschnitten und zeigen daher oft tiefe, weit
klaffende Risse. Man beobachte sie nach ihrem Umriß: Lange Gestalten
ohne weit ausholende Glieder, denn der Künstler vermied es mit Recht,
durch Anleimen solche an das Kernholz anzufügen. Er holte die Gestalt
aus dem Stamme heraus, von dem er ein Stück für seine Arbeit
verwendete. Um nun das Reißen zu verhindern, höhlte er den Stamm
von der Rückseite aus. Löst man diese von der Tafel ab, an der
sie befestigt sind, so überrascht meist die rohe Art der Arbeit des
Aushöhlens. Der Riß kann nur von einem tüchtigen Künstler
beseitigt werden, denn oft muß die ganze Figur aufgesägt und
wieder zusammengeleimt werden, da durch Ausspänen die ganze Gestalt
verändert würde. Die Risse klaffen oft 2–3 cm weit, so daß
Ausspänen, z. B. eines Kopfes, zur Unform führen würde.
Leichter ist der Riß in einem Brette zu entfernen, jedenfalls aber
muß hier der Maler, vielleicht auch die Vergolder in Tätigkeit
gesetzt werden, da natürlich auch in der Außenfläche der
Riß ausgebessert werden muß. Risse in Brettern werden wohl
auch durch Zusammenpressen und Anbringen von Holzklammern beseitigt.
Oder das Holz wirft sich,
d. h. es gestaltet sich ein Brett dadurch um, daß es sich aus einer
Ebene in eine Mulde verwandelt. Das geschieht mit solcher Kraft, daß
kein Nagel es daran verhindern kann, und zwar namentlich unter dem Einfluß
trockener Wärme. Durch Anwenden von Feuchtigkeit und Druck wird es
oft gelingen, es wieder gerade zu spannen. Aber dadurch kommt das, was
etwa auf das Holz gemalt ist, in Gefahr, abzuplatzen.
Weiter schwindet das Holz,
d. h. es verkürzt sich durch Eintrocknen, was durch Zuführen
von Feuchtigkeit nicht rückgängig gemacht werden kann.
Solange diese Erscheinungen
sich in schlecht bearbeitetem Holz zeigen, wird ein geschickter erfahrener
Tischler oder Zimmermann die entstandenen Beschädigungen entfernen
können. Anders, wenn sich Fäulnis im Holze zeigt, wenn dies stockt,
modert, verrottet. Namentlich ist das Holz solcher Gefahr ausgesetzt, wenn
es vor dem Austrocknen verwendet und an ungünstiger Stelle angebracht
wurde, so daß es etwa von Mauern umhüllt ist, die keinen Luftzug
heranlassen. Es entsteht dann die Trockenfäulnis. Oder wenn in häufigem
Wechsel das Holz der Nässe ausgesetzt wird, ohne genügend austrocknen
zu können, zeigt sich nasse Fäulnis, die sich auch durch üblen
Geruch bemerkbar macht. Oder es tritt der Schwamm ein, d. h. es bildet
sich im Holz ein besonders an feuchten, lichtlosen und daher dumpfigen
Stellen stark wuchernder, weithin sich verbreitender Pilz, der auf das
Mauerwerk sich durch feine Ästelungen erstreckt, einer der gefährlichsten
Feinde der Häuser. Man erkennt ihn zumeist erst, wenn er an die Oberfläche
tritt, feine kleine weißliche Punkte bildet, die sich zu wolligen
Flocken erweitern oder ein dem Spinngewebe ähnliches Gespinnst bilden.
Er greift rasch weiter, indem aschgraue Fäden von seidenartigem Glanz
vorgeschoben werden. Das Herauswachsen farbig bunter Knollen von fleischiger
Masse zeigen das Fortschreiten. Auf ungestrichenem Holz erkennt man den
Schwamm durch kleine schwarze, auf der Oberfläche verteilte Punkte.
Ist es mit Leimfarbe gestrichen, so treten pelzartig kleine Farbenteilchen
hervor, die meist etwas gelblich sind. Das Holz klingt beim Aufschlagen
hohl, gibt auf Druck nach, riecht faulig, pfefferig. Bemerkt man diese
Zeichen, so ist es höchste Zeit, einen tüchtigen Maurer oder
Zimmermeister zu berufen, der die vom Schwamm angegriffenen Gebäudeteile
entfernt samt ihrer Umgebung und die Mittel anwendet, die das Wiederauftreten
vermeiden, namentlich indem er dem Bauteil Luftverkehr zuführt und
für seine Trockenheit sorgt. Der chemischen Mittel zur Bekämpfung
des Schwammes gibt es sehr viele, aber keines hilft ausreichend, wenn nicht
die Anlage des Baues selbst durchgreifend verbessert wird.
Unbemaltes und bemaltes Holzwerk.
Im deutschen Mittelalter
äußerte sich die Kunst des Bildhauers in Werken für Bronzeguß
und solchen aus Sandstein, nicht minder aber in Holzschnitzereien. Berühmt
sind als solche z. B. die romanische Kreuzigungsgruppe aus Wechselburg
und Freiberg in Sachsen. Sie waren durchgängig bemalt und verhielten
sich nun seit mehr als sieben Jahrehunderten im besten Zustand.
Auch das spätere Mittelalter
bemalte das geschnitzte Holzwerk. Ebenso noch zum Teil die Renaissance.
Ich erinnere mich holsteinischer Eichenschnitzereien aus der Mitte des
16. Jahrhunderts, die mein Vater aus einer Kirche gekauft hatte, und die
mit Ölfarbe, doch ohne Grund, bemalt waren und die er mit Mühe
reinigte. Doch scheint der große, von Brüggemann 1514—21 gefertigte
Altar des Domes zu Schleswig, von jeher nicht bemalt gewesen zu sein. Aber
bald erkannte man die Schönheit des Holzes, das Bemalen ließ
nach und wurde nur auf minder reich gemasertem Holz angeordnet. Man beschränkte
sich auf das Beizen und auf das Vergolden einzelner Teile. Selten wird
aber das Holz heute noch verwendet für kunstgewerbliche und künstlerische
Aufgaben, ohne daß man seiner Erscheinung durch irgendein Mittel
nachhilft. Und das mit Recht, denn es wird dadurch in seiner Wirkung stark
gehoben. Ein ästhetischer Grundsatz, der im Bauwesen gewiß seine
Berechtigung hat, wenn er verständig angewendet wird, besagt, daß
der Herstellungsstoff der einzelnen Teile so gezeigt werden soll, daß
man ihn in seiner Eigenart erkennt. Durch ihn kam man dazu, den Anstrich
auf Holz als eine unberechtigte Verhüllung des Stoffes anzusehen.
Nun ist aber der Farbstoff hier ja nicht willkürlich angewendet, sondern
für das Holz selbst ein Schutzmittel ebenso wie ein Mittel zum Schmuck,
und daher ist er künstlerisch durchaus berechtigt. Man hielt das Beizen
des Holzes, das Behandeln desselben mit Säuren, die das Holz meist
tiefer färben und die Maserung kräftiger hervortreten lassen,
jederzeit für erlaubt. Gleichen Zwecken dient das Polieren, das man
namentlich bei Möbeln verwendet, also ein Aufbringen eines mit Terpentin
und Kolophonium gemischten Wachses oder eines gefärbten Schellackfirnisses.
Endlich nahm man auch die Ölfarbe auf, jedoch haben Theoretiker es
für richtig befunden, Holz mit "Holzfarbe" zu streichen, also mit
einem der Naturfarbe verwandten Ton, auf den dann oft mit großen
Geschick eine Maserung aufgemalt wurde. Mich erinnern diese meist bald
stumpf werdenden Töne an die Wartesäle III. Klasse, wie denn
auch das Anstreichen des Holzes mit Holzfarbe, an jenen braven Mann mahnte,
der um seinen Glatzkopf zu schützen sich eine Perücke machen
ließ, um aber nicht Lockenfülle zu heucheln, ein solche ohne
Haare.
Ich meine eben, wenn man
Holz mit Ölfarbe streicht, so soll man die Vorteile künstlerisch
ausnützen, die die Farbe bietet. Man erschrecke nicht, wenn ein rot,
blau oder sonst wie gestrichenes Gestühl in der Kirche zunächst
"schreiend" wirkt. Ist die Farbe unmittelbar auf das Holz gemalt — nicht
auf einen Kreidegrund — so dunkelt sie sehr bald nach, so daß sie
ruhig und vornehm erscheint. Wird der Farbenton von vornherein zu stark
gebrochen, so wird er bald trübe und mithin auch trübselig wirken.
Es gibt aber noch außerdem
treffliche Mittel, um das Holzwerk zu beleben. So durch Intarsia, Einlegarbeit
in Holz. Es werden zwei dünne Platten (Furniere) verschiedener edler
Holzarten übereinander gelegt und aus ihnen mit der feinen Laubsäge
Figuren geschnitten. Nun können in jeder Platte die aus ihr ausgesägten
Figuren wechselseitig vertauscht werden. Es entstehen damit zwei als Gegenbilder
wirkende Zeichnungen, die auf die zu schmückende Fläche aufgeleimt
werden. Durch Beizen in verschiedenen Tönen, leichtes Versengen mittels
eines glühenden Stiftes und andere Mittel wird der Farbenreichtum
noch vermehrt. Marquetterie nennt man das Zusammensetzen eines Mosaiks
aus verschieden gefärbten rechtwinkligen Holzplättchen. Haben
sich Schäden in dieser Arbeitsweise, die im 16. bis 18. Jahrhundert
und dann wieder in den 1880er Jahren mit Meisterschaft geübt wurde,
gezeigt, sind z. B. einzelne Plattenteile ausgefallen, so wende man sich
an einen geübten Kunsttischler. Ihm tritt der Schnitzer zur Seite,
dem die Kirche wichtige Aufträge stellt. Es wird später von den
Flügelaltären die Rede sein, die für Bemalung eingerichtet
sind. Aber neben diesen boten sich noch viele Aufgaben. Da ist das Chorgestühl
in seiner oft außerordentlich reichen Gestaltung. Aber man beachte
auch das von einfacher Ausbildung: Die Klappsitze, die auf der Unterseite
eine Knagge, die Misericordia, haben, die beim Stundengottesdienst dem
Kleriker als Stütze dient, die aus mächtigen Bohlen geschnittenen
Armlehnen, die verzierten Gestühlwangen, die Pulte und endlich die
Baldachine über jedem Sitz. Da sind die Lesepulte für die Missalien,
die Beichtstühle und Sakristeieinrichtungen, die Gestühle für
die Gemeindemitglieder, die reichen vergoldeten Rahmen um Wanddenkmäler
und Bilder und was sonst der Schnitzer für Kirchen noch zu schaffen
hat.
Die für die kirchliche
Kunst wichtigste Form der Bemalung von Holz ist die vom Mittelalter geübte,
jetzt fast ganz vergessene des "Fassens" von Statuen in lebhaften Farben,
sowie der entsprechenden Bemalung von Tafeln mit Bildern, wie sie sich
an zahlreichen Flügelaltären erhalten hat. Diese stehen teilweise
noch an der Stelle, für die sie geschaffen waren, wurden aber teilweise
als dem Geschmacke der Folgezeit nicht entsprechend, in protestantischen
Kirchen auch wohl ihrer katholischen Darstellungen wegen, beiseite geschafft,
etwa auf den Kirchboden. Es handelt sich da zum größten Teil
um wertvolle Kunstwerke. Schon der Umstand, daß die Skulpturen bemalt
wurden, widersprach den Kunstanschauungen des 19. Jahrhunderts. Damals
galt die griechische als die allein vorbildliche Kunst. Man nahm an — was
freilich, sich später als ein Irrtum erwies — daß die Griechen
ihre Statuen nicht bemalt hätten. Man hielt daher die Altäre
für Erzeugnisse barbarischer Kunstzeiten und verzichtete auf sie aus
Gründen einer angeblich "idealeren" Kunstanschauung.
Ein solcher Altar besteht
aus mehreren Teilen, sämtlich aus Holz. So dem unteren Aufsatz, der
Predella, an deren Seiten sich Ansätze vorstrecken. In der Mitte ist
oft eine figurliche Schnitzerei angebracht. Darüber erhebt sich der
stattliche Schrein, in dem zumeist eine, drei oder fünf Holzstatuen
in Hochrelief stehen. Feine Schnitzereien, oben und unten durchbrochene
Galerien, seitlich schlankes Säulenwerk umgeben sie. Mit Scharnieren
sind Flügel befestigt, in denen sich weitere Statuen oder auch Bilder
befinden, und zwar finden sich öfter mehrere solche Flügel so
angebracht, daß je nach den Festen der der Gemeinde zugewendete Teil
verändert werden kann. Man nennt solche Altäre daher auch Wandelaltäre.
Über deren Schrein erhebt sich weiter feines Schnitzwerk, das Gespärre,
in das öfters weitere Figuren eingestellt sind. Manchmal erhebt sich
ein solcher Altaraufsatz bis zum Scheitel des Gewölbes und schließt
den Chor in fast der ganzen Breite ab. Es befinden sich Werke darunter,
die zu den bedeutendsten Kunstleistungen ihrer Zeit gehören.
Sie waren in weitaus den
meisten Fällen reich vergoldet, versilbert und in lebhaften Farben
bemalt. Die Schnitzerei ist darauf eingerichtet, daß auf sie eine
manchmal ziemlich kräftige Kreideschicht aufgetragen wurde. Entfernt
man diese, so erscheinen die Figuren oft ziemlich roh geschnitzt und zu
schlank. Denn der Künstler modellierte noch die feineren Teile in
den Kreidegrund, musterte die Flächen der Gewänder und der Rückwand,
vor der die Statuen standen, durch Verwendung geschnitzter Stempel. Dann
erfolgte die Vergoldung und Versilberung großer Teile und die Bemalung,
die entweder unmittelbar auf den Kreidegrund mit Ölfarbe erfolgte
oder in leichtem Auftrag auf das Gold und Silber, so daß dies durch
die Farbe hindurchschillert. Der Maler arbeitete mit starkem Wirklichkeitsgefühl,
strich nicht etwa bloß die Statue an, sondern stellte z. B. in einem
Kopf die Feinheiten her, durch die Wesen und Stimmung der Heiligen verdeutlicht
werden sollten. Man sieht da die feinen Töne des Gesichts, die Adern
unter der Haut, das Leben in voller Realistik, ja oft mit einer starken
Betonung gerade dieser.
Alle die oben aufgezählten
Beschädigungen treten an den Altären auf. Der Wurm setzt sich
in die feinen ornamentalen Schnitzereien und zerstört sie bald, sie
fallen herunter. Die Figuren und Bildtafeln zeigen Risse, die Farbe und
der Kreidegrund bröckeln ab. Alle Tage findet man Wurmmehl auf dem
Altar, unter dem Aufbau. Das Ganze wird unscheinbar, ja es droht zusammenzubrechen,
wenn der Wurm sein Zerstörungswerk fortsetzt.
Was tun? Hier hilft nur
eine umfassende Erneuerung oder der Verzicht auf das Kunstwerk, etwa durch
Abgabe an ein Museum. Dieses wird sich damit begnügen, das zu tun,
was weiteren Verfall aufhält. Ihm ist der Altar ein kunstgeschichtliches
Denkmal, das in dem Zustande zu erhalten ist, in dem es ihm überliefert
wurde. Nur das soll ergänzt werden, was unbedingt sicher als früher
bestehend erkannt wird. Sonst soll der Rest als "Original" bestehen bleiben.
Denn man rechnet in erster Linie mit kunstverständigen Beschauern,
ja mit Kunstgelehrten. Das Museum ist nicht nur Belehrungsanstalt für
die Menge, sondern zugleich ein wissenschaftliches Forschungsinstitut für
Fachleute.
