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Cornelius Gurlitt

Die Pflege der kirchlichen Kunstdenkmäler

Ein Handbuch für Geistliche, Gemeinden und Kunstfreunde

Leipzig 1921 Erlangen
A. Deichertsche Verlagsbuchhandlung Dr. Werner Scholl

Vorwort.

Das vorliegende Werkchen beabsichtigt nicht, Kunstgeschichte oder Altertumskunde zu lehren. Es ist gelegentlich in anderen verwandten Büchern versucht worden, zum mindesten in einigen Abbildungen die Grundlagen der Stilkunde zu geben. Mir scheint dies vergebliche Bemühung, solange man nicht dem Texte ein umfassendes Bildermaterial beizufügen gedenkt. Aber auch dies wird nur den auf den rechten Weg leiten, dessen Augen geschult sind, um das Unterschiedliche in den Werken verschiedener Zeiten zu erkennen. Um dies handelt es sich aber nicht in dem Teil der Denkmalpflege, der dem Geistlichen und den Gemeindemitgliedern zusteht. Es ist weit besser, wenn diese sich an Sachkundigere, namentlich an die amtlich für die Denkmalpflege Berufenen wenden. Hier kann es sich zunächst nur darum handeln, darauf hinzuweisen, wann und ob eine Änderung im alten Bestand der Kirche sich nötig macht, damit Schaden verhütet werde; aber auch darum, die Liebe zu stärken und zu wecken, die die Gemeinde an den ihr überkommenen Kunstbesitz binden soll nicht nur um der Kunst, sondern um des kirchlichen Lebens willen.

Cornelius Gurlitt.

Inhalt.

I. Die Aufgabe der kirchlichen Denkmalpflege
Zweckmäßigkeit und Schönheit – Die Künstler – Die Stilfrage – Vom guten Geschmack –
Kunst und Wissenschaft – Der Wert alten Kunstbesitzes

II. Die Organe der kirchlichen Denkmalpflege
Der Pfarrer und die Denkmalpflege – Die staatliche Denkmalpflege – Die Denkmalämter –
Kirchliche Denkmalpflege – Die Aufzeichnung der Denkmäler – Die Denkmalpflegen –
Der Bauherr – Der Architekt – Erhaltungsarbeiten – Der Umbau

III. Die Pflege der kirchlichen Baudenkmäler
Bildhauer- und Steinmetzarbeiten – Ziegelbau – Putz und Stuck – Das Ausmalen der Kirchen –
Holzbau und Dächer – Die Heizung und Lüftung – Die Kirchenbeleuchtung –
Inschriften und Wappen – Der Friedhof und die Gruft – Der Pflanzenwuchs und die Kirche –
Die Umgebung der Kirche – Sicherung gegen Brand und Raub

IV. Die Pflege der kirchlichen Einrichtungsgegenstände
Ölgemälde – Holz – Unbemaltes und bemaltes Holzwerk – Die Vergoldung des Holzes –
Wandmalereien – Bronze und Messing – Eisen – Zinn – Gold und Silber – Elfenbein und Verwandtes –
Glas – Leder und Papier – Gewebe – Ton und Porzellan

Schlußwort

I. Die Aufgabe der kirchlichen Denkmalpflege.

Die Pflege der Kunst, besonders der kirchlichen, ist nicht nur eine Forderung der Kirche selbst, sondern von alters her eine solche des Volkswillens, ein Ausdruck des Volksempfindens. Der christliche Gottesdienst kann in der kunstlosesten Hütte ebenso wirkungsvoll sein, wie in der größten Kathedrale. Immer wieder sind im Laufe der Entwicklung des Christentums Männer aufgetreten, die für die Gotteshäuser die größte Einfachheit forderten, während eine reiche Ausbildung, viel künstlerischer Schmuck von den Kirchenleitungen nie als ausdrückliche Forderung aufgestellt wurde. Man denke an das Frühchristentum und seine scharfe Ablehnung der ihm als heidnisch verächtlichen und doch so hoch entwickelten antiken Kunst; man denke an Männer wie Bernhard von Clairveaux oder Franziskus von Assisi, an Calvin und die Bilderstürmer der Reformationszeit, Männer, die in der Einfachheit des Gottesdienstes, in der Ablehnung der bildlichen Darstellungen unter verschiedenen Gesichtspunkten den Weg zur Vertiefung der Kirche erblickten.
        Kunst ist eine Sprache der Völker, gleichwertig mit der in Worten. Kunst in den Kirchen ist Ausdruck der Gottesverehrung der Gemeinde, nicht Forderung des Glaubens und seiner Lehre. Sie ist Ausdruck des Schönheitsempfindens nicht der Kirche selbst, sondern der ihr anhängenden Völker. Sie scheidet sich nicht in ihren Formen nach Konfessionen, sondern nach Zeiten und Nationen. Und wenn die Völker auch einem oder dem anderen Kult angehören, finden sie doch innerhalb gemeinsamer Stilbewegungen den nationalen Ausdruck für ihre Glaubenswelt.
        Daher auch die Gemeinsamkeit der Kunst bei Verschiedengläubigen; daher aber auch der Wechsel in dieser im Laufe der Zeiten. Es kommen die Tage, in denen den Nachlebenden das mißfällt, was ihre Vorfahren schufen. Es mißfällt ihnen aus sachlichen und aus ästhetischen Gründen; weil es einem für unrichtig gehaltenen Glauben diente oder weil es als unschön empfunden wird. Die Darstellung von einem fremden Glaubensinhalt erscheint dem Betrachter als Verlockung zu diesem für unwahr gehaltenen, und mithin als ein frevelhaftes Beginnen. Das junge Christentum ebenso wie der Islam mißachteten die Werke der Vergangenheit und ließen sie teilnahmslos verfallen, ja man sah ein gutes Werk darin, sie zu zerstören. Unendliche, bitter beklagte Werte gingen damit verloren. Die Juden der Prophetenzeit sahen in der Kunst der umwohnenden Völker den Ausdruck des Götzentums und kämpften leidenschaftlich gegen Bilder, von Menschenhand gemacht, denen keine Kraft inne wohne. Sie wehrten sich dabei vor allem gegen die falsche Einschätzung des Götterbildes als eines heilbringenden Wesens, gegen den Götzenkult, den sie hierin sahen. Die evangelischen Gemeinden des Mittelalters und der Reformation Luthers und Zwingli-Calvins wehrten sich gegen den Bilderkult, ähnlich den Parteien des byzantinischen Reiches. Es standen sich da Ansichten gegenüber, die darum stritten, ob eine besondere Kraft in den Bildern stecke; ob man sie selbst anbeten solle oder das was sie darstellen; d.h. ob die Gottheit in den Bildern selbst anwesend sei oder ob dem Betenden die Gottheit durch das Bild nur geistig nähergerückt werde; ob sie zu verehren seien um der dargestellten Tatsache willen. Es spricht sich da die alte Scheidung zwischen semitischen und indo-germanischen Völkern aus, die heute noch sich im Verbot für Synagogen wie Moscheen gegen bildliche Darstellungen äußert, jene Unfähigkeit der Semiten, sich in das Verhältnis zur Kunst einzuleben, wie dies etwa für die katholische Christenheit durch das Tridentiner Konzil festgelegt wurde.
        Dies drückt sich auch im Verhältnis unserer Zeit zu Darstellungen aus, die sachlich im Gegensatz zu unseren Glaubenslehren stehen. Kein gebildeter Christ, kein Christ überhaupt wird die Bildsäule eines Buddha oder Zeus, eines Laotse oder Ahuramazda mit der Besorgnis ansehen, daß er dadurch zu fremdem Glauben hinübergeführt werde. Er traut diesem Bilde keine wundertätige Macht zu, sondern sieht es als Ausdruck einer durch den Künstler vermittelten Vorstellung einer teils geschichtlichen, teils mythischen Persönlichkeit an, gleichviel ob es in uns religiöse Empfindungen weckt oder uns nur überwundene, wenigstens uns fremde Vorstellungen eines Übernatürlichen darstellt. Und so sind wir in der Lage, ohne Sorge um unsere eigenen Überzeugungen das Fremdartige, aber an sich Schöne um uns zu dulden. Wir wollen es nicht neu schaffen, zum mindesten nicht für unsere Kirchen, aber wir können es ertragen. Namentlich scheut die protestantische Kirche nicht die Zeugnisse ihrer katholischen Vergangenheit. Sie wird nicht ihre Gotteshäuser mit neuen Darstellungen katholischer Heiligenlegenden ausstatten, wohl aber den alten Schmuck ihrer aus dem Mittelalter ererbten Kirchen vor Verfall schützen.
        Es begann eine Zeit, die der Romantik, in der die Liebe zur Vergangenheit mächtig erstarkte. Das, was man mit dem Schimpfwort Gotik – Kunst der für barbarisch gehaltenen Goten – belegt hatte, wurde nun auf das höchste gefeiert; nicht so sehr weil es alt war, sondern weil der Geschmack sich dahin gewendet hatte, das bisher als kraus, überladen, regelwidrig Empfundene für schön anzusehen. Man umfaßte es mit stürmischer Liebe und las aus den Kunstwerken jener Zeit eine Gläubigkeit heraus, die der eigenen Zeit verloren gegangen sei. Man schlug wieder die Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Und in der geistigen Vereinigung beider sah man einen Weg zur Steigerung des Kunstgefühls ebenso wie zur Rückkehr zur Gläubigkeit.
        Mehr und mehr erkannte man, daß man verarme, wenn man alte Kunst mißachte, sei sie in ihren Erscheinungsformen uns auch fremd und in ihren Darstellungen unserer Auffassung nicht angemessen. Eben um der Eigenschaft als völkische Kunst, als Ausdruck der früheren Stellung unseres Volkes zum Glauben, ist sie ein wertvolles Gut, demgegenüber die Anschauungen unserer Tage sich vorsichtig zurückzuhalten haben. Langsam hat sich dieses Bescheiden durchgearbeitet, das uns lehrt, sich in das Fremdartige einzuleben, nicht es nach der Augenblicksstimmung zu verdammen. Und es ging aus diesem Bescheiden ein seelischer Reichtum hervor, die wachsende Freude an dem einst Verkannten, die oft dahin führte, es nun hoch über die Kunstäußerungen der eigenen Zeit zu stellen, so daß die Kunst in Nachahmung verfiel. So namentlich hinsichtlich der mittelalterlichen Baukunst, die als der höchste Ausdruck christlichen Geistes durch Menschenhand anerkannt wurde, nicht nur von Katholiken, sondern auch von Protestanten. Ging es doch soweit, daß man von diesen beiden Seiten die Forderung aufstellte: Kirchen müßten, um "kirchlich" zu wirken, im Stil des 11. bis 15. Jahrhunderts geschaffen werden, der Baumeister habe sich in den Geist dieser Zeit zu versenken und danach Angemessenes zu schaffen. Und die Baumeister folgten begeistert diesem Ruf. Man baute "stilvolle" Kirchen. Stil ist Ausdruck einer bestimmten Zeit. Als Semper, der größte deutsche Architekt seiner Zeit, für die Hamburger protestantische Nikolaikische einen ausgesprochen protestantischen und neuzeitlichen Bau schaffen wollte, wies man ihn zurück und ließ durch den Engländer Scott eine Kathedrale im Stil der Zeit der höchsten Macht der Päpste, also eine Kirche, die Ausdruck dieser Zeit ist, errichten. Scott folgte den Bahnen seines älteren Landsmannes Pugin, der leidenschaftlich für die Gotik gegen die klassischen Formen kämpfte, in diesem Kampf zum Übertritt in den Katholizismus geführt wurde, dann aber bei einem Besuch von Rom mit schmerzlichem Erstaunen fand, daß man dort seine Ansichten nicht teilte. Hat doch der weit umspannende Geist der Kurie stets erkannt, daß die Stilfrage keine kirchliche, sondern ausschließlich eine künstlerische sei.

Zweckmäßigkeit und Schönheit.
        Wenn mittelalterliche Bauten lange Zeit als besonders geeignet für den christlichen Gottesdienst angesehen wurden, wenn geistliche Behörden sich dahin verstiegen, sie für die einzig echten Offenbarungen kirchlicher Kunst anzusehen, so bedarf es auch hier einer Auseinandersetzung mit dieser Ansicht. Es ist besonders die Gotik hervorgehoben worden. Sie blühte etwa von 1180 bis 1500, erlosch in einem Lande früher, im anderen Lande später; doch kann man ihre Herrschaft auf rund drei Jahrhunderte festsetzen. Baulich und künstlerisch tätig waren aber Christentum und christliche Völker durch 19 Jahrhunderte; und es ist mißlich, 16 von diesen die rechte Kirchlichkeit abzusprechen. Wie aber entstand der Entwurf einer mittelalterlichen Kirche? Darüber besteht unter den Kunstgelehrten lebhafter Streit, nämlich ob Kleriker oder Steinmetzen die Architekten jener Zeit waren und mithin den Bau entwarfen und ausführten. Die Zeitgenossen sprechen zumeist nur von bauenden Bischöfen und Äbten, die Urkunden berichten von handwerklichen Meistern. Nun aber hat die Untersuchung der Bauten ergeben, daß die Grundformen der Raumbildung wie die Fähigkeiten der Technik sich sehr langsam entwickelten, daß aber gewisse Hauptverschiedenheiten in der Ausgestaltung auf liturgischen Gründen beruhen, nämlich auf den verschiedenen Zwecken, denen der Bau zu dienen habe. Der kreuzförmige Grundriß der Klosterkirchen hat im Norden anfangs das Bauwesen beherrscht und ist zu immer reicherer Entwicklung gekommen. Die Wallfahrtskirche mit dem Grabe des berühmten Heiligen stellt sich bald als ein besonderer Typ dar. Die Zisterzienser erstrebten wieder, auf ihre Ordensregel gestützt, Vereinfachung, Franziskaner und Dominikaner verzichteten auf das Querhaus in ihrem Bestreben, der Predigt einen größeren Raum im Gottesdienst zuzuweisen. Das Querhaus verschwindet dann fast ganz aus der Pfarrkirche. All diese Änderungen waren also nicht Ergebnis ästhetisch-künstlerischer Betrachtungen der Architekten, sondern es zeigt sich darin, daß die Kleriker angaben, wie die Kirche zu gestalten sei: nicht etwa durch Zeichnung, durch architektonischen Entwurf, sondern durch Hinweis auf ein Vorbild, durch Angabe der Maße, durch Feststellung der besonderen Wünsche, dabei dem Werkmeister überlassend, die technischen Mittel und die künstlerische Form zu wählen, durch die der feststehende Grundplan in die Wirklichkeit übersetzt wurde.
        Der Wandel vollzog sich hierin zuerst durch die italienische Renaissance, die sich zum Kirchenbau ganz anders stellte. Gewiß ist es nicht richtig, sie für "heidnisch" zu erklären, weil sie sich in ihren Formen auf die Antike stützt. Ihre Eigentümlichkeit ist das Zurückdrängen des Liturgischen durch vorwiegend künstlerische Erwägungen. In hoch gespanntem Idealismus wollte sie nicht das dem Zwecke am meisten entsprechende, sondern das schönste Gotteshaus bauen. Es trat daher die Verwendbarkeit für den Gottesdienst vor der Absicht zurück, ein Haus von höchster künstlerischer Vollendung zu schaffen, ein Ideal zu erreichen. Wenn die Meister das Vollkommene im Zentralbau erblickten, wie dies Bramante und Michelangelo für St. Peter in Rom erstrebten, so hatte das seinen Grund darin, daß man in der Symmetrie eine der wichtigsten Vorbedingungen der Schönheit erblickte, der Zentralbau aber nach seinen beiden Achsen und Diagonalen vollständig symmetrisch ist. Daß der katholische Ritus diesem Gedanken nicht zu folgen vermochte und den Altar nicht in der Mitte des Baues, sondern am Ende einer Achse aufstellte, widerspricht grundsätzlich dem künstlerischen Ideal der Renaissance – und führte in St. Peter zum Hinzufügen eines Langhauses an Michelangelos Plangebilde. Das idealistische 19. Jahrhundert sah hierin einen Abfall von dem Künstlergeist der Renaissance, da auch dieses die Kunstform als über der Zweckerfüllung stehend betrachtete, ja sogar im Zweck einen Gegensatz zur Kunst erblickte.
        Die neuere Zeit hat eine Fülle neuartiger Kirchen geschaffen. Sie offenbart ihre Größe für mich in der Art, wie sie die von der Liturgie aufgestellten Aufgaben zu lösen verstand; so z. B. in der Frauenkirche zu Dresden mit einem Innenraum, der der evangelischen, vor dem Altar und der Kanzel versammelten Gemeinde ihre gottesdienstliche Absicht erfüllt, im Gegensatz zur katholischen Kirche, der ein Prozessionswesen eigen ist. Ich weiß sehr wohl, daß die Prozession, der Umzug in der Kirche, nur einen bescheidenen Einfluß auf den Gottesdienst hat, meine auch diesen nicht, sondern die zum Stehen gebrachte Prozession, die sich in der Längenrichtung dem Altar zuwendet. Die Moschee, ursprünglich der Heerschau der kriegerischen Gläubigen dienend, entspricht einer soldatischen Halle; die Synagoge verliert ihr Wesen als Schule nicht: all dies, soweit der liturgische Zweck dem entwerfenden Architekten zu klarem Bewußtsein kam. Jedes dieser Gotteshäuser ist nur dann in seiner Gestaltung vollkommen, wenn es dem Zwecke entspricht, dem es dient. Und selbst der schönste, der "ideale" Bau ist um seiner Form willen "unkirchlich", wenn er nicht den besonderen Zweck künstlerisch auszugestalten sich angelegen sein ließ. Eine Synagoge, die wie eine evangelische Kirche aussieht, sollte abgelehnt werden, nicht aus Gegnerschaft gegen Andersgläubige, sondern aus den hier entwickelten Gründen, ebenso wie etwa der Bau in Form eines griechischen Tempels – trotz der künstlerischen Meisterschaft der Bauten der Akropolis zu Athen – für den katholischen Gottesdienst. Das erscheint manchem vielleicht als "rationalistisch". Aber ohne ratio geht es im Bauwesen nicht.
        Auf die hier zu behandelnde Frage, wie das Verhältnis der Denkmalpflege zu den Anforderungen der Neuzeit sei, lautet demnach die Antwort: In der Kirche hat der Gottesdienst das Vorrecht. Sie ist nicht ausschließlich als Denkmal der Kunst, sondern als die Heimstätte einer kirchlichen Gemeinde anzusehen. Und die Bedürfnisse dieser sind entscheidend. Erst wenn die Kirche durch irgendwelche Umstände nicht mehr zum Gottesdienst benutzt wird, gestaltet sie sich in ein reines Kunstdenkmal um, über dessen Pflege ausschließlich der Kunstsinn zu entscheiden hat. Sonst besteht das Kirchengebäude zum Zwecke des Gottesdienstes und ist nach dem Grundsatz zu behandeln, daß es diesen aufs beste in sich aufnehme. Das heißt: Man ist berechtigt, es umzubauen, zu erweitern, dem neueren Geschmacke anzupassen – jedoch mit der Auflage, daß das ehrwürdige Alte dabei geschont werde, soweit das irgend möglich ist; daß lieber einige Nachteile in Kauf genommen werden, ehe man sich dazu entschließt, unersetzliches Altes zu beseitigen: Denn das Alte ist stets unersetzlich.

Die Künstler.
        Das führt zur Frage nach dem Verhältnisse von Künstler und Kunstwerk zur Gemeinde. Zunächst ein Beispiel aus dem Gebiet höchster Kunst. Michelangelo erhielt den Auftrag, die glatte Altarwand der Sixtinischen Kapelle im Vatikan mit einem Freskogemälde zu schmücken, mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichtes. So entstand für Papst Pius III. das vielleicht gewaltigste Werk des gewaltigen Meisters. Es stellte die Seligen und die Verdammten nackt dar. Der Zeremonienmeister des Papstes sagte, es sei unschicklich, so viele nackte Gestalten an einem heiligen Orte zu malen, das Werk eigne sich besser für eine Badestube oder das Zimmer einer Gastwirtschaft als für die Kapelle des Papstes. Und wirklich ließ der kirchlich strenge Paul IV. durch Daniele da Volterra die Blößen vieler Gestalten mit Gewand übermalen. Es siegte also in der Auffassung der Kunst der Geschmack der Benutzer der Kapelle über den des Künstlers; aber nur, um der Mißbilligung der Nachwelt damit zu verfallen. Es zeigt sich hier ein Zwiespalt, der sich im kleinen sehr oft wiederholt. Wie soll sich die Kirchenverwaltung zu künstlerischen Vorschlägen verhalten, die ihrem Geschmack und dem der Gemeinde unerfreulich, ja vielleicht gar unerträglich sind. Wie soll der Pfarrer sich zu Werken verhalten, die ihm als dem kirchlichen Geist zuwiderlaufend erscheinen? Andere Beispiele hierfür: Ein protestantischer Geistlicher erklärte Max Klingers Kreuzigungsbild für eine "ruchlose Karrikatur des Heiligen". Als Fritz von Uhdes Geburt Christi in München ausgestellt wurde, empörte sich die katholische Geistlichkeit über die "Dirne, die ihr Kind im Winkel zur Welt brachte". Wer heute vor den beiden Bildern steht, wird solche Angriffe schwer begreifen. Es sind zwei der vornehmsten Offenbarungen ihrer Zeit, die uns deren Auffassung christlicher Überlieferungen bekunden. Es war nicht das Christliche, was sich in der Ablehnung der Bilder bekundete, sondern der Umstand, daß sie dem Geschmacke, also einer rein persönlichen Auffassung widersprachen. Man hielt für "ruchlos", was im Grunde nichts anderes war als eine veränderte Darstellungsweise. Die Bilder stehen nicht im Gegensatz zur Überlieferung der christlichen Kirche und ihren Lehren, sondern nur zur Auffassung von Tradition bei künstlerisch ihrer Zeit nicht folgenden Männern. Die Kunst schreitet fort, das ist in ihrem Wesen begründet. Der Künstler ist berufen, in Neuland der Schönheit zu führen. Der große Meister überwältigt den Geschmack der Zeit, er zwingt sie, das anfangs mit Mißbehagen aufgenommene Neue als das Bessere anzuerkennen. Denn er ist Kind seiner Zeit und Verkünder der kommenden zugleich. Wir aber, die lediglich die Kunst Betrachtenden, sind abhängig von der bisher geltenden Kunstanschauung, die wir für "richtig" halten, um bald, nämlich wenn wir die Entwicklung der Kunst miterleben, zu erkennen, daß auch wir uns wandeln. So auch in der Auffassung der kirchlichen Kunst. Wer wird sich heute noch der häßlichen Christusgestalten erfreuen, die vor 30 Jahren als kirchlich galten jener Männer mit viel zu kleinem Kopf, viel zu kleinen Händen und Füßen, weichlicher Haltung und sonderbar nichtssagendem Gesicht, bei dem nur die übermäßig lange Nase auffällt. Der Prediger sucht in uns die Gestalt Christi, lebendig zu machen, ihn uns als gegenwärtig empfinden zu lassen. Er muß ihn sich selbst im Geiste gebildet haben, um dies Ziel zu erreichen. Der wahrhaft kirchliche Künstler tut dasselbe. Wir besitzen kein "Porträt" Christi. Die "vera effigies", die sich in manchen Kirchen erhielt, gibt keine zuverlässige Angabe, sie stammt erst aus später Zeit. Also ist das Bestreben berechtigt, sich Christi Bild aus seinen Taten zu bilden. Und wie es im Lauf der Geschichte sich so vielfach wandelte, so ist auch die Umgestaltung nicht zu vermeiden, will der Künstler nicht zum seelenlosen Kopisten werden. Fällt doch selbst die Photographie desselben Kopfes je nach der Auffassung der Photographen verschieden aus.
        Dem steht entgegen, daß die Kirche eben nicht eine Lehrstätte der Kunst ist – sie kann es sein, und es ist erfreulich, wenn sie es wird. Sie soll aber zuerst eine Heimstätte der im Gottesdienst vereinten Gemeinde sein. An ihr hat sich der Wandel der Stile in entschiedenster Weise offenbart, sie dient einem Kunstgeschichtler als hauptsächlichster Beweis für die Schwankungen in der Kunstanschauung der Christenheit. Ob sich dieser Wandel stets unter Zustimmung der Gemeinden vollzog, ist uns nicht berichtet. Aber der feiner Beobachtende sieht aus den Bauten auch die künstlerischen Kämpfe heraus, die sich in der Vergangenheit zwischen Altgewohntem und Neueingeführtem abspielten: So war es zu Anfang des 13. Jahrhunderts, als die Gotik, zu Anfang des 16. Jahrhunderts, als die Renaissance die alten Stile überwand. Klarer sind wir von den Kämpfen späterer Zeit unterrichtet: über das Entsetzen, als die Kunst des "finsteren" Mittelalters wieder aufgenommen wurde, über den Abscheu gegen die "heidnische" Renaissance, gegen das "frivole" Barock usw. Dann tauchte das Bestreben nach zeitgemäßer Kunst auf, das nicht minder mißtrauisch empfangen und heftig abgelehnt wurde.
        Begreiflich ist das Streben der Gemeinden nach dem bereits Gefallenden. Man kauft lieber fertige Werke, statt solche bei einem Künstler zu bestellen, da dies stets die Gefahr in sich birgt, daß dieser den Geschmack der Gemeinde nicht treffe, weil er, wenn er ein echter Künstler ist, auf diesen Rücksicht zu nehmen ablehnt. Er will und soll ja das schaffen, was ihn innerlich bewegt, nicht nach Beifall haschen, sondern den von seinem ganzen Wesen bedingten Weg gehen.
        Fertige Kunst findet man aber nicht in den Werkstätten der Künstler, wohl aber in den kirchlichen Kunstanstalten, seien sie nun reine Geschäftsunternehmen oder von kirchlicher Seite eingerichtet. Sind die letzteren nicht besonders gut geleitet, so klebt ihnen der Nachteil der von einem gewandten Kaufmann geleiteten Geschäfte an, – nämlich, daß sie in Kunstindustrie verfallen. Auch sie müssen sich an Künstler wenden, die ihnen Modelle liefern; diese müssen dann vielfach kopiert werden. Dadurch können die Anstalten billiger liefern als der Künstler. Sie verlangen von ihm, daß er für den großen allgemeinen Geschmack arbeite und daß er dies billig tue, da die Ware lange Zeit unverkauft bleibt, also durch Zinsenverlust und Geschäftsspesen sich verteuert. Als ich auf dem Denkmalpflegetag 1913 gewisse Anstalten damit kennzeichnete, daß man dort den salvator mundi billiger erhalte, wenn man ihn im Dutzend kaufe, fand ich lebhaften Beifall. Und zwar zunächst von katholischer Seite durch den Prälaten Professor Dr. Swoboda, der namentlich darauf hinwies, daß die Herz-Jesu-Andacht und die Marienlehre etwas viel Geistreicheres und Kräftigeres sei, als die "christlichen faden Herz-Jesu-Statuen und die nichtssagenden Marienstatuen": "Pofelware", wie sie viele Kunstanstalten auf Lager hätten, und daß vielfach hierdurch wertvolle alte Kunstwerke verdrängt worden seien. In gleicher Weise mußte ich mich einst gegen die Geschäftsanzeigen einer für die evangelische Kirche arbeitenden Anstalt wenden, die sich erbot, z. B. die Gemeinden mit bunten Fenstern zu "bemustern". Bei ihr wurde eine lebensgroße Figur mit 100 M. berechnet, wobei also, da die Herstellung solcher Glasmalereien schon aus technischen Gründen und bei halbwegs guter Ausführung zu diesem Preise nicht lieferbar ist, dem Künstler Schundpreise angeboten wurden. Demgemäß ist dann auch die gelieferte Ware, die ich als eine "Kirchenpest" bezeichnete: ein mit Beifall aufgenommenes und später öfter herangezogenes Wort. Die Kirche soll und darf nicht der Kunst gegenüber als "Lohndrücker" wirken, sondern soll lieber auf ein Kunstwerk verzichten, als sich auf Anschaffungen einlassen, die ihrer Bedeutung nicht angemessen sind. Das haben manche Kunstanstalten begriffen, die nicht Dutzendware vertreiben, sondern sich als Mittler zwischen Kirche und Künstler betätigen in dem Sinne, wie es gutgeleitete Vereine für kirchliche Kunst zu tun bemüht sind.
        Und noch eins: Man klagt darüber, daß die Kunst "verweltlicht" sei. Wie ist dies anders zu bekämpfen, als dadurch, daß die Kirche sich der besten Künstler der Zeit annimmt, nicht aber ihnen den Eintritt verwehrt, etwa weil Pfarrer oder Kirchenrat anderen Geschmackes sind, als der Künstler. Die Kirche baut auf überliefertem Gut. Ihre Lehre ist bald zweitausend Jahre alt. Aber sie soll leben in ihrer Zeit. Und niemals ist ihr dies notwendiger als heute. Aufgabe der Kirche ist Seelsorge, Sorge um die lebendige Seele im Volke. Und Kunst ist eine der vornehmsten Ausdrucksformen dieser Seele.
        Das führt schließlich zu einer viel besprochenen Angelegenheit, zu den in den Kirchen eingeführten "Nuditäten". Die Bibel sagt, der Mensch sei nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen. Das Kleid ist das Menschliche, Ungöttliche an der Erscheinung. – Wer die Erhabenheit des Herrn der Welten sich vorstellen will – eine schier unerfüllbare Aufgabe – der wird in die schwersten Zweifel kommen, wie er ein darstellbares Bild im Geist zu gestalten habe. Man kann sich einen Zeus, einen Wodan bildlich vorstellen, Naturgottheiten mit bestimmten menschlichen Eigenschaften, nicht aber den Allgegenwärtigen, den über Zeit und Raum Erhabenen. Es bleibt dem Künstler nichts übrig, als den ehrwürdigsten Menschen zu schildern, den allem rein Menschlichen tunlichst Entrückten. Und ebenso Christus: Ist er der körperlich Vollkommene, oder trug er, der Träger alles menschlichen Leides, auch die Last der Häßlichkeit? Ist er am Kreuz als der Sieger über die Sünde in seiner Glorie darzustellen, oder als der Leidende, in seinem Menschentum elend Sterbende?
        Der Künstler denkt zuerst an die menschliche Gestalt, wenn er Heiliges darzustellen beabsichtigt. Es gab hieratische Formen für die Verzerrungen dieser Gestalt, die durch Herkommen als heilig angesehen wurden. Sie wirkten auf den daran Gewöhnten als überirdisch, als außermenschlich. Aber sie sind unkünstlerisch, nicht ein vom Künstler selbst Empfundenes, sondern lediglich ein Angelerntes. In der Wiederholung werden sie leblos, schematisch.
        Darum kehrt jede echte Kunst wieder zur Natur zurück. Und der natürliche Mensch ist eben der nackte Mensch. Das Kleid ist Erzeugnis der Mode, sei dies nun einer zur Zeit getragenen oder einer für die Künstler gültigen Mode. Wir kennen das Kleid nicht, das Christus in seinem Erdenwandel trug. Wahrscheinlich war es nicht dasjenige, in dem wir ihn dargestellt zu sehen gewohnt sind. Und wie die Engel gekleidet sind, wissen wir auch nicht. Gern stellt man sie sich kindlich vor, noch unberührt von jener Scham, die die Gegenwirkung gegen die Sinnlichkeit ist. Künstler wünschen sich Beschauer, die von jener Schamhaftigkeit noch so frei sind wie die Kinder. Wenn da in einem Gemälde ein paar nackte Beine, ein paar Frauenbrüste, ein unverhüllter Leib zu sehen ist, so entstand das nicht, weil der Künstler die Sinne kitzeln, sondern weil er das Edelste darstellen wollte, was der Kunst sich darbietet, die gottgewollte Schönheit des menschlichen Leibes, den packendsten Ausdruck für die geistigen Strömungen, die sich in den Bewegungen der Glieder, des Kopfes zeigen.