Die Kirche ist aber, wie
schon oft gesagt, kein Museum. Sie hat die Pflicht, das Alte zu pflegen,
aber nicht in erster Linie um der Kunst, sondern um des Gottesdienstes
willen. Sie hat mit den Ansichten der Gemeinde zu rechnen und dieser das
sie Erbauende darzubieten. Und ein den Verfall deutlich zeigendes Werk
auf dem Altare leistet ihr diesen Dienst nicht. Also muß der Altar
wiederhergestellt werden. Das ist ein schwieriges und meist recht kostspieliges
Werk, das eine große Erfahrung erfordert, eine solche die nur wenige,
für diesen Zweck ausgebildete Künstler besitzen.
Da ist es z. B. oft nicht
möglich, die aus dem Kreidegrund abgebröckelten Teile zu ergänzen,
da der neue Teil nicht genug Halt bekommt, der alte, jetzt nur noch leicht
haftende bald vollends abbrechen würde. Es muß also die alte
Bemalung abgewaschen, die ganze Arbeit neu gemacht werden. So namentlich
an den Statuen, während hinsichtlich der Bilder die Arbeit meist einfacher
ist. Man hebt sich Farbenreste auf, um danach die Neubemalung einzurichten,
man photographiert das Ganze, um sich möglichst klar über den
ursprünglichen Zustand zu bleiben — aber man schafft doch ein Werk,
das im Sinne der Kunstwissenschaft entwertet ist, aufgehört hat ganz
"echt" zu sein. Es ist eben, trotz des alten Kernes eine "Kopie".
Hier steht die Denkmalpflege
vor den schwersten Entscheidungen. Erleichtert werden sie ihr in dem Falle,
wo die Farbe ganz oder fast ganz verschwunden ist. Fehlen dazu den vielleicht
von der Rückwand getrennten Figuren infolge von Wurmfraß ganze
Glieder, so ist das Kunstwerk so entwertet, daß man freier darüber
verfügen kann. Hat es doch auch für das Museum nur geringen Wert.
Die Entscheidung hat die
Gemeinde oder die Oberbehörde in Gemeinschaft mit dem Sachverständigen
zu treffen. Sie wird zumeist zu lauten haben: Abgabe in ein Museum; oder:
Vollständige Erneuerung; es sei denn, daß die Kirche selbst
einen geeigneten Raum habe, wo das beschädigte, aber in seinem Halt
neu befestigte Werk Aufstellung finden kann.
Hier ist nur die Frage zu
behandeln, was von der Erneuerung vom Standpunkt der Denkmalpflege zu halten
ist. Daß diese mit. größter Sorgfalt durchzuführen
sei, muß als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Soll das
Fehlende, etwa der Kopf, eine Hand einer Figur, das Gespärre nach
dem Entwurf des Restaurators ergänzt werden? Soll man es so gestalten,
daß man es für alt zu halten geneigt ist, oder soll es sich
als neu kennzeichnen? Das heißt: Soll der Sachverständige vom
Werke selbst ablesen können, was an ihm alt sei? Es sind dies zwar
theoretische Fragen, aber solche an den erneuernden Künstler, die
nicht so sehr von seinem Willen als von seinen Fähigkeiten abhängen.
Es muß sich um einen selbstlosen Künstler handeln, der sich
dem alten Werke unterzuordnen versteht, ohne seine Eigenart dadurch zu
verlieren.
Der Erfolg wird sein, daß
ein Werk der Kirche zurückgegeben wird, das nach bestem Wissen und
Können des Restaurators so aussieht, wie es aus der Hand des ersten
Meisters hervorging. Die an der Erneuerung Beteiligten werden sowohl Lob
wie Tadel finden. Gewöhnlich ist die Mehrzahl der Gemeindemitglieder
entzückt von dem in blanken Gold und in lebhaften Farben prangenden
Werke. Andere werden es "schreiend", "brutal" finden. Sie werden den alten
Zustand loben, ihn als den "feineren", "künstlerischeren" erklären.
Die Kunstgelehrten werden über Zerstörung einer geschichtlichen
Urkunde klagen. Aber wir wollen nicht vergessen, daß die Zeit es
war, die dem Werk den milderen Glanz gab und daß die Zeit ihn auch
dem jetzt blitzblanken Werk geben wird. Das lehren die Erfahrungen. Es
dauert zwar in einer trockenen, gut gepflegten Kirche länger, bis
die Farbe eine andere Tönung annimmt, das Gold den glänzenden
Schein verliert, aber die Zeit kommt, in 20, in 30 Jahren. Und die Denkmalpflege
arbeitet nicht für heute, sondern mit den Werken der Vergangenheit
auf eine hoffentlich ferne Zukunft.
Aufgabe der Denkmalpflege
ist das Erhalten des Bestehenden. Erhalten wird auf die Dauer nur das,
was der Gemeinde lieb und wert ist. Ist ihr der Besitz unerwünscht,
so ist die Gefahr groß, daß sie sich seiner so oder so zu entledigen
bestrebt ist. Der Denkmalpfleger soll nicht mit polizeilicher Gewalt einzugreifen
genötigt sein, sondern ein Lehrer der Ansichten sein, die er durch
sein Amt zu vertreten hat. Und er wird vom Pfarrer erwarten dürfen,
daß er ihn darin unterstütze.
Mit der Mitte des 16. Jahrhunderts
verschwinden die Flügelaltäre, und jene Wandaltäre treten
auf, wie sie Renaissance, Barock und Rokoko liebten, architektonische Gestaltungen,
seitlich mit Säulen, in der Mitte meist mit einem Gemälde auf
Leinwand, oben mit reicher Bekrönung. An Schmuckwerken, Statuen, Vergoldungen
wird nicht gespart. Dagegen tritt die Farbe zurück. Die Architektur
wird meist weiß oder grau in Leimfarbe gestrichen und wirkt durch
die bewegte Linienführung, durch geschnitztes Zierwerk.
Das Kunsturteil des 19.
Jahrhunderts war diesen Werken noch weniger günstig, als den Flügelaltären.
Gehörten sie doch der "frivolen" Zeit Ludwigs XIV. an, galten sie
doch den Protestanten als Ausdruck des Jesuitentums, den Ästhetikern
als "regellose" Versündigungen am heiligen Geiste der klassisch-antiken
Kunst; die Romantiker dagegen vermissten daran die der mittelalterlichen
Zeit eigene tiefere Gläubigkeit. Zahlreiche solche Altäre wurden
zu Feuerholz zerschlagen, und man glaubte damit ein künstlerisch gutes
Werk zu tun, da der barocke Altar in die gotische Kirche nicht passe. Noch
heute hört man gelegentlich solche rückständige Urteile.
Entgegen steht diesen die Ansicht der Menge, die ihre prächtigen Barockkirchen
liebt, ohne durch ästhetische Scheuklappen beirrt zu werden. Freilich
war nicht jeder der entfernten Altäre ein Meisterwerk, aber das, was
an seine Stelle kam, stand meist künstlerisch viel tiefer. Man begnügte
sich damit, daß es zum Stil der Kirche "passe". Man nahm der Vergangenheit
übel, was zu erlangen man selbst eifrig herbeisehnte, nämlich
den Zeitstil, den Ausdruck des eigenen Empfindens, und glaubte ihn durch
Entlehnung aus fernerer Vergangenheit ersetzen zu können.
Heute haben sich die Meinungen
auch hierin geändert. Den Barockaltar wird niemand mehr aus der älteren
Kirche entfernen wollen der Stileinheit, des "Purismus" wegen.
Auch solchen Altar greift
der Wurm an. Aber er ist kräftiger in seinen Teilen, so daß
er ihm längere Zeit widersteht, mit Ausnahme von feineren Ornamenten.
Man wird sich daher lange Zeit mit Ausbessern begnügen können;
auch ist die Einzelheit leichter zu ergänzen, da die Kunstformen derber,
wuchtiger sind. Wer sie aber kennt, wer die Kirchen durchwandernd, sie
untereinander zu vergleichen befähigt ist, der staunt über den
Reichtum der Gestaltungskraft, die sich in diesen Altären offenbart
und lernt sie nach ihrem künstlerischen Wert würdigen.
Hinzu kommen noch die Orgelgehäuse,
die sogenannten Prospekte. Von den Zinnpfeifen, die einen wesentlichen
Teil davon bilden, sei an anderer Stelle gesprochen. Gotische Orgeln sind
sehr selten, auch solche der frühen Renaissancezeit sind nicht häufig.
Wohl aber gibt es prachtvolle reichbemalte Werke aus dem 17. Jahrhundert
und der folgenden Zeit. Nun bedarf das Orgelwerk mancherlei Ausbesserungen,
und bald wird der Organist ein neues, besseres zu erhalten streben, obgleich
zurzeit ein Werk des berühmten Orgelbauers Johann Gottfried Silbermann
(1683—1753) schon wegen seines musikgeschichtlichen Wertes hoch eingeschätzt
wird. Ebenso die Werke seines in Straßburg tätigen Bruders Andreas
(1678—1734) und seiner Neffen, von denen der Jüngste bis 1799 tätig
war. Viel schöne Gehäuse wurden bei solchen Erneuerungen zerstört
und durch neue, sehr selten künstlerisch gleichwertige ersetzt. Das,
was die spätere Zeit Tischlergotik nannte, feierte da wahre Orgien
— nüchterne, aber stilvoll gotische Werke, meist statt lebhaft farbiger
Arbeiten solche in gebeiztem Holz. Nun ist es aber sehr wohl möglich,
für eine neue Orgel das alte Gehäuse zu verwenden. Jedenfalls
soll man den Orgelbauer nicht allein befragen, wenn es sich um eine Änderung
der Gesamtanlagen handelt, sondern neben dem Musikverständigen auch
den Denkmalpfleger um Rat angehen, damit er das Recht des Alten als dessen
Verteidiger mit auf die Waage der Entscheidung lege.
Das 16. bis 18. Jahrhundert
liebte es, hölzerne, bemalte Wanddenkmäler (Epitaphien) in die
Kirche zu hängen zur Erinnerung an dort begrabene Persönlichkeiten.
Das Begraben in den Kirchen selbst galt als Ehrung für den Verstorbenen,
woran den Nachlebenden das Monument erinnern sollte. Wir wollen ja nicht
vergessen, daß moneo in Erinnerung bringen heißt und daß
etwas zum Begräbnis Gehöriges ist. Beides mahnt zur Erhaltung,
gleichviel ob der Gegenstand uns gefällt oder nicht. Die Erhaltung
fordert die gleichen Vorkehrungen wie bei den Holzaltären.
Die Vergoldung des Holzes.
Die Vergoldung erfolgt auf
dem Kreidegrund, nachdem dieser abgeschliffen, oft auch durch Einpressen
von Mustern mit Metallstempeln vorbereitet ist, indem das sogenannte Poliment
aufgetragen wird, eine aus Verschiedenen Stoffen zusammengesetzte Flüssigkeit.
Auf diese wird dann mit einem sehr weichen, breiten Pinsel Blattgold aufgelegt.
Ist dieses durch das Auftrocknen des Poliments fest geworden, so wird es
mit einem glatten Gerät, dem Vergolderzahn, poliert. Ähnlich
wird über Öl vergoldet, und zwar auch auf Gips und ähnlichen
Stoffen. In gleicher Weise erfolgt das Versilbern. Wenn dann über
die Silberschicht ein feiner Lack gestrichen wird, so ergibt sich eine
ähnliche Farbe wie die des Goldes. Statt Blattgold wird auch Bronze
verwendet, die in Staubform aufgetragen wird. Sie ist natürlich billiger,
wird aber bald, namentlich in feuchten Räumen, unscheinbar und schwärzlich.
Auch das weißlichere Zwischgold, das aus einer Mischung von Gold
und Silber besteht, hat nicht den gleichen Bestand wie Blattgold.
Der Goldschläger nützt
die außerordentliche Dehnbarkeit des Goldes aus, so daß das
Blatt ganz außerordentlich dünn werden kann. Gegen 9000 Blatt
Gold aufeinandergelegt ergeben erst einen Millimeter, dem gegen 4000 Blatt
Silber entsprechen. Trotzdem erhält sich das Gold trefflich, ja alte
Vergoldungen werden höher geschätzt als neue, da sie bei schwindendem
Glanz eine vornehmere, stillere Stimmung annehmen.
Ist aber an Vergoldungen
durch Abreiben Schaden angerichtet, so tritt das braunrote Poliment hervor,
das meist nicht störend wirkt. In vielen Fällen genügt bei
Beschädigung der Vergoldung ein Nachvergolden der betreffenden Stellen,
wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß bei dieser Ausbesserung
nicht Flecke entstehen.
Wandmalereien.
Man kann annehmen, daß
jede mittelalterliche Kirche ursprünglich ausgemalt war. Späteren
Zeiten mißfiel die ältere Kunst, namentlich wenn ihre Erzeugnisse
gelitten hatten, und sie schuf entweder neue an Stelle der alten oder wählte
an ihrer Stelle einen glatten Anstrich. Gelegentlich findet man alte Bilder
unter diesem oder unter einer Kalkschicht, die auf die ursprüngliche
aufgetragen wurde. Dabei war es üblich, die alte Schicht mit Spitzhacke
rauh zu hauen, damit die neue besser hafte. Wird ein Fund etwa durch einen
Zufall, durch Abbröckeln eines Teiles des Putzes oder dgl. gemacht,
so ist der dringende Rat an den Kirchenvorstand zu richten, sobald als
möglich sich an die Stelle zu wenden, die berufen ist, einen Fachmann
zur Untersuchung der Sachlage zu benennen. Dieser wird versuchen, durch
Klopfen mit einem Gummihammer, weitere Teile der Gemälde freizulegen,
um somit einen Überblick über den Wert der Kunstwerke zu erlangen.
Er wird sogar gelegentlich mehrere Schichten von Malereien feststellen
können und sich zu entscheiden haben, auf welche von diesen er die
Aufmerksamkeit zu lenken habe. Handelt es sich doch oft um Arbeiten von
hervorragendem kunstgeschichtlichen Wert, deren Wiedersichtbarmachung auch
von einer kunstfreundlichen Gemeinde gewünscht werden wird, wenn ihr
gleich dadurch Kosten und Störungen des Gottesdienstes erwachsen.
Denn die abgestoßenen Kalkschichten bringen Schmutz und Staub in
die Kirche. Dazu kommt, daß selten die alten Kunstwerke in einer
Verfassung zutage kommen, die die Mehrzahl der Beschauer erfreuen wird.
Es treten also kirchliche mit künstlerischen Bedenken in Zwiespalt.
Wer aber in der Kirche nicht nur eine Stätte des Kultus, sondern auch
der Kultur erblickt, wird die vorübergehende Beeinträchtigung
des ersteren gewiß im Sinne des letzteren zu ertragen sich geneigt
zeigen.
Wie ist nun ein durch die
Spitzhaue beschädigtes, teilweise verblaßtes Gemälde dieser
Art vom Denkmalpfleger zu. behandeln? Je älter es ist, desto weniger
wird er sich befähigt finden, das Fehlende zu ergänzen. Denn
ihm fehlt die "Naivität", die alte Malereien auszeichnet, jener Ton
sachlicher Erzählung mit allerhand Schwächen oder doch Eigenarten
in der Darstellungsweise. Es sei dies an einigen Beispielen erklärt:
In den Gewölbezwickeln einer kleinen spätmittelalterlichen Stadtkirche
fand man Heiligengestalten von statuarischer Haltung. Vieles von ihnen,
so z. B. die Gliederung der Gesichter, war nicht erhalten. Es wurde lediglich
der Grund, der ebenfalls fleckig zutage getreten war, neu bemalt, einzelne
entfärbte Stellen ausgefüllt. Der mit dem Augenglase Bewaffnete
sieht vom Boden aus diese Schäden, auf das Hinsehen mit bloßem
Auge erkennt man aus den Umrissen und den sie teilenden Farbenmassen die
Gestalten in vollständig ausreichendem Maße. Wo sie fehlten,
wurden neue angebracht. Die Kirche erscheint in wohltuender Weise geschmückt.