Die Stilfrage.
        Es gab Zeiten, die im Geiste lange vergangener Tage künstlerisch zu schaffen bemüht waren. So z. B. in Ägypten, im Rom des 1. nachchristlichen Jahrhunderts. Man nennt solche Zeiten archaistisch, altertümelnd, im Gegensatz zu archaisch, dem echten Alten. Man nennt sie wohl auch hieratisch, weil diese altertümliche Form sich namentlich an gottesdienstlichen Denkmälern zeigt, so an jenen der späten Ägypter, deren Priesterschaft in der Erinnerung an vergangene große Zeiten lebte; so im alten Rom, wo man bei verfallender Gläubigkeit die aus der Frühzeit stammenden Darstellungen der Gottheiten in ihrer steifen Zierlichkeit nachzuahmen suchte. Mit der Renaissance des 15. Jahrhunderts setzte eine ähnliche Bewegung wieder ein: das Griechen- und Römertum gewann Einfluß auf die Künstler. Aber sie nahmen das Antike nicht als eine mit wissenschaftlicher Strenge zu befolgende Regel, sondern sie bewahrten ihre eigne starke völkische Kraft, schufen selbständige nationale Stile, die sich bei Anlehnung an einzelne Hauptformen der Alten doch in überraschender Selbständigkeit fortentwickelten. Erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts verschärften sich die archaistischen Bestrebungen, die Sehnsucht, die Antike in ihrer Reinheit wieder aufleben zu lassen. Und nun erstreckte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts dasselbe Bestreben auch auf die Kunst des Mittelalters. Malerei, Bildnerei und Baukunst wurden hieratisch, wie dies die griechisch-orthodoxe Kunst zu allen Zeiten geblieben war. Es bildete sich im Schaffen ein Gegensatz heraus, indem ein besonderer kirchlicher Stil entstand im Widerspruch gegen alles, was als "modern" für unkirchlich erklärt wurde. Modus heißt das Maß, das Ziel, die Art und Weise; maniera moderna nannten die Italiener des 15. Jahrhunderts das nach neuzeitlicher Art und Weise Geschaffene: aber nicht in unserem Sinne, sondern sie nannten maniera antica die Kunst des Altertums, modern die spätere, nun bekämpfte gotische Kunst. Im 19. Jahrhundert drehte sich die Sache um: Modern heißt nun die neuzeitliche Art und Weise im Gegensatz zu jedem alten Stile. Und weil überall nach dem Vorbilde der Vergangenheit geschaffen wurde, so kam man zu der Ansicht, die hieratische Schaffensweise sei der Ausdruck des 19. Jahrhunderts; eine eigene Art und Weise, eigenen Stil habe dieses nicht, und jeder Versuch, einen solchen zu schaffen, führe auf Irrwege, eigne sich namentlich nicht für die Kirche. Das Aufblühen der geschichtlichen Forschung, die zahlreich entstehenden Veröffentlichungen über Werke der Vergangenheit brachte den Künstlern immer neuen Stoff zur nachahmenden Verarbeitung, die Erkenntnis der Schönheit früher entstandener Kunstwerke vertiefte und verbreitete sich immer mehr, so daß das Aufnehmen eines bisher mißachteten Stiles der Vergangenheit für das neue Schaffen als eine "moderne" Tat angesehen wurde. Zugleich schritt die Kenntnis aller dieser Stile in ihrer Eigenart immer weiter, so daß das Neuentstandene immer "echter" wurde, d. h. daß immer mehr auch dem Fachmann die Unterscheidung zwischen wirklich echt Altem und ihm Nachgeahmten immer schwerer wurde.
        Alle jene Künste, die in der Natur ihre Vorbilder suchten, waren von solchen Bestrebungen freier. Man erkannte z. B. sehr wohl, daß die Bildnerei und Malerei des Mittelalters die Natur nicht ganz richtig oder doch einseitig erfaßt hatte. Am Zeichnen nachdem Nackten erkannte man, daß die Antike hierin weiter fortgeschritten war. Immer wieder Rat holend an älterer Kunst, machten sich Malerei und Bildnerei nach und nach immer freier, wurden zu einem bewußten Ausdruck unserer Zeit. Schwerer kämpften sich die Baukunst und das Kunstgewerbe los, bis zu Ende des 19. Jahrhunderts sich auch hier ein bewußtes Loslösen von der Vergangenheit zeigte, in stürmischer Bewegung, bei der die Verneinung stärker war als die Bejahung. Dem Verzicht auf die alte Formensprache kam der Wert der neuen zumeist nicht gleich, somit den am Alten Hängenden den Beweis liefernd, daß ein solches Streben überhaupt verfehlt sei und zu Mißbildungen führen müsse. Es entstand der sogenannte "Jugendstil", der jetzt zu Unrecht verhöhnte. Denn wenn auch seine Erzeugnisse meist verfehlt sind, so gab er doch die Erlösung zur Selbständigkeit. Und die Folge war, daß sich ein deutscher Baustil unserer Zeit zu entwickeln begann, der als solcher mit Anerkennung oder Mißbilligung vom Ausland scharf erkannt, für uns aber durch sachliche Durchbildung immer bedeutungsvoller wurde. Nicht mehr fordern wir Verzicht auf alles früher Geschaffene, aber auch nicht mehr leben wir in dem Gedanken, daß jedes Werk die Merkmale einer vergangenen Zeit "stilrein" zu tragen habe um künstlerisch zu sein; daher galt nun die Freiheit im Bilden der aus dem Zwecke entwickelten Form. Und dies ist heute noch das heiße Bemühen der führenden Künstler.
        Die Losung im kirchlichen Bauwesen heißt daher nicht mehr, man solle in kirchlichen Stilen bauen, sondern man solle so bauen, wie es die kirchlichen Anschauungen und das im Gottesdienst ausgedrückte kirchliche Wesen fordern. Der Bau soll das Verhältnis der Gemeinde zur Kirche und das Verhältnis der Kirche zur Gemeinde ausdrücken. Wie eine indische Gemeinde nicht gut tut, gotisch zu bauen, sondern indisch, so soll eine deutsche Gemeinde deutsch bauen. Wir wollen nicht aufhören, geschichtlich die Vergangenheit zu durchforschen, aber nicht um daraus zu lernen, in deren Art unser Verhältnis zu den höchsten Fragen auszudrücken, sondern um zu erkennen, wie sehr jede Zeit den für sie eigenartigen Ausdruck hierfür fand. Wir wollen uns z. B. nicht bloß der gewaltigen technischen Erfindungen erfreuen, auf denen die Gotik beruht, nämlich derjenigen im Wölbbau; sondern wollen die Erfindungen und Fortschritte unserer Zeit der Kirche wie dem übrigen Bauwesen zur Verfügung stellen. Kirchlich ist kein Stil; es ist dies jeder Stil, der auf das kirchliche Wesen sachgemäß angewendet wird. Es gibt kein katholisches Kirchengesetz, das einen bestimmten Stil als kanonisch erklärt hat. Es gab zwar für die lutherischen Kirchen das sogenannte Eisenacher Programm, das die mittelalterlichen Stile als kirchlich empfahl. Aber längst haben die Kirchenregierungen und die Gemeinden dies als für sie bindend abgelehnt. Als der Erzbischhof von Köln für seine Kirchenprovinz in gleicher Weise die mittelalterlichen Stile für Neubauten empfahl und vor der Moderne warnte, fand er alsbald Widerspruch. Schwerlich hat sein Wort heute noch Gesetzeskraft. Prälat Dr. Swoboda sagt: "Die Kopie gehört in die Schule, und für das künstlerische Leben gehört die Form der Entwicklung."
        Es ist also unberechtigt, wenn man vom Künstler für die Kirche einen bestimmten Stil fordert. Und es führt meist zu Mißgriffen: Ist die Madelaine in Paris nicht ein solcher, bei der die Kirche sich in die Maske eines römisch-heidnischen Tempels einhüllt? Sind es die protestantischen Kirchen nicht, die sich in vorreformatorische Gewandung stecken? Sind es die "orientalischen" Synagogen nicht, die den Stil des islamischen Lustschlosses Alhambra in Granada als besonders jüdisch so lange Zeit hinnahmen!
        Daher löst sich die Stilfrage von selbst: Behandelt sie so, wie es unsere Altvorderen taten! Wenig Kirchen, namentlich wenig Dome sind einheitlich im Stil. Ihr Bau dauerte oft Jahrhunderte, und nie hat der spätere Meister versucht, im Stil des älteren zu arbeiten. Neue Gedanken, neue Werkformen, neue Arten des künstlerischen Ausdrucks traten auf, und jeder Meister folgte den Eingebungen seiner Zeit, fügte sein Werk dem Alten an in der Erkenntnis, es werde mit diesem zusammenpassen, wenn es aus gleichem Geist hervorging. Und wir sehen, daß diese Erkenntnis nicht trügt, sobald wir die Dinge nicht mit vorgefaßten Stilbegriffen vermengen. Sie schafft den Eindruck des Altehrwürdigen, denn an dem Wechsel ihrer Formen erkennen wir die Jahrhunderte, die am gemeinsamen Werk schufen.

Vom guten Geschmack.
        Viel Unheil wurde dadurch angerichtet, daß Kirchenverwaltungen sich auf den "guten Geschmack" der bei ihnen leitenden Persönlichkeit verließen. Oft sah ja der verantwortliche Geistliche in seinem Geschmacksurteil, seiner Ansicht über häßlich und schön einen Prüfstein hinsichtlich seiner seelsorgerlichen Pflichten der Gemeinde gegenüber: um dieser Pflichten willen wollte er das von ihm als häßlich Empfundene vom Gotteshaus fernhalten, in der ehrlichen Meinung, schön sei, was ihm gefalle und häßlich, was ihn abstoße. Er warf etwa seinen Vorgängern im Amte vor, sie hätten das Häßliche geduldet. Er machte ihnen daraus einen Vorwurf oder entschuldigte sie nur mit geistiger Schwäche, die eben in einem schlechten Geschmack bestanden habe. Er konnte sich nicht vorstellen, daß das Getadelte einem früheren Geschlecht gefiel und daß das uns Gefallende dem nächsten Geschlechte als unschön erscheinen wird. Denn es besteht naturgemäß, wie gegen das aufkommende Neue, unserem Gewohnheitsgeschmacke Widersprechende, so auch gegen das überwundene Alte, von der neuen Gewohnheiten Abgelehnte ein starker Widerwille. Der einzige Weg, der uns vor Fehlgriffen behüten kann, ist: Bewahrt das Alte, ob es Euch nun gefällt oder nicht. Und gestaltet das Neue nach dem Stande der zeitgenössischen Kunst in dem Bewußtsein, daß es an einen Ort kommt, der es bewahren wird und an dem kommende Geschlechter unser Schaffen beurteilen werden: Gebt ihnen einen Beweis vom Ernste unseres Willens zum Guten.
        Wir wollen uns also nicht auf unseren Geschmack verlassen, nicht auf den der Geistlichen, aber auch nicht auf den der Sachverständigen, der Kunstgelehrten, und Künstler, die sich auf ihren feiner ausgebildeten Geschmack berufen. Tausende von wertvollen Kunstwerken sind zerstört worden, infolge von Werturteilen, die oft von hervorragenden Sachverständigen ausgingen, Werturteile, die ganze Akademien abgaben und die wir Nachlebenden jetzt als erheiternde Entgleisungen belächeln. Das hat uns gelehrt, im Hinblick auf ästhetische Werturteile bescheiden zu werden. Der Kunsthändler weiß, was ein Kunstwerk "wert" ist. Er weiß, was auf dem Kunstmarkt, auf Versteigerungen für ein solches gezahlt werden wird. Aber er weiß auch, daß derselbe Gegenstand in einigen Jahren vielleicht das Doppelte, vielleicht die Hälfte "bringen" wird. Der Denkmalpfleger aber hat mit Kunsthandel nichts zu tun. Er soll daher nicht nach einem Werturteil über Erhaltung oder Entfernung eines Denkmals entscheiden. Es ist ja in der Regel auch nicht in die Kirche gebracht worden, weil es schön sei, sondern um eines Zweckes willen, der die schöne Form als allein ihm angemessen fordert.
        Der Pfarrer hat Recht, wenn er erklärt, seine Kirche sei kein Museum, das den Zweck habe, Kunstwerke zu beherbergen und die Pflicht habe, Minderwertiges aus seinem Bestände auszuschließen. Gerade den Pfarrer als berufenen Denkmalpfleger darf der ästhetische Teil seines Amtes nicht einseitig beherrschen. Es soll das für die Kirche zu Schaffende in höchst erreichbarem Maße den Gottesdienst zu fördern berufen sein. Daß das Häßliche dies nicht tun kann, ist klar. Daß es ein dem Geiste der Gemeinde widersprechendes Schönes auch nicht tut, ebenso: Man kann erwarten, daß ein solches die Gemeinde zu einer höheren, besseren Auffassung von Kunst erzieht. Und in Künstlerkreisen besteht diese Ansicht und mithin der Wille, das Volk zur Kunstanschauung des Künstlers zu "bilden", d. h. meist umzubilden. Denn es erscheint als durch die ältere, nun bekämpfte Kunst "verbildet". Die Erfahrung belehrt uns aber, daß auch auf die neueste Kunst eine noch neuere folgen wird. Es hat sich stets als ein Fehler erwiesen, wenn Kirchen grundsätzlich sich für irgendeinen Stil festzulegen versuchten. Ihr Grundsatz ist und soll sein: Wie die Ausübung des Gottesdienstes nicht an Ort und Zeit gebunden ist, so auch nicht an einen Stil und eine bestimmte Kunstform: Nur in der Zeit und in dem ihr anhängenden Volke soll die Kirche leben, sie soll die lebendigen, starken und ernsten Kräfte in sich aufnehmen, um durch den Geist der Zeit auf die Zeitgenossen zu wirken. Wie alt sie auch ist, soll sie doch selber kein "Altertum" sein, sondern lebendigstes Leben. Als eine ständig sich Verjüngende soll sie sich der Ehrwürdigkeit nicht entblößen, die das Alter verleiht. Und dieses offenbart sich ja gerade in den Denkmälern der Vergangenheit.
        So ist der Wunsch zu verstehen, daß die Kirche am Überlieferten, an der "Tradition", hängt. Diese bezieht sich auf die Fragen des Glaubens, nicht auf die der Kunst. Mit dieser haben die Zeiten ihr gedient, je nach ihrer besonderen Weise. Wenn die griechisch-orthodoxe Kirche diesem Grundsatze nicht folgte, wenn sie für die Kirche künstlerischen Stillstand durch Wiederholung einmal für heilig erklärter Bilder forderte, so gelang ihr dies nicht in der Hauptsache, in der architektonischen Gestaltung, wohl aber in der Malerei. Aber der Sieg, den sie erfocht, scheint mir für die Kirche kein Segen, für die Kunst ein schweres Hemmnis geworden zu sein. Denn sie schaltete das lebendige Leben der Gläubigen, die selbständige Äußerung des Kunstgeistes, dieses Gebet der Schaffenden, aus.
        Geschmack ist nach Kant der sensus communis aestheticus die Übereinstimmung Vieler, Aller in schönheitlichen Fragen bei der Beurteilung eines Gegenstandes durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen. Andere haben ihn als die Fähigkeit bezeichnet, das Schöne vom Häßlichen zu unterscheiden, als ein Werturteil über Dinge von deutlich bestimmter Richtung. Aber überall hapert es mit der Übereinstimmung im Geschmacksurteil. Will man diese annehmen, so kommt man in ungezählten Punkten zu einem Absprechen oder Zuerkennen des richtigen Geschmackes am Urteilenden, je nachdem, ob seine Äußerungen mit unserem Geschmack oder dem einer Mehrheit übereinstimmen. De gustibus non est disputandum, über Geschmacksachen läßt sich nicht streiten. Streiten kann man in Dingen, in denen sich Recht von Unrecht trennen läßt. Aber das Schöne ist eben nicht logisch zu erfassen, die Freude an ihm, die Ablehnung des Häßlichen erfolgt aus Gefühlsregungen, die durch Gründe nicht greifbar sind. Jeder erlebt, daß Dinge die ihm heute gefielen ihm, morgen nicht mehr behagen, und umgekehrt. Sein Werturteil ändert sich, nicht weil er selbst vom guten zum schlechten Geschmack umsattelte, sondern weil er ein Anderer geworden ist und ihm nun das seinem veränderten Wesen Entsprechende gefällt. Wir können nicht Anderen oder unserem früheren Ich den gesunden Menschenverstand absprechen, weil wir mit ihm nicht in Geschmacksachen übereinstimmen, ebenso wie wir uns verbitten, daß man uns den Verstand abspreche.
        Geschmack ist das Erzeugnis einer Erziehung, die uns durch das ganze Leben umbildend begleitet. Wer sich über das Wesen des Geschmackes unterrichten will, tut gut, seine Gedanken zunächst nicht auf die Werke der hohen Kunst zu richten, sondern auf die alltäglichen Äußerungen des Geschmackswandels, also auf das, was wir Mode nennen. Diese ist nirgends klarer zu beobachten, als in der menschlichen Kleidung, namentlich jener der Frauen. Denn diese beschäftigen sich mehr mit der schönheitlichen Form ihrer Kleidung, sind unermüdlich am Werke, diese zu ändern, in der Absicht sie zu verbessern, ihren Geschmack an ihr zu betätigen. Da sieht man mächtige Strömungen nicht nur über die Stadt, das Land, sondern nahezu über die ganze zivilisierte Erde schreiten, die den, der den Wahn hat, erhaben über ihnen zu stehen, doch mit sich fortreißen, selbst wenn er im eigenen Kleide sich ihnen nicht anschließt, ja wenn er die Modeausschreibungen heftig zu bekämpfen sich berufen fühlt. Er merkt, bald an der Unfruchtbarkeit seiner Bemühungen, daß er da nicht gegen vereinzelten bösen Willen, sondern gegen eine unwiderstehliche Macht kämpft, gegen eine Führung der Geister, deren Führer nicht zu erkennen ist; gegen einen geheimen Willen, der von keinem Einzelnen ausgeht und dessen Einfluß abzulehnen Anderen nicht leicht zuzumuten ist. Moden sind ein Zeitausdruck, über den der das neue Kleid Tragende nur sehr beschränkte Macht besitzt.
        Denn es gibt kein Kleid, selbst keine Amtstracht, die nicht aus Mode hervorging, und es fragt sich nur, ob man die Mode von heute ablehnen, oder bei einer vor zwei, vor zwanzig oder vor zweihundert Jahren gültigen beharren will. Ist es doch z. B. nicht schwer, die "Nationalkostüme", die Bauerntrachten, auch die der Geistlichen auf jene Zeit zurückzuführen, aus denen ihre Eigenart stammt. Wer die Trachtenkunde beherrscht, erkennt ohne viel Mühe, welchem Jahrhundert eine bestimmte Form der Kleidung entlehnt ist. Und zwar deutet sie meist auf höchstens zwei bis drei Jahrhunderte zurück. Die Mode "macht" auch Niemand, sie "kommt!" Auch die vornehmste Frau läßt sich ihr Kleid nicht aus einem Stoff herstellen, dessen Muster sie selbst entwarf, wählt keine Farbe, die nicht vorher irgendwo ein Farbenchemiker herstellte, führt ihre Geschlechtsgenossinnen nicht zur Nachahmung ihrer eigenen Tracht, wenn nicht tausend fleißige Hände jahrelang vorher die Mittel schufen, die die Mode braucht. Denn es heißt dann die Anforderungen von Millionen Käuferinnen zu befriedigen. Diese können ja nur das anschaffen, was der Kaufmann auf Lager hat; und der Kaufmann kann nur das den Kunden vorlegen, was lange vorher die Webereien schufen; und die Weberei kann nur das herstellen, was der Musterzeichner und ihre sonstigen Hilfskräfte vorher entwarfen. Da spielen vielerlei ineinandergreifende Kräfte mit, die aber ihrerseits nur das durchsetzen können, was "gefällt", d. h. was dem von ihnen vorher zu erforschenden Gange der in ständigem Wandel befindlichen Geschmacksrichtungen entspricht. Mode entsteht also aus der Führung der Modeindustrie, die mit feinem Gefühl den Geschmack auf ihre Bahnen zu lenken versteht, indem sie die Richtung voraus erkennt, die er in naher Zukunft machen wird. Indem die Industrie dem Geschmackswandel folgt, beherrscht sie ihn, lenkt sie ihn in ihre Bahn.
        Das, was im täglichen Leben Mode heißt, nennen wir, auf die Kunst übertagen, Stil. Hierunter versteht die Kunstgeschichte die Übereinstimmung des Werkes mit dem Zeitempfinden oder mit den Anforderungen des Stoffes, aus dem das Werk gebildet ist. Man redet daher von einem Zeitstil und einem Materialstil. Die Aufgabe, die während des 19. Jahrhunderts die Kunstgeschichte beschäftigte, bestand im wesentlichen darin, die Zeitstile zu erforschen, und zwar nicht nur die in Deutschland zur Herrschaft gelangten, sondern die aus aller Welt. Galt um 1800 fast nur die Antike als wahre Kunst, so daß man in der Nachahmung dieser das Heil alles zeitgenössischen Schaffens erblickte und daher Kirchen wie Bethäusern, Theatern wie Schlössern die Formen griechischer und römischer Tempel aufnötigte, so folgte bald ein geschichtlicher Stil nach dem anderen, nordische Gotik, italienische Renaissance, Barock und Rokoko in der Aufnahme in der als "gut" bezeichneten Stile, ja sie erstreckte sich auf japanische und islamische Formen, endlich bis zur Erkenntnis des Wertes dessen, was man Volkskunst nannte, also auf das Schaffen der großen Menge, und sogar auf die Kunstäußerungen auch der "Wilden". Das heißt also: Unzählige Dinge, die man durch Jahrhunderte oder in weiten Teilen der Welt als abschreckend häßlich angesehen hatte, betrachtete der Kunstgelehrte mit Teilnahme, ja mit Liebe; sie waren ihm zu einem Schönen geworden, für dessen Anerkennung als solchem er lebhaft eintrat. Und die Künstler folgten ihm auf diesem Wege. Heute berufen sich viele hinsichtlich des Wertes ihrer Werke und deren Anspruch auf Schönheit auf die Kunst der "primitiven" Völker, selbst auf die von Negern, weil sie in deren Erzeugnissen eine unmittelbarere Äußerung der Empfindung erblicken, als bei jenen Völkern, deren Werke auf eine lange Schulung ihrer Schaffenden zurückgehen.
        Diese Vorgänge lehren, daß die Übereinstimmung im Geschmack aller mit Verstand Begabten eine unerfüllbare Sache ist. Der Japaner wird seine Kunst für besser halten, zum mindesten für sich und sein Volk geeigneter finden, wie etwa die griechische; der moderne Europäer sucht leidenschaftlich nach selbständigem Ausdruck seiner Gedanken; und der vielseitig gebildete Kunstgelehrte wird Werturteile nur in dem Sinne zu geben versuchen, ob ein Werk innerhalb seines Stiles die Zeitstimmung mehr oder weniger stark ausgeprägt zeigt. Er sucht im Werk den schaffenden Meister, er sucht ihn und die Bedingungen seines Schaffens zu ergründen und das Erreichte am Gewollten zu messen. Er will aber nicht das zeitlos Schöne, d. h. das allen Zeiten Gefallende erwarten. Denn Jahrhunderte hindurch wurde die Kunst der Griechen so wenig geachtet, daß man ihre Werke verfallen ließ oder absichtlich zerstörte; und Jahrhunderte hindurch galten die Dome des Mittelalters als geschmacklose Anhäufungen krausen Ornaments. Es gibt keine Kunst, die allezeit gefallen hätte: Fragt einen jungen modernen Künstler unserer Tage, was er von Rafael halte, und redet mit ihm über die Gründe, die er für die Ablehnung von dessen Kunst hat: Vielleicht überzeugt er euch nicht, aber ihr werdet ihm den gesunden Menschenverstand nicht absprechen können. Das heißt: Die tiefere Erkenntnis vom Wesen verschiedenartigster Kunst und die genauere Beobachtung der zeitgenössischen Kunstbewegung hat gelehrt, daß eine Übereinstimmung des Geschmackes nie bestand und daß sie in einer geistig hoch stehenden Zeit nicht bestehen kann. Erzählt uns doch die Geschichte der Kunst dort, wo die Quellen einen genaueren Einblick gestatten, vom heißen Kampf der Führer in Geschmacksfragen, der Künstler. Längst haben wir erkannt, daß diesem Kampfe kein endlicher Friede beschieden ist, daß dieser wohl zwischen den einzelnen Menschen, nicht aber zwischen anstrebenden Geistern hergestellt werden kann. Damit schwinden denn auch Geschmacksurteile, wie die vom Erblühen und vom Verfall einer Kunst, denn jede Kunstbewegung trägt diese beiden Elemente in sich. Es setzt sich ein Neues an Stelle des Alten, weil eben die Geschmacksübereinstimmung nicht vorhanden war. Auch darüber, ob man sich im Aufstieg oder im Verfall befinde oder darüber, wie ein Nachlebender auf Grund des "historischen Abstandes" einen Zeitabschnitt zu beurteilen habe, fehlt uns das Urteil; hier scheitert selbst die "Objektivität" der Wissenschaft.
        Der Wechsel im künstlerischen Schaffen, im Stil, ist ja nicht die Folge eines bösen Willens, einer eigenwilligen Schwäche, eines Versagens der Kraft; sondern er entwickelt sich aus psychologischen Gründen, ebenso wie in der Mode, denn diese kommt nicht von ungefähr, sie vergeht auch nicht grundlos. Hat der Geschmack eine Anordnung erfaßt, ist sie ihm zum Schönen geworden, so werden die Möglichkeiten ausgespürt, um sie fortzubilden. Wir wissen, daß dies bald zu Übertreibungen führt. Man denke nur, wie das weitfaltige Frauenkleid sich zur Krinoline entwickelte – um von neuzeitigen Modevorgängen nicht zu sprechen. Die Lust am Neuen, am Selbständigen betätigt sich an der Anordnung, bis sie zu ihren letzten Folgerungen gebracht ist. Wenn aber nichts Neues mehr mit ihr anzufangen ist, wenn sie in ihrer Weise zur Vollendung geführt ist, so bricht die Anteilnahme an ihr jäh ab. Dann tragen nur die in ihrem Fortbildungsdrange Erschlafften die alte Kleidform weiter, solche, die den Hohn der Modernen auf sich lenken: Seht dort, Frau X trägt das Kleid auch heute noch, in dem sie voriges Jahr uns so sehr gefiel – wie unmodern, wie häßlich! Und daneben steht ein Künstler, der einst mit vollen Segeln im Fahrwasser der Moderne fuhr und jetzt bei seinen Jugendidealen verharrt – ein abgetaner Mann: denn das, was er erstrebte, ist längst von anderen erreicht, sein Schaffen erscheint den neuen Zielen Zustrebenden als zwecklos, sein Werk als veraltet, seine Kunst als erledigt.
        Hundertfach ist das Schicksal führender Künstler erzählt worden. Sie treten mit einer neuen Auffassung dessen, was von der Kunst zu fordern sei, auf, sie schaffen Dinge, die den das Alte Gewöhnten peinlich überraschen. Denn sie erscheinen ihm geschmacklos, häßlich – das heißt aber doch nur, dem Geschmack des Beschauers widersprechend. Die älteren Künstler, die andere Wege wanderten, verurteilen die neue Kunst als "falsch", als Abfall vom "Ideal", d. h. vom alten Ideal, das als das einzig berechtigte beweislos hingenommen wird. Die Ästhetiker hatten freilich bewiesen, daß jenes Ideal das richtige sei, und sie beweisen nun, das Neue sei ein Irrtum Der "hypermoderne" Künstler findet auf der ganzen Front heftigen Abscheu, schwerste Verurteilung. Regen sich in der Öffentlichkeit für ihn günstige Stimmen, so klagt man über die der Reklame zugängliche Kritik. Der Kampf setzt ein. Nach zehn Jahren ist der Sieg der neuen Kunst erfochten, nach zwanzig Jahren schütteln die stets weiser sich dünkenden Nachlebenden den Kopf darüber, daß man sich einst über Selbstverständlichkeiten erhitzte. Die neue Kunst ist ja nun auch wieder durch die neueste verdrängt. Die Größe eines Meisters erkennen wir in der Macht, mit der er den Geschmack seiner Zeit umwandelt und an der Dauer seines Einflusses.

Kunst und Wissenschaft.
        Kunst ist nicht Glaube und nicht Wissenschaft. Es gibt in ihr keine Hierarchie und keine Unrichtigkeit im Sinne der Logik. Theologie und Philosophie bieten keine rechte Handhabe zum Verstehen künstlerischer Fragen. Ihr gegenüber haben wir nur eine Macht, nämlich die Fähigkeit, uns an sie auszugeben, und damit sie in uns aufzunehmen. Man tritt vor das Kunstwerk wie vor einen Fürsten, indem man wartet, ob es uns anrede. Und erst wenn es dies tat, lernen wir es verstehen. Wer nie die Überlegenheit des Kunstwerkes über uns, die Betrachtenden, erlebte, wer nie ergriffen von seiner Gewalt vor ihm stand, selbst sprachlos, aber voll inneren Schauens, der ist nicht auf dem Wege, aus Kunst den wahren Vorteil zu ziehen: zu erkennen, daß sie das Mittel ist, unseren Geschmack zu schaffen, nicht aber Gegenstand der Prüfung durch unseren Geschmack. Man vergesse nie, daß man sich beim Betrachten eines Kunstwerks in Beziehung zu einem Schaffenden stellt, einem Mann meist von höherer Einsicht in Kunstfragen, wie es der Betrachter ist – und daß die Frage an das Kunstwerk nicht heißen soll: Wie gefällst du mir? sondern umgekehrt: Inwieweit bin ich befähigt, dich zu verstehen? Es ist nicht eine einseitige Prüfung, der das Kunstwerk unterliegt, wie dies wohl mancher, Kritiker sich einbildet, sondern es wird ein Verhältnis zwischen Kunstwerk und Beschauer hergestellt, bei dem freilich der Beschauer zunächst das Wort hat, ein Wort, das aber bald genug auf seinen Wert geprüft wird. Nach wenig Jahren erscheint der höhnende Kritiker als eine lächerliche Gestalt, weil er ein über seinem Erkennen Stehendes aus geistigem Unvermögen für minderwertig erklärte. Er urteilte nach seinem Geschmack.
        Aus all diesen Gründen mögen sich die Kirchenverwaltungen jene Ästhetiker vom Halse halten, die erklären, die "ewigen Gesetze des Schönen" zu kennen. Es mögen sehr wohlmeinende und sehr gelehrte Leute sein, aber ihre Wissenschaft reicht nicht aus zum Beurteilen des Schönen. Namentlich jene sind gefährlich, die eine sogenannte "normative Ästhetik" treiben, eine solche, die der Kunst Gesetze vorschreiben will. Noch gibt es kein solches, wenn man nämlich unter Gesetz eine Willensforderung versteht: Du mußt oder sollst, wenn du nicht Strafe haben, unvernünftig denken, wirken, schaffen willst! Die Kunst muß nichts sollen und soll nichts müssen. Man kann Forderungen an das einzelne Kunstwerk stellen: Es soll auf dem Altar stehen, es soll diesen oder jenen Gedanken etwa im Sinne des Tridentiner Konzils darstellen, es soll auf die Gemeinde eine bestimmte Wirkung ausüben, belehrend, zum Gebet anreizend, Stimmung verbreitend – aber das alles sind nicht Gesetze der Kunst, sondern Anforderungen der das Werk Bestellenden oder Betrachtenden. Ein ehrlicher Künstler lehnt die Ausführung des Kunstwerkes ab, wenn solche Anforderungen seinen schöpferischen Willen beeinträchtigen. Aber sie berühren nicht eigentlich diesen Willen, der auf Sichtbarmachung eines innerlich Erschauten gerichtet ist, auf Äußerung eines Empfundenen mit der Absicht der Übertragung auf Andere.

Der Wert alten Kunstbesitzes.
        Die Kirchenvorstände mögen sich allezeit des Umstandes bewußt sein, daß sie Verwalter eines Erbes sind: nicht selbst Erben, sondern Vorerben, die das Gut einem Nacherben zu überliefern haben. Die Kirche ist gebaut und mit vielerlei Dingen ausgestattet, nicht damit sie denjenigen allein diene, die all dies schufen, sondern mit dem Willen, daß nicht nur das lebende Geschlecht Gott die Ehre erweise, sondern auch alle Kommenden. Diese erben das Gut mit der Auflage, daß sie es zu erhalten haben. Und wenn eine Gemeinde einem Wohltäter der Kirche ein Denkmal in der Kirche aufstellte, so tat sie das, um von diesem der Nachwelt Kunde zu geben. Sie verpflichtete also diese zum Erhalten der Dankesbekundung durch die Aufwendung, die ja auch den Nachlebenden zugute kommt. Ein schlechter Erbe der, der zwar das hinterlassene Gut annimmt, den Geber aber vergißt und sein Gedächtnis verfallen läßt, die mit dem Gute übernommene Verpflichtung nicht durchhält.
        Es kommen Kunstverständige in die Kirche, die deren Verwaltung anklagen, weil sie in dem schönen Bau Dinge dulde, die nicht hineinpassen, die vielleicht einen anderen Stil haben oder an sich unschön sind. Es ist namentlich in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Zeit, in der man Stilübereinstimmung in allen Teilen des Baues als ästhetische Forderung aufstellte, grausam in den Kirchen durch die damaligen Kunstverständigen gehaust worden, ein Tun, dessen man sie jetzt bitter anklagt. Denn es kamen die Zeiten, die das Schaffen dieser Künstler als ebenso verkehrt wie ihr Verhältnis zur älteren Kunst bemängelten und in denen der Wunsch auftauchte, das Ältere wieder in die Kirche hineinzutragen, wenn es noch aufzufinden sei, oder es durch neuere Nachahmungen zu ergänzen, dagegen aber die Kunst jener ästhetischen Bilderstürmer wieder aus den Kirchen herauszunehmen. Das hieße den Kirchen den ehrfurchtgebietenden Zug der Geschichtlichkeit nehmen und sie zum Kampfplatz der Stile, endlich der Kunstmoden machen: Wenn Ihr zur Ansicht gekommen seid, daß Eure Väter künstlerische Fehler machten, so ertragt sie nicht nur um der Väter, sondern auch um der Enkel willen, damit nicht auch diese Euer Tun als fehlerhaft wieder vernichten. Laßt die Zeiten gewähren, soweit es ihnen einst um ihr Tun ernst war, und kämpft nicht mit den Toten!
        Der Wert des in der Kirche Befindlichen ist sehr verschieden: Da spricht zunächst der Alterswert. Der "praktische" Mann schätzt diesen wenig. Er bevorzugt das Neue. Denn die Zeit wirkt schädigend auf jedes Gebilde von Menschenhand, es verfällt. Es wird daher weniger verwendbar, weniger geschickt zur Erfüllung seines Zweckes. Leicht taucht der Gedanke auf, es durch Neues zu ersetzen, das dem Zwecke dienlicher gestaltet werden soll. Auch haben die Zwecke sich geändert. Soll man Altes, seinem Zwecke nicht mehr vollständig Entsprechendes, Gebrechliches erhalten, nur weil es alt ist? Soll man sich um diese Erhaltung bemühen, wie man sich etwa um die Lebenserhaltung eines gebrechlichen Greises bemüht? Es wird nicht immer leicht sein, die Ansichten der Gemeinde dahin umzustimmen, daß sie auf diese Frage mit Ja! antworte.
        Der Alterswert wird aber trotzdem als bestehend anerkannt. Man frage in einer Stadt, einem Dorfe nach der Kirche. Man wird mit jenem Tone, mit dem man rühmend den überalten Mann erwähnt, auch vom Alter des Gotteshauses als eines ehrwürdigen Denkmales sprechen hören. Man wird finden, daß Alter auch einen gewissen Geldwert verleiht, daß der Händler sich um das Alter der von ihm zu kaufenden Waren kümmert und daß die Wissenschaftler größeren Anteil am Alten nehmen als am Neuen – meist auch die Künstler.
        Wenn die Zeit die Denkmäler zerstört, so erwächst daraus den erhaltenen die Eigenschaft der Seltenheit. Wer ein Denkmal beseitigt, erhöht mithin den Wert der verwandten, an anderer Stelle erhaltenen. Der Sammler liebt seine "unica", seine "rara" mehr als die schönsten, aber häufig vorkommenden Stücke. Das echte Kunstwerk erhält seinen Sammlerwert auch dadurch, daß es eben ein Werk von der Hand eines bestimmten Meisters ist und als solches das Einzige seiner Art. Maler, die sich selbst kopieren, entwerten damit die Wiederholungen wie das Urwerk.
        So gibt das Alter dem Gegenstand idealen wie realen Wert. Der Gelehrte vermag aus ihm seine Schlüsse zu ziehen. Gewiß ist ein Gestühl im Schiff einer katholischen Kirche keine Seltenheit, ich meine das für die Kirchgänger, nicht das für den Klerus bestimmte. Wenn aber eine Kirche noch ein Stück Laiengestühl aus dem Mittelalter besitzt, so mag sie es sorgfältig bewahren, denn sie besitzt dann eine Rarität, die dem Studium der Entwicklungsgeschichte der Ritusformen ebenso wie dem kirchenbauenden Architekten von Wert sein wird.
        Besitzt die Kirche etwa Grabdenkmäler, so werden die neuen unter ihnen der Gemeinde wert sein um der Menschen willen, denen sie gesetzt wurden und die in ihrer Erinnerung nachleben; ältere wird die Gemeinde achten, weil die Ortsgeschichte sie die Bedeutung des Geehrten lehrt, oder weil sie sich an der künstlerischen Form erfreut. Aber mit dem Abstande jedes weiteren Jahrhunderts tritt eine veränderte Wertbemessung ein. Ein gotisches Denkmal wird der Kunstgelehrte aufsuchen, ein romanisches wird im Reisehandbuch vermerkt werden und ein solches aus der Frühzeit deutscher Kunst – wenn ein solches aufgefunden wird – lenkt die Aufmerksamkeit der weitesten Kreise auf sich: Es ist ein Schatz, den zu bewahren die Kirche stolz sein wird und den zu vernichten ihr zu steter Schande gereicht. Denn damit verschwand eine wertvolle Geschichtsurkunde, die nicht mehr der Kirche allein gehört, sondern die einen geistigen Besitz der Allgemeinheit darstellt – gleichviel ob sie Kunstwert hatte oder nicht. Draußen auf dem Felde findet der Pflüger allerhand Topfscherben, plumpe Arbeiten mit kindlichen Verzierungen. Er wirft sie als wertlos beiseite, bis er darüber belehrt wird, sie seien viele tausend Jahre alt, bis Sachkundige ihm sagen, daß die Wissenschaft große Sorgfalt auf die Erforschung dieser Dinge verwendet, daß ein starker Altertumswert in ihnen stecke. Die Gelehrten werden sich in der verschiedensten Weise mit diesen Dingen beschäftigen und sie aufs Genaueste untersuchen. Da hängt im Turm eine Glocke, bisher unbeachtet: Man hat festgestellt, daß sie aus dem 12. Jahrhundert stammt. Der eine will wissen, welches die Metallegierung ist, der andere erforscht den Ton, der dritte die Spruchformel der Inschrift, der folgende die Form der "Rippe" und der Buchstaben, die Gußtechnik usw. Jeder will, um nicht in Fehler zu fallen, den Gegenstand selbst sehen – und hat ein geistiges Recht dazu, das über dem Verfügungsrecht des derzeitigen Verwalters des Besitzes hinausgeht. Darin besteht ja die rechtliche Grundlage jedes Denkmalschutzgesetzes.
        Das Alte ist also zu erhalten, solange in ihm nach irgendeiner Seite der geistige Wert steckt, der für uns im Neuen nicht verborgen liegt. Aber was von unserem Werk in Jahrhunderten übrig sein wird, wird eben dann auch die Ehren des Alters genießen.
        Dazu kommt der Stimmungswert. Wer hat nicht einmal einer Versteigerung beigewohnt, in der der Nachlaß von uns ganz Unbekannten veräußert wurde. Wir sehen da alte, veraltete Geräte, wohl auch allerhand Plunder. Wir sehen aber zugleich, daß im Kreise dieser Dinge ein Mensch gelebt, Glück und Leid empfunden, gezweifelt und gehofft hat, daß ein geheimnisvolles Etwas an den Dingen hängt, gerade an den Zeichen ihrer Abgebrauchtheit, was auch die vornehmste Ausstattung ihnen nicht geben kann und was den Räumen der Fürstenschlösser so oft fehlt, ein erwärmender Zug, der von einem schlagenden Herzen kommt und zum Herzen spricht. Nicht jeder empfindet es so, nicht der Versteigerer und die sich andrängenden Berufskäufer. Sie lachen über die "Sentimentalität" der Anderen. Sie sind solche Eindrücke gewöhnt. Aber doch packt sie gelegentlich die Empfindung, daß es schade sei, wenn geistig Zusammengehöriges auseinander gerissen wird. Und jeder von uns empfindet das wohl, wenn er aus der gewohnten Umgebung ein viel benutztes Stück hergeben soll. Und es sind nicht die Schlechten, die Schwachen, die Rohen, die sich an die sie umgebenden Dinge hinzugeben wissen, so daß sie mit ihnen geistig verwachsen. Der Mann mit starkem Heimatsgefühl, mit dem Sinne für Haus und Hof, für Sippe und Vaterland wird auch der Kirche näher stehen als die Empfindungskalten. Der Pfarrer wird in ihm einen Helfer erblicken. Denn auch um die in der Kirche alt gewordenen Gegenstände weht, für jede empfindende Seele deutlich erkennbar, wenn auch nicht sinnlich faßbar, die Erkenntnis, daß all das oft so bescheidene Gerät nicht durch ein Menschenleben, sondern durch viele Geschlechter einer größeren Gemeinschaft als gewohnter, aber doch besonderen höheren Zwecken geweihter Besitz gegolten hat, daß auf den Bänken die Ältesten der Gemeinde saßen, als die Großeltern in kindlicher Scheu zum erstenmal in die Kirche geführt wurden, daß am Taufstein durch Jahrhunderte an Tausenden dieselbe Feier sich vollzog, daß um Altar und Kanzel dieselbe weihevolle Stimmung durch die Zeiten wehte. Es ist nicht mehr ausschließlich die sakramentale Bedeutung, sondern eine zweite, die auf Empfindungswerten beruht. Dem Pfarrer, der immer wieder die geistlichen Handlungen auszuüben hat, mag es nicht immer leicht sein, diese Stimmung in sich selbst zu bewahren. Aber er wäre ein schlechter Seelsorger, wenn er sie nicht in seiner Gemeinde zu erhalten suchte und durch sie die Liebe zum Gotteshaus. Denn er würde damit sich einer starken Stütze in der Seelsorge berauben.
        Es kommt weiter hinzu der Handelswert, der auf der Kostbarkeit des Stoffes beruht. Die Kirchenverwaltung mag sich Rechenschaft darüber legen, ob sie in der Lage ist, einen Gegenstand in ihrem Besitz zu behalten, der nur um dieses Wertes willen zu schätzen ist; ob nicht der Kaufertrag besser verwendet werden kann, mehr im Geist werktätiger Liebe, wenn der Gegenstand nicht zugleich Kunstwert besitzt.
        Wohl der Kirche, die solche Gegenstände besitzt in Gold, Silber oder anderen wertvollen Stoffen, die sich durch mehrere Wertarten auszeichnen, durch ihr Alter, die von ihnen ausgehende Stimmung und hohe Kunstvollendung. Auf ihnen ruht das Auge der kirchlichen und staatlichen Behörden wie der Öffentlichkeit als auf einem der Allgemeinheit geistig Zugehörigen. Selbst in schwersten Zeiten ist dieses Gut, dies kostbarste Erbe der Vergangenheit für seinen Zweck und an seinem Ort zu bewahren.
 

II. Die Organe der kirchlichen Denkmalpflege.

Der Pfarrer und die Denkmalpflege.
        Die Wahl eines Geistlichen in sein Amt erfolgt nicht nach dem Grundsatz, daß er als Kunsthistoriker oder Denkmalpfleger ausgebildet sei. Er hat vielleicht in der Zeit seines Studiums über diese Gebiete Vorträge gehört, hat sich am Seminar seines Professors beteiligt – aber dies ist nicht der Grund der Wahl gewesen, durch die er an diese oder jene Stelle gekommen ist. Sein Amt fordert von ihm Eigenschaften, die in diesem wesentlicher und wichtiger sind, als ein Kunstverständnis, das über das Maß des einem gebildeten Manne Zuzumutenden hinausgeht. Dessen wollen wir uns jederzeit klar sein. Denn hieraus folgt zweierlei: Der maßgebende Einfluß des Pfarrers auf seine Gemeinde soll sich auf seiner Eigenschaft als Theologe, als Seelsorger aufbauen, hier soll er im Rate die entscheidende Stimme haben. In Fragen der Kunstpflege aber soll er, ohne sich dabei der eigenen Meinung zu entäußern, auf diejenigen hören, die in diesen Dingen sachverständig sind. Und seine Meinung wird er dort überall geltend machen müssen, wo es sich um die Pflege des dem Pfarrer anvertrauten materiellen Gutes der Gemeinde handelt und wo die Kunstfragen die theologische Seite berühren, also, wo sich etwa Unkirchliches, den theologischen Anschauungen Widersprechendes oder doch ihnen nicht Angemessenes in die Kirche einschleichen will, wenn also die Kunst die seelsorgerische Tätigkeit zu berühren beginnt. Der Pfarrer hat die Rechte eines für das Heil der Seinen besorgten Hausvaters zu wahren und in dieser Hinsicht die Gemeinde zu vertreten, indem er sich mit dieser und zugleich mit den vorgesetzten Behörden ins Einvernehmen setzt. Er soll aber auch, um auf die Seelen seiner Gemeinde wirken zu können, an dem Leben des Volkes, in das ihn Geburt und Amt gestellt hat, teilnehmen. Als Seelsorger muß er die seelischen Kämpfe seiner Zeit verstehen. Er soll ein Führer zum Guten sein, und das Gute steht dem Schönen so nahe! Er soll also auch das Kunstleben seiner Zeit auf sich wirken lassen, wie dies eine Forderung an Jedermann ist. Und daher soll er sein Kunsturteil unter strenge Selbstzucht nehmen.
        Um die Denkmalpflege ordnungsgemäß betreiben zu können, ist es nötig, zunächst die staatlichen und kirchlichen Einrichtungen kennen zu lernen, die dieser dienen.

Die staatliche Denkmalpflege.
        Gering war bisher der Einfluß des deutschen Reiches auf die Denkmalpflege. Zwar erwähnt das Strafgesetzbuch für das deutsche Reich die kirchlichen Denkmäler gelegentlich; doch ohne daß dabei diese anderen Denkmälern gegenüber besondere Rechte genössen. Es schützte sie durch Strafandrohung gegen den Verbrecher, der sich an ihnen vergreifen, sie beschädigen, zerstören oder entwenden will. Anders der Staat. Die Pflege ist nach seinen Anordnungen Sache des Eigentümers, und dies war nach verschiedenen Rechtsauffassungen die Kirche, oder der Staat, auch als Privateigentümer, oder die Gemeinde, oder auch der Stifter, der sie der Gemeinde zum Nutznieß überlassen hatte. In hervorragender Weise ist somit die Denkmalpflege an die mit besonderem Rechte ausgestatteten Kirchengesellschaften verwiesen, Körperschaften des öffentlichen Rechtes, denen das Recht der Besteuerung ihrer Mitglieder zusteht. Ihre Gotteshäuser, die allein Kirchen, nicht bloß Bethäuser genannt werden, geniessen die Vorrechte der öffentlichen Gebäude. Der Staat leistet namentlich dort, wo er Patron ist, wesentliche Beiträge zu ihrer Erhaltung. Als solcher hat er ein besonderes Aufsichtsrecht, namentlich hinsichtlich der Vermögensverwaltung; aber zugleich eine nicht unbedeutende Beitragspflicht zu den Verwaltungskosten. Die Verhältnisse liegen in den Ländern und Provinzen sehr verschiedenartig. Es ist nicht die Aufgabe dieses Buches, die Leistungen des Staates für die Kirche und die eigenen Leistungen der Kirche gegeneinander abzuwägen, da ja diese Verhältnisse eben jetzt in allen deutschen Gebieten ins Schwanken gekommen sind und der Neuordnung entgegengehen.
        Die allgemeine Richtung der Gesetzgebung geht dahin, das Recht der Öffentlichkeit auf Erhaltung alter Kunstwerke festzusetzen, unter Umständen auch im Gegensatz zu den Besitzrechten des einzelnen. Es handelt sich also um die Anerkennung des Rechtes der Öffentlichkeit auf den historischen und künstlerischen Besitz des Volkes. Das aus einer fernen Vergangenheit Ererbte ist ein Besitz weitester Kreise geworden, da es ein Stück der Geschichte der Stadt, des Landes ausmacht. Es soll dem tatsächlichen Besitzer verwehrt werden können, es zu verändern oder zu beseitigen, denn er raubt damit der Öffentlichkeit einen wertvollen geistigen Besitz.
        Dies gilt auch von den Kirchen. Sie sind Denkmäler im Sinne der Gesetze, wenn sie künstlerische oder geschichtliche Bedeutung haben. Und welche ältere Kirche hat das nicht! Sie gehören also nicht ausschließlich dem jeweiligen rechtlichen Besitzer, sondern je größer ihr ideeller Wert ist, desto mehr Anspruch hat die Allgemeinheit auf ihre Erhaltung. Wenn es niemandem verargt wird, sein Haus zu verändern, sobald er dies will und sobald er nicht Neues schafft, was dem Orte zur Unzierde gereicht, so wächst seine Verpflichtung gegen die Allgemeinheit mit der Bedeutung des Baues. Der Vorstand einer Kirche, der an dieser Änderungen vornimmt, tut dies unter der Verantwortung nicht bloß vor den kirchlichen Obern und der Gemeinde, sondern vor der ganzen Welt: Beschädigt die Änderung den Bau in seinem künstlerischen und geschichtlichen Wesen, so darf man sich nicht wundern, wenn von rechtlich am Bau gar nicht Beteiligten heftige Vorwürfe erhoben werden: denn es ist vielleicht das materielle Gut am Denkmal erhöht, das ideelle aber gemindert worden. Und eine solche Handlung steht der Kirche am wenigsten an.
        Um Vorwürfen zu entgehen, soll eine Kirchenverwaltung sich Kenntnisse darüber verschaffen, welches die Mittel sind, um Rat einzuholen. Hierin wird sie vor allem die Aufsichtsbehörde beraten. Auch sie ist ihrem Wesen nach nicht kunstverständig, wohl aber meist in der Lage, den Weg anzugeben, der mit Erfolg einzuschlagen ist. Denn in fast allen Staaten bestehen Denkmalämter und durch diese bestellte Denkmalpfleger, deren Amt die Beratung der Besitzer der Denkmäler ist. Es sei dabei gleich hier bemerkt, daß fast überall der Zweck dieser Ämter ein gemeinnütziger ist, daß die Beratung mithin kostenfrei erfolgt und daß die Ämter zumeist mit den staatlichen und kirchlichen Behörden in engem Verkehr stehen. Es wird also eine Anfrage bei diesen Ämtern oder der Hinweis auf diese in den an die Oberbehörden gerichteten Gesuchen dem Kirchenvorstande manche Weiterung ersparen.

Die Denkmalämter.
        Es wird von den Vorkehrungen zu sprechen sein, die der Staat zur Pflege nicht nur der in seinem Besitz befindlichen, sondern der kirchlichen wie weltlichen Denkmäler überhaupt veranstaltete und die im wesentlichen zum Zweck haben die Beratung und Unterstützung der Besitzer von Denkmälern bei deren pflegsamen Erhaltung und bei sich notwendig machenden Erneuerungen und Veränderungen. Diese Stellen sind zugleich Mittler zwischen den Besitzern und den zu berufenden Künstlern für die Ausführung des als notwendig Erkannten.
        Die Ämter, die sich mit Denkmalpflege zu befassen haben, sind in fast jedem Lande anders organisiert. Baden hat drei Konservatoren für weltliche öffentliche und kirchliche Denkmäler, Bayern ein Generalkonservatorium der Kunstdenkmäler und Altertümer, Braunschweig einen Ausschuß für Denkmalpflege, Hessen Denkmalpfleger für Altertümer, für Baudenkmäler und bewegliche Gegenstände des Mittelalters und der Neuzeit und einen Denkmalrat sowie ein Denkmalarchiv, Mecklenburg-Schwerin eine Kommission zur Erhaltung der Denkmäler, Preußen einen Generalkonservator der Kunstdenkmäler und Provinzialkommissionen für Denkmalpflege je mit einem Konservator; den Ämtern für die Provinz Sachsen ist Anhalt angeschlossen. Sachsen hat ein Landesamt für Denkmalpflege, Thüringen eine Kommission zur Aufzeichnung der Kunstdenkmäler Thüringens. Württemberg ein Konservatorium vaterländischer Kunst- und Altertumsdenkmale, Österreich eine Zentralkommission für Denkmalpflege und ein Staatsdenkmalamt, die Schweiz genossenschaftliche Organisationen für Kunstpflege und Denkmalschutz. Die Aufgabe aller dieser Ämter ist ungefähr die gleiche: Begutachtung und Raterteilung bei allen die Erhaltung und Umgestaltung der Denkmäler betreffenden Fragen, Unterstützung der in dieses Gebiet fallenden Arbeiten durch Bewilligung in eigener Verwaltung stehender Mittel oder durch Antrag bei der staatlichen Oberbehörde auf eine solche Bewilligung, Überwachung der Ausführung der Arbeiten, sowie Aufzeichnung der Denkmäler und Herausgabe dieser Aufzeichnungen im Druck, endlich Sammeln von Aufnahmen, Nachrichten und Schriftwerken über diese in den Denkmalarchiven. Fast überall steht der Rat der Ämter den Besitzern der Denkmäler kostenfrei zur Verfügung, und das Amt ist so eingerichtet, daß es aus eigenem Antrieb dort einzugreifen berechtigt ist, wo es dies im Belang eines Denkmals für angemessen erachtet.
        In der Regel setzt sich das Amt zusammen aus Vertretern der Regierung, der Kirchenverwaltungen, der Geschichtsvereine und der Künstlerschaft und ist nach außen vertreten durch einen Denkmalpfleger (Konservator), dem die sachliche Arbeit zu leisten obliegt. Konservatoren sind zumeist kunstwissenschaftlich gebildete Architekten oder Kunsthistoriker. Es ist nicht das Amt des Konservators oder sollte es doch nicht sein, Entwürfe für Umbauten u. dgl. selbst zu schaffen, Bauten zu leiten, sich also als Künstler zu betätigen; sondern er soll durch sachverständigen Rat sich dem Besitzer des Denkmals zur Seite stellen und auf die an den Arbeiten Beteiligten wie auf den Besitzer im Sinne der Erhaltung des Alten einwirken. Er soll der Verteidiger des uns Überlieferten gegen unberechtigte Neuerungssucht und gegen Unkenntnis des Wertes des Alten sein. Seine Aufgabe ist, zu belehren und dieser Belehrung Nachdruck zu verleihen. In dieser Richtung hat er die Hilfe des Staates und der kirchlichen Behörden hinter sich, die meist auf die Beschlüsse der Denkmalräte entscheidendes Gewicht legen. Der Konservator ist also nicht berufen, den Kirchenvorständen Befehle zu erteilen, wohl aber in manchen Ländern dazu, ihm für die Denkmäler schädlich erscheinende Maßnahmen aufzuhalten und sich an eine entscheidende Stelle zu wenden, wo er seine Bedenken begründet. Ersprießliches Wirken an Denkmälern ist also nur dann zu erwarten, wenn sich Kirchenverwaltung und Denkmalamt, Pfarrer und Konservator über die zu ergreifenden Schritte einträchtig verständigen. Dies wird am besten dadurch erfolgen, daß die Kirchenvorstände, sobald sie eine Veränderung an ihrer Kirche oder deren Einrichtung vorhaben, sich von vornherein an das Denkmalamt um Erteilung von Rat wenden.
        Den Mitgliedern der Ämter steht eine umfangreiche Literatur zur Seite, die sich mit der Entwicklung der Rechtsfrage, der staatlichen Organisation und der Theorie und Praxis der Denkmalpflege beschäftigt. Dazu kommen die Ergebnisse der Kunstgeschichte, die dem Fachmann mit stetig wachsender Deutlichkeit an jedem Kunstwerk erkennen lassen, welcher Zeit es angehört und welchen Grad der künstlerischen Vollendung innerhalb der Entstehungszeit es einnimmt.
        Der Einfluß der Denkmalämter wird sich nicht in geeigneter Weise durchsetzen können, wenn er nicht vom öffentlichen Willen getragen wird. Ihm zur Seite muß eine in die Tiefe greifende Belehrung des Volkes im Sinne der Heimatliebe und -pflege, des Kunstverständnisses eingreifen. Es ist ein Teil der Seelsorge, wenn der Pfarrer diese Gedanken unterstützt, wenn er durch verständnisvolles Eingehen auf die Geschichte der Kirche der Gemeinde den Wert des Baues und seiner Einrichtung für die kulturelle Entwicklung des Ortes vor Augen führt. Die zahlreichen und blühenden Geschichts- und Altertumsvereine, die Vereine für Heimatschutz und Volkskunst, die Genossenschaften der Künstler, namentlich der Bund deutscher Architekten in seinen Einzelorganisationen sollten herangezogen werden, um den Sinn für das Ehrwürdig-Alte und das Künstlerische zu wecken. Viel hat nach dieser Richtung der seit 1900 bestehende deutsche Denkmalpflegetag getan, an dem auch Österreicher und Schweizer regelmäßig teilnahmen. Diese freie Vereinigung stellte sich die Aufgabe, die Fragen der Denkmalpflege durch die ersten Fachleute in öffentlichen Sitzungen besprechen zu lassen, an denen die Vertreter der Regierungen, der Kirchen, der Städte lebhaftes Anteil nahmen. Nicht faßt man dort Beschlüsse, sondern sucht nur in Rede und Gegenrede die Ansichten über die einzelnen Fragen zur Klärung zu bringen. Die stenographischen Berichte über die Tagungen bilden ein ausgezeichnetes Lehrbuch der Denkmalpflege, in dem sich die verschiedenen Ansichten und deren Wechsel im Lauf der Zeiten widerspiegeln. Auch für die hier vorliegende Arbeit sind diese Berichte ergiebig ausgenutzt worden. Aufgabe des Staates ist es, das Zusammenarbeiten aller dieser Kräfte zu regeln, indem er seine Beamten hierauf einstellt. Dies geschieht durch Beweglichkeit des staatlich zu beschaffenden Denkmalpflegers und der Denkmalämter, denen die Aufgabe der Förderung der Pflege bei tunlichst freier Betätigung zuzuweisen ist. Durch Besprechen aller einschlagenden Fragen vor der Öffentlichkeit wird mehr erreicht, als durch die Staatsgewalt. Voraussetzung müßte freilich sein, daß der Staat gewillt ist, Mittel für die Zwecke der Denkmalpflege bereit zu stellen, daß die Volksvertretungen diese bewilligen und daß die Kirchen den Gedanken in die Massen zu tragen als eine ihrer Aufgaben ansehen.
        In dieser Richtung ist bereits ein Schritt geschehen, indem in die Reichsverfassung von 1919 der Satz aufgenommen wurde:
        Artikel 150. Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie der Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates. Es ist Sache des Reichs, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes in das Ausland zu verhüten.
        Dieser Artikel tritt in besondere Bedeutung angesichts der Bestrebung, die Kirche vom Staate zu trennen. Über die Folge dieses Schrittes jetzt schon zu urteilen ist nicht möglich. Jedoch geben die in Frankreich sich entwickelnden Verhältnisse dafür ein warnendes. Beispiel. Noch vor 20 Jahren wurde Frankreich als ein Land angesehen, das uns in der Denkmalpflege weit voraus sei. Jetzt liegen die Verhältnisse umgekehrt. Dort waren durch die erste Revolution die Kathedralen in Staatsbesitz, die Pfarrkirchen in den der Religionsgemeinden übergegangen. Dem Staat fiel damit die Last der Erhaltung der wichtigsten Bauten zu, der er sich anfangs dadurch entzog, daß er sie zum Abbruch an Bauunternehmer verkaufte. Herrliche Bauten gingen damit verloren. Der Staat schuf eine Denkmalliste, in die als monuments historiques eine größere Zahl von Bauten aufgenommen und somit der staatlichen Pflege unterstellt wurden. Es ergab sich hieraus ein classement der Denkmäler, die für die nicht in die Liste aufgenommenen sehr nachteilig wirkte; namentlich für die in Frankreich sehr zahlreichen profanierten Kirchen, aber auch für die Pfarrkirchen. Berichte der Sachkundigen klagten schon vor dem Weltkriege über den Verfall vieler wichtiger Kunstdenkmäler.