Und der Kunstforscher erkennt leicht, was an den Bildern alt oder neu sei,
da der Maler des Neuen sich nicht die undankbare Mühe gab, in fremdem
Stile zu arbeiten, sondern seiner Art insofern freien Lauf ließ,
als er sich nur in der Massenverteilung an die alten Vorbilder hielt.
In einem anderen Falle wurden
die Bilder in dem Zustand unberührt belassen, in dem sie vorgefunden
wurden. Aber es wurden Kopien von ihnen angefertigt, bei denen der Maler
nach bestem Wissen das ergänzte, was an den Originalen fehlte. Und
diese Kopien wurden vor den Bildern so angebracht, daß sie jederzeit
entfernt werden können. Dem Besucher des Raumes wird dadurch soweit
möglich der ursprüngliche Zustand der Ausschmückung vor
Augen geführt, der Forscher kann sich jederzeit darüber unterrichten,
inwieweit der neue Maler dem alten gerecht zu werden verstand.
Wenn diese oder andere Mittel
zur Erhaltung alter Malereien nicht angewendet werden können, so wird
die Frage auftauchen, ob sie von der Wand entfernt, an einen anderen Ort
in der Kirche oder im äußersten Notfall in ein Museum überführt
werden können. Es ist im Loslösen großer Kalkschichten
Außerordentliches geleistet, große Bilder sind z. B. aus Italien
in deutsche und andere Museen überführt worden. Hier handelt
es sich nicht um die Darstellung der technischen Maßnahmen, die hierbei
sich nötig machten, sondern nur um den Nachweis, daß die Erhaltung
von Gemälden hierdurch jedenfalls möglich ist. Bei Abbruch des
gräflich Brühischen Palais in Dresden wurde die Decke des großen
Festsaales in dieser Weise erhalten und in der Aula der Kunstgewerbeschule
wieder angebracht, ohne dabei in ihrer Wirkung beeinträchtigt zu werden.
Freskogemälde, d. h.
solche, die auf frischen Kalk so ausgeführt werden, daß die
aufgetragene Farbe gleichzeitig mit dem Kalk erhärtet, können
durch geeignete Mittel übermalt, also Bilder, die gelitten haben,
wieder in guten Zustand versetzt werden. Es ist dabei zu bedenken, daß
die Kunst von heute der der Fresken, die bei uns zumeist erst der Zeit
nach 1650 angehören, näher steht als jener des Mittelalters,
daß mithin ihre sachgemäße Erneuerung leichter zu erreichen
ist. Trotzdem sei hier wie überall vor dem Übermalen, alter Bilder
gewarnt, durch das diese in ihrem Bestände verändert werden.
Den Restauratoren, namentlich den minder begabten und unerfahrenen, wird
man streng auf die Finger zu sehen haben, damit sie sich keine Willkürlichkeiten
erlauben, d. h. es wird, ehe man ihnen ein Werk überläßt,
durch Beschreibung und photographische Aufnahme der Zustand festzulegen
und der Umfang der Erneuerungsarbeiten zu vereinbaren sein, all dies unter
Zuziehung des berufenen Denkmalpflegers.
Gerade hinsichtlich alter
Wandmalereien ist bei den Geistlichen oft starke Abneigung zu bemerken.
Sie stört der Fleck an der Wand, sie finden die Malerei nicht "schön",
der beschädigte Zustand widerspricht ihrem Ordnungssinn. Und gerne
sind sie bereit, das eben Aufgefundene wieder überstreichen zu lassen.
Es werden Scherereien befürchtet und es wird angenommen, etwas Rechtes
käme doch bei der Sache nicht heraus. Wenn sich die Gemeinde im Besitz
der höchsten Kunstweisheit glaubt, so würde man ihr Recht geben
müssen. Aber eine solche hat niemand, und mithin ist niemand berechtigt,
die Schöpfungen der Vergangenheit zu vernichten. Es handelt sich nur
darum, den rechten Mann zu finden, dessen Kunst die alten Reste in den
veränderten Raum sachgemäß einordnet, so daß sie
der Gemeinde zur Freude gereichen. Wer Erfahrung in diesen Dingen hat,
weiß, wie rasch der Geschmack sich ändert!
Bronze und Messing.
Bronze besteht in der Hauptsache
aus Kupfer, dem im geschmolzenen Zustande Zinn, Zink, Blei und andere Metalle
beigemischt werden. Je nach den Mischungsverhältnissen gibt man ihm
verschiedene Namen. Eine Mischung aus Kupfer und Gold nennt man Tombak,
ein Name, der aus dem Malaischen stammen soll. In dem, was man bei uns
als Tombak bezeichnet, wird man vergeblich Gold suchen. Es ist Rotguß,
in dem das Gold durch Zinn ersetzt ist. Halbgold (Mannheimer Gold, Semilor
u. a.) nennt man Zusammensetzungen aus Kupfer, Zinn und Zink, die eine
goldähnliche Farbe haben. Werden die Erzeugnisse daraus noch vergoldet,
so wirken sie echtem Gold sehr ähnlich. Im sogenannten Nürnberger
Gold dagegen sind einige wenige Teile des wertvollen Metalls dem Kupfer
beigemischt. Auch in Japan mischt man Kupfer und Gold zu feinen Schmuckarbeiten.
Aber all das sind Dinge, die in unseren Kirchen selten vorkommen werden.
Wichtiger ist der Messing-Gelbguß, der etwa ein Viertel Zink dem
Kupfer beigemischt zeigt, gelb erscheint, leicht flüssig, hart und
spröde ist. Je weniger Zink die Mischung enthält, desto röter
wird die Masse, je mehr, desto gelber, endlich weißlich bis weiß-grau
(Weißmischung). Reines Kupfer verwendet man zu gewissen Gefäßen
und zur Abdeckung von Dächern. Es wird durch Kalthämmern verarbeitet,
poliert und gebeizt und dient zur Herstellung vieler kunstgewerblicher
Erzeugnisse. Es ist dies das "hammergare Kupfer".
Wertvoll ist das Metall
auch durch seine Farbe. Jede Hausfrau kennt das glänzende Rot der
gut gescheuerten Kupferkessel. Der Künstler liebt die schwärzlich
braune Farbe der Bronze, die bald unter der Einwirkung von Luft und Feuchtigkeit
einen Rost ansetzt; dieser frißt sich aber nicht in die Tiefe, sondern
schützt vielmehr das Metall vor Zerstörung: Es ist dies der Edelrost,
die Patina, die den Stoff mit einem leuchtenden Weißgrün, Blaugrün,
Braungrün überzieht, das zu erhalten Aufgabe der Pflege ist.
Hier also ist das Verrosten zu begrüßen, wenn es sich nicht
um das Entstehen des giftigen Grünspanes handelt, der die Bronze zerstört.
Er entsteht durch die Einwirkung von Säuren auf Kupfer.
Bronze ist der klassische
Stoff für den Kunstguß.
Da sind zunächst die
Glocken, als die gewichtigsten Gußstücke der kirchlichen Kunst.
Sie hängen droben auf dem Turme, und nur wenige Mitglieder der Gemeinde
haben sie jemals gesehen, außer etwa von unten. Der Weg zu ihnen
ist selten bequem und für Besuch nicht eingerichtet, selten sogar
rein gehalten. Sie hängen in der Glockenstube am Glockenstuhle, einem
schweren Holzgerüst, dessen Zweck ist, die bei den Schwingungen entstehenden
Schwankungen des Gebäudes aufzufangen und den Druck gleichmäßig
auf das Turmmauerwerk zu verteilen. In den Stuhl sind Pfannen eingelassen,
die die Zapfen der sogenannten Holme oder Wölfe aufnehmen. An den
Holmen ist die Glocke befestigt. Das Schmiermittel, das in die Pfannen
gebracht wird, verunreinigt den Stuhl, so daß die enge Glockenstube
selten ein Ort ist, der sich zum Besuche eignet.
Die Glocke wird entweder
durch Schwingen geläutet, indem der Holm mittels eines herabhängenden
Seiles und durch ihn die fest an ihm hängende Glocke bewegt wird,
bis der schmiedeeiserne frei bewegliche Klöppel an die Glockenwand
schlägt: oder sie wird durch seitlich angebrachte kleine Hämmer
geschlagen, so auf mechanischem Weg durch die Stundenuhr. Beiern nennt
man das Anschlagen des Klöppels an die still hängende Glocke.
Als Teil der Glocke selbst
vermittelt die Krone, die aus mehreren henkelförmigen Teilen besteht,
die Befestigung am Holm. Sie sitzt auf der Haube, an der nach unten ein
Ring befestigt ist; dieser hält an einem kurzen Lederriemen den Klöppel.
Der Leib der Glocke, dessen Grundgestalt ja alle kennen, ist an den oberen
Teilen, der Schweifung, verhältnismäßig dünnwandig,
an dem weit ausladenden unteren Teil, dem Schlagring, aber viel stärker.
Der Ton der Glocke ist abhängig von der Gestaltung dieses Leibes,
von der Rippe, wie die Gießer den Querschnitt nennen. Diese Rippe
hat sich nun im Laufe der Zeit vielfach geändert. Die ältesten
Glocken sind lang und schmal, erst im 15. Jahrhundert erhalten sie die
Grundform, die sich seither im wesentlichen erhielt. In manchem deutschen
Turm hängen Glocken aus dem 13., ja 12. Jahrhundert, die also seit
sieben bis acht Jahrhunderten die Gemeinde mit ihrem Klang zu den wichtigsten
Ereignissen ihres Lebens wie zum Gebet begleitet haben; eine so ehrwürdige
und treue Freundin, die nun, wie eine einfache Rechnung ergibt, sechs bis
sieben Millionen mal den Ortsbewohnern die Stunde verkündete, wird
die Achtung aller genießen.
Um eine Glocke herzustellen,
mauert man einen Kern auf und formt diesen nach der Innenschablone der
Rippe aus. Darüber baut man den Mantel aus, der wieder, diesmal an
der Innenseite, nach der Rippe geformt wird. Wenn er auf den Kern herabgelassen
wird, so entsteht ein leerer Raum. Dies ist die Form, die die Glocke erhalten
soll. Der Zapfen des Schmelzofens wird ausgestoßen, und die flüssige
Masse füllt die Leere aus, aus der die Luft durch Röhren im Mantel,
Pfeifen genannt, entweicht. Der Schmuck auf der Außenseite entsteht
dadurch, daß man ihn, wenn er erhaben erscheinen soll, in den Mantel
vertieft.
Es ist ein hartes Schicksal
für die Glocken, daß sie aus derselben Bronze gefertigt werden
wie die Kanonen. Der Krieg frißt die Glocken auf, und so sind denn
auch während des Weltkrieges ungezählte Glocken von den Türmen
heruntergeholt und in die Arsenalwerkstätten gebracht worden. Ehre
den Gemeinden, die dem Vaterlande dies Opfer brachten, ein Opfer, das noch
lange in der Geschichte des Ortes rühmend erwähnt werden wird.
Man gab in erster Linie neue Glocken hin, da man sich des höheren
geistigen Wertes der alten bewußt war. Und so sind denn auch unter
der sorgsamen Aufsicht der Denkmalpfleger viele alte Glocken erhalten geblieben,
die zu ihrem Teil den geschichtlichen Zusammenhang mit der Vergangenheit
pflegen und hoffentlich dereinst noch eine bessere Zeit einläuten
werden.
Aber auch durch ihren Schmuck
sind uns die alten Glocken wert. Viele tragen Namen von Heiligen als Inschriften,
oder Sprüche, die eine Fürbitte enthalten. Der Ton der Glocke
wird als laute Wiederholung dieser aufgefaßt: O rex gloriae veni
cum pace. Oder: Ave Maria gratia plena dominus tecum benedicta tu in mulieribus.
Oder: Defunctos plango, vivos voco, fulgura frango. Oder: Vox mea vox vitae,
voco vos ad sacra, venite. Oder: Hilf Maria unde berat. Oder: O heiliger
Bischof Sanct Martin, bitte Gott vor uns. So und ähnlich im Mittelalter.
In protestantischen Kirchen: Verbum Domini manet in aeternum. Oder: Da
pacem Deus in diebus nostris. Oder eine Inschrift von 1645:
Als ich bin gegossen worden
War Krieg und Streit an allen Orten
Gar wenig Volk, gar wenig Geld
Verwüstet waren Stadt und Feld
Doch meld ich Stund, Freud, Tauf und Tod
Sobald Ihr höret Hall und Schall
Zur Kirche kommt, Gott lobet all.
Weiter werden oft die Stifter
der Glocken und die Gießer angegeben: X. Y. goss mich; auch die Jahreszahl
und der Ort der Gieshütte. Dazu kleine Reliefs, Münzen, besonders
gern Wallfahrtszeichen, wie sie an den betreffenden Kirchen dem Pilger
ausgehändigt wurden. All dies bescheiden, auch im Ornament nicht aufdringlich;
es schlingt das sich etwa um den "Hals" der Glocke, den oberen Teil der
Schweifung, der auch zumeist die Inschrift trägt.
Es gehen wohl gelegentlich
Glockengießer durchs Land und weisen die Gemeinden daraufhin, daß
ihre Glocken nicht "stimmen", d. h. daß ihrer mehrere nicht harmonisch
zusammen klingen. Sie ermahnen dann zum Umgießen. Es findet sich
vielleicht ein Stifter, der die dadurch entstehenden Kosten trägt,
und bald sind die Glocken eingeschmolzen. Ob man damit recht tut, ist vorher
zu untersuchen, und jedenfalls soll man dabei auf den Freund der alten
Glocken hören, der vielleicht Wege anzugeben weiß, wirklich
vorhandene Mißklänge zu beseitigen, ohne die alte Glocke zu
zerstören.
Ein letzter Weg ist an der
Zarkólokol, der Königin der Glocken in Moskau, eingeschlagen
worden: Sie stürzte 1737 ab, wobei ein Stück herausbrach, und
wurde 1876 auf einem Sockel vor ihrem Glockenturm aufgestellt. Auch in
Deutschland hat man dies mit alten Glocken getan und den Gemeinden damit
eine dauernde Freude bereitet.
Eine zweite, in Kirchen
häufig vorkommende Form des Bronzegusses ist die der Denkmäler.
Manche Dome sind reich an solchen Werken, manche Gießerhütten
sind für diese Arbeiten weltberühmt, so namentlich die der Vischer
in Nürnberg, von denen der älteste, Hermann, 1487 starb, der
größte, Peter, von 1455 bis 1529 lebte. Sie unterscheiden sich
vielfach in der Form, die hier nicht beschrieben werden soll, da es sich
nicht um die Kunstgeschichte in diesen Zeilen handelt.
Da gibt es glatte Platten,
die im Guß hergestellt sind und eine vertiefte eingeritzt erscheinende
Zeichnung aufweisen, oder in ähnlicher Technik, aber mit leicht erhabener
Modellierung, in Halbrundung (Relief) oder Vollrundung die Gestalten darstellend.
Die Platten liegen meist im Fußboden, oder der Guß erstreckt
sich auch auf einen vom Boden aufsteigenden Bau, eine Tumba bildend. Dazu
kommen in Bronze gegossene Taufbecken, Fünten, Grapen, aufrecht stehende
Bronzestatuen, alles dies Schätze von höchstem Wert für
die Kirche.