Kirchliche Denkmalpflege.
        Die Kirche erhebt mit Recht den Anspruch, Herr im Kirchengebäude zu sein, Herr ihres Besitzes an Schätzen von künstlerischem und altertümlichem Wert. Sie hat von jeher ihre Pflicht erkannt, den Besitz, den ihre Anhänger ihr zutrugen, sorgfältig zu bewahren und in gutem Zustande zu erhalten, soweit dieser Besitz ihrer Aufgabe entsprach. Sie hat aber auch den Wunsch, diesen abzustoßen, wenn er nicht oder nicht mehr dem gottesdienstlichen Zwecke entspricht. In der Kirche soll Leben herrschen, und Leben heißt auch Vergehen.
        Die Aufgabe der Kirchen gegen die Denkmäler hat sich auch in gesetzlichen Bestimmungen ausgedrückt. Für die römisch-katholische Kirche ist der Codex maßgebend geworden, der unter Papst Benedikt XV. 1917 herausgegeben wurde und ältere Gesetze und neuere Bestimmungen zusammenfaßt. In diesem ist, was allein hier in Betracht kommt, von Gegenständen die Rede, die von hervorragendem Wert hinsichtlich ihrer künstlerischen, geschichtlichen oder stofflichen Artung sind, von Bildern, die durch Alter, Kunst oder durch die ihnen geweihte Verehrung hervorragen (vetustate, arte aut cultn praestantes). Solches Kirchengut darf ausnahmsweise veräußert werden, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen, wenn nämlich ein verständiger Grund (justa causa) oder eine dringende Notwendigkeit (urgens necessitas) vorliegt, oder wenn die Veräußerung augenscheinlich der Kirche zum Vorteil gereicht (evidens utilitas), oder wenn andere kirchliche Aufgaben dadurch erfüllt werden (christiana caritas). Es muß dann von Sachverständigen eine schriftliche Wertangabe über den Gegenstand und die Zustimmung der kirchlichen Oberen eingeholt werden. Ohne diese ist der Verkauf rechtsungültig. Beträgt der Wert 1000 bis 30000 Lire, so ist in der Regel der Diözesanbischof um die Erlaubnis anzugehen, der der Zustimmung des Kathedral- oder Domkapitels bedarf, ferner des Diözesenverwaltungsrates und der am Verkauf Beteiligten. Bei einem Wert unter 1000 Lire ist der Diözesanbischof nach Anhörung der Diözesanverwaltung zuständig; bei einem Wert von mehr als 30000 Lire ist der Heilige Stuhl zu befragen.
        Der Kodex setzt den Wert nach der italienischen Lira fest. Diese entspricht dem Franken der Schweiz, Frankreichs usw., also der Münzeinheit der Lateinischen Münzkonvention. Unter normalen Verhältnissen ist sie also gleich 0,8 deutsche Mark oder 1 österr. Krone. Bei der Ungleichheit des Geldwertes in verschiedenen Ländern kann man annehmen, daß die Festsetzung des Wertes nach dem an sich so schwankenden Geldwert, also doch wohl des Verkaufspreises, nicht eben glücklich ist, tatsächlich ist es nur ein Versuch, eine Art von Grenze aufzustellen. Ein Volkswirt würde wohl als zuverlässiger empfohlen haben, den Wert nach Scheffeln Getreide festzulegen.
        Wenn also der Verkauf von Kunstgegenständen auch möglich gemacht ist, so ist er doch von kirchlicher Seite unter strenge Aufsicht gestellt, so daß er dem einzelnen Pfarrer oder dessen Gemeinde nicht ohne weiteres zusteht, wenn es sich um einen wertvollen Gegenstand (res preciosa) handelt. Nicht minder stehen Veränderungen an solchen unter der Aufsicht der kirchlichen Oberen, die verständige und sachkundige Männer zur Beratung heranziehen sollen.
        Freilich bleibt die Frage offen, wer darüber bestimmt, ob eine Sache wertvoll sei. Mithin werden gewissenlose Händler die ihnen erwünschten Gegenstände als wertlos hinstellen, um den Verkauf zu ermöglichen, der dann für sie erst recht nutzbringend ist. Die Festsetzung der Bedingungen, unter denen kirchlicher Besitz überhaupt verkauft werden darf, gleichviel ob er der Gemeinde als wertvoll erscheint oder nicht, das Heranziehen am Handel nicht beteiligter Sachverständiger auch hier ist also jedenfalls eine wichtige Angelegenheit, die noch über die Anforderungen des Kodex von 1917 hinaus zu betreiben ist. Dasselbe gilt von der Beseitigung und Zerstörung von Gegenständen, die den Beteiligten als minderwertig gelten, es aber tatsächlich nicht sind oder doch nicht in ihrem Verhältnis zur Kirche, in der sie sich befinden. Viele Gegenstände kommen nicht durch eine Handlung Sachunkundiger oder gar Böswilliger und Eigennütziger in Verlust, sondern durch das Unterlassen der Pflege; sie sind nicht wertlos von Haus aus, sondern werden es durch Verfall. Man denke etwa an ein Ölgemälde, dessen Leinwand an feuchter Wand vermoderte und das nun in Fetzen im Rahmen hängt. Selbst der mit den feinsten Künsten der Wiederherstellung Bekannte wird oft zugestehen müssen, daß das einst wertvolle Bild vollständig verwüstet ist, eben weil man an ihm nichts getan hat.
        Durch die Anordnungen des Heiligen Stuhles ist jedoch der Staat von der Denkmalpflege keineswegs ausgeschlossen. Als Beispiel sei Bayern genannt. Durch das Konkordat von 1817 regelte dieser Staat seine Verhältnisse dahin, daß der Religionsgesellschaft das Eigentumsrecht gesichert wurde. Trotzdem ist der Staat Eigentümer zahlreicher zum Teil sehr wichtiger Kirchen, während ihm über den sonstigen kirchlichen Besitz ein Schutzrecht zusteht. Aus diesem heraus entwickelte sich die gesetzliche Bestimmung, daß die Veräußerungen und Änderungen an Kirchen der Genehmigung der Kreisregierung unterstehen und daß bei Zuwiderhandlung Strafen ausgeworfen sind. Ähnlich in Württemberg und Baden.
        Auch die evangelischen Kirchen griffen zur Pflege ihres künstlerischen Besitzes ein. Die Schilderung der Sachlage ist erschwert durch die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse, so daß ich mich hier auf die Sachkenntnis der Geistlichen der einzelnen Länder verlassen muß. Nur kurze Bemerkungen seien gestattet. Überall besteht die Anschauung, daß den Kirchengemeinden die Verwaltung des Kirchenvermögens zusteht, daß sie aber bei Veräußerung und wesentlicher Veränderung von Gegenständen, die einen besonderen wissenschaftlichen, geschichtlichen oder Kunstwert haben, sowie bei Ausbesserung und Erneuerung von kirchlichen Gebäuden die Zustimmung der Staatsregierung oder der kirchlichen Oberbehörde einholen müssen. Hierdurch wird das Verfügungsrecht der Gemeinden über die hier in Frage kommenden Gegenstände ganz erheblich eingeschränkt. Dazu kommt die Gesetzgebung, die sich ausdrücklich mit dem Schutze der Denkmäler beschäftigt und naturgemäß in den verschiedenen Ländern und den verschiedenen Konfessionen gegenüber sich anders stellt.
        Die Pflege der kirchlichen Denkmäler ist somit eine der Aufgaben der kirchlichen Oberbehörden, so namentlich in den kleineren Staaten Norddeutschlands, wo die evangelischen Konsistorien mit dieser Aufgabe betraut sind. Ebenso liegen die Verhältnisse in Sachsen, wo das Landeskonsistorium die entscheidende Oberbehörde ist, die durch die Kircheninspektionen unterstützt wird. Diese bestehen aus kirchlichen und staatlichen Abteilungen. Auf einem Umwege wirkt somit der Staat in diesen Angelegenheiten mit, hierin wieder beraten durch das Landesamt für Denkmalpflege.
        In Preußen bedürfen bei Veräußerungen die Kirchengemeinden aller Konfessionen, sowie ihre oberen Organe der Genehmigung auch der staatlichen Aufsichtsbehörde, nämlich des Kultusministers und des Regierungs- oder Oberpräsidenten, der sich des Provinzialkonservators als Gutachters bedient. Der Regierung stehen, falls mit den kirchlichen Behörden Übereinstimmung nicht erzielt wird, Zwangsmittel zur Verfügung. Anders steht es hinsichtlich der Umbauten der Kirchen und wesentlicher Veränderungen in ihrer Einrichtung. Wenn hier auch angenommen werden kann, daß die Absicht der Gemeinden mit der der kirchlichen und staatlichen Behörden übereinstimmt, nämlich in dem Wunsch, das erreichbar Beste zu leisten, so ist doch über den einzuschlagenden Weg, um dies zu finden, eine gesetzliche Anweisung nicht gegeben. Es ist dann Aufgabe des Konservators, sein überwiegendes Sachverständnis der Gemeinde gegenüber geltend zu machen und diese auf gütlichem Wege zu einem ersprießlichen Ziele zu fuhren. Ihn unterstützen hierbei ministerielle Verfügungen der verschiedensten Art.
        Einheitliche Denkmalpflege besitzen Hessen und Oldenburg, in denen beiden eine Denkmalliste eingeführt ist. Das hessische Gesetz von 1902 sieht Eintragung auch öffentlich-rechtlicher Bauten in der Liste vor, jedoch ist der Schutz nicht abhängig von dieser, was in Oldenburg hinsichtlich aller in der Liste eingetragenen Bauten, also auch der Kirchen, der Fall ist.
        Über die Denkmalpflege in den jüdischen Gemeinden fehlt es an ausreichenden Nachrichten. Im allgemeinen dürfte es dort nicht eben glücklich stehen. Es haben wohlhabende Juden sich stattliche Sammlungen jüdischer Kunstdenkmäler angelegt, auch öffentliche Sammlungen, so das Kunstgewerbemuseum in Düsseldorf, das Germanische Museum in Nürnberg und andere mehr besitzen solche. Auch hat sich in neuerer Zeit die Literatur des Stoffes in starkem Maße bemächtigt. Aber zu einer planmäßigen Pflege der jüdischen Altertümer ist es meines Wissens noch in keinem Lande gekommen. Wohl aber wird viel über Verkauf und Verschleuderung des Gemeindebesitzes geklagt.

Die Aufzeichnung der Denkmäler.
        Von großer Bedeutung für die Denkmalpflege sind die durch den Staat hergestellten Verzeichnisse der Denkmäler einzelner Gebiete, die sogenannten Denkmal-Inventare. Seit den 1870er Jahren haben einzelne Staaten, zuerst Kurhessen durch von Dehn-Rothfelser, dann Elsaß Lothringen durch Franz Xaver Krauß, solche Inventare aufgestellt. Bald folgten die übrigen Staaten und die preußischen Provinzen, zumeist in der Weise, daß ein Fachmann angestellt und mit den nötigen Mitarbeitern versehen wurde. Die einzelnen Bezirke des Landes oder der Provinz wurden nun bereist und die gefundenen Denkmäler schriftlich und bildlich dargestellt und in einzelnen Heften oder Bänden veröffentlicht.
        Dabei hat sich ergeben, daß die Genauigkeit der Aufnahme in stetem Fortschreiten sich befindet. Anfangs war die Gesamtarbeit als eine vorzugsweise der Kunstgeschichte dienende Aufgabe aufgefaßt worden. Man fügte der Liste von den aufgefundenen Gegenständen nur solche ein, die von Bedeutung eben für die Kunstgeschichte sind, und beurteilte sie demgemäß von dem Standpunkt, daß man das Bedeutende, für die Entwicklungsgeschichte der Kunst Wertvolle hervorhob. Naturgemäß war man dabei abhängig von dem Stande der kunstwissenschaftlichen Erkenntnis. Vor 1870 galt die Deutschrenaissance, vor 1890 das Barock und das Rokoko noch als minderwertig und fiel bei der Einreihung in die Liste vielfach aus, da es als "schlechte" Kunst gewertet wurde. Meist galt auch die Zeit der Freiheitskriege als Grenze dessen, was in die Inventare aufzunehmen sei, da diese sich nur mit "älterer" Kunst zu beschäftigen hatten. Mit den Jahren wuchs die Erkenntnis, daß das Geschmacksurteil nicht zutreffend für die Bewertung sei, sondern daß das geschichtlich, namentlich auch das ortsgeschichtlich Beachtenswerte herangezogen werden müsse ebenso wie das, was man als Erzeugnis der "Volkskunst" inzwischen schätzen gelernt hatte. Der immer tiefer greifende geschichtliche Sinn belebte die Teilnahme für die verschiedensten Dinge. Vernachlässigte man z. B. anfangs die an stilistischen Formen armen Dorfkirchen, so wurde nun gerade der Wandel an diesen einfachen Gebilden beachtet, dem bescheiden Typischen besondere Sorgfalt zugewendet. Aufgabe der Aufzeichnung ist, das tatsächlich Vorhandene festzustellen, nicht etwa vergleichende Kunstgeschichte zu geben, obgleich auch in der Absicht, den Wert des Erhaltenen zu erkennen, Untersuchungen über dessen Stellung zur Zeitkunst nicht abgelehnt werden können.
        So kam es, daß z. B. in Brandenburg, in Hessen und anderen Ländern die ganze Arbeit wiederholt werden mußte, weil man erkannte, daß das anfänglich rasch hergestellte Werk den neuen Bedürfnissen nicht entsprach. So sind denn in vielen Hunderten von Bänden die Denkmäler Deutschlands in einer nun fast 50 Jahre währenden Arbeit zur Darstellung gelangt. Einen guten Überblick über diese bietet das vom deutschen Denkmalpflegetag angeregte "Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler" von Georg Dehio, das seit 1905 bei Ernst Wasmuth in Berlin erschien, jetzt aber an die Vereinigung wissenschaftl. Verleger Berlin übergegangen ist.
        In gleicher Weise ist man in Österreich vorgegangen. Da dort die Aufzeichnung später einsetzte, hat sie die deutschen Erfahrungen ausnutzen können und ihre Arbeit zu einer besonderen Reife gebracht, indem z. B. auch der Privatbesitz in umfassender Weise herangezogen wurde. Auch die Schweiz hat ähnliche Arbeiten herstellen lassen, so daß, wenn man das Riesenwerk deutscher Sachkenntnis und deutschen Fleißes übersieht, man zu der Erkenntnis kommt, daß kein Volk der Welt sich so in den Vollbesitz seiner Kunst gesetzt hat, wie das deutsche: denn erst dadurch, daß man den Besitz im ganzen Umfange kennt, gelangt man zu einem geistigen Eigentumsrecht.
        Und so haben die Aufzeichnungswerke auch jeder einzelnen Kirche einen Nachweis über den ihr unterstehenden Besitz gegeben. Wenn auch über den Verkaufswert der einzelnen Gegenstände keine Angaben sich finden, so geben diese doch einen Anhalt über das Erhaltenswerte und bieten den Aufsichtsbehörden eine gute Handhabe, die Vollständigkeit des Kunstbesitzes einer Kirche nachzuprüfen. Sie sind also Inventuraufnahmen im Sinne des Kaufmannes, Unterlagen für eine Kircheninspektion. Kein Pfarrer sollte sein Amt übernehmen, ohne sich zu vergewissern, daß der Kirchenbesitz seiner Kirche noch vollständig erhalten ist, da ihm die Verantwortung für das Fehlen von Gegenständen zugemutet werden kann. Und dort, wo leider einige Aufzeichnungswerke in dieser Hinsicht nicht ausreichen, ja wo sie noch fehlen, sollte man jetzt mit erhöhtem Eifer einsetzen, um das Versäumte nachzuholen.

Die Denkmalpflegen.
        Überall sollte der Grundsatz herrschen, daß die Mitglieder der Denkmalämter und die Denkmalpfleger nicht selbst ausführende Künstler sind. Die Ämter sind beratende Dienststellen, in denen sich die größte Erfahrung in der Denkmalpflege vereinigen soll. Sie haben also hauptsächlich aus Sachverständigen, d.h. aus Künstlern, Kunstgelehrten, Kunstfreunden zu bestehen, müssen jedoch auch Techniker, Verwaltungsmänner und Vertreter der mit der Denkmalpflege vorwiegend betrauten Organisationen, also der Kirchen, der Städte usw. unter sich zählen. Ihre Aufgabe ist Beratung der Behörden, der Kirchengemeinden, aller Besitzer und Verwalter von Kunstdenkmälern dort, wo sie um ihr Gutachten angegangen werden, jedoch auch dort, wo sie aus eigenem Antrieb sich mit einer Angelegenheit zu befassen für richtig befinden. Denn ihnen ist die Überwachung aller Denkmäler ihres Bezirkes anzuvertrauen, so daß sie auch dem Besitz des Staates gegenüber Einspruchsrecht haben. Gerade durch die Zusammensetzung aus angesehenen Männern verschiedener Lebensstellung wird es möglich sein, die unvermeidlichen Verschiedenheiten in der Behandlung der Einzelfragen zu einem ersprießlichen Ausgleich zu bringen, namentlich wenn die Aussprache sich in voller Freiheit vollzieht, nicht gebunden durch die Weisungen einer vorgesetzten Behörde oder durch den überwiegenden Einfluß einer Zweckgemeinschaft.
        Auch nicht durch die der Künstler, denen unzweifelhaft eine wichtige Stellung in diesen Ämtern zufällt. Man wird sich freuen, die Angesehensten unter diesen den Ämtern einreihen zu dürfen und trotzdem den Grundsatz aufzustellen haben, daß nicht die künstlerische Arbeit auf die Amtsmitglieder allein fällt, daß somit die Gefahr entstehe, das Amt werde als ein "Klüngel" angesehen. Wenn das Amt auch auf die Mitwirkung der ihm angehörigen Künstler im Interesse der Sache nicht verzichten will, so wird es doch die Gefahren erkennen, die durch das Überwiegen Weniger in der Pflegetätigkeit liegen. Sehr leicht wird eine schematische Behandlung eingreifen und die Mitwirkung der Jüngeren, Außenstehenden zum Nachteil der Kunst und mithin auch der Denkmäler beeinträchtigt werden. Aufgabe des Amtes wird sein, den jeweilig Besten zu finden, der die Arbeit ausführen kann, aber auch dem vom Besitzer selbst Gewählten nicht etwa die Hände in der Durchführung seiner künstlerischen Absichten zu binden, wohl aber guten Rat über die einzuschlagenden Wege zu erteilen und das als ungeeignet Erscheinende zu verhindern. Es gilt nicht etwa einseitig einen staatlich anerkannten Kunstgeschmack einzuführen, sondern das als verfehlt Erkannte abzulehnen. Im Amt sollen Männer mit tiefem künstlerischen und kunstwissenschaftlichen Verständnis überwiegen, die nicht von der Absicht beseelt sind, selbst am Denkmale sich künstlerisch zu betätigen. Man soll den Künstler nicht in den Zwiespalt hineinführen, der sich in ihm zwischen dem Schaffensdrang, der sich in tunlichst umfassender Weise betätigen will, und dem Wunsch der Erhaltung des Alten erhebt. Der Kirchenvorstand soll vor allem sich hüten, Arbeiten an Leute zu vergeben, die nicht befähigt sind, sie in künstlerischem Sinne durchzuführen. Denn jede, auch die kleinste Arbeit an der Kirche soll in diesem Sinne Wert haben. Man soll sich hüten, durch Rücksichtnahme auf Personen, etwa auf Mitglieder des Kirchenvorstandes oder der Gemeinde, die Lösung der zu stellenden Aufgabe zu beeinträchtigen.

Der Bauherr.
        Bauherr in der Kirche ist die Gemeinde. Sie ist in der Regel der Geldgeber, sie soll später der Nutznießer des Kirchengebäudes sein. Die Formen der Gemeindeverwaltung, die Verhältnisse zum Pfarrer und zu den kirchlichen wie staatlichen Oberbehörden sind verschiedenartig, aber überall bestehen gesetzliche Bestimmungen oder durch die Gewohnheit festgestellte Vorschriften, die die freie Ausgestaltung des Kunstwerkes beeinflussen. Sie umschreiben mehr oder weniger stark den Einfluß der Kirche auf die künstlerische Form in dem Sinne, daß die Tauglichkeit des Baues oder des Gerätes für die kirchlichen Zwecke sichergestellt werden muß. Es wurde dies in den Satz zusammengefaßt: Bauherr in der Kirche ist die Liturgie. Der Kirchenbau, soweit er ein Werk ist des Künstlers und der Handwerker, ist ein Gerät, das geeignet sein soll, dem gottesdienstlichen Zwecke zu dienen, und zwar je nach den besonderen Formen der Gottesverehrung in den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Der Bau sowohl, wie die einzelnen Teile seiner Einrichtung erhalten ihre kirchliche Form nicht durch Schönheit, Stil, Herstellungsstoff, sondern dadurch, daß sie sich für ihren Zweck eignen oder doch an die durch den Gebrauch als geeignet erkannte Form sich anbequemen.
        Es ergibt sich daraus die Aufgabe zunächst des Bauherrn: Er hat dafür zu sorgen, daß der Zweck erreicht wird, nämlich eine den kirchlichen Absichten vollkommen entsprechende Anlage zu erhalten. Entsprochen wird diesen Absichten dadurch, daß der Gottesdienst nicht nur zur Not eine Unterkunft findet, sondern daß die Anlage aus seiner Eigenart heraus entwickelt ist. Und da im Gottesdienste der verschiedenen Bekenntnisse sehr starke Unterschiede bestehen, soll die Kirche dem Bekenntnis entsprechend, dieses versinnbildlichend, gestaltet werden, also im Sinne des Bekenntnisses kirchlich gestaltet sein, nicht lediglich im Sinne eines allgemein kirchlichen "Ideals". Daß dem so werde, dafür hat der die Gemeinde leitende Geistliche zu sorgen. Er ist nicht Richter über die schönheitliche Form – dies ist Sache des Architekten – wohl aber darüber, ob der Bau den Bestimmungen der kirchlichen Gemeinschaft entspricht, die sich ja auf die künstlerische Form nicht erstrecken.
        Während die Kunstgeschichte sich eingehend mit den Problemen der Ästhetik beschäftigt, während die Architekturgeschichte sorgfältig die Formentwicklung, die technische Seite behandelte, wurde dem Bauherrn als dem Besteller des Kunstwerkes bisher nicht genug Beachtung zugewendet.
        Die Kunst des Mittelalters war fast ausschließlich an Überlieferung gebunden. Noch gab es keine Ausstellungen, in denen man Bilder und Statuen kaufen konnte, noch keinen Kunsthändler, der Bilder geschäftsmäßig vertrieb, d. h. solche Werke, die der Künstler nach freiem Willen schuf, nur seinen eigenen Trieben folgend. Die Kirchen sind selten in der Lage, auf diesem Wege geschaffene Werke zu verwenden. Man mag darüber streiten, welche Entstehungsart für das einzelne Kunstwerk oder für die gesamte Kunst heilsamer ist. Ich möchte hier in die Frage nicht weiter eindringen. Fest steht, daß die Kirche eben nicht ausschließlich ein dem Künstlergeist entsprossenes Werk in majorem Dei gloriam ist, sondern eine Schöpfung, der ein bestimmter Zweck zugrunde liegt, ebenso wie dem Altar, der Kanzel, dem Taufsteine usw.
        Die Gemeinde oder wer hinter ihr steht, wendet sich, wenn eine Kirche gebaut oder umgebaut werden soll, an einen tüchtigen Architekten oder sucht durch ein Preisausschreiben einen solchen zu finden. Diesem übergibt man das Bauprogramm, d. h. einen Bericht über die Wünsche des Bauherrn. Solche bestehen in Angaben über den Bauplatz, die Raumbedürfnisse, die Kostenberechnung und dgl. mehr. Dabei wird zumeist angenommen, daß der Architekt die kultische Anforderung an den Bau genügend kennt, um einen entsprechenden Entwurf zu schaffen. Es besteht nunmehr seine Aufgabe darin, einen Plan in Grundriß und Aufriß aufzustellen, der den Innenraum wie die Außenerscheinung deutlich erkennen läßt. Man fordert also von ihm Vorschläge darüber, wie die Kirche anzulegen sei, Vorschläge, die nun vom Bauherrn zu prüfen sind, ob sie den Anforderungen der Liturgie, der Zweckmäßigkeit usw. entsprechen. Der Architekt kennt, dank kunstwissenschaftlicher Schulung, das kirchliche Bauwesen aller Jahrhunderte; er hat, wenn er Anlehnungen an Älteres sucht, oder selbst wenn er diese streng zu vermeiden beflissen ist, doch mit der Fülle der ihm geistig gegenwärtigen Vorbilder sich abzufinden, denn er will nicht das Alte wiederholen, sondern das Neue schaffen. Dabei sagt er sich mit Recht: das so hoch gefeierte Alte war ja doch auch einst ein Neues. Die Gemeinde wird Besteller des Kunstwerkes, das der Architekt nach seinen Angaben durch die Handwerker ausführen läßt. Es treten also drei Beteiligte in ein Verhältnis zueinander: der Bauherr, der Baukünstler und die Bauhandwerker.

Der Architekt.
        Zur Erneuerung einer Kirche bedarf es für die Gemeinde des sachgemäßen Rates. Es fragt sich nur, an wen sie sich zu wenden hat, um diesen zu erhalten.
        Ich spreche hier nicht von den Fragen der Genehmigung durch die kirchlichen und weltlichen Behörden, der Geldbeschaffung, den Beschlüssen innerhalb der Gemeinde, bei denen es selten ohne Meinungsverschiedenheiten abgeht, sondern von dem, was nach Erledigung aller dieser Dinge zu tun ist.
        Eine der wichtigsten Fragen ist die Wahl eines Architekten. Auch bei kleinen Aufgaben ist es dringend zu empfehlen, sich eines solchen zu bedienen. Nun ist wohl die Ansicht vertreten, der Architekt verteure die Arbeit, denn er fordert mit Recht für seine Tätigkeit Bezahlung, während der Maurermeister des Ortes erklärt, er fordere für den Riß und die Aufsicht auf dem Bau nichts.
        Die deutschen Architekten haben sich zu einem Bunde zusammengetan, der sich sehr strenge Satzungen gegeben hat. Nach diesen soll der Architekt Treuhänder und Vertrauensmann des Bauherrn sein, er soll keinerlei andere Bezahlung oder Verdienst annehmen außer vom Bauherrn und an diesen seine Forderung nach einer vom Bunde aufgestellten Norm stellen. Er ist verpflichtet, nicht unter dieser Norm zu arbeiten. Er steht also zum Bauherrn etwa in dem Verhältnis wie der Rechtsanwalt zu seinem Klienten.
        Der Bund nimmt nur solche zu Mitgliedern auf, die gewisse künstlerische Leistungen nachweisen können. Nur diese dürfen ihrem Namen das Verbandszeichen B. D. A. beifügen. Da die Berufsbezeichnung "Architekt" nicht gesetzlich geschützt ist, mußte ein solches Merkmal eingeführt werden. Nun ist freilich nicht jedes Bundesmitglied berufener Leiter von Kirchenumbauten. Aber auch die vielbeschäftigten Kirchenbaumeister sind nicht immer diejenigen, die die beste Arbeit sicherstellen. Es kommt bei ihnen leicht zu eintönigen schematischen Lösungen, die ernüchternd wirken. Die Wahl des Architekten ist nach all dem eine schwierige Aufgabe für den Bauherrn, vielleicht die verantwortungsvollste, die er zu erfüllen hat.
        Dem Architekten wird das Bauprogramm vorgelegt und mit ihm durchgesprochen. Er wird seine Einwendungen gegen ihm ungeeignet erscheinende Bestimmungen erheben. Seine Aufgabe ist die künstlerische Verwirklichung des Programms. Er liefert dazu Skizzen, d. h. zeichnerische Vorschläge für die Gestaltung des Baues. Diese werden den kirchlichen Behörden und. dem Denkmalamt zur Begutachtung übergeben. Es ist vieles zu erwägen, an das man ursprünglich gar nicht gedacht hat, mancher Fehler kann vermieden, mancher guter Gedanke ausgeführt werden.
        Der Architekt schafft nun nach der genehmigten Skizze den Plan. Dieser bietet ihm die Unterlage für die Berechnung der Baustoffmassen und der Arbeitsleistungen, die zur Herstellung des Werkes nötig sein werden. Von diesen Berechnungen gehen Abschriften (Blanquette) an die Handwerker, die nun ihre Preise einsetzen: So und soviel Kubikmeter Mauerwerk kosten x Mark, so und soviel der laufende Meter Holz usw. Nun ist es bei Umbauten oft sehr schwer, diesen Anschlag richtig aufzustellen. Die Menge des "Unvorhergesehenen" wird wahrscheinlich groß sein, so daß der Kostenvoranschlag überschritten werden wird, ohne daß daraus dem Architekten ein Vorwurf erwächst. Da ist es eben notwendig, daß der Bauherr einen Treuhänder zur Seite hat, der ihn gegen unberechtigte Ausnutzung solcher im Vertrag nicht festgelegten Arbeiten schützt. Daher muß zwischen Bauherrn und Architekten sorgfältig erwogen werden, welche Handwerksmeister zu wählen seien. Sicher nicht glattweg die billigsten, sondern wenn irgend möglich die besten.
        Der Architekt, der ja meist mehrere Bauten zu gleicher Zeit zu versorgen hat, stellt den Bauführer an, der ihn auf dem Bau zu vertreten, also die Handwerker im Sinne des Bauherrn zu überwachen hat, indem er die angelieferten Baustoffe auf ihre Verwendbarkeit prüft, die Arbeit überwacht, den geregelten Baubetrieb vorbereitet, die Leistungen der Handwerker nach entsprechender Vermessung feststellt und "abnimmt", d. h. als fertig anerkennt.
        Und schließlich überreicht nach Fertigstellung des ganzen Baues der Architekt dem Bauherrn die Schlüssel der Kirche und die Schlußabrechnung und verabschiedet sich mit dem Wunsche, daß die Gemeinde erkannt habe, wie nötig seine Mitwirkung war und daß der Bau durch sie nicht verteuert, wohl aber kunstgerecht geschaffen worden sei.
        Ist der Architekt, wie er soll, in erster Linie Künstler, so wird er jede Arbeit an einem Kirchenbau als eine Lehrstätte für den Ausführenden ansehen. Er wird sich freuen, z. B. am Ort befindliche Handwerker heranzuziehen, die nach Künstlerentwurf das als notwendig Erkannte auszuführen haben. Er wird aber auch davor warnen müssen, Arbeiten an Männer zu vergeben, die ihnen unverkennbar nicht gewachsen sind. Nicht minder soll die kirchliche Gesinnung für die Auswahl der Bearbeiter maßgebend sein. Ein wahrhaft kirchliches Werk kann ohne ein tiefes Verständnis für kirchliches Wesen nicht geschaffen werden. Aber dieses Verständnis muß durch eine besondere Gabe, nämlich den schöpferischen Geist unterstützt werden. Die Gesinnung allein tut es nicht!