Was hat zu ihrer Pflege
zu geschehen? Solange sich nicht deutliche Schäden zeigen, nichts!
Höchstens soll man sie von Zeit zu Zeit abstäuben oder sie mit
Petroleum und weichen Lappen reinigen. Gefahr droht nur den auf dem Kirchboden
liegenden Platten. Sie wurden dorthin gelegt mit dem Wunsche auf Selbsterniedrigung,
gerade in vielbegangene Gänge hinein, damit der grobe Stiefel über
sie hinschreite. Er beschädigt sie dabei natürlich, namentlich
die erhaben gearbeiteten Teile. Man hat sie wohl durch Matten zu schützen
versucht. Aber in diesen sammelt sich Sand, sie scheuern, durch die Schritte
hin und her gezogen, erst recht schädigend auf der Bronze. Man hat
sich nun zu entscheiden, ob man den ursprünglichen Willen der Begrabenen,
auch nach Jahrhunderten, ehren oder ob man diese selbst vor Vergessenheit
schützen will, die doch durch die Zerstörung der Platten bewirkt
wird. Und weiter wird der Kunstwert der Platten in Frage kommen, so daß
man sich wohl in den meisten Fällen dazu veranlaßt sehen wird,
sie vom Boden aufzuheben, die Stätte, an der sie lagen, in anderer
Weise als das Grab des Verstorbenen zu kennzeichnen, etwa durch eine vertiefte
Inschrift in Stein, und die Platte an einer ihre Besichtigung erleichternden
Stelle, etwa an der Umfassungsmauer der Kirche aufzustellen.
Unter den kirchlichen Arbeiten
in Messing sind vor allem gewisse alte Taufschüsseln zu erwähnen,
die in der Mitte meist eine figürliche Darstellung, etwa die Taufe
Christi oder Josua und Kaleb mit der Traube des Gelobten Landes darstellen,
am Rand aber Zierranken oder vielleicht Inschriften. Sie wurden gestanzt,
d. h. durch ein Schraubenwerk eingetrieben. Es wiederholt sich daher oft
dieselbe Schmuckform. Häufig erscheint eine Anzahl Buchstaben im Rande,
die aber nicht jenen der bekannten Schriftarten entsprechen, sondern frei
erfunden sind durch europäische, namentlich Nürnberger Kunsthandwerker,
vielleicht in Nachahmung jener Schriften, die man auf orientalischen Vorbildern
fand. Solche Stücke sind sorgfältig zu bewahren, gelegentlich
mit unscharfen Mitteln zu reinigen, nicht aber etwa mit Sand zu scheuern.
Die Kronleuchter sind vielfach
aus Messing gegossen. Selten wird sich in den Kirchen ein Werk dieser Art
finden, das ins Mittelalter zurückgeht, es sei denn allgemein als
Sehenswürdigkeit bekannt: Jene großen kreisförmigen an
Ketten herabhängenden Reifen, die das himmlische Jerusalem darstellen,
dessen turmartigen Tore die Leuchter aufnehmen, wie einer im Münster
zu Aachen hängt. Gelegentlich findet sich wohl auch ein Leuchter,
der aus einem Mittelstabe besteht, mit Figuren geschmückt ist und
nach verschiedenen Seiten Arme vorstreckt. Diese nehmen dann die Kerzen
auf. Ähnlich sind die Kugelleuchter, deren Mittelstab nach unten mit
einer Kugel endet, Anordnungen, die freilich im 19. Jahrhundert vielfach
nachgeahmt und für Gas- und elektrische Beleuchtung eingerichtet wurden.
Aus Bronze, seit dem späteren
Mittelalter aus Messing, sind oft die Standleuchter, die zu zweien auf
den Altar gestellt werden. Sie sind oben mit einem Dorn versehen, auf den
eine Wachskerze aufgesteckt wird. Diese dient nicht der Beleuchtung der
Kirche, sondern hat die Opferflamme symbolisch anzudeuten. Wohl entsteht
der Wunsch, diese Leuchter durch solche aus edlem Metall zu ersetzen. Aber
nicht dieses gibt ihnen den kirchlichen Wert, sondern die künstlerische
Form und das Alter. In die Sprache des Altertumshändlers übersetzt:
Dieser zahlt für einen romanischen Standleuchter in Bronze mit seinem
kunstvoll ausgebildeten Fuß, seinem Schmuck in Schmelz das Zehnfache,
ja Hundertfache wie für einen modernen Silberleuchter — eine Mahnung
an die Kirche, das Zehn- und Hundertfache an Sorgfalt für die Erhaltung
des in ihrem Besitz befindlichen ehrwürdigen Gerätes zu verwenden.
Aus Messing sind vielfach
die Opferschalen, die an den Türen stehen, um die Gaben der Mildtätigen
aufzunehmen, und so manches andere, was der Aufmerksamkeit des Kirchpflegers
zu empfehlen ist, sobald es die Hand eines geschickten Handwerkers verkündet.
Aber Kupfer und Messing
werden nicht allein verwendet: Hinzu kommen allerhand neue Metallmischungen
mit Kupfer. So das Alfenid, Brittania-Metall, Alpaka, Chinasilber, Argentin,
Neusilber, Neugold und wie sie sonst heißen mögen. Es wäre
nun ein Irrtum, wollte man die Waren des neuzeitlichen Kunsthandels um
des Stoffes willen mehr oder weniger achten, als die aus früher benutzten
Metallmischungen hergestellten. Wenn nur den neuen nicht so oft ein künstlerischer
Makel anhinge, nämlich daß sie sich als etwas Feineres, Vornehmeres
geben wollen als sie sind. Durch die Absicht zu täuschen, werden sie
Ersatz, "Surrogat" und verlieren die Anwartschaft, in einer Kirche beim
Gottesdienste mitzuwirken, ebenso wie Abgüsse nach feiner Handarbeit
und alles, was heuchlerisch wertvoller zu sein vorgibt, als es wirklich
ist. Nicht falscher Prunk ziert die Kirche, so wenig wie unechter Schmuck
die ehrbare Frau.
Eisen.
Eisen rostet, es oxydiert, oder wie der Chemiker sagt, es verwandelt
sich in Eisenoxydhydrat, wenn es mit Feuchtigkeit in Verbindung kommt.
Jeder kennt die rotbraunen Flecken, die nach und nach einen rotbraunen
Überzug über das ganze Eisen bilden, der in die Tiefe dringt
und endlich das Stück zerstört. Nun wird Eisen in der Kirche
vielfach verwendet. Selten wird es ganz frei gelassen. Es wird mit Eisenlack
oder Ölfarbe gestrichen, verzinnt, ja oft teilweise vergoldet. Das
alles sind Schutzmittel, aber keine untrüglichen. In feuchten Räumen
schreitet der Rost trotzdem fort. Zeigen sich Rostspuren, so hilft wohl
einige Zeit ein Betupfen mit Öl, ein Ablaugen mit Petroleum. Aber
bald wird es sich auch hier nötig machen, den Fachmann, in einfachen
Fällen einen tüchtigen Schlossermeister, herbeizurufen.
In den Kirchen finden sich
oft sehr kunstvolle Eisenarbeiten, die vielfach nicht sachgemäß
behandelt sind. Da sind die fein durchgearbeiteten Kastenschlösser
mit ihrem oft sehr kunstvollen Innenbau, ihren reich verzierten Schlüsseln,
mit zierlich ausgebildeten Griffen und Barten daran. Da sind die Gitter
vor den Abstellnischen und Sakramentshäusern, die schweren Beschläge
an den Türen, die starken, diese zusammenhaltenden Bänder. Als
Abschluß der Chöre, der Kapellen finden sich oft prächtig
geschmiedete Gitterwerke, Arbeiten von ebenso feiner Handwerkskunst wie
von edelstem Künstlerentwurf. Einst waren sie oft reich und bunt bemalt,
teilweise vergoldet. Feine durchbrochene und getriebene Eisenbleche decken
hier und dort die Flächen, die mit rotem Leder unterlegt wurden, so
daß dieses durch die durchbrochenen Stellen hervorschaut. Nur zu
oft hat aber eine spätere Zeit all dies überstrichen und, wie
beim Holz ein nüchternes Braun, so hier als "Eisenfarbe" ein noch
unerfreulicheres bläuliches Grau, vielfach auch Schwarz gewählt.
Zumeist bestreicht man Eisen
zunächst mit Mennige, einer Bleioxydfarbe, die einen trefflichen Schutz
bildet. Sie ist von kräftigem, leuchtendem Rot. Mancher sah wohl,
daß z. B. neu aufgerichtete gußeiserne Laternenpfähle
mit diesem Rot abgefärbt werden und freute sich deren stattlicher
Wirkung, namentlich im Grün einer Gartenanlage. Mit Arger sieht er
dann, daß dies blos als Untergrund für die langweilige Eisenfarbe
dienen soll.
Wenn sich also die Gelegenheit
bietet, soll man dafür sorgen, daß die häßlichen
Anstriche vom Eisen entfernt werden, die seine feine Schmiedearbeit verdecken.
Dafür aber soll entweder ein Verzinken oder eine mit gutem Empfinden
für das Schickliche durchgeführte farbige Behandlung eintreten.
Ebenso bei dem Eisen, das
sich außerhalb der Kirche befindet, namentlich an den so reizvollen
schmiedeeisernen Grabkreuzen, den Umfassungsgittern, den Wetterfahnen usw.
Einen vornehmen Schmuck
erhält das Eisen durch Ätzen, indem ein Muster mit einer Wachslösung
aufgezeichnet und das Ganze dann mit einer Säure behandelt wird, die
sich in die nicht bemalten Teile einfrißt, den sogenannten Ätzgrund
bildend, während die bemalten Teile gereinigt und dann poliert werden:
Rüstungen, Waffen, aber auch Schlüsselschilde, kleine Truhen
u. dgl. werden auf diese Weise geschmückt. Hat sie der Rost angefressen,
so bedarf es hier besonders kunstreicher Arbeit, um die Schäden zu
beseitigen.
Das Schneiden in Eisen,
d. h. das Behandeln dieses nach Art des Steines durch Herausmeißeln
einiger Teile ist eine schwierige Arbeit. An den Schlüsselgriffen
findet man sie gelegentlich.
Zinn.
Das Zinn ist lange unterschätzt
worden. Einst war es das im Haushalt meistverwendete Metall: Schüsseln,
Kannen, Krüge, Teller zierten die Tische, bis das leichtere Porzellan
sie verdrängte. Heute wird Zinn im Hause wohl als Schmuck auf Wandborden
benutzt und höchstens für die Deckel auf Biergläsern und
Bierkrügen verwendet. In den Kirchen ist es fast ganz verdrängt,
und wo es sich doch noch findet, steht es meist wenig geachtet in den Schränken.
Und doch gibt es Edelzinn,
Weinkannen, Hostienteller, Waschschüsseln mit oft kugelförmigen,
geflügelten Wassergefäßen, die mittels eines Hahnes geöffnet
werden und in den Sakristeien Verwendung finden, Teller usw. Es sind das
Arbeiten, die entweder mit leicht erhabenem Schmuckwerk pflanzlicher oder
figürlicher Art oder mit reichen Arabesken in Ätzung verziert
sind. Namentlich das 16. Jahrhundert fertigte solche Arbeiten von hohem
Wert. Eine Kanne oder eine Taufschüssel des Mömpelgarder Meisters
Francois Briot, des Basler Kaspar Enderlein, beide aus dem 16. Jahrhundert,
gelten heute als Museumsstücke von hohem Rang und entsprechendem Sammlerpreis.
Auch solche mit Darstellungen von Figurenreihen geistlicher und weltlicher
Art, z. B. der Apostel oder der Kurfürsten, sind sehr geschätzt.
Aber auch die einfachen, nur mit Gravierungen versehenen offenen oder mit
Klappdeckel versehenen Krüge, die bescheidenen Abendmahlkelche und
stattlichen Weinkannen oder viereckigen, mit Schraubendeckel versehenen
Reiseflaschen steigen im Wert, je seltener sie in den Kirchen wie in den
Haushaltungen werden. Wenn auch die Invintarisatoren der Kunstdenkmäler
an diesen schlichteren Erzeugnissen des Gewerbes meist teilnahmslos vorbeigehen,
sollte die Kirche sie doch bewahren. Brauchen sie doch wenig Pflege. Man
mag sie gelegentlich leicht abputzen; nötig ist dies aber nicht, da
sie sich wenig verändern und gerade der milde Glanz an ihnen am besten
wirkt. Etwas Schlemmkreide und Seegras wird gute Dienste bei der Reinigung
tun. Verziertes Zinn putzt man besser gar nicht, um die erhabenen Teile
nicht abzustumpfen.
Einen leider bisher unerbittlichen
Gegner hat das Zinn, den man Zinnpest nennt. Es entstehen warzenartige
Gebilde auf der Oberfläche, die bei einer Berührung in Staub
zusammenfallen. Nach und nach wird so das ganze Stück zugrunde gehen,
ohne daß man bisher ein Mittel zu seiner Erhaltung gefunden hat.
Empfohlen wird nur, ein erkranktes Stück von gesunden abzutrennen.
An der Unterseite irgend
eines Teiles der Zinnarbeiten findet man eingeschlagene Marken, zumeist
deren drei. Sie erklären dem Kenner, in welcher Stadt und manchmal
auch von welchem Meister das Stück gefertigt sei. Man sorge dafür,
daß bei Ausbesserungen diese Marken erhalten bleiben.
Gold und Silber.
Die große Mehrzahl
der in Edelmetall hergestellten kirchlichen Gegenstände, die verschiedenen
Arten von Kelchen, die Hostienteller (Patenen), Monstranzen, Gefäße
usw. sind in Silber getrieben und ganz oder teilweise vergoldet. Das Treiben
erfolgt in der Weise, daß ein Silberblech durch Hammerschläge
nach einer bestimmten Richtung ausgedehnt wird, so daß vertiefte
Formen entstehen. So entsteht in langsamer Arbeit etwa die Kuppa, das eigentliche
Gefäß eines Kelches. Ist somit die rohe Grundform hergestellt,
so erfolgt die Ausschmückung durch Hämmern von außen nach
innen zu, oder durch besondere Werkzeuge (Punzen) von innen nach außen,
indem man den Wandungen eine Unterlage von Treibpech gibt, einer hartzähen
etwas elastischen Masse. Es empfiehlt sich, einmal ein Stück gute
Arbeit daraufhin genau von außen und innen anzusehen, um sich zu
vergegenwärtigen, welche Teile durch Hämmern aus einem Bleche
entstanden und welche durch Schrauben oder Anlöten nach der Fertigstellung
zusammengefügt sind. Man wird daraus ebensosehr die Größe
der Arbeit wie die Dehnbarkeit des Silbers erkennen, die von der des Goldes
noch wesentlich übertroffen wird, während Silber dieses an Härte
überragt.
Silber und Gold rosten nicht.
Silber läuft zwar unter dem Einfluß in der Luft befindlicher
chemischer Stoffe an. indem es einen bräunlichen Niederschlag erhält.
Aber dieser dringt nicht in die Tiefe und kann von einem geschickten Goldschmiede
wieder entfernt werden, ohne daß das Stück Schaden erleidet.
Man härtet das Silber durch Zuführung meist von Kupfer, das erst
bei einem bedeutenden Zusatz auf die hellweißliche Farbe einwirkt,
dagegen die Politurfähigkeit erhöht. Mit anderen Metallen gemischt,
ändert es seine Farben, ebenso wie das Gold auf diese Weise von Rot
zu hellerem Gelb gewandelt werden kann, Umstände, die der Goldschmiedekunst
mancherlei Anregungen boten.