Erhaltungsarbeiten.
        Alten Kirchen sieht man das Alter an, ebenso wie alten Leuten. Und wir Alten schämen uns, wenn wir den Eindruck erwecken, als wollten wir noch jung sein. Selbst die Frauen machen sich in unseren Augen lächerlich, die sich äußerlich zu verjüngen suchen. Wir wollen in späteren Jahren die Würde des Alters vertreten und erheben auch Anspruch auf Ehrung des Alters.
        Also sorgt euch nicht darum, wenn die Kirche alt aussieht, sondern seid stolz darauf. Die alte Kirche zeige freudig ihre Runzeln und Schrunden auf, die ihr die Zeit beibrachte. Pflegt sie gut, aber pflegt sie nicht mit schmeichlerischen Absichten, in dem ihr sie als jung herausschmücken wollt. Tut alles, um sie vor weiteren Schäden zu bewahren, nicht um sie zu verschönern, sondern um sie bei ihrem Wesen zu erhalten. Und wollt ihr der Kirche ein Opfer bringen, durch ein Werk der Kunst, durch Schaffen besserer Einrichtung, so schafft es so gut und so schön als irgend möglich, vor allem aber in die Kirche passend, so wie ihr geliebte alte Menschen beschenken werdet: Wer in einem bescheidenen Stübchen wohnt, dem schenkt man eben keinen Blüthnerschen Flügel; und wer in einfach bürgerlichen Verhältnissen lebt, dem schenkt man kein Reitpferd. Man lasse auch dem Bescheidenen seine Würde.
        Die Kirche werde aber nicht zur Ruine, sie höre nicht auf, im Leben zu stehen, im Leben der Gemeinde ihren Platz auszufüllen. Sie versinke nicht in die Einseitigkeit, lediglich Denkmal der Vergangenheit zu sein. Man hüte sie in ihren Grundformen und störe sie nicht in ihrem Altertum, indem man falschen Reichtum einzuführen sucht, einen Prunk, aus dessen Löchern die Armut hervorschaut. Die "praktischen" Leute sagen wohl, die Gemeinde müsse stets die Kosten bedenken, da die Kirche ihr Geld zu wichtigen Wohltätigkeitszwecken brauche, also sparen müsse. Das ist sicher richtig. Spart dann damit, daß ihr der Kirche keinen neuen Schmuck durch Bau oder Einbau schafft, und zwar so lange, bis es möglich ist, das wirklich Gute zu leisten: Keinen Ersatz, kein Surrogat, keine ästhetische Lüge!
        Wohl ist es leichter solche Forderungen aufzustellen, als die rechten Wege zu ihrer Erfüllung zu finden. Der Putzbewurf hat sich von der Außenseite der Kirche abgelöst. Soll man nun die ganze Kirche, an der man ohnehin sieht, daß gleicher Unfall sie schon öfter betraf, neu verputzen? Nur wenn es wirklich nötig ist. Denn die schlichte Dorfkirche, die in ihrem etwas buntscheckigen Gewände ernst und feierlich aussieht, wird neu verputzt und gestrichen wahrscheinlich nüchtern, langweilig erscheinen, so daß man sich in der Gemeinde sagt: Hier muß etwas geschehen! Es kommt dann zu dem Wunsche, Schmuck an der Kirche anzubringen, den vorher niemand an ihr vermißte, zu Umgestaltungen, die Kosten verursachen und selten Verbesserungen gegen den ursprünglichen Zustand sind: Quieta non movere.
        An den Profilen der Kirche zeigen sich Lücken: der Stein ist ausgewittert und teilweise abgefallen, Hier und da ist ein Stück aus dem Mauerwerk abgebrochen, am Tor sind die Gewände beschädigt. Ein herbeigerufener Maurer ist bereit, die Schäden schnell zu beseitigen. Er streicht die fehlenden Stellen mit Zement aus und überarbeitet diesen so, daß er dem Stein ähnlich erscheint. Nach ein paar Jahren färbt der Zement sich schwarz und der Bau sieht schlechter aus als vorher: damals vorn Alter beschädigt, jetzt elend zusammengeflickt. Man warte bis die Erneuerung wirklich dringlich wird und bis man die Mittel hat, die beschädigten Steine durch gleichwertige neue auszuwechseln.
        Aber das Nichtstun ist auch nicht der Weisheit letzter Schluß. Denn die Zeit und ihr nagender Zahn halten sich nicht daran. Sie sind es, die Veränderungen bringen und die Denkmalpflege zum Eingreifen nötigen. Auf dem Kirchhofe wird seit Jahrhunderten begraben. Die Leichen sind zu Erde geworden, der Boden wächst empor. Schon muß man in die Kirche Stufen hinabsteigen. Der Fußboden ist feucht, die Feuchtigkeit steigt in den Wänden empor, es zeigen sich allerhand Pflanzen an den Wänden, Ausschwitzungen von Salpeter, schließlich Schwamm; die Luft in der Kirche wird dumpfig, es riecht teils moderig, teils scharf, pfefferig; die dort bewahrten Gegenstände rosten, beschlagen oder stocken: die Erkenntnis, daß etwas gesehen müsse, wird allgemein.
        Es fragt sich vor Allem, ob Arbeiten am Bau selbst vorzunehmen sind. Man lasse zunächst durch einen erfahrenen Architekten untersuchen, ob sich die Kirche nicht von außen her trocken legen läßt: durch Herumführen eines Grabens um die Außenmauer, der bis unter die Gleiche des Fußbodens hinabgesenkt wird, so daß nach ihm die Feuchtigkeit sich verzieht und abgeleitet werden kann, etwa nach einer Senkgrube oder nach einer sonst tiefer gelegenen Stelle. In den Graben legt man groben Schotter oder was sonst das Wasser durchläßt und schüttet ihn dann zu, so daß sich im Boden ein Gerinne offen hält. Oder man decke ihn längs der Mauer mit Steinplatten ab, so daß zwischen dieser und dem anstehenden Boden eine trocknende Luftschicht eingefügt wird. Dazu lasse man die Kirche selbst planmäßig ventilieren.
        Solche Mittel wirken meist besser als alles andere, wenn die Arbeiten nur von kundiger Hand geleitet werden, also zugleich der Einfluß auf den Kirchhof und die diesem anvertrauten Leichen beurteilt wird.
        Es kommt zu schwierigen Entscheidungen zunächst über die Frage, ob die Kirche zu restaurieren sei. Fremdworte haben leicht die Eigenschaft, daß sie nicht ganz klar die Sache ausdrücken, die man eben meint. Restaurieren heißt wiederherstellen, den Bau zurückführen auf seinen ursprünglichen Zustand, ihn in seinem alten Wesen bekräftigen. Restaurieren kann man auch seinen hungernden Magen in einer Restauration. Und so verstand man auch die Sache. Man entfernte alles das, was sich nicht schon in der Zeit der Erbauung der Kirche in ihr befand. Und da man hiermit zumeist den Bau vollständig ausleerte, Altäre, Kanzel, Orgel usw. entfernen mußte, entschloß man sich, diese neu, aber in jener Form in die Kirche hineinzustellen, wie sie nach jeweiliger Ansicht wohl ursprünglich ausgesehen haben konnten. Man entfernte das Werk späterer Zeiten, um den Eindruck zu erwecken, die Kirche habe seit so und so viel Jahrhunderten keinerlei umgestaltende Tätigkeit der Gemeinde erlebt. Und man ging weiter. Wenn die Kirche nach dem Plane, den man als den ursprünglichen erkannt hatte, nicht fertig gebaut worden war, wenn spätere Zeiten das Unvollendete hinzugefügt hatten, so hielt man sich für ernstlich verpflichtet, dies zu entfernen und etwas an seine Stelle zu setzen, was dem Willen des ersten Meisters nach Ansicht des Restaurators entsprach. Dieser sollte auf kunstwissenschaftlichem Wege diesen Willen feststellen und sich streng an das Gefundene halten. Zu Anfang der Restaurierungstätigkeit sprach man z. B. noch von reiner, "guter" Gotik. Und weil der Ansicht der Architekten aus der Schule Schinkels der Chor des Kölner Domes dieser guten Gotik nicht entsprach, änderte man ihn ab. Man korrigierte also die alten Meister nach den kunstwissenschaftlichen Erforschungsergebnissen, die freilich bald als gründlich verfehlt erkannt wurden. Später schritt man in der Forschung weiter. Man erkannte, daß verschiedene Zeiten verschiedene Ausdruckformen besessen hatten, und der gelehrte Architekt lernte nun seinen Bau so restaurieren, daß das Hinzugefügte der Kunst der Landschaft und womöglich des Jahrzehntes der Entstehung des Urbaues entsprach. Der Restaurator war stolz darauf, wenn selbst der Fachmann nicht erkennen konnte, was alt und was von ihm dem Alten angefügt sei. Ja er baute neue Kirchen je nach seinem Entschluß etwa in rheinisch-romanischem Stil der Zeit um 1100 oder in französischer Frühgotik von 1200, in deutscher Renaissance von 1550 oder endlich im Barock von 1700. Er vertiefte sich so in den Geist der verschiedenen Zeiten, daß er Alles das konnte. Da nun nach diesem Vorgehen eine restaurierte Kirche des 13. Jahrhunderts genau so aussehen mußte, wie eine neue im Stil des 13. Jahrhunderts erbaute, so ergab sich eine Entwertung der alten, die man als solche nur an ihren Altersschrunden erkannte. Aber auch diese zu entfernen war der Restaurator ängstlich bemüht.
        Wenn man die grundsätzliche Berechtigung dieser Bauart anerkennt, so muß man auch zugeben, daß die Absicht oft in hervorragendem Maße erreicht ist: Leider! Denn wie der große Architekt Semper sagte, man verleugnet die Vergangenheit und belügt die Gegenwart.
        Zu Ende des 19. Jahrhunderts setzte der Widerspruch gegen diese Kunst ein. In Deutschland mit dem 1. Denkmalpflegetag in Dresden, in Frankreich durch den Verein "Amis des monuments", in England durch die "Society for protection of ancient buildings". Überall erscholl der Ruf: "Erhalten, nicht restaurieren!" Man erkannte, wieviel durch das Arbeiten an alten Bauten zerstört worden war. Noch gibt es ältere Architekten, die dem Restaurieren huldigen. Aber sie sind im Absterben. Bald wird es soweit kommen, daß die künstlerischen Sünden des 19. Jahrhunderts der Vergangenheit angehören. Und niemand wird dieser wissenschaftlich künstlerischen Tätigkeit eine Träne nachweinen.

Der Umbau.
        Die Stunde kommt, in der der Umbau einer alten Kirche erwogen werden muß. Er wird abzulehnen sein, wenn es sich dabei nur um Stilfragen handelt, wenn es bloß Geschmacksfragen sind, die den Anlaß geben. Zum mindesten ist hierin die größte Vorsicht vonnöten. Anders, wenn es sich um Fragen des Gottesdienstes handelt: die Gemeinde hat sich vergrößert, der alte Bau reicht zur Erfüllung seines Zweckes nicht mehr aus. Es sollen neue Altäre aufgestellt werden; oder es soll die Orgelempore für eine größere Sängerschaft erweitert werden, man braucht mehr Plätze im Gestühl, und was sonst noch sich nötig machen kann. Die alte Kirche hemmt die Entwicklung des Gottesdienstes, den Besuch der Gemeinde bei diesem. Die sich hieraus ergebenden Anforderungen haben das vollste Recht auf Erfüllung. Denn der Kirchenbau ist nicht Herr im Gottesdienst, sondern er hat sich diesem unterzuordnen: er ist Diener.
        Es wird sich schwerlich die grundsätzliche Form finden lassen, mit der man solche Anforderungen befriedigen kann. Wenn die alte Kirche ein Werk von hervorragendem Wert ist, und wenn sie tatsächlich den kirchlichen Bedürfnissen nicht entspricht, so wird die Antwort zu lauten haben: Man baue eine neue Kirche an eine andere Stelle und lasse die alte Kirche als ein Denkmal der Vergangenheit unberührt. Der Neubau kommt in solchen Fällen meist nicht teurer als ein tiefgreifender Umbau. Die alte Kirche ist dann als Kapelle oder, wenn eine solche nicht für gottesdienstliche Zwecke erforderlich oder verwendbar ist, für eine andere, im äußersten Falle auch profane Bestimmung einzurichten, soweit dies ohne Schädigung ihres künstlerischen und kunstgeschichtlichen Wertes möglich ist. Denn Bauten, die eines tatsächlichen Zweckes entbehren, werden schwer in baulichem Zustande zu erhalten sein. Es ist der Denkmalpflege erfolgreich gelungen, solche Bauten abzutragen und in allen ihren Teilen an eine andere Stelle, etwa auf einen Kirchhof zu überführen, wo sie dann als Gottesackerkirche Verwendung fanden.
        Sind diese Wege nicht gangbar, so entsteht die Frage, ob durch Anbau der Zweck sachgemäß erreicht werden kann. Es handelt sich hier um Aufgaben, deren Lösung besondere Sachkenntnis und hervorragend hohes künstlerisches Empfinden erfordern. Während in früheren Jahrhunderten solche Anbauten oft rücksichtslos hergestellt wurden, unverkennbar in geringer Achtung der älteren, als veraltet geltenden Teile, fordern wir von dem Neuanbau zwar künstlerische Selbständigkeit, den Stil unserer Zeit, aber zugleich Ehrfurcht vor dem Alten, Einordnen, ja Unterordnen unter dieses.
        Ist nun der neue Grundsatz richtig? Er hängt zusammen mit dem Erwachen des Selbstgefühles der Zeit, die nach eigenem Ausdruck drängt, denn mit dem Erhalten des Alten ist's nicht getan. Wenn wir auch in die Schule der Vergangenheit gingen, so wollen wir doch nicht vergessen, daß sie nicht bloß erhielt, sondern daß sie fortbildete, und wir beklagen oft, daß sie dabei Altes, Erhaltenswertes zerstörte, also Fehler begangen hat, die auf uns schmerzlich wirken. Gutes wurde oft durch minder Wertvolles verdrängt. Es überwog das Streben auf das Fortbilden über die Ehrfurcht vor dem Überlieferten. Unser Ziel ist, beide Richtungen miteinander zu verbinden, unsere Zeitanschauungen auch an einem alten Bau geltend zu machen, sobald das sich als nötig, als verständig erweist, jedoch dabei zu erhalten, soviel immer möglich ist.
        Wenn nun aber an einer alten Kirche in diesem Sinne Änderungen vorgenommen werden sollen, so stelle man zunächst mit Hilfe des Denkmalpflegers fest, welche Teile dabei mit besonderer Sorgfalt zu behandeln seien. Vielleicht hat die Kirche eine seltene, bemerkenswerte Form des Chores, die an sich nicht auffällt, wohl aber denjenigen, der viele Kirchen des Landes kennt, überrascht. Da ist vielleicht ein Tor, dessen Form über die Entstehungszeit des Baues Aufschluß gibt, ein Fenster, eine Empore, ein Gemälde, deren Erhaltung wünschenswert ist. Da ist sachverständiger Rat nötig, nicht nur um das Erhaltenswerte festzustellen, sondern auch um den Weg anzugeben, wie das neu zu Schaffende in ein gutes Verhältnis zum Alten gebracht werden kann. Es tauchen künstlerische Fragen auf. Und in diesen hat der Künstler das entscheidende Wort zu sprechen. Man sorge dafür, den rechten Mann zu finden, dessen Rat man Vertrauen schenken kann, und scheue Beratung mit dem Altertumsfreunde nicht, da dieser dem Künstler Rat zu erteilen hat, Rat in der Pflege des Alten, um dieses gegen die etwa allzu stark hervortretenden Neuerungen des zum Schaffen berufenen Meisters zu verteidigen. Handelt es sich hier doch nicht um ein Werk, das aus seinem Geiste allein erwachsen, sondern um ein solches, das sich verehrtem Vorhandenen treulich anschließen soll.
        Der Architekt kennt aus den Fachschriften solche Umbauten: Wie hier an eine einschiffige Kirche durch Ersatz einer Seitenwand durch Pfeiler ein zweites und drittes Schiff angebaut wurde, ohne tieferen Eingriff in den nun als Seitenschiff verwendeten ursprünglichen Bau; wie dort die Kirche verlängert wurde, ohne daß die Einheitlichkeit der Raumwirkung durch den Wandel im Stil gestört wurde; wie hier Emporen eingefügt, dort entfernt wurden; und was sonst alles mit geschickter Hand durchgebildet wurde. Am Entwurfe des Architekten liegt es, die Wünsche des Denkmalpflegers der Gemeinde verständlich und gefällig zu machen und sie dann durch die Ausführung zur künstlerischen Tat werden zu lassen.
 

III. Die Pflege der kirchlichen Baudenkmäler.

Bildhauer- und Steinmetzarbeiten.
        Steinbildhauer des Mittelalters arbeiteten in einer Weise, die sich vielfach von der der Neuzeit unterscheidet. Diese schaffen ein Modell in Ton und suchen dann den Stein, aus dem die modellierte Gestalt herausgeholt werden kann. Jene hatten den Block vor sich und suchten die Gestalt in diesem in dem Sinne, wie noch Michelangelo arbeitete, der meinte, die Gestalt stecke im Block drin, man brauche nur das sie Umhüllende abzuschlagen, um sie aus diesem herauszuholen. Das ist nicht nur ein geistreiches Wort, sondern in hohem Grade bedeutend für das künstlerische Schaffen: Nämlich für die Geschlossenheit der Figur, für das Verzichten auf weit ausgreifende Bewegung, für die Klarheit des Umrisses, so daß man bei genauem Hinsehen die Grenzen des Blockes noch an der Haltung der Gestalt erkennt, an den am weitesten hervorragenden Gliedern oder Gewandfalten.
        Anders bei einer Modellbildnerei. Da wird nach der zunächst geschaffenen Skizze ein Eisengerüst aufgebaut und um dieses aus Ton das eigentliche Modell. Nichts hindert daran, die Bewegung von Armen, Beinen, Gewand weit ausgreifend zu machen: Ein starkes Eisen hält die Tonmasse fest. Es wird dann das Modell in Gips abgeformt und nach dieser Form eine Gußform hergestellt, so wie bei den Glocken. Auch werden wohl einzelne Teile gesondert gegossen und am Rumpfe befestigt, da hier für sicheres Halten gesorgt werden kann, was im Stein meist sehr fragwürdig ist. Diese Form der Bildnerei hat sich nun vielfach auf den Stein übertragen, indem Bronzefiguren schon im Altertum in Stein nachgeahmt wurden, trotz des großen Verlustes an Stoff, der sich dabei herausstellte.
        Dagegen wird man noch an den Werken des Barockstile die Sparsamkeit am Stein erkennen. So lebhaft bewegt die Gestalt ist, so fest steckt sie in den ihr gegebenen Grenzen. Aber sie wächst scheinbar aus ihnen heraus. Denn der dargestellte Mensch ist oft tatsächlich größer, wie der Stein hoch war, da er sich nicht gerade aufrichtet, sondern vielleicht kniet oder sich beugt oder sonst eine Bewegung unternimmt.
        An gotischen Toren findet man oft figürliche Gestalten: Man prüfe sie auf ihre Einordnung in die Bauformen und wird finden, daß sie stets im Sinne des Steinbildhauers gestaltet sind. Die Gotik betont die Lotrechte, und so stehen denn die Gestalten zumeist lotrecht, mit Gliedern, die sich nicht weit vom Körper trennen; sie sind oft überschlank, nur wenig bewegt, durchseelt von dem Gedanken, den Stein zu beleben, in dem die Heiligengestalt schlummerte. Das Streben war auf Ausdruck gerichtet, nicht auf Schönheit. Kein Wunder, daß Jahrhunderte kamen, in denen das Werk mißfiel, verachtet wurde. Man sprach von "greulichen Fratzen", die dem Beschauer entgegengrinsen. Langsam kam das Verständnis wieder, endlich die Erkenntnis, daß dem Alter gegenüber nicht der Tagesgeschmack, sondern ein auf Kenntnis der damaligen Zeitkunst berührendes Urteil am Platze ist. Die Denkmalpflege will nicht erhalten, was ihr heute als schön erscheint, sondern was einst für künstlerisch galt.
        Wie ist nun das Erhalten durchzuführen? Den ganzen Kirchbau, ebenso auch die bildnerischen Werke schütze man vor Feuchtigkeit. Ein durchnäßter Stein friert im Winter aus, d. h. der Frost zerstört Teile seiner Oberfläche, die Haut: Er verwittert. Und die Verwitterung schreitet nach innen immer tiefer fort. An der Haut aber ist bei einem Bildwerk das meiste, alles gelegen. Weiter bröckeln wohl ganze Stücke vom Stein ab, namentlich vorspringende Teile, eine Backe ein Finger, ein Stück der Falten. Je tiefer die Einschnitte sind die der Bildhauer in Ausgestaltung seiner Gestalt machte, je mehr sich hier Wasser, Schnee festsetzen konnte, desto uns scheinbarer wird der Stein, desto mehr zerstören ihn der Frost, die chemischen Bestandteile der Luft, namentlich die der größeren Städte, der Fabriken mit ihrem starken Kohlenverbrauch.
        Endlich erkennt jeder: Für die Figur muß etwas geschehen! Aber was?
        Das Einfachste ist, sie in ein Museum zu stellen, das sie in dem Zustande bewahrt, in dem sie sich befindet, und einen Bildhauer zu beauftragen, eine neue Figur au Stelle der alten zu setzen, entweder eine solche, die der Bildhauer neu erfindet oder eine solche, in der er die alte ergänzt nachahmt. Dann ist aber doch eine Hauptsache für die Kirche verloren, nämlich die alte Figur. Oder man erhält diese, läßt sie aber durch einen geschickten Mann ergänzen. Es gibt sehr gute Steinkitte, die dabei in Verwendung kommen können. Man schlägt also ein Stück des verdorbenen Steines weg und setzt hier ein gesundes Stück derselben Steinart, womöglich aus demselben Bruch, aus dem der alte Stein stammt, an, macht eine Vierung, wie der Fachmann sagt, und ergänzt mit Vorsicht die fehlende Kunstform, tunlichst sich an das Vorbild des Abgeschlagenen haltend. Zugleich sorgt man für Befestigung der alten Steinteile durch gewisse Anstriche, Imprägnierungen.
        Es gibt eine Anzahl von Mittein dieser Art, deren Hauptzweck ist, den einzelnen Teilchen, Körnern des Steines, den gelockerten Halt wieder zu geben, so daß sie dem Eindringen von Feuchtigkeit und der beim Ausfrieren und bei großer Hitze entstehenden Bewegung Widerstand leisten können. Manche Vorschriften fordern, daß man vor dem Imprägnieren das Verwitterte bis auf den gesunden Kern entferne, ein Vorgehen, das einem Bildwerke gegenüber undenkbar ist, an dem ja die Haut über den künstlerischen Wert entscheidet. Doch wurde auch dann guter Erfolg erzielt, wenn der Stein beim Anstrich trocken war. Über die Dauer der Wirksamkeit der verschiedenen Mittel fehlt es noch an den nötigen Erfahrungen, selbst bei solchen Steinmetzen, die sich dieser besonders lebhaft rühmen. Denn hier handelt es sich ja nicht um jene Erfahrungen, die man in einem Menschenleben sammeln kann, sondern um solche über eine erheblich weitere Spanne Zeit. Wenn der Steinmetz erklärt, er habe mit gutem Erfolg ein Sandsteindenkmal imprägniert, so erkundige man sich, wie lange es steht. Ist die Imprägnierung nicht vor mindestens 30 Jahren erfolgt, so hat sein Zustand für die hier zu behandelnden Fragen wenig Bedeutung.
        In den alten Stein eingeführte Verzierungen werden in der Farbe sich scharf vom Alten sondern. Man lasse sich dadurch nicht stören: An Kirchen soll man nicht für den Augenblick, sondern für die Dauer arbeiten. Und diese wird auch dem neuen Stein die rechte Farbe geben. Man soll auch nicht jeden kleinen Fehler zu entfernen ängstlich besorgt sein. Der alte Pfarrer sieht ja auch nicht ganz jugendblank aus und wird gerade um seines Alters willen geachtet und geehrt. Denkmäler haben gleiche Rechte. Man tue das, was zu ihrer Erhaltung nötig ist und erstrebe nicht eine Verjüngung.
        Vor allem aber halte man fachunkundige, geschäftseifrige Hände vom Werke fern, so z. B. die Fabrikanten aller Arten von Kitt, die schnell fertigen Ausbesserer aller Schäden in Zement, das längst als ein böser Schädling erkannt ist. Anfangs wird es nach der Steinfarbe des alten Baues abgestimmt, bald aber tritt der häßliche graue Ton hervor: Die Zerstörung des Steines schreitet fort, der Zement aber behauptet sich mit unerbittlicher Hartnäckigkeit, so daß man Stücke des Steines losschlagen muß, wenn man ihn wieder entfernen will. Ausbesserungen mit Zement sollten kunstpolizeilich verboten werden!
        Was nun von den Statuen gilt, ist auch für Reliefs, für Ornament, für Architekturglieder, für die Masse des Hausteinmauerwerks maßgebend. Auch hier sollte der Grundsatz gelten: Das Alte erhalten, auch wenn es nicht ohne Runzeln und Schrunden ist, und zwar so lange, als es nicht zur Gefahr für das Ganze wird oder in sich den Halt verloren hat. Aber kein künstliches Altmachen, keine Täuschungen hervorrufen, sondern das Neue als neu erscheinen lassen, selbst wenn das für einige Zeit störend wirkt.
        Ein beliebtes Mittel war in der Anfangszeit der Denkmalpflege das Überarbeiten alten Steinwerkes, das Abscharrieren, d. i. Wegschlagen der Haut mit einem breiten Eisen, so daß Vertiefungen in der Oberfläche, entsprechend der Länge des Eisens entstehen. Oder das Stocken, d. i. Bearbeiten mit einem Hammer, auf dessen breiter Fläche kleine pyramidenförmige Erhöhungen sind, die den Stein so bearbeiten, daß er körnig wirkt. In beiden Fällen verschwinden die Eigenarten der Bearbeitung des alten Steines und damit seine Wirkung. Es verschwinden dabei auch gewisse Denkmäler, auf die der Kunstforscher sein Auge richtet, nämlich die Steinmetzzeichen, die der Gesell und der Lehrling an das von ihm bearbeitete Zeichen schlug, als sein ihm vom Meister verliehenes Wappen. Aus den Gesellen aber werden wieder Meister. Die Forschung hat die Zeichen der wichtigsten bekannten Meister festgestellt, und das Finden eines Zeichens an einem Stein eines etwas älteren Baues gibt uns den Nachweis, wo der Meister früher gearbeitet, wo er gelernt hat. Andererseits kennen wir Zeichen ohne den Namen ihres Trägers ermittelt zu haben und besitzen damit die Möglichkeit, das künstlerische Wesen des Unbekannten geschichtlich festzustellen. Wer also Steinmetzzeichen entfernt, beraubt die Architekturgeschichte um Forschungsmittel. Wichtig sind namentlich die Meisterzeichen, die meist größer gebildet, an besonders auffälligen Stellen, oft in einem Wappenschild angebracht sind.
        Die Denkmalpflege ist bis zu ihrer heutigen Auffassung seltsame Wege gewandert. So schlug man vor, beschädigte Bauglieder durch nachgeahmte und in einer Form ergänzte zu ersetzen, die genau so zu bilden seien, wie die alten ursprünglich aussahen; um aber dem Einwände zu entgehen, daß dies doch eigentlich Fälschung sei, wäre die Jahreszahl der Wiederherstellung einzumeißeln mit besonderen Angaben darüber, ob die Form Nachahmung oder frei erfunden seien. Man wollte dem Beschauer dadurch den Eindruck des ursprünglichen Baues geben, so wie er aus des Meisters Hand hervorging, dem Forscher aber erkennbar machen, was neu hinzugefügt worden sei: Sehr vorsichtig, sehr gelehrt, aber sehr unkünstlerisch. Dem hielt man entgegen, wie vergangene Jahrhunderte sich ähnlichen Aufgaben gegenüberstellten. Sie machten das Neue in ihrem Geschmack, zeigten, daß eine spätere Zeit sich künstlerisch anders äußerte und wußten sich doch in den Gesamtraum einzuschicken. Unsere Aufgabe ist, ihnen hierin zu folgen, indem wir den geschichtlichen Geist wahren: Offenes Bekennen zur eigenen Zeit bei höchster Bewertung der Vergangenheit. Also nicht ein auf Gelehrsamkeit beruhendes Bilden in einem vergangenen Stil, sondern freudiges Einreihen der eigenen Schöpferkraft in den von den Alten uns hinterlassenen Bau. Der letzte Inhalt jeder gottesdienstlichen Handlung ist ein Zurückgreifen auf die Lehre Christi. Aber seit nun bald zwei Jahrtausenden sucht der Prediger sie aus dem Geiste seiner Zeit darzustellen, in der Sprache seines Volkes. Auch die Kunst ist eine solche Sprache.
        Die Frage ist noch offen, in wieweit Haustein im Mittelalter bemalt wurde. Darüber ist gelegentlich der Ausmalung alter Kirchen weiteres zu sagen. Berechtigt ist die Bemalung des Steines zweifellos. Es fragt sich nur, ob eine solche nicht eine Benachteiligung der Wirkung ist, da der Stein oft in seiner künstlerischen Wirkung über der Farbschicht steht: So vor allem die edleren Steinarten, an der Spitze der Marmor. Es gibt bekanntlich weißen, solchen der meist bläulich geädert ist, sowie bunte Marmorsorten; selbst schwarze, ferner sogenannte Breccien verschiedener Art, einen Stein, der aus farbigen Brocken zusammengesetzt ist. Dazu kann man Marmor mit Erfolg beizen und färben, so daß es eine falsche Vorstellung ist, wenn man bei dem Worte zunächst nur an das zuckerige Weiß der berühmten Brüche der Alten, der pentelischen, parischen und carrarischen denkt. Man verwendete die farbigen Marmorarten sehr oft, um dadurch Muster zusammenzustellen, indem man Platten in Rahmen einführte und durch Polieren deren Glanz erhöhte. Solche Marmormosaiken und -intarsien sind in Kirchen vielfach verwendet worden, und zwar unter Hinzunahme auch anderen Gesteins bis zu dem vornehmsten, wie dem tiefblauen Lasurstein, dem grünen Malachit und anderen in größeren Stücken gebrochenen Halbedelsteinen. Die Herstellung von Steinmosaik wurde zu einem Gewerbe, das auch in kleinstem Maßstab für Frauenschmuck arbeitete, aber sich auch in manchen — namentlich venetianischen — Kirchen, über die ganze Architektur erstreckte. Mit der Philosophie der Armen hat man sich über diese "Verschwendung" entsetzt. Das mag der tun, der die Grenzen der Opfertätigkeit für die Kirche glaubt feststellen zu können, der anzugeben weiß, inwiefern die evangelische Einfachheit diese einzuschränken habe. Ich möchte damit sagen, es seien theologische, nicht aber künstlerische Bedenken, die sich hier geltend machen. Und die ersteren zu beurteilen, ist nicht meine Sache.
        Von besonderer Wichtigkeit ist auch der Haustein für das Kirchenpflaster, das Paviment. Man sieht in altchristlichen Kirchen, wie sich die Künstler aus den verfallenden heidnischen Bauten die edlen Stoffe zum Schmuck des Fußbodens herbeiholten: Säulenschäfte wurden da in Scheiben zersägt und diese auf den Fußboden gelegt, andere Stücke benutzt, um Muster daraus zu bilden, die alte Kunst des Herstellens eines Mosaik aus farbigen Steinbrocken wurde erfolgreich fortgeführt. Und wo die Kunst verloren gegangen war, wo es an farbigem Gestein fehlte, wurde doch der Boden mit Platten aus Sandstein oder ähnlichen am Orte befindlichen Baustoffen belegt. Auch Ziegel verschiedenster Art treten auf. Oder man schlug verschiedenartige Steine in einem Mörtelguß zusammen und breitete diesen auf dem Boden aus, indem man ihn nach Art des Estrichs auf dem Boden verstrich oder ihn in fertiggestellte Stücken zerlegte (Terrazzo oder Battuta).

Ziegelbau.
        Lange hat man den Ziegel lediglich als einen Ersatz für den Haustein betrachtet, als ein Surrogat von geringem Wert. Es waren die Zeiten, in denen der Bürger sein in Ziegeln errichtetes Wohnhaus mit Kalk abputzen ließ, um es damit vornehmer zu machen. Es folgten die Tage, in denen man die feierliche Größe, namentlich der kirchlichen Ziegelbauten Norddeutschlands und die behäbige Stimmung der alten Wohnhäuser dieser Art erkannte und sich hieraus das lebhafte Streben entwickelte, ähnliche Wirkungen zu erzielen. Der Ziegelbau drang damit auch in Gebiete vor, in denen es Haustein zur Genüge gab. Es entstanden Kirchen und Paläste in diesem nun zu hohen Ehren gelangten Stoff, dessen "Echtheit" nunmehr unangefochten war, seit man die besonderen Bedingungen seiner Verwendung erkannt hatte.
        Der Backstein unserer Tage hat durch ein Abkommen ein festgesetztes Maß von 25 zu 12 zu 6,5 cm. Er liegt zwischen Kalkfugen von l cm Breite so, daß abwechselnd eine Langseite an der Außenseite erscheint, als Läufer, oder die Schmalseite als Binder. Liegen die Steine auf der Schmalseite aneinander geschichtet, so bildet sich eine Rollschicht. Im Wechsel der Binder und Läufer entwickeln sich mancherlei Steinverbände von verschiedenen Namen, durch die eine große Wand eine gewisse Musterung erhält. Diese tritt schärfer hervor durch die Benutzung von zufälligen Umständen. Wenn in den Feldbränden beim Härten der aus Lehm oder Ton gebildeten, an der Luft getrockneten Steine nicht fertige, sondern aus diesen Steinen selbst gebildete Öfen verwendet wurden, brannten die dem Feuer zunächst zugänglichen Steine stärker und wurden dadurch bläulich rot (Klinker), während die dem Feuer ferner bleibenden rot, die äußersten gelblich brannten. Indem man nun den Klinker mit der Kopfseite nach außen in die Schicht einbettete, erhielt die Musterung im Verbande eine deutlich bemerkbare Farbe. Freilich gelang selten eine gleichmäßige Durchbildung des Musters, da es meist an der genügenden Zahl von Klinkern fehlte, dafür aber wirkte die Fläche um so lebendiger, minder schematisch als moderne Wandmusterungen.
        Im allgemeinen brannte das Mittelalter größere Steine als die Jetztzeit. Sie unterscheiden sich auch von den mit Maschinen hergestellten dadurch, daß sie minder gleichmäßig gebildet sind, im Mauerwerk selbst durch die verschiedenartige Behandlung der Fugen. Wenn nun in neuerer Zeit Klagen gegen die künstlerische Wirkung moderner Ziegelmauern sich erhoben, so berief man sich auf die ältere Arbeitsweise als nicht erreichtes Vorbild. Die saubere Gleichmäßigkeit erweckte Langeweile und Nüchternheit, das deutliche Hervortreten der die Masse bildenden Einzelsteine, namentlich bei kleinen Bauten, wirkte störend, die Verwendung zu Schmückgebilden spielerisch, an die Baukasten unserer Kinder erinnernd. Gerade die Massigkeit der alten Bauten erschien nun als der Grund ihres künstlerischen Wertes.
        Steine wurden auch glasiert, d. h. in gelben und grünen Glasfluß getaucht und dann gebrannt. Es wurden Steine von anderer Gestalt, als der gleichmäßigen hergestellt, Formsteine, aus denen Gesimse, Zierformen, aufsteigende Säulen Gewölbrippen gebildet wurden. Eine Frage gelehrten Streites war es, ob vermauerte Ziegel ähnlich wie Haustein mit dem Meißel bearbeitet wurden. Erwiesen ist, daß dies tatsächlich geschah, doch nicht allgemeiner Brauch war.
        Wenn ein Ziegelbau Schaden erleidet, so ist die Frage, ob man zu seiner Ausbesserung Steine der den alten Formen entsprechenden Gestalt auftreiben kann. Denn Steine anderer Größe als die alten, werden sich als unerfreulich erscheinende Flickerei bemerkbar machen. Vielfach sind auch Kirchen nachträglich verputzt worden. Schlägt man den Putz ab, so ist es doch schwer, die Ziegelfläche wieder zu reinigen. In den Niederlanden sah ich, daß man dann die Flächen abscharriert, d. h. die Haut des Ziegels weghaut. Bei uns wird angenommen, daß dieser hierdurch an Widerstandskraft gegen Verwitterung verliere, was belgische Fachleute mir gegenüber verneinten.
        In alten Ziegelkirchen sieht man oft, daß gewisse Flächen zwischen den Steinmassen verputzt und bemalt waren, ein Mittel, mit dem man den schweren Ernst des Stoffes aufheiterte. Ähnlich wechselt auch im Innern der rote Stein mit der weißen Putzfläche und werden dadurch malerische Wirkungen erzielt.