Früh sorgte man dafür,
daß der Käufer von Erzeugnissen aus Edelmetall über den
Silber- und Goldgehalt derselben sich unterrichten konnte. Es wurden Bestimmungen
getroffen, durch die der Gehalt, namentlich der Silberwaren, festgelegt
wurde. Der Erzeuger hatte sein Werk einem Schauamt vorzulegen, das es darauf
untersuchte, ob es den gesetzlichen Bestimmungen entsprach. Man findet
auf dem Boden alter Silbergefäße meist eine eigentümliche
Zickzacklinie, die dadurch entstand, daß ein "Span" aus dem Gefäß
zur Prüfung entnommen wurde. War die Arbeit als vollwertig befunden,
so schlugen das Schauamt und der Goldschmied ihre Marken ein. Diese belehren
den Kenner, aus welcher Stadt und von welchem Meister die Arbeit stammt.
Denn die Fachwissenschaft sammelte und erklärte diese Marken. Der
Wert eines Gegenstandes, im Sinne des Sammlers gesprochen, steigert sich
dadurch, daß er einem berühmten Meister entstammt. Daher soll
man die Marken schonen, nicht aber, wie es häufig geschieht, bei Ausbesserungen
beseitigen. Man findet sie zumeist an der Unterseite des Randes oder sonst
an versteckten Stellen. In Augsburg wurde seit 1445 gemarkt, seit 1529
mit der "Stadtbirne", dem Pinienapfel des Städtwappens; in Nürnberg
begann das Marken schon um 1370, seit dem 16. Jahrhundert wird ein N als
Marke benutzt. In Wien erscheint das Bindenschild mit einem W seit 1528.
Vielfach werden noch Jahreszeichen hinzugefügt, etwa Buchstaben, die
dem Kenner gestatten, die Entstehungszeit genau festzulegen.
Zur Pflege der Edelmetalle
ist nicht großer Eifer zu empfehlen, sondern mehr ruhiges Gewährenlassen.
Es soll nicht die Ansicht regsamer Hausfrauen hier maßgebend sein,
die alles "blitzblank" haben möchten. Man bleibe dem Silber mit allen
scharfen Putzmitteln fern: Es wirkt vornehmer in seinem milden Glänze,
das häufige Putzen verdirbt die feinen Teile getriebener Arbeit, rundet
diese ab, stört die beabsichtigte Wirkung. Die dünne Schicht
der Vergoldung ist leicht fortgeputzt. Also staube man lieber das Silber
ab, wische höchstens mit einer weichen, also alten Leinwand oder einem
Lederlappen, der weich sein muß, um Kratzen auf der Oberfläche
des Silbers zu vermeiden. Nach dem Gebrauch, etwa eines Kelches, spüle
man ihn mit lauwarmem Wasser ab und trockne ihn sorgfältig, doch ohne
Scheuern und Drücken ab. Ist eine gründliche Reinigung nötig,
etwa bei stark beschlagenen Stücken, so verwende man gute Silberseife,
d. h. jene flüssige Seife, die mit Schlemmkreide und Englischrot versetzt
und im Handel überall zu haben ist. Eine sehr milde Zahnbürste
wird dabei gute Dienste leisten.
Es gibt sehr viel Arten
des Schmuckes für den Goldschmied. Eine der wichtigsten ist der Schmelz,
Emaille. Es wird eine bleihaltige, daher leicht flüssige und durch
lösliche Metalloxyde gefärbte Glasmasse (Smalte) auf das Metall
durch Malen aufgetragen. Schmelzen die Oxyde im Brande vollständig,
so erscheint die Masse durchsichtig, transluzid; bleiben Teile ungeschmolzen,
so wirken sie undurchsichtig, mehr einem Steine ähnlich, opak. Oder
es werden in der zu schmückenden Fläche durch feine Metalldrähte
Abteilungen gebildet — Zellen — und in diese das gefärbte, zerstoßene
und mit Wasser angemachte Glas mit einer Spachtel aufgebracht und dann
das Ganze gebrannt. Es entsteht der Zellenschmelz. Die trennenden Stäbe
heißen cloison, Scheidewand, daher der Schmelz émail cloisonne
im Gegensatz zu der Arbeitsweise, daß Gruben in das Metall eingetieft
und diese gefüllt werden, Grubenschmelz, émail champlevé.
Wenn Teile des Schmelzes ausgebrochen sind, so können sie von geschickter
Hand wieder hergestellt werden, freilich ist Vorsicht in der Auswahl dieser
Hand nötig, denn nicht jeder Goldschmied hat die Vorkehrungen, Schmelz
herzustellen und daher auch nicht die nötige Übung.
Eine viel verwendete Schmuckform
ist weiter das Filigran, die Arbeit aus feinem runden oder glatten Gold-
oder Silberdraht. Bei der großen Dehnbarkeit der Edelmetalle kann
der Drahtzieher Fäden von großer Feinheit herstellen, die dann
dazu benutzt werden, um zierliches Flechtwerk nach bestimmten Mustern herzustellen.
Beliebt ist, den Draht an einzelnen Stellen zu knöteln und die kleinen
Anhäufungen dann zu schmelzen, so daß aus ihnen Kügelchen
entstehen. Aus solchem Draht werden dann auch oft die Zellen hergestellt,
nachdem er auf einer Metallplatte befestigt wurde.
Schmelz wird nicht nur auf
Edelmetall, sondern auch vielfach auf Kupfer aufgebracht; namentlich geschah
das im Mittelalter. Es gibt Stücke dieser Art von höchstem Alter
und mithin besonderem Wert, so daß an solchen eine Beschädigung
lieber hingenommen wird als eine moderne Ergänzung. So findet sich
z. B. vielfach Schmelz auf den Roteln, das ist auf den vorstehenden Verzierungen
des Stielknaufes der Kelche,der dadurch sich als Grubenschmelz kennzeichnet,
weil ein Rand und ein Buchstabe erhaben stehen blieb, dazwischen aber der
Grund vertieft und mit Smalten gefüllt wurde. Aber das ist eine der
einfachsten Formen der Verwendung, die bis zu der reichsten farbigen Behandlung
weitergeführt wird.
Vielfach bauen sich Edelmetallarbeiten
auch aus mehreren, etwa durch einen Eisenstift und eine Schraubenmutter
zusammengefaßten Teilen auf. Da erscheint der vornehme Bergkristall,
ein farblos durchsichtiger, dem reinen Eis in der Wirkung verwandter Quarz,
der an Glanz das beste Glas übertrifft. Da sind allerhand Halbedelsteine,
da sind solche Mineralien, die nur halb, oft gar nicht durchsichtig, durch
feine Färbung oder vornehme Zeichnung sich auszeichnen wie Karneol,
Achat, Onyx, Lasurstein, Türkis und viele andere mehr; dann der Bernstein,
ein im Meer zu findendes fossiles Harz. Alle jene Steinarten, die in verschiedenen
Schichten lagern, werden zu Cameen verwendet, d. h. es wird eine Figur
aus der oberen Schicht gebildet, die dann auf der unteren, meist dunkleren
Schicht aufruht; oder es werden Gemmen hergestellt, vertiefte Einzeichnungen
in die geglättete Oberfläche, ähnlich unseren Petschaften.
All das sind uralte Techniken, die auf die Frühzeit alles künstlerischen
Schaffens zurückweisen. Unmöglich hier, all diese Arbeitsweisen
zu besprechen, deren jede in ihrer Art den Gegenstand im Werte steigert.
Die Opferfreudigkeit reicher
Stifter verzierte manche Gefäße mit echten Edelsteinen. Diese
als solche zu erkennen ist Sache eines Kundigen. Denn sie werden mit großem
Geschick nachgeahmt. Der König der Edelsteine, der Diamant, der aus
reinem Kohlenstoff besteht, zählt durch seinen Glanz, sein Schillern
in den Regenbogenfarben (das Feuer), seine Härte, zu den höchst
geschätzten Dingen im Handel. Aber neben ihm stehen mehr oder minder
wertvolle Halbedelsteine, die ihm durch verschiedene Mittel ähnlich
gestaltet werden, bis zu den Nachahmungen in Glas, den Simili-Diamanten,
dem pierre de Strass, so nach dem Wiener Erfinder Strasser genannt, einem
Zeitgenossen der Kaiserin Maria Theresia. Es erwächst also für
den Pfleger so wertvollen Gutes die Pflicht besonderer Vorsicht, daß
nicht durch betrügerische Hände die Edelsteine ausgebrochen und
durch geringwertige Nachahmungen ersetzt werden, die zu erkennen er nicht
in der Lage ist.
Reicher Besitz lockt Verbrecher
an. Man hat auch in Kirchen mit Einbruch zu rechnen. Alles, was sich leicht
forttragen läßt, ist diesem besonders ausgesetzt. Während
ein durch Kunst und Alter ausgezeichnetes Kunstwerk schwer an Hehler zu
ungefähr angemessenem Preis zu verkaufen und von diesen weiter zu
verhandeln ist, weil solche Stücke bekannt sind und die ehrlichen
Altertumshändler bald von ihrem Verschwinden benachrichtigt werden
können, bietet ein Stück von hohem Materialwert besonderen Anreiz.
Die Steine werden ausgebrochen, das Edelmetall eingeschmolzen, das Stück
verschwindet damit für die Nachforschung.
Elfenbein und Verwandtes.
Elfenbein nennt man die
Masse, aus der der Stoßzahn der Elefanten gebildet ist. Dieser ist
bei dem jungen Elefanten hohl, füllt sich aber bei älteren nach
der Spitze zu immer mehr aus. Die Zähne des erwachsenen Tieres sind
bis 1,6 m lang und wiegen bis zu 90 Kilo. Schon im frühen Mittelalter
wurde in Europa Elfenbein verarbeitet. Und wenn man gleich weiß,
daß starke Handelsbeziehungen zum Orient bestanden, so ist doch klar,
daß unter den damaligen Verkehrsverhältnissen das Elfenbein
eine seltene und teure Ware sein mußte. Daher suchte man Ersatz,
indem man die Zähne des Nilpferdes und vom Norden her die des Walrosses
herbeischaffte, daß man tierische Knochen (Bein) benutzte, so vom
Rind, Hirsch, Pferd, daß man Geweihe vom Hirsch, Rind u. a. an der
Sonne auslaugte oder mit chemischen Mitteln bleichte, um sich Ersatz zu
schaffen. Es gehört Sachkenntnis dazu, Elfenbein von den Nachahmungen
zu unterscheiden, so auch von den aus Gips und ähnlichen Mitteln hergestellten
Elfenbeinmassen, unter denen z. B. die in Schwefelsäure erhärtete
Kartoffel eine Rolle spielt, sowie gewisse amerikanische Nüsse.
Elfenbein ist eine feine
elastische Masse, die am äußeren Rande braun, sonst von glänzendem
gelblichem Weiß ist. Es läßt sich meißeln, sägen,
schneiden, drechseln. Feine sogenannte passigte Drechslerarbeiten findet
man häufig, die dadurch entstehen, daß das zu drehende Stück
nicht um eine feststehende, sondern um eine sich hin- und herbewegende
Achse dreht, so daß ein welliger statt des kreisrunden Querschnittes
entsteht. Das Elfenbein bietet somit dem Künstler einen guten Stoff
für sein Werk, abgesehen davon, daß etwa der Umfang der Masse
gegeben, der Künstler also gezwungen ist, sich mit seiner Gestaltung
innerhalb dieses Umfanges zu halten, will er sein Werk nicht aus Teilen
zusammensetzen. So ist stets ein Elfenbein-Kruzifix in der Weise hergestellt,
daß der Körper Christi aus der Spitze eines Zahnes so groß
als möglich gebildet ward. Beschränkt wird seine Länge durch
den hohlen Teil des Zahnes und den nach der Spitze zu laufenden Zahnnerv.
Die Arme des Kruzifixes müssen gesondert hergestellt und an den Rumpf
mit Schrauben angesetzt werden, weshalb sie sich oft mit der Zeit lockern.
Man findet aber wohl auch
Gefäße, namentlich Krüge aus Elfenbein, die durch Abtrennen
eines Stückes des Zahns im Querschnitt hergestellt wurden, mit Benutzung
des hohlen Teiles als Innenraum, während Boden und Deckel angearbeitet
sind.
Elfenbein wurde früher
bemalt. Doch finden sich jetzt selten noch Farbspuren an alten Gegenständen.
Bei starker Besonnung und starkem Wechsel in der Wärme reißt
es leicht in kleinen, bald schwarz erscheinenden Rissen. An der Luft vergilbt
es, wie es denn auch von vornherein gelbliches gibt. Doch wird es an der
Sonne oder durch chemische Mittel gebleicht. Solche Arbeiten bedürfen
jedoch einer sachverständigen Hand, um die wertvollen alten Erzeugnisse
nicht zu beschädigen. An Bischofsstäben, Bucheinbänden,
jenen zu zweien zusammenklappbaren Plättchen, die unter dem Namen
Diptychon bekannt sind, an Hostienbüchsen, Tragaltären und vielen
weltlichen Dingen findet man Elfenbein im Mittelalter verwendet, während
die folgenden Jahrhunderte es namentlich zur Herstellung kleinerer Figuren,
zu Kruzifixen und zur Ausstattung von Holzarbeiten benutzte.
Ein ähnlicher Stoff
ist das Schildkrot, so genannt nach der Schildkröte oder Schildpadde,
deren Rückendecke zu künstlerischen Arbeiten verwendet wird.
Nachahmungen aus Horn sind nicht selten, wie solche ja auch noch heute
zu allerhand Geräten, namentlich Kämmen hergestellt werden. Andere
Stoffe sind: Fischbein, die sensenförmigen, hornartigen Platten (Barten)
der Walfische und Finnwale; Kokus, die Schale der seit der Entdeckung Amerikas
vielfach eingeführten und seiner Zeit um ihrer Größe, aber
auch um der Härte und Bildbarkeit ihrer Schale willen geschätzten
Nuß; Straußeneier, Korallen, jene baumartig sich entwickelnden
Seetiere, die durch Ausscheiden jene leuchtend dunkelrote bis weiße
Masse bilden, die als Schmuck in der verschiedensten Weise verwendet wird,
Perlmutter, die silbern glänzende irisierende Schale der Perlmuschel,
und andere Muschelarten, wie der Nautilus, dessen Gehäuse aus drei
Schichten besteht, von denen die äußeren entfernt und die Perlmutterschicht
in Verbindung mit Goldschmiedearbeiten zu freilich meist profanen künstlerischen
Arbeiten verwendet wird. Jeder dieser Stoffe hat seine besonderen Anforderungen
an die Pflege, von denen keiner sachunkundigen Händen überlassen
werden sollte. Auch die Reinigung, wenn eine solche sich nötig macht,
ist so sorgfältig wie möglich, keinesfalls aber mit scharfen,
die Stoffe angreifenden Mitteln auszuführen.
Glas.
"Glück und Glas, wie
leicht bricht das!" Vorsicht also mit allen Gläsern, namentlich auch
beim Reinigen. Man wasche sie mit warmem, bemalte mit lauwarmem Wasser
ohne Hinzunahme von Soda auf, wische sie vorsichtig ab und bewahre sie
umgestülpt.
Gläser sind in Kirchen
weniger in Gebrauch. Doch gibt es in katholischen Kirchen sogenannte Ampullen,
Ampeln, Glasgefäße, die in Hängeleuchtern sich befinden
und mit Öl und einem Dochte versehen als Opferflamme nahe dem Altar
hängen. Auch wird das Öl in besonderen Gefäßen, für
die eigene Behälter in Holz bestimmt sind, in den Sakristeien aufbewahrt.