Putz und Stuck.
        Das 16. Jahrhundert führte eine große Zahl von Italienern nach Deutschland, die den Bau in Putz verbreiteten, d. h. das Verkleiden der Flächen mit einem Kalkbewurf. Zugleich brachten sie den Stuck auf, ein Arbeiten in einer aus Gips oder Marmorstaub gebildeten knetbaren Masse, die entweder in Formen gepreßt und erhärtet an die Wand gebracht, oder mit der Kelle an diese geworfen und mit Modellbrettern als Gesimse gezogen oder endlich auch nach Art des Bildhauers geformt wird. Zwar ist das Wort Stuck mittelhochdeutscher Herkunft, und Stuckarbeiten aus dem 13. Jahrhundert sind auch bei uns bekannt — so Gestalten an den Chorschranken der Michaeliskirche in Hildesheim — aber der Name der Arbeiter in Stuck, stuccatore, stuccateur ist uns doch noch aus dem 17. und 18. Jahrhundert geblieben.
        Im Anfang des 19. Jahrhunderts, auch durch einen so großen Meister wie Schinckel es war, wurde der Putz der Schauseiten (Fassaden) so gestaltet, wie es die klassizistische, vom Marmorbau entlehnte Kunst erforderte, also in Nachahmung des Steinbaues. So würden zum Beispiel vertiefte Linien in den Putz eingezogen nach Art der Quaderfugen am Steinbau und somit ein dem Putzbau fremdes Wesen vorgespiegelt. Jeder Baustoff nun, der als etwas anderes erscheinen will, womöglich als etwas Besseres als er ist, erscheint uns als Ersatz und damit an sich als minderwertig. Nun ist aber Kalk ein ebenso echter Stoff wie jeder andere, der Fehler lag nur in der Verwendung. Das 18. Jahrhundert, das nachmals mißachtete Rokoko, hatte die verputzten Wände durch Wandstreifen und umrahmte Felder gegliedert und damit dem Putz eine durchaus angemessene Gestaltung gegeben, nicht eben aus tiefsinniger ästhetischer Betrachtung, sondern weil das die verständigste und sinngemäßeste Verwendung eines in Flächen aufgetragenen Stoffes war. Seit man das Rokoko nicht mehr als "Zopf" verhöhnte, seit man die hohe Schönheit der Werke des 17. und 18. Jahrhunderts erkannt hatte, verschwand auch das Bedenken gegen Putz und Stuck, die man als unkirchlich, als frivol bezeichnet hatte. Das Gerede vom prunkhaften Jesuitenstil und seiner "hohlen Überladung", von der Unwürdigkeit protestantischer Gotteshäuser der Zeit eines Spener und Zinzendorf verstummte, um den Bauten jener Zeit zu vorbildlicher Bedeutung zu helfen. Und so blicken wir jetzt auch auf diese Werke mit freudigem Stolz, in denen der Reichtum der Ausstattung, die vornehme Raumweite und die Fülle des Schmuckes ein erhöhtes Leben uns vermitteln. Mit Stolz auch deswegen, weil das deutsche Barock nicht Nachahmung des italienischen und das deutsche Rokoko nicht Nachahmung des französischen ist, sondern weil es ebenso sehr deutsche Baumeister waren, die den eingedrungenen Fremdstil überwanden, wie deutsche Musiker dies Befreiungswerk in ihrer Kunst leisteten. Man versteht wieder die nie erloschene Vorliebe der Volksmassen für jene Bauten, die von Form, von Farbe, von Gold, von Kunst strotzen, und trotzdem so lange als arge Auswüchse eines verkommenen Geschmackes angesehen wurden.
        Darum halte die Geistlichkeit alle Hände auch über den Stuck, über die verputzten Wände, über die lichte Pracht. Ja selbst dort, wo ältere, etwa romanische oder gotische Kirchen "verzopft" wurden, d. h. wo die spätere Zeit sie durch Neuausstattung mit Stuck und Malerei gründlich umgestaltete, nehme man diesen Wandel als geschichtliche Tatsache hin. Was nach Fortschlagen all des Reichtums zum Vorschein kommt, ist doch meist verstümmelt, seiner besten Teile beraubt, namentlich seiner ursprünglichen Ausstattung, so daß an Stelle eines geschichtlich Gewordenen meist ein trübes Abbild eines Vergangenen zutage tritt.
        Stuck wird bemalt und vergoldet, auch in der Masse gefärbt. Doch wird er auch in verfeinerter Form verwendet als Stuckmarmor, indem in die Masse verschiedenartige Marmorbrocken eingeführt und das Ganze dann geschliffen wird, ähnlich dem Naturmarmor. Alle diese Werkformen sind in unserer Zeit wieder aufgenommen worden, so daß der beschädigte Stuck leicht wieder ausgebessert werden kann — selbstverständlich nur durch kunstgeübte Hände, von Männern, die sich in den Stil einlebten. Die Farben müssen den alten entsprechen, die stets leicht, zierlich, fein, meist weißlich gehalten sind. Schwere Farben, tiefes blau, violett, braun, dunkelgrün, bräunliches Purpur sind zu vermeiden, ebenso wie zu viel Glanzvergoldung: Schau um dich in echten Stuckkirchen, und du wirst lernen, wie du diese bei Erneuerungen zu behandeln hast!

Das Ausmalen der Kirchen.
        Seit dem Vordringen der Renaissance im 19. Jahrhundert, seitdem die Malerei, für die in Deutschland Piloty und Makart bezeichnend sind, die tiefen Töne der orientalischen Teppiche auf das Bild übertrugen, hatte sich auch der Kirchen eine eigenartige Färbung bemächtigt. Man liebte vor allem mit braun gebrochene Farben und übertrug diese auch auf die Ausmalung der Kirchen. Bei geschickter Verwendung ergab dies eine gewisse Ruhe und Feierlichkeit des Gesamttones, die dem Zeitgeschmack behagte. Die starken ungebrochenen Farben waren verpönt, auch das reine Weiß.
        An dessen Stelle setzte man wieder einen leicht gebräunten, Ton, ähnlich dem des Elfenbein, der feiner, zarter, minder entschieden wirkte, als der nach dem Bläulichen hinüberschlagende. Mehr und mehr griffen die Farben um sich, die man als "creme" bezeichnete, als Milchschleim, Rahm, Sahne, also solche, die nun nach dem hellen Gelblichen gestimmt waren. Eine gewisse Ängstlichkeit, eine Scheu vor starken Wirkungen war für die farbige Ausschmückung des Innern bezeichnend, mehr noch für die des Äußeren. Im Mittelalter war dies anders. Wahrscheinlich waren die reicher verzierten Teile, namentlich die Tore und die sonst mit Bildwerk und kirchlichem Ornament versehenen Teile mit ungebrochenen, lebhaften Farben, auch mit Gold bemalt. Wo sich Reste dieser Ausschmückung erhielten, soll man sie nicht entfernen, auch wenn sie nicht die ursprünglichen, sondern nachträglich erneuerte sind. Wenn aber neuzeitliche Architekten Bildstücke und Architekturteile in den leuchtenden Farben wieder bemalten, von denen sie an einem alten Werke Spuren entdeckten, so fanden sie meist lebhafte Gegnerschaft. So erfuhr dies z. B. einer der besten deutschen Kenner der mittelalterlichen Kunst, Karl Schäfer, beim Ausmalen des Tores an Jung St. Peter in Straßburg. Die leuchtenden Farben bleichen bald aus, Staub setzt sich an, so daß die Härte sich mildert und schließlich jene Ruhe in den Ton kommt, die uns an alten Ausmalungen erfreut.
        Es ist dabei vielleicht zu viel mit Grundsätzen gearbeitet worden, nämlich damit, daß das Alte in seinen ursprünglichen Zustand versetzt werden müsse, weil die Alten es eben besser als wir gewußt hätten, was schön sei. Und daß daher nichts übrig bleibe, als auf ihren Wegen zu wandern. Der ihnen widersprechende Tagesgeschmack sei einfach schlecht und müsse zu jenem der Vergangenheit wieder herangebildet werden. Einzuwenden ist dagegen, daß unser Geschmack zwar anders ist als der des Mittelalters, darum aber doch nicht falsch gerichtet, und daß es unsere Aufgabe ist, nicht alten Geschmack wieder aufzunehmen, sondern neuen aus uns heraus zu entwickeln. Also glaube ich, daß hier gleichwertige Ansichten sich gegenüberstehen, die sich teilweise bekämpfen. Der nicht durch Grundsätze Gebundene wird in jedem Einzelfall das Ersprießliche zu finden suchen.
        Die Renaissance und das Barock bauten die farbige Behandlung der Kirche auf dem Weiß des Kalkes und des Gipses auf. Heute ist diese Farbtönung wieder sehr beliebt. Dabei geht man entschiedener Farbigkeit nicht aus dem Wege: Lebhafte Tönung des Gestühls, der Holzteile, kräftige Farben für den ornamentalen und figürlichen Schmuck stehen prächtig auf dem hellen, freundlichen Weiß. Namentlich die ländliche Bevölkerung, die die starken Farben der Natur gewohnt ist, liebt kräftige Tönung. Und allgemein tritt diese stärker hervor, als in früheren Zeiten, ein auch von den Künstlern gern gesehenes Mittel, sich in eindringlicher Weise zu äußern.
        Dabei kommt die Wand- und Deckenmalerei wieder in ihr Recht. Lange Zeit sträubte sich der Geschmack namentlich gegen die Deckenmalerei des Barock, die die Felder des Gewölbes für den Beschauer als Aussicht in den Himmel darstellt. Man warf ihr vor, daß sie das Auge täuschen wolle, als ob sich der Blick ins Freie wirklich eröffne und daß dies um so peinlicher sei, weil die Täuschung augenfällig ist. Niemand wird glauben, daß über ihm tatsächlich eine Himmelfahrt Christi stattfinde, daß dort wirklich Engel auf Wolken ruhten; niemand wird auch glauben, daß die Maler eine solche Täuschung beabsichtigt hätten. Es handelt sich von der künstlerischen Seite lediglich darum, durch die Illusion zu bewirken, daß die Decke leicht, der Raum nach oben erweitert erscheint. Und das ist meist mit Meisterschaft erreicht. Handelt es sich um Täuschung, so doch nur um jene künstlerische, die die Eigenschaft hat, daß man ihrer jederzeit bewußt bleibt; so wie man im Theater zwar die Leidenschaften im Schauspieler walten sieht, ohne aber je darüber außer Zweifel zu kommen, daß es seine kühl überlegte Kunst fertig bringt, die Vorgänge auf der Bühne als tatsächlich uns empfinden zu lassen.
        So ist denn jedes Bild auf dem Grundsatze künstlerischer Täuschung aufgebaut. Unkünstlerisch ist es dann, wenn man in Zweifel darüber kommt, ob das Dargestellte nicht ein Tatsächliches sei. So bei manchen Statuen, die, in künstliches Licht gebracht, wie ein dort stehender Mensch erscheinen. "Realismus" ist ein künstlerisches Ausdrucksmittel, aber es ist auch ein voller Gegensatz zur "Realität". Wer diese vortäuscht, wer dem Beschauer des Bildes etwas anderes vorführen will als eben ein Bild, versündigt sich am Geiste der Kunst, am Geist der Wahrheit, die auch für die Kunst eine innere Notwendigkeit ist.
        Nicht jeder weiß, wie viel die gute Auswahl der Farben selbst bei einfachstem Anstrich der Kirchen ausmacht. Wenn man einen Künstler ruft, der dem Malermeister die Farben "ansetzt", d.h., ihm die Töne zusammenstellt, die er im Raume verwenden soll, so wird man dadurch vor Mißbildungen in der Hauptsache gesichert sein.

Holzbau und Dächer.
        Wer je mit Aufmerksamkeit einen alten und einen neuzeitlichen Holzbau betrachtete, der erkennt meist einen wesentlichen Unterschied. Die neuzeitlichen Zimmerleute arbeiten "rationeller", d. h., sie machen sich klarer, wieviel jeder Holzteil zu tragen hat und wie stark er deswegen sein muß. Die alten Zimmerleute sorgten sich weniger darum, konnten die zu tragenden Lasten statisch nicht berechnen und nahmen von vornherein stärkeres Holz, um auf alle Fälle sicher zu gehen. "Le superflu, c’est le nécessaire" sagt ein französisches Sprichwort, das für die Kunst starke Bedeutung hat. Es drückt sich in der Stärke des Holzes ein gewisser Wohlstand aus, dessen man sich auch bei einfacher Betrachtung bewußt wird.
        Da sind in eine Kirche zwei Holzempore eingebaut, die eine um 1800 oder später, die andere um 100 Jahre früher. Die erstere ruht auf einen im Querschnitt quadratischen, an den Ecken abgeschrägten (gefasten) Ständer mit einem Kapital. Dies besteht aus einer profilierten aufgenagelten Leiste, die an den Ecken durch Absägen im Winkel von 45° zusammengefügt (auf Gehrung geschnitten ist). Die Fugen klaffen, da das Holz durch das Trocknen in seiner Länge sich verkürzte (geschwunden ist): die Sache sieht ärmlich und klapprig aus. Der alte Ständer ist aus einem Holz gebildet, aus dem die Formen herausgeholt wurden. Diese wirken gesund, kräftig, selbstverständlich. Darüber liegt ein Balken. Der neuere ist wieder durch aufgenagelte Leisten verziert, dem griechischen "Gebälk" entsprechend, der ältere ist mit einem aus der Masse geschnittenen Profil versehen, das am Ende, dort wo der Balken aufliegt mit einem "Schiffchen" versehen, einem zierlichen Ornament, das wieder sachlich und verständig erscheint.
        Der alte Zimmermann hatte seine bestimmten Werkzeuge, andere als der Tischler. Er setzte seinen Ehrgeiz darein, nur in Holz zu arbeiten. Er überließ das Arbeiten mit Nägeln und das Leimen dem Tischler. Wo er aber doch Nägel brauchte, schnitzte er sich diese aus Holz.
        Die Balkenlage, die er heute auf die Mauern oder das Riegelwerk, also die aus Holz gebildete, mit Lehm verstakte oder mit Ziegeln ausgemauerte Wand legt, wird durch einen Brettbelag und über einer aufgenagelten Rohrschicht mit Putz von unten abgedeckt: Die Balken selbst sind unsichtbar und demgemäß unverziert. Die alten Balken lagen frei, waren in gleicher Weise ausgebildet, wie die beschriebenen und in den Zwischenreihen waren bemalte Bretter ein geschoben: Das Ganze oft ein Werk von echt künstlerischem Reiz. Wenn die Kirche alt und die Decke verputzt ist, sollte man stets bei Neuerungen untersuchen, ob nicht eine alte Balkenlage darüber steckt, die wieder hervorzuholen möglich ist, als ein seiner Zeit mißachteter Schmuck der Kirche.
        So mancher Pfarrer führte mich ins Dach seiner Kirche, stolz auf die Bauweise des Dachstuhles. Er rühmt, daß "ein ganzer Wald" dafür verarbeitet worden sei. Der Zimmermann und der Architekt von heute klagt wohl darüber, daß eine solche Konstruktion unnötig schwer die Mauern belaste. Aber sie hat daher auch Jahrhunderte überdauert, wenn sie nicht Brand zerstörte.
        Der Helm des Turmes ist wieder eine beachtenswerte Leistung. Manchmal von sonderbarer Form, wie etwa die zwiebelförmigen Hauben so vieler bayrischer Kirchen. Es steigen da schräg Sparren auf, an denen in bewegten Formen gehaltene Bohlen befestigt sind. Auf diesen liegen die Latten und weiterhin die Dachziegel, der Schiefer oder vielleicht sogar auch gespaltene Holzplättchen (Schindeln). Oft bildet sich noch oben eine Laterne oder Durchsicht und schließt diese eine weitere Haube ab. Ja gelegentlich wiederholt sich dasselbe zweimal. Man achte auf die Linienführung: Der Sparren beherrscht sie, die Kurven sind stets ein Hinzugefügtes, da der Umriß auf der Grundlinie der Sparren sich aufbaut.
        Auch das Dach decken Ziegel, Schiefer oder Schindeln. Die alten Dachziegel haben einen Sförmigen Querschnitt (Krummziegel) oder den einer halben Röhre, wobei über den Enden von je zwei mit der offenen Seite nach oben liegenden ein in der Gegenform gelegter abschließend wirkt (Mönch und Nonne). v^v^v^ Oder es sind breite, zungenartige Patten (Pfannen). Bei allen diesen Formen spielt die Musterung der Deckenfläche eine Rolle in der Erscheinung des ganzen Baues, die man bei Erneuerungen nicht unbeachtet lassen sollte. Das alte Dach erscheint wuchtiger, bedeutender. Ebenso das schuppenförmig eingedeckte alte Schieferdach, bei dem die größten Steine unten, die kleineren weiter oben auf Bretter aufgebracht wurden, während jetzt sechseckig bearbeiteter Schiefer geliefert wird, der glatter in der Oberfläche, sauberer in der Arbeit, aber auch dementsprechend langweiliger wirkt. Gegen die Schindeln wehrt sich die Feuerversicherung, da sie zweifellos nicht nur bei einem Brande wenig widerstandsfähig, sondern auch, vom Flugfeuer fortgetragen, für die Umgegend gefährlich sind.
        Man suche, um alten Dorfkirchen ihre malerische Wirkung zu erhalten, die Dächer möglichst unversehrt zu lassen, hüte sich bei Neueindeckungen aber vor den Spielereien mit farbigen Ziegeln oder Schieferplatten, die nur durch eines Künstlers Hand zu einer guten Wirkung gebracht werden können: Und auch diese versagt meist!
        Ein Schmerzenskind der Kirchenverwaltung ist meist der Dachboden. Er hat sehr verschiedene Zwecke: Zunächst dient er als Speicher. Die Kirchendecke ist vielleicht ein Gewölbe, über dem die Balkenlage liegt. Dann wird diese mit Brettern benagelt, so daß oberhalb der Gewölbe ein schwer zugänglicher Raum entsteht, der sich bald mit allerhand Abfall füllt. Oder die Kirche hat eine flache Decke. Um das Entweichen der Heizungswärme zu verhindern, bringt man oberhalb dieser oft eine Lehmschicht an. Selten ist der Fußboden sorgfältig ausgebildet. Es liegen Späne, Holzvorräte, Gerümpel herum, bei Brand ein gefährlicher Stoff zu rascher Verbreitung des Feuers. Dann aber liegen oben machmal recht wertvolle Stücke der älteren bei einer Kirchenerneuerung entfernten Einrichtungsgegenstände. Es ist den Kirchenvorständen dringend zu raten, gute Ordnung auf den Dachböden zu halten, nicht den die Glocken Bedienenden und dem Küster die Sorge allein für diese zu überlassen, namentlich aber dort nach alten Kunstwerken zu suchen und, wenn solche vorhanden sind, sie wenigstens durch Einsammeln in Verschläge vor Unbefugten zu schützen: Eines Tages werden sie noch, in die Kirche zurückgebracht, dieser zur Freude gereichen, auch wenn sie jetzt noch so verkommen aussehen. Der Laie weiß zumeist nicht, wieviel geschicktes Ausbessern an ihnen noch zu retten vermag.
        In den Türmen nisten die Eulen und die Dohlen, in den Dächern viel kleinere Vögel, Fledermäuse usw. Alle diese bringen Schmutz mit sich. Da man sie zu vertreiben nicht gewillt sein mag — mich wenigstens hat es stets gefreut, wenn die Dohlen um die Türme mit ihrem hellen Tja! Tja! schwebten — so muß man eben öfter den Kirchboden reinigen lassen: Es sollten die Kosten dafür in der Jahresabrechnung einen festen Posten bilden.
        Entsteht doch der Verwaltung eine ständige Sorge aus dem Dach. Ausbesserungen gegen Schäden in der Deckung, beim Eindringen von Regenwasser und Schnee sind häufig, das Unterlassen rechtzeitigen Eingreifens rächt sich oft bitter. Nach jedem Unwetter sollte man den Dachboden und das Dach auf ihren Zustand untersuchen.

Die Heizung und Lüftung.
        Die alten Kirchen wurden nicht geheizt. Man suchte sich gegen Kälte zu schützen so gut es ging, mit Pelzen, Überkleidern, Fuß- und Handwärmern (Stövchen), die mit Holzkohle geheizt wurden. Heute fordert man für einen Raum, in dem man sich lange aufzuhalten gewillt ist, entsprechende Wärme. Die großen Eisenöfen, die hier und da aufgestellt sind, die Schornsteine, die nicht ziehen, wenn sie nicht über die Höhe des Dachfirstes hinausgezogen sind, kann man meist als Verschönerung der Kirchen nicht ansehen. Die Sammelheizungen fordern Raum für die Kesselanlage, jede Art Heizung also Eingriffe in den Bestand des Baues.
        Daher begnüge man sich nicht mit den Vorschlägen des Heizungstechnikers, der vorzugsweise, oft aber auch leider allein die praktische Seite ins Auge faßt, sondern frage den künstlerisch geschulten Architekten, den Denkmalspfleger um seinen Rat, ehe man die Arbeit beginnen läßt. Leicht sind Schäden der Kirche zugefügt, schwer sie wieder zu beseitigen. Mit der Heizung sei jedesmal auch für Lüftung gesorgt.
        Wenn schon der rasche Wechsel im Wärmegrad für viele Dinge in der Kirche schädlich ist, so auch die dumpfige Luft, die in einer stark besuchten Kirche, namentlich einer gewärmten, sich bildet. Die Beheizung großer Räume ist zu einer Wissenschaft geworden, deren man sich mittels eines Fachmannes bedienen sollte, statt auf Grund meist unzureichender Erfahrung auf eigene Faust Versuche zu machen. Den rechten Mann, die rechte Firma weist die amtliche Denkmalpflege nach.

Die Kirchenbeleuchtung.
        Als Friedrich dem Großen eine Eingabe des Pfarrers vorlag, in der dieser gegen einen Umbau der Stadtkirche von Potsdam mit der Begründung Einspruch erhob, daß dadurch die Kirche dunkel werde, schrieb er an die Seite: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!"
        Der Pfarrer wird mit der Anwendung dieses Bibelwortes nicht einverstanden gewesen sein. Aber andererseits ist ein gewisses Dämmerlicht als von mystischer Wirkung nicht kurz abzulehnen, also gerade aus kirchlichen Gründen. Die bemalten Fenster der Gotik sind ein Beweis hierfür. Namentlich in südlichen Ländern, jenen mit besonders starkem Sonnenlicht, sind solche Räume für kirchliche Zwecke beliebt. Auch wir empfinden allzu helle Kirchen als nüchtern, als "rationalistisch" und mithin für kirchliche Zwecke weniger geeignet.
        Das Hellsein an sich ist es nicht, was uns stört: Man betrete eine Barockkirche vom Haupttore im Westen aus. Am Morgen liegt die Sonne in den Fenstern des Chores um langsam an die Südseite fortzuschreiten. Es ist nicht erfreulich, wenn sie lange Lichtstreifen durch die Fenster hervorruft. Der Baumeister vermied dies, indem er die Fenster hoch legte und die Gewölbe hier so überschneiden ließ, daß man nicht durch sie hindurch in das Tageslicht blicken kann. Es ist viel Licht da, aber das Licht ist gebrochen; es ist hell in der Kirche, weil man nicht noch helleres sieht, weil man nicht geblendet wird.
        Ausscheiden des blendenden Lichtes ist die Grundbedingung einer guten Beleuchtung. Das Wort "blenden" bedeutet blind machen. Die Sprache bezeichnet die Sache richtig. Der Geblendete sieht nicht mit gewohnter Schärfe. Wer von hellem Sonnenschein geblendet in eine dämmerige Kirche tritt, erkennt das Nahestehende kaum. Erst langsam gewöhnt sich das Auge an das matte Licht, treten aus dem Düster die Formen deutlicher hervor. Die Kirche fordert zwar Helligkeit, aber in gebrochenem, zerstreutem Licht, nicht den Einfall scharfer Sonnenstrahlen, zum mindesten nicht dort, wohin das Auge sich wenden soll, auf dem Altar, auf der Kanzel usw. Aber auch nicht dort, wohin das Auge sich nicht wenden soll, auf Fenster, hinter denen die Wolken vorbeiziehen, auf die Gemälde in funkelndem Glas. Die Schönheit alter bemalter Fenster liegt eben darin, daß sie infolge der Undurchsichtigkeit ihres Glases die Lichtstrahlen brechen, daß sie zwar leuchten, nicht aber blenden.
        Man achte weiter auf die Lichtverteilung in einem gotischen Dome. Das Schiff ist hell, die Vierung liegt im Halbton, der Chor ist am hellsten. Es legt sich ein leichter Schatten zwischen Schiff und Chor und läßt diesen als den hellsten Teil erkennen. Ähnlich in der Barockkirche: Hier ist die Steigerung anders. Das Schiff liegt im Halbton, die Vierung erhält ein eigenartig aus der Kuppel niederströmendes Licht, der Altarraum durch starke Seitenbeleuchtung. Es handelt sich hier um wohlüberlegte Steigerungen!
        Das gibt einen Hinweis auf die anzuwendende Art künstlichen Lichtes. Die alten Kirchen entbehrten einer Beleuchtung dieser Art. Wohl erhielten sich allerhand Vorkehrungen, wie die großen Kronen romanischer Kirchen, Wandarme und Hängeleuchter für Kerzen; wohl mag auch mancher Kirchgänger seine Kerze in die Kirche mitgebracht haben. Es brannten auch auf dem Altare bei festlichen Gelegenheiten Wachskerzen, andere Kerzen zündeten sich fromme Kirchbesucher an, um sie am Eingang in der Kirche aufzustellen. Die Kirche fordert hier Wachs und läßt nur für den Notfall Unschlitt oder Stearin zu. Aber diese Kerzen sind Opferflammen, dienen nicht zu Beleuchtungszwecken. Sie sind dies ebensowenig wie die vor den Altar hängende Ewige Lampe. Erst mit der Einführung von Gas kam es zur planmäßigen Kirchenbeleuchtung, wenn auch die halbkreisförmigen Flammen der ursprünglichen Gasbeleuchtung in ihrem rötlichen Licht nicht gern in den Kirchen gesehen wurden. Besser wirkt das weiße Licht der Glühlampen und der elektrischen Beleuchtung. Doch auch hier stört jede Blendung, Daher die Glocken und Birnen in Milchglas, die das Licht dämpfen und ihm seine Schärfe nehmen, daher auch die Abneigung gegen einheitliche stark wirkende Beleuchtung, die schwere undurchsichtige Schatten erzeugt, somit die nicht unmittelbar beschienenen Gegenstände in Dunkel hüllend. Besser wählt man viele bescheidene Lichtquellen, die in alle Teile des Baumes gleichmäßige Helligkeit tragen. Ich sah eine alte Kirche, in der der Altar ringsum mit elektrischen Birnen umgeben worden war. Er strahlte in Licht. Ob damit aber die Wünsche der über die Einrichtung der Kirchen wachenden römischen Rituskongregation getroffen waren, erscheint mir mehr als fraglich. In protestantischen Kirchen entscheidet der Wunsch der Gemeinde, daß an allen Punkten der Kirche auch bei abendlichem Gottesdienst das Gesangbuch gelesen werden kann, das Bedürfnis drängt also ebenfalls auf gleichmäßige Beleuchtung.
        In alte Kirchen eine neue Beleuchtung einzuführen ist stets eine schwierige Sache, deren Lösung eines erfahrenen Mannes bedarf. Nicht nur der Beleuchtungstechniker ist hier maßgebend, sondern auch der künstlerisch Empfindende, der mit dem Wesen des alten Baues und seinen Anforderungen Vertraute.
        Es wird sich die Wahl von Beleuchtungskörpern nötig machen. Sollen sie in einer romanischen Kirche romanisch gestaltet sein und sofort durch die verschiedenen Stilzeiten hindurch? Ich sollte meinen, eine romanische Glühlampe sei ebenso unberechtigt, wie etwa eine romanische Lokomotive oder ein solches Luftschiff. Man wähle Formen, die ihrer Artung nach in die Kirche passen, doch stets mit dem Gedanken, daß der Beschauer sie womöglich als neu erkenne. Wenn aber in der Kirche sich Beleuchtungskörper finden, etwa Kronen für Kerzen oder Lampen, so findet sich vielleicht Gelegenheit diese zu benutzen und sie für neue Zwecke vorzurichten.

Inschriften und Wappen.
        Jede Inschrift, sei sie am Bau oder an sonst einem kirchlichen Gegenstande befindlich, ist eine zu schützende Urkunde. Es ist freilich nicht immer leicht, sie zu lesen, da namentlich bei lateinischen Inschriften sehr viele Abkürzungen vorkommen und Buchstaben und Zahlen vielfach nicht die jetzt üblichen Formen haben. Das frühere Mittelalter schrieb in Majuskeln, Umbildungen der großen lateinischen Buchstaben; die Zeit nach dem 14. Jahrhundert in den der deutschen Druckschrift verwandten Minuskeln, die Renaissance und die folgenden Zeiten in der Capitale, d. h. den Buchstaben, die wir in der lateinischen großen Druckschrift kennen. Die Zahlen wurden in vereinzelten Fällen seit dem 13. Jahrhundert, häufiger erst im 15. Jahrhundert arabisch wiedergegeben, zu allen Zeiten aber auch nach dem lateinischen System durch Buchstaben. Es kommen dabei Anordnungen vor, die dem Gewöhnlichen widersprechen. So bedeutet z. B.

mcvx l iii
tausend, fünfmal hundert, fünfzig weniger zehn und drei = 1543.
Eine Spielerei des 17. und 18. Jahrhunderts sind die Chronostichen oder Chronogramme. So steht auf dem Grabdenkmal der Brüder van Eyck:
VersV seXta MaI Vos CoLLoCat aCta VerI.
Das ist: einmal M = 1000, dreimal C = 300, zweimal L = 100, viermal V = 20, zweimal I = 2, zusammen 1432. Oder:
honoreM DemVs DomIno In eXCelsis.
Die zu zählenden Buchstaben sind herausgehoben. Tatsächlich ergäbe sich dreimal M = 3000, zweimal D = 1000, einmal L = 500, zweimal C = 100, einmal X = 10, einmal V = 5, dreimal I=3, also 4773, gemeint ist jedoch 1618. Oder das Chronogramm auf dem Hubertusburger Frieden 1763:
Aspera beLLa sILent: ReDIIt bona gratIa paCIs; O sI parta foret seMper In orbe qVIes.
        Die Form der alten Inschriften ist zunächst die, daß die Oberfläche der Buchstaben in der Flucht des Mauerwerkes liegt, während der Grund in dieser vertieft ist. Die Inschrift erscheint dadurch mit dem Bau enger verflochten, in diesen eingegraben, minder aufdringlich, mahnt den Beschauer nicht an die Firmenschilder unserer Geschäfte. Erhaben über den Grund erschien sie meist erst mit der Renaissance.
        Vielfach erhielten sich Bauinschriften, z. B. anno milleno quater centum sexaquegeno quarto addicio choro funditus inchoata.
        Aber auch bescheidenere Inschriften sind zu beachten. So die diesen verwandten Künstlermarken. Von den Steinmetzzeichen wurde bereits S. 61 gesprochen. Auf Bildern und an Statuen finden sich Angaben über den Meister, der sie verfertigte, oft an recht verborgenen Stellen. Meist sind es Monogramme, Anfangsbuchstaben des Namens u. dgl. Es bestehen nun Werke über diese Zeichen, die wohlgeordnet den Nachweis führen, welcher Künstler das betreffende Zeichen führte. Berühmt ist z. B. die Tafel mit dem AD, das Albrecht Dürer führte und die geflügelte Schlange des Lukas Kranach. Bei Besprechung der Goldschmiede- und Zinnarbeiten wird auf die hier üblichen Zeichen hinzuweisen sein. Der Kunstforscher wird für jeden Nachweis dieser dankbar sein.
        Die Inschriften auf Denkmälern bieten neben der Aufklärung über die Person, der sie gewidmet sind, vielerlei Anregung. Da sind zunächst die Wappen adliger und vornehmer bürgerlicher Geschlechter. Sie sind wichtige Urkunden für die Wappenkunde (Heraldik), nicht nur um die wechselnde Form der Schilde und Wappenbilder, sondern auch um die verwandtschaftlichen Beziehungen der Familie (Genealogie) festzustellen. Der Heraldiker betrachtet die Wappen in dem Sinne, daß sie vom Träger vorgeführt werden. Heraldisch rechts ist also das auf der Darstellung zur Linken des Beschauers, zur Rechten des etwa bildlich Dargestellten Befindliche. Heraldisch rechts steht auf alten Denkmälern das Wappen des Vaters, links das der Mutter. Und bei langen Wappenreihen, bei denen sich die Wappen der Väter stets wiederholen müßten, also lediglich die die Herkunft der Mutter bezeichnenden angebracht sind, kann man durch viele Geschlechter die Verwandtschaft ablesen. Daher: Schutz der Wappen aus Gründen der Geschichtsschreibung.
        Grabinschriften sind das Ergebnis jeweilig sorgsamer Überlegung der trauernden Hinterbliebenen. Sie sind also Ausdruck des Zeitgeistes, literarische Denkmäler, die gerade durch ihre in gewissen Zeiten festgehaltenen Formen ebenso deutlich zu uns sprechen, wie die wechselnde Ausstattung mit Emblemen und allerhand Gerät, wie das Streben nach Reichtum in einem, nach Schlichtheit im anderen Jahrhundert, die schwülstig ruhmredige Form hier, die schlichte Sinnigkeit dort, die stürmische Betonung des Schmerzes über das Hinscheiden hier, der gläubige Trost auf ein Wiedersehen an anderer Stelle.
        Ich sollte meinen, daß ein Überblick über die Grabinschriften an seiner Kirche manchem Pfarrer einen guten Anhalt für eine Predigt geben könnte, eine solche, die auch der Gemeinde Anteil an der Kirche und ihren Schmuck schafft. Wenn er nur versteht, den Geist der Zeiten aus den von ihnen hinterlassenen Werken herauszulesen.

Der Friedhof und die Gruft.
        Alle deutschen Staaten haben gesetzliche Bestimmungen über die Verwaltung der Friedhöfe aufgestellt. Die Kirchengemeinden und Stadtverwaltungen schließen sich ihnen an durch das Aufstellen von Friedhofsordnungen. Nach diesen wird zumeist das Gelände in "Felder" geteilt, die mit Gräbern belegt werden, bis sie vollständig angefüllt sind. Es folgt das nächste Feld usw. bis der Friedhof vollständig in Anspruch genommen ist. An den Umfassungsmauern ziehen sich wohl Grüfte hin oder es sind solche in der Kirche selbst oder an diese heran gebaut, Begräbnisstätten für die reicheren Familien des Ortes. Fehlt es auf dem alten Friedhof an Platz, so geht man an eine Erweiterung oder an eine Neuanlage an anderem Ort, etwa aus der Stadt, dem Dorf und der Umgebung der Kirche heraus ins freie Feld, wo dann für die kirchlichen Feierlichkeiten eine besondere Gottesackerkirche geschaffen wird, eine Michaels- oder Allerseelenkirche, ein Beinhaus, eine Totenhalle u. dgl. Ein dörflicher Friedhof, ein solcher in einer sich nicht stark vermehrenden Gemeinde, bedarf dieser Vorkehrungen nicht. Die Gräber erhält die Ehrfurcht der Hinterlassenen, so lange das Gedächtnis an den Toten reicht. Sie verfallen dann. Die Hügel sinken ein, die Bäume wachsen heran, es entsteht durch das stille Walten der Natur die Stimmung, die den Eintritt in die Kirche vorbereitet und den Besucher des Ortes entzückt. Einzelne Denkmäler bleiben bestehen, die aus dauerhaftem Stoff gebildeten, aus Stein, aus Schmiedeeisen. An die Friedhofsmauer lehnen sich einige Grüfte. Neue Denkmäler entstehen. Die Aufgabe der Gemeinde ist, dafür zu sorgen, daß sie in das Gesamtbild passen. Es ist sehr viel gesündigt worden gegen diese Regel, und es wird nach wie vor viel gesündigt. Eine Denkmalindustrie schlimmer Art macht sich geltend, die sich durch billige Arbeit einführt und das Häßliche, Protzige an der Stelle der alten Denkmalsformen bringt. Der Pfarrer sollte nicht ermüden, die Gemeinde vor Zerstörung des ehrwürdigen Friedhofsbildes zu warnen, vor jener zwar gut gemeinten, aber schlecht beratenen Vorliebe für die Dutzendware der Städte. Gewiß ist es schwer, auf den Willen der Hinterbliebenen einen erzieherischen Einfluß zu gewinnen, aber trotzdem darf die Friedhofsverwaltung hierin nicht erlahmen. Hat sie doch das Recht, Prüfungen der Entwürfe für das Grab vorzunehmen und das ihr ungeeignet Erscheinende abzuweisen, sowohl aus theologischen wie aus künstlerischen Gründen. Denn das Häßliche wirkt nicht nur für sich, sondern für den ganzen Friedhof störend.
        Der Friedhof gehört der Gemeinde. Sie vergibt einzelne Stellen gegen einen Geldbetrag, damit dort begraben und ein Denkmal aufgestellt, eine Familiengruft errichtet werde. Die Erben des Toten kaufen aber den Boden nicht, er wird nicht ihr Eigentum; sie haben nicht das Recht, ihn zu anderen Zwecken zu benutzen, noch ihn zu verkaufen. Sie bauen auf ihre Kosten das Denkmal, aber auf in öffentlichem Besitz befindlichem Boden. Und da das fest mit dem Boden Verbundene zum Grundbesitz gehört, gehen die Aufbauten auf dem Friedhofe, die Denkmäler und Grüfte an die Gemeinde über. Wie aber nun, wenn feststeht, daß der Friedhof nach 30 Jahren aufgelassen werden soll? Dann erscheint das Denkmal als eine zu vorübergehendem Zweck aufgestellte Sache, die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Besitz dessen bleibt, der sie aufstellte. Oder wie liegt es, wenn vor 100 Jahren eine Familie mit einer Gemeinde einen Vertrag dahin abschloß, daß sie gegen diese oder jene Leistung dauernd einen Platz erwerbe? Die Fragen sind schwer zu beantworten, die Rechtslage ist unklar.
        Die Friedhofverwaltung wünscht, daß Ordnung herrsche, daß die Denkmäler gut erhalten werden. Hat nun der Erbe das Recht, an den dem Friedhof gehörigen beschädigten Denkmälern Arbeiten vornehmen zu lassen oder kann ihm die Pflicht hierzu auferlegt werden? Der Gemeinde wird zugemutet, daß sie in ihrem Besitz befindliche geschichtliche und künstlerische Denkmäler in Pflege nehme. Also scheint ihr die Sorge zuzufallen.
        Der Friedhof füllt sich immer mehr, er reicht nicht mehr aus. Die alten Grabhügel der inzwischen in Vergessenheit geratenen Toten werden eingeebnet, die Stellen neu belegt. Und zwar geschieht dies nach gesetzlichen Verordnungen: Mit dem Wachsen der Einwohnerzahl wird die Dauer eines Grabes immer mehr eingeschränkt, von 50 Jahren ist sie vielfach schon auf 25 Jahre beschnitten worden. Dann schreibt die Kirchenverwaltung wohl ordnungsgemäß in den amtlichen Zeitungen aus, daß die Hinterbliebenen die Reste der Toten an eine andere Stelle überführen und die ihnen gehörigen Denkmäler abholen können. Wenige lesen das, und die es lesen, wissen nicht, wohin sie sich mit dem ihnen Zugesprochenen wenden sollen. Sollen sie die Denkmäler etwa in ihren Mietwohnungen aufstellen und mit ihnen umziehen! Also viele werden nicht abgeholt und in irgend einen Winkel des Friedhofes beiseite gestellt. Ist der Stein noch verwendbar, so kauft ihn wohl der Steinmetz. In vielen Fällen wird man nicht etwa über den Verlust trauern. Es ist unmöglich, allen Toten das Gedächtnis zu wahren, alle Denkmäler, die ihnen gesetzt werden, zu erhalten. Wohl aber wünscht man, daß Rücksicht genommen werde auf eine Auswahl. Man klagt, wenn sich das Grab eines berühmten Mannes nicht mehr auffinden läßt, wenn sein Grabstein verschwand, ebenso wie darüber, wenn ein Kunstwerk verloren ging.
        Hier hat in jeder Stadt, in jedem Dorf die Denkmalpflege einzusetzen. Sie soll sich um jene Denkmäler kümmern, die keine Pflege seitens der Hinterlassenen finden, soweit sie der Pflege wert sind. Und sie wird dies am besten dadurch tun, daß sie einen stimmungsvollen Ort benutzt, um diese Denkmäler dort zusammenzustellen, als einen Ehrenplatz für das Hervorragende und als eine Lehrstätte für die Grabkunst der Nachlebenden. Man soll sorgsam beraten, welchen Denkmälern die Ehrung zuteil werden soll, unter die von der Gemeinde zu schützenden aufgenommen zu werden: nach ortsgeschichtlichen und künstlerischen Grundsätzen,
        Namentlich sollte bei Neuanlage eines Friedhofes alsbald daran gedacht werden, daß er einst die Denkmäler des erledigten, vielleicht ganz aufzulassenden in sich in einer Form aufnehme, die eine weihevolle Stimmung erzeugt. Der Fehler unserer Friedhöfe liegt auch in dem Wirrwarr der Denkmalformen und der Stoffe, aus denen sie gebildet sind: Da schwarzer und weißer Marmor, dort Granit, Sand- und Kalkstein, Bronze, Glasmosaik — alle möglichen Materialien, die hart nebeneinander stehen auf engem Raume. Einst baute man für die Grüfte Wandnischen, durch die der Größe der Grabsteine ein Maß gegeben war, oder kleine Gruftbauten, die ebenfalls sich an ein festgesetztes Maß hielten, — wohl weniger nach gesetzlicher Bestimmung, als in selbstgewähltem Bescheiden. Heute denken Angehörige reicher Leute nur zu oft, ihren Dank für das Erbe in riesigen Bauten ausdrücken zu müssen, sie messen ihre "Pietät" mit dem Meterstab und der Größe der aufgewendeten Kosten. Das 17. Jahrhundert war hierin am nächsten dem 19. verwandt, indem es in Äußerlichkeiten den Wert des Denkmals und den Grad der durch dieses ausgesprochenen Ehrung erblickte. Wir haben alle Ursache, darüber zu wachen, daß auf dem Felde des Todes Schlichtheit und Ruhe herrscht.
        Dazu diene eine straffe Friedhofsordnung, die den Protzen zurückweise, ihn zur Einordnung in die Allgemeinheit zwinge. Es ist dies nicht leicht, da die zahlungsbereiten Erben und die ihren Wünschen dienenden Künstler es schwerlich gutwillig hinnehmen werden, wenn man ihnen verbietet, das zu leisten, was sie selbst für einen Schmuck des Friedhofes halten. Man muß sich Rückendeckung durch einen Künstlerrat oder dergleichen zu schaffen suchen und dieser muß durch entsprechende Bestimmungen in der Friedhofordnung gedeckt sein. Manche deutsche Städte sind in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel vorangegangen.
        Auch nach einer anderen Seite ist das geschehen, nämlich in der Behandlung der aufgelassenen Friedhöfe. Es bestehen Bestimmungen darüber, wie viel Jahre ein Friedhof erhalten bleiben muß, nachdem auf ihm das letzte Begräbnis stattgefunden hat. Es ist meist ein Zeitalter von etwa 30 Jahren. Inzwischen liegt er still und verfällt mehr und mehr: Das heißt: er wächst an malerischer Schönheit. Nun aber macht die Stadt Anspruch auf das Gelände, das vom Bauwesen vielleicht längst umspannt wurde. Mehrfach hat man aus dem Friedhof eine öffentliche Anlage gemacht, einzelne Denkmäler und ältere Bäume stehen lassen zur Erinnerung an die Vergangenheit und als Schmuck des Neugeschaffenen.
        Den Friedhof umgibt eine Mauer, meist aus dem Gestein, das man eben am Orte findet. Man unterschätze nicht ihren Wert für die malerische Erscheinung des Ortes. Sorge bereitet die Mauerkrone. Die Kinder klettern auf der Mauer herum, lockern die Steine, deren Kalk verwittert ist. Man hat empfohlen, der Mauer einen Schutz durch deckende Pflanzen zu geben, entweder indem, man in doppelter Schicht Rasenstücke auflegt, oder indem man Efeu anpflanzt, der sich schützend über die Mauer verbreitet: Beides sieht besser aus wie eine sauber ausgestrichene Zementschicht.
        An die Mauer lehnen sich meist Grüfte. Man sorge dafür, daß die in diesen zu errichtenden Denkmäler die Mauer an Höhe nicht übersteigen, nicht mit ihrer Rückansicht nach außen häßlich auffallen. Die älteren Friedhöfe geben hierfür gute Beispiele, indem nach einheitlichem Plan offene Hallen gebaut und die Denkmäler in diese gestellt wurden.
        Die Grüfte in den Kirchen schützt zumeist Vertrag mit ihren Erbauern. Doch auch diesen löst die Zeit, wenngleich in der Urkunde es heißt, er gelte für ewig. Bei Anlegen von Heizungsanlagen, bei Umbauten u. dgl., kommt oft der Gemeinde der Wunsch, die Gruft für ihre Zwecke zu verwerten. Der alte Vertrag wird als Last empfunden, die Gruft verfällt, Nachkommen der Begrabenen sind vielleicht nicht nachweisbar oder nicht geneigt, für ihre Ahnen sich Kosten aufzuerlegen. Man sucht nach Wegen, den Vertrag aufzuheben und erreicht die Erlaubnis, die Reste der Bestatteten an anderer Stätte zu begraben. Die Gruft wird geöffnet. War sie trocken, so findet man Sarg, Kleidung, manchmal auch den Körper in überraschend guter Erhaltung. Oft finden sich in den Gräbern Beigaben von hohem künstlerischen und kirchlichen Wert. Es entsteht dann die Rechtsfrage, ob die Gemeinde, oder ob die Nachkommen Anspruch auf diese Dinge haben, oder ob sie Fundstücke sind, auf die ein Besitzrecht nicht nachweisbar ist. Es werden sich dann die Nachkommen mit Ansprüchen an das Gefundene melden und sich über die Störung der Ruhe der Toten beklagen. Es ist dringend zu empfehlen, bei der Öffnung von Grüften vorsichtig zu handeln, über den gefundenen Bestand Protokolle aufzunehmen und zur Öffnung einen Sachverständigen in Kunstangelegenheiten heranzuziehen, damit nicht Wertgegenstände in falsche Hände geraten.

Der Pflanzenwuchs und die Kirche.
        Die Pflanze steht in verschiedenen Beziehungen zum Kirchengebäude. Ich spreche hier nur von der noch im Wachstum befindlichen, durch ihre Wurzeln mit dem Boden verbundenen Pflanze, nicht von den Blumen in Erntekränzen, den bei Festlichkeiten aufgestellten Topf- und Kastenpflanzen. Da sind zunächst jene Pflanzen, die an der Kirche frei stehen und sie beschatten, jene, die am Fuß des Gemäuers wurzeln. und sich an den Wänden emporranken und endlich jene, die im Mauerwerk selbst wurzeln.
        Gewiß ist es wünschenswert, daß das Grün des Sommers die Kirche umgibt. So mancher an sich stattliche Neubau steht kahl auf einem Platz wie ein Tafelaufsatz auf abgedecktem Eßtisch, ihm fehlen die Beziehungen zur umgebenden Natur. Die Moose, Flechten, Algen auf altem Mauerwerk geben diesem erst den belebten Ton, der uns an Ruinen so erfreut. Der an den Wänden aufrankende Efeu, der sich über die Flächen verbreitende Rosenstock, der im Herbst in prächtigem Rot prangende wilde Wein — das alles sind wahre Zierstücke unserer Kirchen, die sie unserem Herzen näher bringen. Die gewaltige Linde oder Eiche, die sich der Dorfkirche anzuschmiegen scheint, ist der Gemeinde von höchstem Wert, ihr Stolz, ein gern bewunderter Besitz. Wer an diesen Dingen sich vergreift, wird schwerem Tadel nicht entgehen.
        Die Natur ist unermüdlich im Schaffen, sie bleibt beim Erreichten nicht stehen. Die Pflanzen wachsen heran, und wenn man den erfreuenden Zustand von heute zu erhalten bestrebt ist, so ist das nicht mit Gewährenlassen zu erreichen. Man muß eben eingreifen. Nicht ob etwas zu geschehen habe ist die Frage, sondern wie und wann?
        Pflanzen haben einen starken Einfluß auf das Gestein, auf dem sie wachsen. So vor allem die größeren. Auf Ruinen sieht man Bäume entstehen, wie auf Felsen. Ihre Wurzeln drängen sich in die Ritzen ein, namentlich in die des Mauerwerks. Im Winde bewegen sich die aufwachsenden Pflanzen und zerren an ihren Wurzeln hin und her; diese saugen den Kalk aus dem Mörtel und beeinträchtigen dessen Haltbarkeit. Man sollte solche Pflanzen überall entfernen, namentlich die starken Wurzeln, die das Mauerwerk oft mit großer Kraft auseinandertreiben, freilich es auch oft mit festen Armen zusammenfassen.
        Die kleinen Pflanzen, die Algen, Moose und Flechten treiben ihre Wurzeln weniger tief, wirken aber doch vielfach schädigend auf den Stein. Andererseits üben sie auch einen gewissen Schutz für diesen aus. Ob ihr Einfluß an einem Bau sich geltend macht, ob nachteilig oder nicht, läßt sich grundsätzlich nicht beantworten. Es stehen sich die Urteile der Fächleute hierin schroff gegenüber, von denen viele das Entfernen dieser Pflanzen für nachteilig halten, namentlich das Abkratzen mit scharfen Werkzeugen, das Anwenden von Säuren. Die Verschiedenheit des Steines, der Feuchtigkeit in diesem und in der Luft ist bei der Beurteilung der Dinge zu berücksichtigen. Geschichteter Stein wird eher leiden als körniger, mit weichen Bestandteilen gemengter eher als dichte, namentlich Eruptivsteine; schlecht gedichtete Fugen werden dem Schaden eher Boden geben als sorgfältig ausgeglichene.
        Die Schlingpflanzen werden in ihrer Wirkung auf Mauerwerk ebenso widerspruchsvoll beurteilt. Der Wechsel von Frost und Wärme schadet dem Mauerwerk nach mancher Ansicht mehrmals die vor diesem schützende Pflanzendecke; vielfach ist an alten Bauten beobachtet worden, daß jene Mauerteile, die frei lagen, stärker zerstört gewesen sind, als die vom Efeu bedeckten. Namentlich wurde das dort beobachtet, wo der Bau dem Schlagregen besonders ausgesetzt war, so z. B. an der Seeküste. Die Blattschicht deckt die Wand, so daß der Regen abfließt, die Wurzeln saugen die trotzdem eingedrungene Feuchtigkeit auf, ja die Bodenwurzeln nehmen ihrer so viel auf, daß die Bodenfeuchtigkeit am Sockel der Mauer nachläßt. Dem stehen andere Beobachtungen gegenüber, wo der Efeu seine Wurzeln tief ins Mauerwerk getrieben hat und diese mit einer Kraft an Umfang wuchsen, daß sie die Mauer sprengten, ja daß an der Innenseite des Gebäudes sich fröhlich aus den durch die Wand getriebenen Wurzeln das Grün entwickelte. Findet er doch durch die Nebenwurzeln Nahrung, auch wenn sie von ihrer Bodenwurzel getrennt sind, so daß häufig hoch oben an einer freigelegten Wand ein vergessener Zweig ruhig fortgrünt und wächst. Es dürfte sich daher in vielen Fällen empfehlen, die oft armstark werdenden Stämme des Efeu zu entfernen und nur die jungen Zweige als Schmuck der Wand zu erhalten, freilich auch diese nur dort, wo sich die Einwirkung der Efeudecke nicht als nachteilig zeigt. Darüber dürfte nur die Untersuchung durch einen in dieser Frage bewanderten Fachmann, nicht aber die Ansicht jedes Maurers oder Gärtners entscheiden können.
        Der Efeu bleibt auch im Winter grün, nicht so der wilde Wein und die Rose. Berühmt ist der "tausendjährige" Rosenstock am Dom zu Hildesheim. Nachweisbar ist sein Bestehen seit 300 Jahren, ein Beweis für die lange Lebensdauer einer Pflanze.
        Die Kirchenvorstände sollten sich die Frage vorlegen, ob sie das Bewachsen einzelner, nüchtern wirkender Mauerteile wünschen. Prachtvoll wirkt das glänzende Grün des Efeu auf dem Grau oder Rot der Mauern, sowie die bewegte Linie der aufkletternden Ranken. Aber die Pflanze bleibe ein schmückendes Mittel in der Hand des Menschen, wenigstens in ihrer Verbindung mit dem Bau. Wir haben das Recht, sie zu beschneiden, sie in ihren schmückenden Pflichten zu beengen, wie wir den Stein behauen. Man halte sie fern von den geformten Steinen, von den an der Mauer aufgestellten Denkmälern, von bemalten Wänden.
        Und dasselbe gilt von den freistehenden Gewächsen. Der Gärtner ordnet die Blumen an, damit sie den Zugang zur Kirche schmücken, er hat das künstlerische Recht, den Taxus, aber auch die Lindenbäume mit der Schere zu beschneiden, wenn sie geformte Bauteile zu verdecken beginnen, ja die Bäume zu entfernen, wenn sie den Anblick der Kirche beeinträchtigen. Eine gute Kirchenverwaltung wird sich schwer dazu entschließen, einen ehrwürdigen Baum fällen zu lassen, aber sie wird sich nicht daran hindern lassen, wenn das Gotteshaus in seiner Wirkung durch ihn beeinträchtigt wird, dabei jedoch bedenken, daß es vieler Jahre bedarf, ehe ein neuer Baum zu stattlicher Größe heranwächst.

Die Umgebung der Kirche.
        Die Gesetzgebung fast aller Länder hat sich mit der Frage beschäftigt, wie der Verunstaltung von Stadt und Land durch Bauten Einhalt geboten werden kann. Diese erfolgt nicht nur durch tatsächlich häßliche Bauten, sondern auch durch an sich erträgliche, die in die Umgebung nicht hineinpassen: etwa durch ein vielstöckiges Haus oder eine Fabrik in der Nähe einer bescheidenen, aber künstlerisch wertvollen oder auch bloß einer malerischen Kirche.
        Meist gestatten die zu diesem Zweck geschaffenen Gesetze, daß künstlerisch und geschichtlich wertvolle Bauten durch Ortsstatute geschützt werden können, die bestimmen, daß der Umbau alter und der Bau neuer Häuser nicht nach den baupolizeilichen Vorschriften allein von der Behörde genehmigt werden soll, sondern daß eine sachkundige obere Instanz befragt werden muß. Sie hat das Bauvorhaben im Hinblick auf seine Einwirkung auf das unter Schutz gestellte Gebiet zu prüfen und Ungeeignetes abzulehnen. Die Vereine für Heimatschutz unterstützen gleich den Denkmalpflegeämtern diese Bestrebungen. Es kommt darauf an, beizeiten, nicht aber erst bei einem Antrage auf einen Neubau, das Aufstellen solcher Ortsstatuten bei der Oberbehörde zu beantragen. Man kommt sonst leicht zu spät und tut nicht gut, zur Feuerversicherungsgesellschaft erst dann zu laufen, wenn das Haus schon brennt!
        Solche Ortsstatute sind nicht immer leicht durchzusetzen. Denn sie legen dem Grundbesitz Beschränkungen auf, die nicht gern ertragen werden. Aber der allgemeine Nutzen sollte vom Einzelnen bedacht werden.
        Es liegt ein Maß in den Dingen. Neben dem Großen wirkt das bisher als ansehnlich Betrachtete klein. Wer ein hohes Haus aufführt, schädigt die niederen Bauten der Nachbarn, ein dreistöckiges Haus beeinträchtigt einen sonst von einstöckigen umgebenen Platz in seiner abgeglichenen Wirkung. Nun ist vielleicht zu vermuten, daß bald alle Anlieger solche Häuser bauen werden, daß also damit die Ruhe in der Platzwirkung wieder erzielt wird und daß die Gemeinde es als Vorteil empfindet, wenn das Wohnwesen eine Anregung durch solche Bauten erhält. Es handelt sich also um Fragen, bei denen Voraussicht für die Zukunft mit in Frage kommt, Ansichten sich geltend machen, die nicht von vornherein als unerheblich abgelehnt werden können. Aber die Kirche wird stets Rücksicht bei den Verständigen finden, so daß für ihre Umgebung ein solches Ortsstatut leichter durchzusetzen ist, als für die Umgebung eines weltlichen Baues.
        In den Städten ist die Freilegung der Kirche oft eine wichtige Frage. An die Kirche waren einst kleine Bauten angefügt, denn das Bauland in den von Mauern eingeschlossenen Siedelungen war beschränkt. An der Stelle der Häuschen, in denen Händler mit Wachskerzen, Rosenkränzen und allerhand für die Kirchgänger erwünschten Waren sich festgesetzt hatten, drängten sich diese Bauten zusammen und störten den Ausblick, vielleicht auch den Anblick der Kirche. Ein Viertel von minderwertigen Bauten mit ungesunden Wohnungsverhältnissen war entstanden. Die Öffentlichkeit und der Kirchenvorstand mit ihr fordern laut Luft und Licht für das Gotteshaus. Kostspielige Arbeiten entstanden aus diesen Gründen. Man erwarb die Häuser, um sie niederzulegen, man schuf Plätze um die Kirche, Ausblicke auf sie oft aus ansehnlicher Ferne. Nicht immer mit dem gewünschten Erfolg. Nur zu oft sprach man, als das kostspielige Werk fertig war, mehr von einer Bloßstellung der Kirche als von einer Freilegung.
        Es ist eben darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Kirche daraufhin entworfen wurde, frei zu stehen. Vielfach wurde sie ja in die engen Straßen hineingebaut, mußte sich in ihrer Gestaltung diesen anbequemen, so daß z. B. nicht die Achse des Baues gleichmäßig eingehalten werden konnte. Vielleicht lehnt sich der Chor etwas zur Seite, eine Erscheinung, der man tiefsinnige Symbolik zuschrieb: Es neige sich das Haupt des Baues wie das Christi am Kreuz. Aber mittelalterliche Symbolik entstand aus der Erklärung der baulichen Formen, nicht diese Formen als symbolischer Ausdruck: so wenigstens in der Regel. Oft läßt sich einfach aus der noch bestehenden Bebauung der Umgebung die Neigung der Achse erklären, oft entstand sie wohl aus der dem Mittelalter eigenen Gleichgültigkeit gegen geometrisch genaues Schaffen. Man entwarf den Plan weniger auf dem Papier als auf der Baustelle selbst. Wenn in solchen Fällen die Kirche freigelegt wird, erscheint das, was als ein liebenswürdiges Spiel mit malerischen Wirkungen hervortrat, als Fehler, als Unregelmäßigkeit. War es doch nie die Absicht jener Zeit auf vollständige Symmetrie, auf Gleichheit aller im Zweck verwandten Teile zu dringen. Jedes Fenster hat anderes Maßwerk, jede angebaute Kapelle ihre eigenen Formen, jeder der beiden Türme seine besondere Gestaltung. Der jüngere Meister nahm nicht den Plan des älteren auf, sondern suchte seine Sache besser zu machen als jener. Viele Bausagen, die sich an alte Turmpaare knüpfen, sprechen hiervon.
        Vor allem aber wird der Maßstab der Kirche verändert. Dicht neben ihr standen etwa zweigeschossige alte Wohnhäuser. Die einzelnen Geschosse waren niedrig, die Fenster klein. Nun hat man im Unterbewußtsein eine gewisse Vorstellung von der Höhe eines Geschosses. Man mißt an diesem, und zwar an dem der Kirche nächsten, deren Höhe. Sie erscheint gewaltig in ihrem Überragen auch der steilen, durch Luken vielfach gegliederten Dächer. Nun aber werden neue Bauten errichtet, mit 3, ja 4 Obergeschossen, jedes von bedeutend größerer Höhe, mit stattlichen Fenstern: Der Maßstab ist verändert, an dem man die Kirche mißt, sie wirkt kleiner, unbedeutender. Die neuen Häuser sind architektonisch reich gegliedert, die Türme der Kirche steigen dagegen in schlichten Massen auf. Man empfindet das als Fehler, man wünscht sie zu beheben, und es kommt der Wunsch auf, die Kirche umzugestalten — wieder nicht zu ihrem Vorteil.
        Wer also an die Umgebung der Kirchen mit Änderungen herantritt, soll sich klar machen, welches die Folgen dieser Änderungen sein werden. Denn leicht ergibt sich eine unerwünschte Kette solcher Folgen aus dem, was mit Freuden begonnen worden war.