Manche dieser Gläser sind mit Emailmalerei versehen, andere gefärbt,
etwa durch Einmengen von Gold in die flüssige Glasmasse, wodurch sie
rot werden, oder von Silber, das sie gelb, von Kupfer, das sie grün
erscheinen läßt, gleich dem für Glasgemälde an den
Fenstern bestimmten Glas. Durch Schleifen, Ätzen und manche andere
Behandlung werden verschiedene Wirkungen erzeugt.
Außer dem Bruch ist
dem Glas eine Zersetzung des Gebildes gefährlich, bei der sich Teile
in weißer mehlartiger Form absondern. Die von dieser "Schwindsucht"
befallenen Gläser sind meist verloren. Da aber die Krankheit für
ansteckend gilt, sondere man das von ihr befallene Glas von anderen.
Von großer Wichtigkeit
ist dagegen die Pflege der Fensterglasmalerei. Die mittelalterlichen Arbeiten
dieser Art sind in der Weise hergestellt, daß aus etwa handgroßen
in der Masse gefärbten Glasstücken ein Mosaik nach einer vorher
entworfenen Zeichnung zusammengesetzt und die einzelnen Stücke durch
Bleiruten zusammengefaßt sind. Die Ruten haben im Durchschnitt die
Form eines lateinischen H, so daß die jederseitigen beiden Flantschen
die Gläser aufnehmen. Auf die Glasstücke wird dann mit Schwarzlot
gemalt, einer schwarzbraunen verglasbaren Farbe aus Kupferoxyd und grünem
und blauem Glas, das in die Scheibe eingebrannt wird. So wird z. B. ein
Gesicht aus einem Glasstück hergestellt, Augen, Nase und Mund dagegen
eingemalt. Die Ruten geben den Gestalten die feste Umrißlinie, die
statuarische Haltung; das einheitliche Gebilde des Glases verleiht diesem
die tiefe Leuchtkraft, die die alten Glasmalereien auszeichnet. Man erkennt
später eingefügte Teile leicht daran, daß sie im Sonnenschein
als helle Flecken erscheinen, und an der Spiegelung am Boden, wo die beschienenen
alten Flächen durch das Brechen der Strahlen als ein teppichartig
buntes Gebilde erscheinen, während sich die neuen Scheiben als lebhaft
gefärbte Kreise unruhig kennzeichnen.
Später wurde das sogenannte
Überfangglas angewendet. Die einzelnen Glasteile wurden größer,
und man färbte sie durch Auftragen verglasbarer Farben auf die farblose
Tafel ab, indem man diese Farben einschmolz, an gewissen Stellen herausschliff
und teilweise wieder mit Schmelzfarbe überging, so daß man mit
Hinzunahme des Schwarzlotes mehr die Wirkungen eines Ölgemäldes
erreichte. Oder man schuf Grisaillen, Malereien Grau in Grau, mit herausgeschliffenen
weißen Stellen. Die technischen Fortschritte der Glasmalerei, die
freilich nicht immer auch künstlerische waren, führten immer
weiter in der bildartigen Ausgestaltung. Die teppichartigen Hintergründe
hinter den Gestalten oder Gruppen, die Aufteilung der Fenster in Einzelbilder
und architektonische und ornamentale Gebilde wurde verlassen, und die ganze
Fläche wurde für einheitliche Gemälde ausgenutzt, was namentlich
in der letzten Zeit des Mittelalters und in der Renaissance zu hervorragenden
Arbeiten im Großen führte. Gleichzeitig entstand die Sitte,
einzelne Scheiben als Stiftungen in die Fenster einzusetzen, etwa mit dem
Wappen des Stifters in figürlicher, architektonischer oder ornamentaler
Umgebung. Im 18. Jahrhundert zeigen sich noch einige Reste der Kunst, indem
weiße Scheiben mit Emailfarben bemalt wurden.
Unter dem Einfluß
der Romantik des 19. Jahrhunderts wurde die Glasmalerei wieder aufgenommen
und namentlich in München mit großem Eifer betrieben. Die größten
Maler jener Zeit waren für ihre Zwecke tätig und lieferten die
Entwürfe, ohne die Wirkung der alten Malereien auch nur einigermaßen
zu erreichen, namentlich was die Leuchtkraft und den Stimmungswert der
alten Fenster betrifft. Später warfen sich viele geschäftseifrige
Firmen auf die "Branche" und lieferten den Kirchen überraschend billige,
aber entsprechend schlechte Ware. Solche Fenster wirken nicht wie ein teppichartiger
Abschluß der Wand, sondern wie Löcher in dieser. Sie ziehen
durch ihre blendende Helligkeit die Augen auf sich, während die alten
den Raum beschließen und seine Innerlichkeit damit stärken.
Die neuen wirken aufdringlich, die so viel wertvolleren alten aber beruhigend.
Vielfach findet man in alten
Kirchenfenstern noch Butzenscheiben, freilich meist in Sakristeien und
Nebenräumen. Es sind dies Scheiben, die beim Blasen des Glases dadurch
entstehen, daß die starkwandige Blase auf einen glatten Stein gesetzt
und dann vom Blasrohr abgestoßen wird. Es entsteht eine runde Scheibe
mit erhöhtem Mittel (Butz) und Rand, die dann in Ruten gefaßt
und mit gleichartigen Scheiben zur Ausfüllung des Fensters in eine
Fläche vereinigt wird. Das Glas ist meist grünlich und ungefärbt.
Solche Scheiben wurden auch im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und
werden jetzt noch vielfach gefertigt.
Kirchenfenster werden auch
aus Kathedralglas hergestellt, d. h. aus besonders starkem Glas von rauher,
oft gerippter Oberfläche, das das Licht nicht so stark durchläßt
wie das Kristallglas etwa der Spiegel- und Ladenscheiben, so daß
der grelle Sonnenschein gebrochen in die Kirche eindringt. Man wählt
dabei wieder nicht große Scheiben, sondern mustert die Fläche
durch Bleiruten und Einfügen einzelner farbiger Teile.
Moderner Erfindungsgeist
hat noch manche andere Arten der Glasmalerei eingeführt, so Scheiben,
in denen die Grundfarben in Schichten übereinander angebracht sind:
Durch Ausschleifen kann jede der Farben rein oder in der gewünschten
Mischung hervorgebracht werden, wenn zwei Farben sich decken, wobei durch
stärkeres oder geringeres Ausschleifen jeder gewünschte Ton geschaffen
werden kann. Es entsteht also ein farbiges Gemälde in Glas — selten
mit dem gewünschten Erfolg.
Während es die Absicht
der Glaserzeugung zumeist ist, das Glas so durchsichtig als möglich
zu machen, die ihm eigentümliche grünliche Färbung durch
chemische Mittel (durch sog. Seifen) und die im Glase leicht sich einfindenden
Bläschen und Unklarheiten zu entfernen, ist man auf der anderen Seite
bemüht, es zu trüben, namentlich bei der Anwendung in Kirchen.
Da wird ein irisierendes streifiges und fleckiges, mit milchigen Farben
gemischtes Glas unter dem Namen Opalglas hergestellt, aus dem der Glasmaler
Figuren usw. herstellt, indem er die Zufälligkeiten der Färbung
benutzt und aus den Scheiben herausschneidet, um sie zu Gemälden zu
vereinen. Man kann sich bei solchen Bestrebungen auf das Mittelalter berufen.
Denn auf Einfachheit und Vermeidung von Prunk sehende Ordensgemeinschaften,
wie die der Zisterzienser, forderten, daß die Fenster ihrer Kirchen
des bunten Glases entbehren sollten. Wo auch sonst solche fehlen, ist dies
nicht Mangel an Wohlstand oder an künstlerischen Kräften, sondern
wahrscheinlich oft genug absichtlicher Verzicht. Dieses hätte sich
sicher noch stärker geltend gemacht, wenn die Glasmalereien jene Buntheit
aufzuweisen gehabt hätten, jene großen helleuchtend farbigen
Flächen, wie dies moderne billige Arbeiten tun.
Dagegen haben einzelne Glasmaler
der jüngsten Zeit sehr ernst die künstlerische Aufgabe aufgegriffen,
mit Benutzung alter Techniken nicht altertümliche, sondern unserer
Zeit angemessene, aber von aller Nachahmerei und süßlicher Romantik
freie Werke zu schaffen. Wo es sich darum handelt, alte Glasfenster auszubessern
oder neue in Anlehnung an diese herzustellen, etwa früher vorhandene
zerstörte zu ergänzen, da kommt es darauf an, den rechten Mann
zu finden, der kirchlichen Sinn mit künstlerischem Ernst, vollkommene
Beherrschung der Technik mit starkem Können verbindet. Es sind dies
zumeist nicht die Firmen, die sich aufdringlich den Kirchenvorständen
empfehlen, sondern in der Stille arbeitende Meister, auf die der Denkmalpfleger
hinzuweisen in der Lage ist.
Zum Schutz alter Glasmalereien,
namentlich solcher, die den Steinwürfen böser Buben oder sehr
schwerem Hagelschlag ausgesetzt sind, hat man das Anbringen von kleinmaschigen
Drahtgittern empfohlen. Das Anstoßen von Vögeln ist nur bei
durchsichtigem Glas, das von ihnen nicht bemerkt wird, zu befürchten.
Die mittelalterlichen Scheiben sind an Windeisen befestigt, d.h. an wagerechte
Eisenstäbe, die bestimmt sind zugleich den sehr schwachen und trotzdem
sehr hohen Pfosten der gotischen Fenster einen Halt zu geben. Man überzeuge
sich, ob diese die nötige Festigkeit haben, da durch die Bewegung
im erwärmten Eisen die Lager in den Steinen oft beschädigt sind,
auch die Verbindungen der Fenster mit diesen rosten.
Weiter werden die Glasmalereien
selbst beschädigt. Zunächst durch Schmutz, Rauch und Staub, der
sich an ihnen festsetzt. Dann durch den Eisenrost, der von den Windeisen
herabgeschwemmt wird. Endlich durch Oxydieren der Farben. Von Zeit zu Zeit,
namentlich sobald sich von unten sichtbare Schäden zeigen, etwa das
Herausbrechen eines Glasstückes infolge Beschädigung der Ruten,
wende man sich an einen bewährten Glasmaler, nicht aber an den ersten
besten Glaser, und halte ihn zu den ersten Pflichten des Denkmalpflegers
an: das Alte soviel als möglich zu erhalten, selbst wenn es Schäden
aufweist, und das Neue dem Erhaltenen tunlichst unterzuordnen. Gut wird
es sein, den alten Bestand vorher durch Photographien festzustellen, um
die Erneuerung nachträglich prüfen zu können.
Leder und Papier.
Leder ist die Haut der Tiere,
d. h. jene Schicht, die zwischen der mit dem Fleische verbundenen und der
Außenschicht liegt. Es kommt darauf an, aus dieser die der Fäulnis
unterliegenden Teile zu beseitigen, was durch Trocknen, Einsalzen, Schwemmen,
Walken (Hämmern), Schaben, Schwitzen, Einäschern in Kalkbrühen,
Haaren, Beizen (Gerben), also durch eine lang andauernde Behandlung geschieht,
mit dem Erfolge, daß eine geschmeidige und sehr dauerhafte Haut entsteht,
die bei entsprechendem Schutz gegen Zerstörung Jahrhunderten Trotz
bietet. Benutzt wird das Leder von Rindern, Kälbern, Schweinen, Eseln,
Fischen, Amphibien, Ottern, Schwänen, ja es sind sogar Menschenhäute
gegerbt worden.
Das Leder von Schweinen,
Kälbern, Schafen, Ziegen, Eseln u. a. wird zu Pergament verarbeitet,
und zwar geschah dies im Altertum in hervorragender Weise in der vorderasiatischen
Stadt Pergamon, von der es den Namen erhalten hat. Es wird mit Bimsstein
und Kreide sorgfältig geglättet und bietet somit die Unterlage
für Schrift und Bemalung. Das für feine Arbeiten verwendete narbige,
nicht geglättete Ziegenleder hat nach dem Herstellungsort Cordova
und Marokko den Namen Corduan und Maroquin erhalten. Der ähnliche
Saffian wird nach der Marokkanischen Stadt Safi benannt. Juchten ist ein
russisches Erzeugnis, benannt danach, daß je zwei Leder zusammen
gefärbt werden. Chagrin nennt man ursprünglich die rauhe gegerbte
Haifischhaut, später auch die Nachbildungen, die durch Einpressen
von breiten Narben hergestellt werden, also künstlich gerauht sind.
Papier wird in Europa seit
dem 12. Jahrhundert hergestellt, zuerst in Deutschland um 1190, als eine
Errungenschaft aus den Kreuzzügen. Bis dahin war es durch die Islamiten
in den von diesen besetzten Gebieten verbreitet worden, als eine Erfindung
des fernen Ostens. Mit den Erzeugnissen der alten Ägypter, die aus
zusammengelegten, unter der Rinde der Papyrusstaude befindlichen Markteilen
gebildet und in Rollen aufbewahrt werden, hat es nichts zu tun, denn es
besteht aus einem Gemenge von Teilchen tierischer und pflanzlicher Stoffe
mit Leim, das mit Wasser angemacht und dann in dünnen Scheiben getrocknet
wird. Aus Lumpen von Wolle, Seide, Baumwolle, aus Bast, Stroh und Rohr,
neuerdings auch aus zermahlenem Holz hergestellter Brei wird mit rostartigen
Schaufeln aus der Bütte herausgeschöpft (Büttenpapier),
so daß das Wasser abläuft und eine zähe, später zu
trocknende Schicht übrig bleibt. Man erkennt dieses Papier an dem
unscharfen, schwächer werdenden Rande. Oder es wird in Maschinen hergestellt,
über geheizte Trommeln gezogen und so getrocknet (Maschinenpapier).
Die alten Papiermühlen besaßen besondere Zeichen, die dadurch
hergestellt wurden, daß in der Schöpfkelle das Zeichen mit Draht
aufgesetzt war. So wird oberhalb des Drahtes das Papier dünner, das
Zeichen hebt sich also hell ab, wenn man das Blatt gegen das Licht hält.
Am Zeichen erkennt der Fachmann den Herstellungsort des Papieres, oft auch
die Herstellungszeit, da die Zeichen sorgfältig gesammelt und erklärt
wurden.
Die Größe der
Kelle und deren Handbarkeit bestimmte die Größe des einzelnen
Bogens. Sie stand für die Zeit vor Einführung des Maschinenpapiers
annähernd fest. Wurde ein solcher Bogen einmal gebrochen, so nannte
man die entstehende Blattgröße Folio (2°), wurde er ein
zweites Mal in entgegengesetzter Richtung gebrochen, Quart (4°), bei
dreimaligem Bruch Oktav (8°), wodurch also aus dem Bogen 8 Blatt zu
16 Seiten entstanden. Brach man ihn in 12 Seiten, so nannte man dies Duodez
(12°). Obgleich heute die Maße stark von den früheren abweichen,
hat man die alten Namen beibehalten, um die Größe eines Buches
annähernd zu bezeichnen.
Pergament wie Papier werden
beschrieben, bedruckt oder bemalt. Bedruckte Pergamente sind selten, da
die Erfindung Guttenbergs in eine Zeit fiel, in der das Papier schon allgemein
Verwendung fand. Es war schon zu jener Zeit billiger als Pergament, so
daß dieses nur zu besonderen Prachtwerken Verwendung fand.
Der Wert von Büchern
ist zweifellos in erster Linie abhängig von deren geistigem Inhalt.
Aber hier handelt es sich nicht um diesen. Wer ein berühmtes altes
Werk lesen will, wird — solange es ihm nicht um wissenschaftliche Sonderarbeit
zu tun ist — besser tun, einen von gelehrter Hand herausgegebenen Neudruck
zu benutzen. Hier ist die Frage des Altertums- und Kunstwertes der Bücher
zu erörtern, jener Gesichtspunkt, mit dem der Bibliophile ihm gegenübertritt,
der Sachkundige, der das Buch um seiner Ausstattung willen schätzt
und sammelt, seien es nun mit besonderer Pracht hergestellte neue oder
durch diese oder sonst eine Merkwürdigkeit beachtenswerte alte Werke.
Manche Kirchenbibliothek mag noch Schätze auch nach dieser Richtung
beherbergen, ohne daß dies bekannt geworden ist.
Der Bucheinband, die Kunst
des Buchbinders, spielt dabei vielfach eine besondere Rolle. Solange Bücher
geschrieben werden mußten, die Herstellungsstoffe teuer waren, also
das ganze an sich einen hohen Wert darstellte, waren auch die Einbände
von besonderer Pracht: Metall- und Elfenbeindeckel, oft ausgelegt mit edlen
Steinen, faßten sie ein, Arbeiten, von denen die Kunstgeschichte
rühmend Kenntnis nahm. Mit dem Vordringen des Papiers kam der Einband
in Leder auf, der in verschiedener Weise bearbeitet wurde. Rindsleder wurde
vielfach geschnitten, d. h. es wurde in feuchtem Zustande mit scharfen
Messern eine Zeichnung eingeritzt; Schweinsleder wurde mit heißen
Punzen gepreßt, wobei Goldblättchen untergelegt wurden (Goldpressung)
oder die als leichtes Relief erscheinende Pressung allein die Fläche
belebte (Blindpressung). Oder es wurde ein Mosaik aus verschiedenfarbigem
Leder hergestellt und auf einer Pappe dadurch befestigt, daß man
mit besonderen Werkzeugen (Fileten) zur Linienziehung, Stempeln zur Ausschmückung,
Goldpressungen ausführte. Die glatt abgeschnittene Außenseite
der Bücher, der Schnitt, wurde zusammengepreßt, vergoldet und
mit allerhand Ornament versehen, so daß ein winziger Teil von diesem
auf jedem Blatt festsitzt, auch wenn dieses bewegt wird. In einer großen
Menge von Schmuckmitteln äußert sich die zu allen Zeiten gleichbleibende
Liebe zum Buche, namentlich auch zum Buche für den Gottesdienst, dem
Missale, den Codices, Bibeln, Gebet- und Gesangbüchern usw.
Im Buche ist außer
dem hier nicht zu behandelnden textlichen Inhalt mancherlei Beachtenswertes:
Die feinen Malereien der älteren Zeit, bis ins 16. Jahrhundert hinein,
die Miniaturen, oft mit reicher Vergoldung, figürliche Darstellungen
oder prachtvolle Anfangsbuchstaben (Initialen), sowie die verschiedenen
Arten von Holzschnitten und Kupferstichen, die mit dem höheren Alter
immer wertvoller werden, bis zurück ins 15. Jahrhundert, und die reiche,
oft ausgemalte Bebilderung (Illustrierung) mit Holzschnitten aus dem 16.
Jahrhundert, ferner die von Liebhabern gesuchten Drucke bestimmter berühmter
Druckereien in ihren künstlerischen Lettern und geschickter Anordnung,
auch die feinen Eckstücke und Schließen in Messing oder Silber
an schweren Bänden bis ins 18. Jahrhundert, endlich die kunstvoll
bunten Versatzpapieren und die Exlibris. Alles Sachen, die von der Liebe
sprechen, mit der das Buch einst ausgestattet, und von dem Opfersinn, der
einst der Kirche entgegengebracht wurde.
Ein reicherer Besitz an
Büchern, das Anwachsen zu einer Bibliothek legt dem Verwalter besondere
Pflichten auf. Der Pfarrer wird für seine Amtstätigkeit einer
Anzahl von Büchern bedürfen, die ihm zur Hand stehen müssen,
die Handbibliothek, die in seinem Arbeits- und Dienstzimmer ihre Aufstellung
erhalten muß. Darüber hinaus sind aber theologische und andere
Werke vorhanden, die nur selten oder nie von ihm benutzt werden, dazu Urkunden
und Akten aller Art, also ein Archiv, von dem ebenfalls die Handakten abgezweigt
werden. Für Bibliothek und Archiv ist wissenschaftliche Ordnung das
erste Erfordernis. Handelt es sich dabei um eine Arbeit, die die Kräfte
des Geistlichen übersteigt, so werden die Staatsbibliotheken und Staatsarchive
mit ihren hierfür besonders ausgebildeten Beamten heranzuziehen sein.
Vielfach üben diese schon eine geregelte Aufsicht über die Kirchenbibliotheken
und Archive aus. Das Vorhandensein je eines nach Verfassernamen und nach
dem Sachinhalt geordneten Zettelkatalogs ist das erste Erfordernis. Der
Handel bietet Mittel an, die das Einordnen neuer Erwerbungen in solche
Kataloge mehr erleichtern, als wenn dieser in einem gebundenen Buche besteht.
Auch die Musikalien seien hierbei nicht vergessen, auch die nicht, die
sich in der Obhut des Organisten und Kantors befinden, so daß der
ganze Besitz der Kirche übersichtlich. werde.
Die Aufstellung der Bibliothek
und des Archivs in einem geeigneten Raum ist zu betreiben, wo sie noch
nicht erfolgte. Dieser ist mit Gestellen (Regalen) für Bücher
und Akten zu versehen. Auch für diese liefert der Handel praktische
Modelle, die sich durch die Verstellbarkeit der Fächer, namentlich
nach der Größe der Bücher auszeichnen.
Grundsatz für die Erhaltung
aller Arten von Büchern sei die Bewahrung an einem trockenen, nicht
dumpfigen und leicht zu reinigenden Orte. Man beachte, ob die Fenster gut
schließen, um das Eindringen von Ruß und Staub zu verhindern.
Gelegentliches Abstäuben, je nach dem Grade der Verschmutzung der
Bücher, ist zu empfehlen, wozu die jetzt bestellenden Saugapparate
besonders geeignet sind. Diese werden von Geschäften der Großstadt
gegen eine Leihgebühr hergegeben und von geübten Arbeitern bedient.
Nässe und unmittelbares Sonnenlicht schädigen die Bücher,
ebenso die Eingriffe mancher Tiere, der Mäuse und Ratten, die sie
benagen, und der Bücher- oder Lederwürmer, die ihre Gänge
durch sie fressen. Zeigen sich diese, so müssen ernsthafte Maßregeln
zu ihrer Vertreibung getroffen werden. Man wendet sich nach den in jedem
Falle einzuschlagenden Mittel am besten an die Leitung einer der großen
Staatsbibliotheken, von denen man bereitwilligste Hilfe erwarten kann.
Ist Wasser in die Bücher gedrungen, etwa infolge von Durchlässigkeit
des Daches der Bibliothek, so müssen die Bücher sorgfältig
an der Luft getrocknet und vom Buchbinder glatt gepreßt werden, damit
sich nicht der Stock zeigt. Nur zu leicht bleiben gelbe Ränder an
den Stellen, bis zu denen das Wasser eingedrungen war.
Weiter ist zu beachten,
daß wertvolle Einbände, namentlich solche mit nicht glatter
Oberfläche, durch das Einstellen in dicht gedrängte Reihen leiden
oder doch die Nachbarbücher beschädigen. Es werden in diesem
Fall mit Glas abzudeckende Pulte anzuschaffen sein, die gegen Sonnenstrahlen
mit Vorhängen zu versehen sind. Auf diese Weise können solche
Bücher durch Fortziehen der Vorhänge auch der Besichtigung zugänglich
gemacht werden.
Urkunden auf Pergament sind
in Papprollen aufzuheben. Man sorge für die an ihnen hängenden,
meist in gedrechselten runden Holzkapseln befindlichen Siegel, die oft
für die Wappenkunde (Heraldik) wichtig sind, Handschriftliche Werke
(Manuskripte) verdienen besondere Beachtung, namentlich die Chroniken,
die alten Kirchenbücher mit ihren Nachrichten über das Leben
der Einwohner des Orts, die Kirchenrechnungen, die über die Entstehung
der Kunstwerke in der Kirche und über die wirtschaftlichen Verhältnisse
der Gemeinde Aufschluß geben.
Endlich sei man dafür
besorgt, daß ein Gelehrter, der sich mit der Ortsgeschichte beschäftigt,
auch einen Platz für ruhiges Arbeiten finde, daß also auch für
Heizung und Beleuchtung des Bibliotheksraumes Vorkehrung getroffen ist.
Gewebe.
Die katholische Kirche ist
reich an Geweben von künstlerischer Ausstattung, an Paramenten. Die
protestantische steht ihr in dieser Beziehung wesentlich nach, wenn auch
in älterer Zeit die lutherische Kirche manche alte Stücke beibehielt.
Sie verschwanden vollends in der Aufklärungszeit, bis auf den schwarzen
Amtsrock, die Bäffchen und an manchen Orten noch die Halskrause. Es
genügt also hier in den Sakristeien ein bescheidener Schrank zur Aufbewahrung
der Amtstracht.
Die lithurgischen Gewänder
des katholischen Geistlichen sind sehr verschiedener Art. Fest steht die
Regel, daß zumeist Leinen und Seide verwendet werden, Wolle nur ausnahmsweise,
Baumwolle überhaupt nicht. Als Schmuck der Leinen, der Alben, Chorröcke
und Altartücher dienen vorzugsweise Spitzen, für die Seide Stickereien.
Den Wert alter Spitzen einzuschätzen ist Sache des Fachmannes. Der
Unterschied ist sehr groß, wenn es sich einerseits um moderne Maschinenspitzen
handelt, die auf langen Webstühlen mit Hunderten von Nadeln das Muster
gleichzeitig herstellen, oder wenn sie andererseits mit der Hand auf dem
Klöppelsack oder mit der Nähnadel hergestellt wurden. Manche
alte Alba besitzt Spitzen, die, wenn sie auch stark beschädigt sind,
doch sorgfältig ausgebessert zu werden verdienen. Eine sachkundige
Frau wird nach dieser Richtung die Geistlichen schon zu beraten wissen.
Es empfiehlt sich, ihr gelegentlich den Besitz der Kirche vorzulegen und
den Zustand der Spitzen nach den Reinigungen und Ausbesserungen zu überwachen,
da gute Spitzen leicht durch andere, minderwertige ersetzt werden können.
Die Goldspitzen, geklöppelt aus Goldfäden, sind besonders zu
berücksichtigen.
An dem Leinengerät
finden sich oft wertvolle Stickereien. Diese werden leicht übersehen,
da sie unauffällig angebracht sind. Aber die Bescheidenheit ihres
Auftretens schädigt ihren Wert nicht.
Für die priesterlichen
Gewänder und die Kelchbekleidungen, die Antependien, Altarbaldachine,
Traghimmel wurden jederzeit die kostbarsten Stoffe verwendet, die der Zeitgeschmack
bot. Die Muster offenbaren für den Fachmann klar die Entstehungszeit
des einzelnen Stückes, oft auch das Land der Herkunft. Große
Stoffsammlungen und zahlreiche Abbildungswerke geben in den Kunstgewerbe-Museen
die Unterlage zur Erkenntnis des Wandels der Stilformen von den strengen
und feierlichen Stil des alten Byzanz zu den kräftig schlichten Zeichnungen
des Mittelalters, das in der Behandlung der Stoffe jedoch dauernd vom Orient
abhängig blieb, ferner zu den prachtvollen geschorenen Samten mit
den üppigen Granatmustern des endenden 15. und des 16. Jahrhunderts,
sowie den mit Goldfäden durchwirkten Damasten der Folgezeit bis zu
den zierlichen bunten Streublumen auf hellfarbigem Grund, wie sie das 17.
und 18. Jahrhundert liebte, und zu den zarten, zurückhaltenden Zusammenstellungen
bedeutungsreicher Gebilde aus dem 19. Jahrhundert, das endlich im letzten
Drittel sich bestrebt zeigte, die mittelalterlichen Formen mit mehr oder
weniger Erfolg wieder aufzunehmen.
Wertvoll sind die Stoffe
an sich. Manche Kirche weiß nicht, wie willkommen zur Vervollkommnung
seiner Sammlung dem Direktor eines Museums ein Stück dieses oder jenes
Stoffes wäre, wie sehr ihn aber auch der reiche Sammler zur Ausstattung
seiner Zimmer wünscht. Zudem tragen die Stoffe noch die verschiedenartigsten
Stickereien: Reliefstickerei, bei der der aufgenähte Stoff mit starken
Watteschichten unterlegt ist, so daß einzelne Teile körperlich
hervortreten und demgemäß im einzelnen durchgearbeitet sind;
Applikation, indem Schmuckteile aus bunten Stoffen ausgeschnitten und durch
Umränderung mit der Nadel auf den Grund aufgenäht werden, so
ein Ornament bildend; Plattstickereien, an denen die Zeichnung durch nebeneinandergelegte
bunte Fäden mit der Nadel hergestellt wird; und viele andere Arbeiten
mehr. Dazu gesellen sich wertvolle Materialien, die Goldfäden, die
auch zu Goldspitzen verarbeitet, die gewebten Borden, aus denen Muster
gebildet werden, auch diese reich mit Goldfäden durchsetzt, die eingefügten
Perlen, teils echte, teils Glasperlen. Die oft kostbaren Schließen
(Agraffen) sind auch an neueren Gewändern oft von größerem
Alter, da sie oft von alten abgetrennt und dann aufs neue an Pluvialen
usw. befestigt wurden. Kirchliche Verfügungen, wie die, daß
Blau und Gelb für die Meßgewänder verboten wurde, dann
auch der Wechsel des Geschmackes in dem, was der Kirche angemessen erscheint,
und endlich Beschädigung und Verfall einzelner vielgebrauchter Stücke
lassen den Wunsch auftauchen, diese die Sakristeien belastenden Stücke
zu verkaufen. Man tue dies nicht, ohne einen Sachverständigen zu befragen,
der an dem Geschäfte nicht beteiligt ist. Meist findet sich unter
den alten Gewändern für den Altertumshändler Wertvolles,
für das er oder ein Sammler viel bezahlt. Aber auch der Gedanke mag
bei Abschluß des Geschäftes maßgebend sein, ob es richtig
sei, einen der Kirche gewidmeten, von ihr oft bei feierlichem Gottesdienst
benutzten Gegenstand dazu verwenden zu lassen, daß er dem Sitzkissen
oder dem Lehnstuhl einer müssigen Frau als Bezug diene. Die Stickereien
wurden einst in Klöstern, namentlich aber von kunstgeübten Handwerkern,
den Seidenstickern, ausgeführt. Auch heute gibt es Hände, die
sich in gleicher Weise betätigen und in der Wiederherstellung unscheinbar
gewordenen Stickereien oft Erstaunliches leisten, so daß das von
einer wohlhabenden Kirche abgestoßene Stück sehr wohl noch für
eine ärmere vorgerichtet werden und dieser zur Freude gereichen kann.
Dasselbe gilt von Fahnen,
namentlich von gestickten, wie sie auch für kriegerische Zwecke verwendet
werden. In mancher Kirche hängen solche an den Denkmälern von
Offizieren als Heereszeichen der von ihnen geführten Truppen oder
als Siegeszeichen, die dem Feinde im Kampf abgenommen wurden. Sonnenstrahlen
und Staub haben den Fahnenstoff oft stark beschädigt. Aber die fleißige
Hand einer geschulten Stickerin bringt die Sache wieder in Ordnung, so
verloren sie für den Nichtfachmann erscheint.
Bekleidungen für Kanzel
und Altar sind in allen Kirchen üblich. Es wirkt feierlich, wenn zu
bestimmten Festtagen der Anblick des Innenraumes sich wandelt, die Farbe
in ihrer Sprache zum Eintretenden redet. Aber oft wird diese Wirkung dadurch
beeinträchtigt, daß z. B. an Kanzeln dauernd die Bekleidungen
angebracht sind. Wenn aber durch die Hand des Künstlers die Kanzelbrüstungen
sachgemäß ausgeschmückt sind, wirkt dies besser, als ein
Stück Tuch mit einer mehr oder minder fragwürdigen Stickerei,
das auswechselbar ist. Es gibt Gemeinden, die im hohen Grade über
die Schönheit ihrer Kanzel überrascht sind, wenn durch Zufall
die Bekleidung entfernt war; andere meinen, die Kanzel sei so, wie der
Künstler sie schuf, nackt.
Besondere Sorgfalt ist den
Teppichen zu widmen, da diese im wesentlichen aus Wolle bestehen und Wolle
dem Mottenfraß besonders ausgesetzt ist. Die Flugzeit der Motten
ist Juni und Juli, die Zeit, in der man die kleinen Schmetterlinge zu vernichten
bestrebt sein muß. Sonst hilft nur häufiges Ausklopfen, Sonnen
und Lüften, da Kampfer und Naphtalin des starken Geruches wegen in
Kirchen ungern angewendet werden. Auch sind die Motten wählerisch
in ihrem Futter. Seide lehnen sie ab, in Leinen sind sie sehr selten, dagegen
bevorzugen sie die Wolle; grüne Farben sind sicherer vor ihnen als
gelbe; rot und blau sind besonders gefährdet.
Teppiche werden geknüpft,
gestickt oder gewebt, sie dienen zur Bekleidung von Fußböden
und Wänden. Durchwandert man eine Gemäldegalerie oder durchblättert
man ein kunstgeschichtliches Werk, so sieht man auf Darstellungen von Heiligen
aus dem 14. bis 16. Jahrhundert sehr oft hinter diesen ausgespannte und
zu ihren Füßen ausgebreitete Teppiche. Die Muster weisen fast
durchweg auf den Orient. Die Kirchen besaßen damals also von den
Künstlern bewunderte Stoffe, die ihnen der Handel aus Vorderasien,
ja teilweise sogar aus China zuführte. Die neuzeitliche Teppichfabrikation
hat die in den Bildern wiedergegebenen Muster aufgenommen und vielfach
verwendet. Es handelt sich hinsichtlich der Bodenteppiche vorzugsweise
um solche aus Persien. Wo sich alte Stücke erhielten, verdienen sie
besondere Beachtung. Sie sind geknüpft, d. h. in ein grobes Leinengewebe
werden kurze, verschiedenfarbige Wollfaden so eingeknotet, daß die
beiden Enden emporstehen. Auch heute noch wird bei uns diese Technik verwendet
oder mechanisch nachgeahmt.
Unter den Wandteppichen
sind die Gobelins die wertvollsten. Gobelins werden sie nach einer Weberfamilie
genannt, die die Färberei der Wolle und das Knüpfen in Paris
einführten. Gewebe entstehen im Webstuhl dadurch, daß Fäden
in diesem eingespannt sind, die sogenannte Kette, und daß Webschiffchen,
in denen sich Fäden befinden, zwischen den Kettenfäden hindurchgeführt
werden, der Schuß. Am Ende der Kette kehrt das Schiffchen sich um
und bildet somit die Salleiste. Bei reicheren Geweben überspringt
der Schuß mehrere Kettenfäden oder läßt solche frei.
Einfache Verbindungen, so daß Kette und Schuß regelmäßig
einmal an der Vorderseite, dann an der Hinterseite auftreten, nennt man
Leinwat, solche, wo in regelmäßiger Folge eine Anzahl Ketten-
und Schußfäden ober- oder unterhalb der Schußfäden
liegen, Köper, solche, wo durch das Weben größere, vielgestaltige
Muster entstehen, nach der Stadt Damaskus Damast. Man betrachte einen Stoff
dieser Art: So bunt er erscheint, so sind doch die einzelnen Farben stets
wagerecht vereint. Die Kunst des Musterzeichners und des Patroneurs besteht
darin, beim Übertragen des Musters auf die Anordnung des Webstuhles
dem Gewebe — außer wo dies beabsichtigt ist — die Streifigkeit zu
nehmen. Denn regelmäßig muß jeder Schuß bis an die
Salleiste durchgeführt werden, nur liegt er dort, wo er nicht in die
Erscheinung treten soll, auf der Rückseite.
Anders bei der Bildweberei.
Hier besteht die Kunst darin, nach einem gemalten Vorbild mit der Hand
das Schiffchen einzuführen und zwar lediglich für die Strecke,
die jede Farbe erfordert. Man erkennt leicht, daß eine Art Salleiste
im Gewebe entsteht, so daß der Verband des Ganzen dort, wo lotrechte
Farbengrenzen erscheinen, gelockert wird. Es kann hierbei also nicht ein
ganzes "Stück" nach demselben Muster gewebt werden, für das der
Stuhl einmal eingerichtet ist, sondern der Bildteppich kann zwar wiederholt
nach demselben Gemälde, aber stets nur einmal hergestellt werden.
Daher der besondere Handelswert, ganz abgesehen von dem des nachzuahmenden
Bildes und dem Geschick in der Nachahmung. Es steht also ein solcher Bildteppich
in vollem Gegensatz zu den billigen Erzeugnissen der Zeugdruckerei, die
Gewebe mit hölzernen oder metallenen Formen (Modeln) und darauf aufgebrachter
Farbe bedruckt.
Ton und Porzellan.
Es ist meist nicht viel,
was Kirchen an Ton und Porzellan besitzen: Ein paar Vasen für Blumen,
ein paar Figuren von Heiligen in Porzellan, vielleicht ein Kruzifix in
der Sakristei. Man erkennt die Herkunft der Porzellane an den meist auf
der Unterseite angebrachten Marken, über die bei den Sachkundigen
leicht Auskunft zu erhalten ist. Auch Vasen in Fayence sind gelegentlich
zu finden, selten Majoliken. Der Unterschied zwischen diesen und dem Steinzeug
liegt in der Art der Scherben und weiter im Orte der Herstellung. Es ist
hier nicht die Aufgabe, diese Unterschiede darzustellen. Man beachte eines:
Ist ein Stück aus Porzellan beschädigt, so zeigt sich ein milchweißer
muscheliger Bruch, bei der Fayence meist ein körniger, grauer oder
brauner und roter, ebenso bei der Majolika. Während jedoch bei ersterem
die Grundfarbe der Glasur meist milchweiß ist, zeichnet sich Majolika
durch allgemeine tiefe und kräftige Tönung aus. Mit dieser unzureichenden
Schilderung wird man zwar nicht bei der Bestimmung auskommen, doch mag
sie immerhin eine ungefähre Unterscheidung ermöglichen.
Zur Erhaltung der Gegenstände
gilt zunächst die Ermahnung, sie nicht zu zerbrechen; sind aber Teile
abgebrochen, sie nicht selbst anzukleben, sondern das von einem Geübten
machen zu lassen, der im Besitz der rechten Mittel ist.
Wichtig wird für die
Kirche die Tonware, wenn sie als Fußbodenbelag (Paviment) benutzt
ist. Als solcher dient schon ein Ziegelpflaster aus gut gebrannten, tiefroten
Ziegeln, etwa solchen von sechseckiger Platten-(Fliesen-)Form oder von
reicherer Musterung. Ziegel sind deshalb nicht beliebt, weil sich auf ihnen
ein roter Staub bildet, der sich an die schleppenden Kleider der Frauen
legt. Und da bei Trauungen, Taufen, Begräbnissen Festgewand angelegt
wird, ist dieser Staub besonders unerwünscht. Das Auflegen von Teppichen,
zumal auf den Gängen, ist daher zu empfehlen.
Schon das Mittelalter ging
weiter. Es bedeckte die Tonfliese mit Glasur, meist in Grün und tiefem
Gelb, brannte weißgraue und schwarze Platten von verschiedener Gestalt
und setzte sie zu Mustern zusammen. So namentlich teppichartig im Chor,
vor dem Altare. Es wurden auch in die Böden der Kästen, aus denen
man die Fliesen formte, Verzierungen eingeschnitten, die dann erhaben erschienen
und nach Art des Grubenschmelzes ausgemalt wurden. Auch auf diese Weise
wurden Muster zusammengesetzt, die dann dem 19. Jahrhundert als Vorbilder
dienten. Namentlich die Tonwarenfabrik von Mettlach lieferte solche Platten
von großer Härte und vielfacher Ausführung, die sog. Mettlacher
Platten. Alte Fliesen zu erhalten, selbst auf die Gefahr hin, daß
sich im Gesamtbild des Fußbodens einige Unebenheiten und Unstimmigkeiten
zeigen, ist um so mehr zu empfehlen, als es sich hier um eine schon recht
selten gewordene Sache handelt. Vielfach hat man sich bemüht, an die
Seite alter Fliesen genau nachgezeichnete neue zu bringen. Ich glaube nicht,
daß man damit dem Kirchenbau einen Gefallen tut. Denn nun wird niemand
mehr bemerken, daß ein Teil des Pflasters alt ist und welcher!
Schlußwort.
Noch eine Bitte an alle die mit der Leitung des Kirchenwesens im Großen
und im Kleinen zu tun haben: Helft uns, den Denkmalpflegern, die Liebe
zur Heimat, die Achtung vor dem geschichtlich Gewordenen, vor dem Werke
menschlichen Kunstsinns zu beleben. Es handelt sich dabei um eine große
Sache, um den Geist, aus dem die beiden großen Bewegungen des Denkmalschutzes
und der Heimatpflege hervorgegangen sind. Daher erfüllt Euch selbst
mit der Liebe zur Heimat, um Euch somit befähigt zu machen, andern
diese Liebe einzuimpfen, den Kindern wie den Erwachsenen.
So mancher, der in fremde
Lande kam, erlebte eine eigentümliche Überraschung: Plötzlich
ergreift ihn auf seiner Wanderung die Schönheit eines Ausblicks in
die Natur, eines Bauwerkes, irgendeines Erzeugnisses der Menschenhand.
Er erlebt in sich ein ihn tief im Innern packendes freudiges Gefühl,
das nachwirkend im Gedächtnis auch später noch sein Wesen erwärmt
und durchleuchtet. Und er sieht neben sich andere, die teilnahmlos an dem
ihn Packenden vorbeigehen, namentlich Leute, die dies zu sehen eben gewöhnt
sind.
Die Gewohnheit! Wir sehen
das Schöne nicht, das uns umgibt, weil wir zu sehr daran gewöhnt
sind. Gottes Welt ist überall schön, und das, was der Mensch
hineinlegte in Hingabe an sein Werk, wird mit der Zeit unweigerlich schön,
wenn es sich nur erst in die Umgebung einlebte. Wir brauchen nur einen
der Propheten aus dem Reiche der Schönheit zu rufen, einen Künstler:
Er wird das Schöne schon in unserer Umgebung finden. Oft genügt
es, eine gute Photographie der Kirche, der Landschaft zu machen, um im
Bilde das als reizvoll erscheinen zu lassen, was draußen im Sonnenlicht
nicht beachtet wird. Ist doch Kunst ein Lehrmittel zum Erkennen des Schönen;
nennen wir doch das Reizvollste deshalb malerisch, pittoresk, weil wir
uns erinnern, Ähnliches im Bilde gesehen zu haben. Man gehe nicht
bloß in die Museen, um schöne Bilder zu sehen, sondern um sich
das Gesehene tief ins Gedächtnis zu prägen und nun die gewonnenen
Eindrücke in der Natur wiederzufinden. Da wird man bald lernen zu
erkennen, warum der Künstler diese oder jene Stimmung malte, d. h.
sein Können und seine Kraft einsetzte, um etwa "schlechtes Wetter"
zu malen, weil gerade dies ihm schön erschien. Dann werden wir draußen
den Reiz des nebeligen Tages, den eigenartigen Wandel aller Farben zur
grauen Eintönigkeit als reizvoll erkennen lernen. Und wenn auch die
anderen uns für Narren erklären, uns, die wir diese Schönheit
sehen, so gehen wir still unseres Weges, innerlich beglückt, wo jener
sich ärgert und zu klagen hat. Wir sind eben durch Kunst reicher geworden
an Glücksmöglichkeiten.
Die Künstler sind die
Vorkämpfer für diese Bereicherung an der Welt des Schönen.
So machten im 18. Jahrhundert
Maler die Alpen, die bisher als erschreckend galten, zu einem Schönen,
zum Ziel begeisternder Wanderung; so kann man aus den Werken der Holländer
des 17. Jahrhunderts die Schönheit der weiten Ebene erlernen, der
Wolken, die so oft großartiger sind als die höchsten Berge.
Durch Bild und Wort wurde der Welt im 19. Jahrhundert klar gemacht, daß
die gotischen Dome schön seinen, die vorher mißverstanden und
mißachtet wurden, während es uns heute schwer wird zu verstehen,
wie ein solches Urteil möglich war. Und Maler wie Ludwig Richter haben
uns gelehrt, das schlichte Bauernhaus, die verträumte Dorfkirche als
schön zu empfinden — eine unermeßliche Bereicherung unseres
Glücksgefühles.
Und dieses auf viele zu
übertragen ist das Ziel von Denkmalpflege und Heimatschutz. Der Pfarrer
möge überdenken, inwieweit er diese in die Seelsorge, der Lehrer,
wo er sie in den Unterricht einbeziehen kann: Nicht sollen sie als Lehrfächer
wissenschaftlich betrieben werden, wohl aber im Untergrund alles Lehrens
und Tuns mit wirksam sein, so daß in der Predigt wie in der Lehre
die Dinge, die die Kirche, das Dorf, die Stadt und deren Umgebung als Denkmäler,
als Andenken der Vergangenheit enthält, erklärt werden; daß
die Liebe für sie geweckt wird. So wird durch sie der geistige Zusammenhang
der Gemeinde mit ihrer Vergangenheit, ihrer Geschichte geknüpft.
Jeder Sammler weiß:
Nur dadurch, daß man den Dingen Eifer und Sorgfalt entgegen bringt,
werden sie uns zur Freude, wecken sie unsere herzliche Zuneigung. Und je
mehr wir uns an sie ausgeben, je mehr es uns gelingt, in ihr Wesen einzudringen,
desto stärker wird jene Liebe zu den Dingen, die auf Verstehen beruht
und die feinsten Seiten in unserem Wesen erzittern macht.
Was ist Heimweh? Das Schwinden
der klaren Erinnerung an ein früher geistig Besessenes. Das Gehirn
leidet Qualen, indem es ihm nicht mehr gelingt, das Bild einer früher
uns lieb gewesenen Umgebung wieder herzustellen. Wohl dem, der heimkehrend
das Bild unverändert findet, der die alten Dinge wieder sieht, die
ihm einst so vertraut waren. Er empfindet hohes reines Menschenglück,
er ist reich in seinem bescheidenen Besitz. Er erkennt, daß er dort,
woher seine Erinnerungsbilder stammen, einen starken Anker für sein
ganzes Wesen hat.
Sollte dem Theologen, dem
Pfarrer, aus der Erkenntnis dieser Dinge nicht ein Wink gegeben sein, daß
er seine Kirche erhalte, pflege, daß er eifrig bemüht sei, sie
der Gemeinde wertvoll und lieb zu machen? Und zwar möge er nicht nur
den Bau und die kirchlichen Geräte sorglich erhalten, sondern soll
sie zu der Gemeinde bekannten und ihr lieben Dingen machen, die sie gern
und und oft sehen, deren Geschichte sie kennen, an die sich Erinnerungen
von Geschlecht zu Geschlecht knüpfen.
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