Sicherung gegen Brand und Raub.
        Die Hauptgefahren für den kirchlichen Besitz an Wertgegenständen, namentlich an solchen von sachlichem Wert, an Gold, Silber, Edelsteinen, sind Brand und Raub, die Hauptgefahr für die Kirche selbst ist der Blitzschlag.
        Dieser zerstörte früher häufiger die Kirche. Erst 1752 wurde durch Benjamin Franklin der erste Blitzableiter gebaut. Seitdem verbreitete sich die Sicherung der den Blitzschlag besonders ausgesetzten Türme durch Anwendung der neuen Erfindung. Gebrauch war es schon vorher gewesen, auf den Turmhelm eine Kugel in Messing anzubringen, in die man Urkunden über die Geschichte des Baues legte und über dieser einen Eisenstab mit der Wetterfahne, einem nach dem Winde sich drehenden Eisenblech, das entweder einer Fahne nachgebildet oder als Hahn ausgebildet wurde, als Wetterhahn. Es ist meist nicht schwer, die Spitze des Eisenstabes als Blitzauffangstange auszugestalten und mit der Leitung in angemessene Verbindung zu bringen.
        Gegen Brand und Raub sichert der feuer- und diebsichere Stahlschrank. Eine reiche Kirche sollte auf diesen nicht verzichten. Denn bei großen Bränden erhitzen sich die Mauern so, daß die in ihnen befindlichen, oft mit schwer beschlagenen Türen versehenen und durch kunstvolle Schlösser gesperrten alten Bewahrungsräume nicht ausreichenden Schutz bieten, wenn sie gleich dem Einbrecher genügenden Widerstand zu leisten vermögen. Doch schützt gegen Feuer wie Dieb die Ausstattung solcher Räume mit Stahlwänden, zwischen denen Isolierschichten mit Holzasche, Asbest oder ähnlichen nicht brennbaren Stoffen sich befinden, wie sie seit den 1850er Jahren beim Bau solcher Schränke verwendet werden.
        Ob der wertvolle Besitz in der Kirche selbst zu bewahren ist, wo eine Aufsicht bei Nacht schwer durchzuführen ist, oder im Hause des Pfarrers, ist Sache der besonderen Erwägung.
        Die Versicherung des Kirchenbesitzes gegen Brand und Raub bei einer Versicherungsgesellschaft hat für die Denkmalpflege wenig Bedeutung, denn wenn ein altertümliches Stück auch noch so hoch versichert ist, so kann es doch durch das an die Gemeinde gezahlte Geld nicht ersetzt werden. Wichtiger ist, daß die Schätze der Kirche gut photographiert sind und daß die Photographien für den Notfall bereit liegen. Denn mit ihrer Hilfe ist es der Kriminalpolizei oft gelungen, gestohlene Gegenstände zu entdecken und an ihren Besitzer zurückzubringen, denn sie warnt rechtzeitig die Altertumshändler vor Ankauf und bringt die Verkäufer zur Anzeige.

IV. Die Pflege der kirchlichen Einrichtungsgegenstände.

Ölgemälde.
        Die Mehrzahl der Gemälde, namentlich seit dem 17. Jahrhundert, sind auf grobe Leinwand gemalt, über die eine Kreideschicht, der "Grund", aufgetragen ist. Die Leinwand wird auf einen schlichten Holzrahmen gespannt, indem sie über diesen hinweggelegt und am Außenrande festgenagelt wird. Es ist dies der Blendrahmen, der so eingerichtet ist, daß er nicht an den Ecken fest verbunden, sondern beweglich ist. Mittels zweier Holzkeile an jeder Ecke kann man die Rahmenleisten auseinander treiben, so daß damit die Leinwand angespannt wird. Den Blendrahmen stellt man dann in den Bildrahmen, d. h. in den von außen sichtbaren Schmuckrahmen, in den er durch ein paar Stifte so befestigt wird, daß er leicht herausgenommen werden kann. Das fertige Bild wird dann mit Firnis überzogen.
        Die Bilder leiden durch verschiedene Umstände, abgesehen von den durch Gewalt ihnen beigefügten Schäden der Löcher, Risse, Abschürfungen der Farbe. Mit der Zeit dunkelt die Farbe nach, d. h. es verändert sich der Ton des Bildes; dies geschieht in noch höherem Maße durch das Verderben des Firnisses. Sie erscheinen nunmehr brauner, später sogar schwärzer, bis endlich die Farben kaum mehr erkennbar sind und das Bild zu einer unscheinbaren schwarzen Fläche wird. Nicht minder verliert das Bild seine Wirkung, wenn der Firnis rissig wird und wie ein grauer Nebel über dem Bilde liegt. Auch hierdurch wird der Eindruck so stark geschädigt, daß man oft nicht mehr zu erkennen vermag, was das Bild darstelle. Weiter setzt sich auf die Bildoberfläche, infolge des Beschlagens bei starkem Wechsel in der Luftwärme, Feuchtigkeit, durch die Ruß, Staub u. dgl. auf der Bildfläche befestigt werden, so daß oft einfach eine dicke Schmutzschicht das Bild entstellt. Aber alle diese Schäden können von geschickten Händen beseitigt werden, eine Arbeit, die häufig ein überraschendes Ergebnis bringt.
        In längeren Zeitabständen sollten diese Bilder gereinigt werden. Man nimmt sie von der Wand und aus dem Schmuckrahmen heraus und wäscht mit einem weichen, leicht angefeuchteten Leder oder Schwamm Teile des Bildes von etwa Handgroße oben beginnend ab. Zu verwenden ist lauwarmes Wasser, keine Seife. Wenn die Oberfläche des Bildes infolge kräftigen Auftrags der Farbe durch den Pinsel des Malers rauh ist, so schone man diese Unebenheiten. Also nicht drücken und scheuern, sondern leicht abwaschen, im äußersten Notfall unter Hinzunahme von etwas Schaum einer venezianischen Seife. Nicht soll das Wasser am Bild herunterlaufen, die Rückseite darf auf keinen Fall naß werden; nicht darf man auf das Bild drücken, so daß in ihm etwa Beulen entstehen. Die Hand einer sorgfältig tätigen Frau, die eine Einsicht vom Werte eines Kunstwerkes hat, wird hier das Beste leisten. Die Wirkung solcher Reinigungen wird oft große Freude erwecken. Man geht von einem gereinigten und wieder abgetrockneten Teile des Bildes fortschreitend immer weiter, bis das ganze Bild gereinigt ist. Diese Arbeit soll selten, etwa alle 10 Jahre einmal ausgeführt werden, damit das Bild nicht durch häufiges Abreiben leidet. Erscheint die Bildfläche so stark gespannt wie etwa ein Trommelfell, so wird man gut tun die Keile im Blendrahmen etwas zu lockern; erscheint es faltig, wird man sie mit leichten Hämmerschlägen anspannen.
        Wenn das Bild stärkere Beschädigungen aufweist, so muß es einem vom Denkmalpflegeamt empfohlenen Bilderrestaurator übergeben werden. Das Verkehrteste ist, es von irgendwem, selbst von einem Künstler, übermalen zu lassen, d. h. die beschädigten Stellen durch neue Farbe zu überdecken, denn damit verschwindet ein Teil des alten Bildes und an dessen Stelle tritt ein neues, meist minderwertiges. Man weise den Einwand ab, das alte Bild tauge nicht viel und sei sehr zerstört: Niemand kann wissen, was das alte Bild wert ist, solange es sich in verwahrlostem Zustand befindet.
        Schäden entstehen auf die verschiedenste Art. Zumeist ist der Firnis, beschädigt. Der Restaurator hat die Mittel, ihn zu entfernen, ohne den Farbgrund anzugreifen, und ferner das Mittel, den Farben wieder ihre Frische zu geben. Oft ist der Kreidegrund von der Leinwand abgeplatzt, so daß im Bilde Löcher entstanden sind, in denen die Leinwand zutage tritt. Oder die Farbe ist vom Kreidegrund abgeplatzt. Nach Entfernen des Firnisses muß dann der Kreidegrund wieder ergänzt und die fehlende Stelle neu bemalt werden. An feuchten Wänden vermodert oft die Leinwand, so daß das Bild zerreißt und oft in Fetzen im Rahmen hängt. Die Arbeit des Restaurators wird hierbei besonders schwierig. Er muß das Bild mit der Vorderseite über einer Papierschicht auf eine glatte Fläche aufkleben, die zerstörten Teile sorgfältig wieder zusammenfügen und die Leinwand sowie den Kreidegrund, die nunmehr nach oben liegen, vorsichtig entfernen, so daß auf dem Papier nur die Farbschicht haftet. Auf diese wird ein neuer Kreidegrund und weiterhin neue Leinwand befestigt, so daß das Bild nunmehr nur von der Papierüberlage entfernt zu werden braucht, um als neu befestigt zu erscheinen. Dabei wird sich in erhöhtem Grade die Notwendigkeit erweisen, das an der Farbschicht Herausgebrochene durch Übermalen zu ergänzen. Man nennt dies Verfahren rentoilieren.
        Ähnlich ist das Verfahren bei Bildern, die auf Holz gemalt sind, wie namentlich die des 15. u. 16. Jahrhunderts. Selbst das älteste Holz "arbeitet" noch, d. h. es dehnt sich bei Feuchtigkeit aus, "schwindet" in der Trockenheit. Dadurch entstehen im Holz Risse, die sich auf Kreidegrund und Farbschicht übertragen. Der Grund platzt in breiten Streifen ab, die Farbe trennt sich vom Grunde. Hat Trockenfäule oder Wurmfraß außerdem das Holz beschädigt, so wird vom Restaurator auch hier das Holz von der auf eine Fläche verkehrt aufgeklebten Bilde entfernt, und zwar durch Hobeln, ja wenn es nötig ist, auch der Kreidegrund, somit die Farbschicht freigelegt und diese nun auf eine neu grundierte Holztafel oder Leinwand befestigt. Solche Tafeln sollten stets von einem sachkundigen Tischler hergestellt werden, so daß ein Reißen für die Zukunft unmöglich gemacht wird.
        Seltener wurde Kupfer als Malfläche für Ölmalereien verwendet, so namentlich um 1700. Dies hat sich meist als sehr beständig erwiesen.
        Eine besonders sorgfältig zu erwägende Frage ist, wie weit der Restaurator in den Ergänzungen solcher Bildteile zu gehen hat, die sich nicht erhalten haben, wo also seine nachhelfende Arbeit nicht nur im sorgfältigen Ausmalen kleiner Flächen, sondern in einem Neuerfinden wichtiger Glieder der Darstellung besteht. Angenommen es handelt sich um ein Bildnis und es fehlen wesentliche Teile des Gesichtes, so daß der Restaurator befürchten muß, dem Kopfe einen der ursprünglichen Darstellung fremden Ausdruck zu geben, etwa indem er in die alte Darstellung nach eigenem Ermessen Augen hineinmalt, ohne zu wissen, wie diese ursprünglich beschaffen gewesen sind. Ein Galeriedirektor würde in diesem Fall das Bild für verloren erklären und entweder es in den Vorratsspeicher verweisen oder es in seinem zerstörten Zustande zur Schau ausstellen, namentlich wenn es sich um eine kunstgeschichtlich wichtige Arbeit handelt. Für eine Kirche liegt die Frage anders. Denn für sie handelt es sich nicht darum, das Bild nach seinem Kunstwert einzuschätzen, der durch die selbständige Arbeit des Restaurators zerstört werden würde. Sie wird nach dem geschichtlichen Wert fragen, nämlich danach, inwieweit das Bild als Denkmal anzusehen ist. Auch als solches leidet es dadurch, wenn es durch einen Maler in umfassender Weise ergänzt wird, der keine Kenntnis von der Erscheinung des Dargestellten hat, dem das Denkmal gesetzt wurde. Erhalten bleibt aber der Grundzweck, nämlich die Ehrung des Dargestellten. So etwa, wie wir ein Denkmal Hermanns des Cheruskerfürsten aufstellten, ohne daß wir wissen wie er im Leben aussah. Es fragt sich, ob dieser Zweck ausreicht, um die Erhaltung des Bildes zu rechtfertigen. Oft findet der Restaurator hinreichende Andeutungen, die ihn bei seiner Arbeit leiten können, so daß er das Zerstörte mit einiger Sicherheit so weit ergänzen kann, daß es dem ursprünglichen Zustande entspricht. Ist dies gewährleistet, so wird auch die Galerieleitung, der es um Erhaltung des Gemäldes eines vielleicht berühmten Meisters zu tun ist, einer solchen Arbeit für ihre Zwecke zustimmen, wenngleich der ursprüngliche Zustand dadurch nicht wiederhergestellt, die Echtheit des Bildes beeinträchtigt wird. Sie wird etwa im Katalog Kunde davon geben, was am Bilde neuzeitlicher Zusatz ist. Oder sie wird die Flächen mit einem einfachen Ton überdecken lassen, so daß man ohne weiteres erkennt, daß nur eine Ruine des ursprünglichen Bestandes sich erhielt.
        Jedenfalls aber ist darüber zu wachen, daß der Restaurator so wenig als irgend möglich am Bilde verändert. Früher suchte man oft es durch Übermalen dem Beschauer gefälliger zu machen. Heute gilt es als Pflicht, solche Übermalungen wieder zu entfernen und die ganze Kraft des Restaurators darein zu setzen, den anfänglichen Zustand wieder zum Durchbruche zu helfen. Hat man es mit einer kunstsinnigen Gemeinde zu tun, so wird diese sich ein die Beschädigungen aufweisendes Ergebnis gefallen lassen.
        Absichtlich wies ich auf den Unterschied der Behandlung eines Bildes hin, für den Fall, daß es in einem Museum oder in einer Kirche seine Aufstellung erhält, namentlich aber, wenn es in einer solchen erhalten werden soll. Ich fand in einem sächsischen Dorf den Holzflügel eines Altars, der beiderseits bemalt war, jedoch zum Bau eines Taubenhauses Verwendung gefunden hatte, wobei ein Stück des Brettes abgesägt war und zwar dasjenige, auf dem sich die Köpfe der beiden dargestellten Heiligen befanden. Bei einer Umfrage bei Dresdener Museumsleitern hielten diese die Bilder für verloren und warnten vor der Wiederherstellung, die einer Fälschung gleich käme. Trotzdem wurde das ganze Brett, — die Figuren waren lebensgroß —, mit einer feinen Säge auseinander getrennt, so daß jedes Bild für sich auf eine neue Hölztafel aufgeleimt werden konnte, und die beiden Köpfe wurden ergänzt. Somit kamen zwei ihr seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts angehörige Bilder in die Kirche zurück, wenngleich in verändertem Zustand, der, um Irrtum zu verhindern, auf dem Rahmen durch eine die Entstehung erläuternde Inschrift bekannt gegeben wurde: Die Gemeinde erhielt einen sie erfreuenden Kirchenschmuck, die alten Bildteile waren gerettet, und der Kunstforscher, der ohnehin die moderne Ergänzung als solche leicht erkennen wird, ausdrücklich vor Irrtum gewarnt. Die Gemeinde war erfreut über das ihr neu geschenkte altehrwürdige Denkmal der Vergangenheit.
        Es ist nach all dem die Pflicht der Gemeinde, unscheinbar gewordene Bilder in einen solchen Zustand zu bringen, daß sie künstlerisch auf die Kirchenbesucher zu wirken vermögen. Sie soll sich nicht verführen lassen, den augenblicklichen Zustand der Entwertung für einen dauernden zu halten, sondern soll sich an die sachkundige Stelle wenden, die sie zu beraten hat. Und diese soll nicht nach den Grundsätzen eines Museumsdirektors über Wert und Unwert entscheiden, so wenig wie nach den Anschauungen des Kunsthändlers: In der Kirche hängt das Bild nicht weil es ein Kunstwerk ist, sondern als Denkmal des kirchlichen Sinnes der Vergangenheit, das der Gemeinde um so willkommener sein wird, wenn es ein Kunstwerk ist, das aber auch in Ehren gehalten werden soll, wenn es unserem Geschmack widerspricht. Denn das Denkmal soll ausdauern, unser Geschmack aber, auch der der Künstler und Kunstgelehrten, ändert sich.
        Es fragt sich nun, ob nicht Mittel angewendet werden können, um die Beschädigung der Bilder zu verhindern oder ganz zu beseitigen.
        Was kann geschehen, daß Bilder nicht beschädigt werden? Sehen wir doch Gemälde, die vor einem halben Jahrtausend gemalt wurden, so z. B. einen van Eyck in den Museen in heller Farbe leuchten, stärker als manche der neuesten Bilder. Ist eine solche Pflege nicht auch in der Kirche möglich?
        Manche Bilder stehen oder hängen von Haus aus am falschen Fleck. So z. B. schon die Altarbilder, die mit dem Rücken gegen das Licht eines von Fenstern stark durchbrochenen Chores stehen. Bilder fordern schräg auffallendes Seitenlicht, da sie bei in rechtem Winkel auffallendem Lichte durch den Wiederschein (Reflex) in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden. Keine der christlichen Konfessionen fordert Bilder auf dem Altare. Manche sind aus verschiedenen Gründen Gegner solcher Bilder. Es fragt sich also, ob eine Anordnung, die ausschließlich aus künstlerischen Zwecken erfolgt ist, beibehalten werden soll, wenn diese Zwecke infolge der Aufstellung unvollkommen erfüllt werden. Ist man doch in sehr vielen Fällen dahin gekommen, besonders wertvolle Bilder in Museen abzugeben — eine üble Empfehlung für die noch an ihrem Ort befindlichen. Es fragt sich namentlich, ob die Besichtigung eines Altarbildes während des Gottesdienstes von der Gemeinde aus möglich ist, der Entfernung wegen, in der sich diese befindet, und wenn es möglich wäre, ob es dann erwünscht sei, d. h. ob durch die Berühmtheit des Bildes der Gottesdienst nicht gestört wird. Vielfach hat man Wächter in kunstreichen Kirchen aufgestellt, um die Unannehmlichkeiten, einzuschränken, wenn diese von Kunstfreunden als Museen behandelt werden.
        Man wird mir vielleicht Mangel an Kunstliebe und Kunstverständnis vorwerfen, weil ich das schrieb. Ich denke aber doch "rationalistisch" genug, mir zu sagen, daß eine künstlerische Ausführung, die künstlerisch nicht wirkt, zwar an sich sehr schön sein mag, aber in der Gesamtheit verfehlt ist. Hier ist ja nicht zu sprechen von neu zu erbauenden Altären, sondern von alten zu erhaltenden. Und davon, ob man Mittel und Wege kennt, diese zur besten Wirkung zu bringen. Das geschieht, indem man das Kunstwerk in gutes Licht rückt, oder indem man ihm gutes Licht schafft. Bei baulichen Umgestaltungen in der Kirche wird man an letzteres zu denken haben.
        Sonst soll man Bilder auch in der Kirche so aufhängen, daß man sie betrachten kann, womöglich, daß die Gemeinde sie sieht. Also wenn man einen Platz für ein Bild sucht, so forsche man nach einer gut belichteten Wand, vor der man zurücktreten kann und wo man das Bild nicht zu hoch zu hängen hat. Denn eigentlich fordert das Bild, daß es uns entgegentrete, wie es auf der Staffelei des Malers, stand, also in Augenhöhe, was freilich selten sich wird erreichen lassen.
        Man hänge das Bild nicht dahin, wo es durch Stoß oder Druck äußerlich beschädigt werden kann und wo es dem "Ulk" böser Buben ausgesetzt ist, oder wo Geräte, Besen, Leitern angelehnt werden. Man hänge es nicht an eine feuchte Wand, d. h. nicht an eine solche, in der die Bodenfeuchtigkeit aufsteigt, oder schütze es wenigstens dadurch, daß man Klötzchen an die Rahmen nagelt, so daß zwischen Bild und Wand ein lüftender Abstand entsteht. Man setze es nicht den unmittelbaren Sonnenstrahlen aus und lasse es nicht lange in dunkeln Räumen, sondern suche ihm einen Ort anzuweisen, der in seinen Licht- und Wärmeverhältnissen sich nicht zu sehr ändert. Bei großen Wärmeschwankungen, etwa wenn die winterkalte Luft der Kirche an warmen Frühlingstagen durch Öffnen von Fenstern und Türen plötzlich verändert wird, werden Niederschläge auf den Wänden und Bildern erfolgen, die den Bildern schädlich sind, ebenso wie die Feuchtigkeit der Luft in dumpfigen Räumen.
        Nur dort, wo Sammelheizungen eingeführt sind, hat man zu große Trockenheit der Luft zu befürchten, die durch Aufstellen von Wasserbecken beseitigt werden kann.
        Nach all dem werden einem sorgsamen Kirchenvorstande mancherlei Aufgaben erwachsen: Abstäuben der Bilder mit einem Federwedel, der nicht deren Oberfläche durch Kratzen beschädigt. Das mag vielleicht einmal alle Jahre erfolgen; ferner Abwaschen mit wenig lauwarmem Wasser und einem sehr weichen Lappen, was etwa alle 10 Jahre nötig sein wird. Und wenn trotzdem sich Schäden zeigen, rechtzeitiges Melden an die sachverständige Stelle, damit die Schäden beseitigt werden, ehe das ganze Bild leidet und seine Wiederherstellung zuviel Kosten verursacht.

Holz.
        Die alten Meister haben sehr wohl gewußt, daß man einem Werke aus Holz nur dann Dauer versprechen konnte, wenn man sorgfältig trockenes, astfreies Holz auswählte. Aber sie haben recht oft nicht nach dieser Erkenntnis gearbeitet. Die viel wiederholte Ansicht von der handwerklichen Tüchtigkeit und Sorgfalt der Meister der Vergangenheit ist doch mit einiger Vorsicht zu betrachten. Erhalten haben sich zumeist natürlich die gut gearbeiteten Werke, aber wenn man gelegentlich ein solches findet, das wenig beachtet an verborgener Stelle sich erhielt, so sieht man, daß es auch in früheren Zeiten leichtfertige Meister gab, die billig arbeiten mußten und daher nicht die volle Sorgfalt auf ihr Werk verwenden konnten.
        Es wurde oft ungeeignetes Holz gewählt, d. h. solches, das geschlagen worden war, als der Saft im Stamme saß, also etwa im Frühjahr, und das nicht genügend getrocknet war, d. h. in dem der Saft noch steckte. Das bringt mancherlei Nachteil mit sich. Das Holz reißt, schwindet, wirft sich, d. h. es entstehen allerhand Bewegungen in ihm, die den Zusammenhang der Teile beeinträchtigen. Trockenes, d. h. saftfreies Holz widersteht der Wärme, Kälte und Feuchtigkeit besser, wenn es gleich gegen die Einwirkungen dieser nicht unempfindlich ist. Gut verwahrtes Holz hat außerordentlichen Bestand, das beweisen Holzbildwerke, die bis zu 4 Jahrtausenden im trockenen Sande Ägyptens lagen und Stämme aus dem Rhein, die von den Pfahlrosten altrömischer Brücken stammten und von der modernen Tischlerei als wertvolle Arbeitsstoffe aufgekauft wurden. Auch der gefährlichste Feind des Holzes, die Holz- und Klopfwürmer, setzen sich mit Vorliebe im Splint, d. h. in den saftreicheren Außenteilen des Stammes fest. Bei Eichenholz kommen sie nur im Splint fort.
        Die Bekämpfung der Holzwürmer, des Holzfraßes, ist eine sehr schwierige Sache. Die Würmer bohren kreisrunde Gänge in das Holz, von dem sie leben, und hinterlassen es in staubförmigem "Holzmehl". Man erkennt ihre Einwirkung an den Außenseiten und an dem Herausfallen des Mehles. Können sie ungestört ihr Werk vollführen, so bringt dies bei der starken Vermehrung der Würmer den vollständigen Verfall des Holzes hervor, so daß es bei leichtem Druck zusammenbricht. Meist hält es dann die weniger durchbohrte Außenschicht zusammen, bis sich zeigt, daß es bei dem geringsten Stoß vollständig zerfällt. Zahlreiche wertvolle Kunstwerke sind auf diese Weise zerstört worden.
        Es sind viele Mittel empfohlen worden, um den Holzwurm zu bekämpfen. So zunächst solche, durch die sein Auftreten von vornherein verhindert werden soll, Anstrich mit einer heißen Mischung von Terpentin und Wachs mit verdünntem Chlorzink oder mit Borsäure.
        Es empfiehlt sich, Holz von Zeit zu Zeit zu beklopfen, um festzustellen, ob dadurch Wurmmehl zum Vorschein kommt. Ist das der Fall, so sind baldigst Vorkehrungen zu treffen, die aber am Besten durch einen von der Denkmalbehörde einzufordernden Fachmann angeordnet werden. Am unschädlichsten, aber auch zeitraubend, wenn es wirkungsvoll sein soll, ist das Ausfüllen der Bohrlöcher mit sehr gut geschmolzenem Wachs, was durch eine Spritze geschehen kann. Ferner wird ein Anstrich mit verdünntem Petroleum oder Benzin empfohlen. Aber damit beschädigt man leicht die Farbe des Holzes oder des Anstriches auf diesem und erzeugt unangenehme Gerüche; auch ist es gefährlich wegen des leicht sich entzündenden Dampfes. Kreosot und Karbolsäure, die meist in Alkohol gelöst werden, zeigen ähnliche Nachteile. Schwefelkohlenstoff wird als besonders wirksam empfohlen. Ich las einst, daß man ihn in einem vom Wurm stark befallenen amerikanischen Tabakspeicher anwendete und zwar mit bestem Erfolg. Ich wendete mich daher an einen Chemiker, um das Mittel in einer Kirche zu verwenden, die besonders stark in allen ihren Holzteilen vom Wurm befallen war, in der Annahme, daß, wenn dies Mittel auf den in seinem Geschmack zu erhaltenden Tabak angewendet wurde, es auch in der Kirche nicht dauernd unerwünschten Geruch erzeugen werde. Ich dachte damit einen Frontangriff auf das ganze Wurmheer, das sich im Altar, in den Emporen, im Orgelgehäuse und im Dachstuhl festgesetzt hatte, zu unternehmen: Massenvertilgung! Mein Kollege von der Chemie erklärte, es sei leicht, den Kohlenwasserstoff in Dämpfe aufzulösen und damit den Wurm zu töten, nur solle ich die Verantwortung dafür übernehmen, daß nicht etwa Feuer in die Nähe der Kirche komme, da dann diese und ein guter Teil des Dorfes in die Luft fliegen würde. Ich verzichtete auf dieses Mittel, zumal durch dieses auch bleihaltige Farben und die Firnisanstriche sich schwärzen würden. All dies zeigt, daß man gut tut, die genannten Mittel nicht selbst anzuwenden, zumal es auch auf den Grad der Verdünnung ankommt, sondern sie dem Fachmanne zu überlassen. So wurden z. B. mit Kohlenwasserstoff in den Versuchsanstalten die besten Erfolge erzielt, wenn der betreffende Holzgegenstand, etwa eine Statue, in einem wohlverschlossenen Kasten mehrere Wochen lang den Dämpfen ausgesetzt wird. Handelt es sich doch nicht nur um die Tötung des Wurmes, sondern auch um die seiner Brut. In ähnlicher Weise wird etwa auf 60° C. überhitzter Wasserdampf angewendet, der die Tötung aller lebenden Wesen bewirkt, aber auf mit Farben versehene Gegenstände nachteilig wirkt und leicht eine Veränderung im Holze selbst herbeiführt.
        Ist aber ein wertvolles Holzgebilde stark vom Wurm befallen, so ist es damit noch nicht verloren. Es gibt Verfahren; die selbst dem rettungslos zerstört erscheinenden Gegenstande wieder innere Festigkeit geben durch Imprägnierung, d. h. durch ein Ausfüllen aller Wurmgänge und der Mehlmassen mit oxydiertem Öl, wie es z. B. als Linoleum für den Fußbodenbelag verwendet wird. Auch das kann nur in dazu eingerichteten Anstalten geschehen. Das so behandelte Holz wird sehr schwer. Es wird daher oft nötig, den Aufbau des so behandelten Bauteiles, etwa einen Altaraufsatz, zu verstärken. Wie es in einem verständigen Buche über die Behandlung der Krankheiten durch Hausmittel heißt: Im Ernstfalle rufe man einen guten Arzt! so heißt es auch hier: Rufe den Fachmann herbei, den das Denkmalpflegeamt dir als vertrauenswürdig empfiehlt.
        Die Veränderungen im Holz erfolgen durch Wärme, Feuchtigkeit und Trockenheit; sie zeigen sich verschieden nach der Form der hölzernen Gegenstände. Starkes Holz reißt. Läßt man einen Baumstamm liegen, so werden sich bald in der Umfassung nach der Mitte zu laufende Risse zeigen, die oft bis auf den Kern reichen. Nun sind z. B. die Figuren in den Flügelaltären des Mittelalters aus Vollholz geschnitten und zeigen daher oft tiefe, weit klaffende Risse. Man beobachte sie nach ihrem Umriß: Lange Gestalten ohne weit ausholende Glieder, denn der Künstler vermied es mit Recht, durch Anleimen solche an das Kernholz anzufügen. Er holte die Gestalt aus dem Stamme heraus, von dem er ein Stück für seine Arbeit verwendete. Um nun das Reißen zu verhindern, höhlte er den Stamm von der Rückseite aus. Löst man diese von der Tafel ab, an der sie befestigt sind, so überrascht meist die rohe Art der Arbeit des Aushöhlens. Der Riß kann nur von einem tüchtigen Künstler beseitigt werden, denn oft muß die ganze Figur aufgesägt und wieder zusammengeleimt werden, da durch Ausspänen die ganze Gestalt verändert würde. Die Risse klaffen oft 2–3 cm weit, so daß Ausspänen, z. B. eines Kopfes, zur Unform führen würde. Leichter ist der Riß in einem Brette zu entfernen, jedenfalls aber muß hier der Maler, vielleicht auch die Vergolder in Tätigkeit gesetzt werden, da natürlich auch in der Außenfläche der Riß ausgebessert werden muß. Risse in Brettern werden wohl auch durch Zusammenpressen und Anbringen von Holzklammern beseitigt.
        Oder das Holz wirft sich, d. h. es gestaltet sich ein Brett dadurch um, daß es sich aus einer Ebene in eine Mulde verwandelt. Das geschieht mit solcher Kraft, daß kein Nagel es daran verhindern kann, und zwar namentlich unter dem Einfluß trockener Wärme. Durch Anwenden von Feuchtigkeit und Druck wird es oft gelingen, es wieder gerade zu spannen. Aber dadurch kommt das, was etwa auf das Holz gemalt ist, in Gefahr, abzuplatzen.
        Weiter schwindet das Holz, d. h. es verkürzt sich durch Eintrocknen, was durch Zuführen von Feuchtigkeit nicht rückgängig gemacht werden kann.
        Solange diese Erscheinungen sich in schlecht bearbeitetem Holz zeigen, wird ein geschickter erfahrener Tischler oder Zimmermann die entstandenen Beschädigungen entfernen können. Anders, wenn sich Fäulnis im Holze zeigt, wenn dies stockt, modert, verrottet. Namentlich ist das Holz solcher Gefahr ausgesetzt, wenn es vor dem Austrocknen verwendet und an ungünstiger Stelle angebracht wurde, so daß es etwa von Mauern umhüllt ist, die keinen Luftzug heranlassen. Es entsteht dann die Trockenfäulnis. Oder wenn in häufigem Wechsel das Holz der Nässe ausgesetzt wird, ohne genügend austrocknen zu können, zeigt sich nasse Fäulnis, die sich auch durch üblen Geruch bemerkbar macht. Oder es tritt der Schwamm ein, d. h. es bildet sich im Holz ein besonders an feuchten, lichtlosen und daher dumpfigen Stellen stark wuchernder, weithin sich verbreitender Pilz, der auf das Mauerwerk sich durch feine Ästelungen erstreckt, einer der gefährlichsten Feinde der Häuser. Man erkennt ihn zumeist erst, wenn er an die Oberfläche tritt, feine kleine weißliche Punkte bildet, die sich zu wolligen Flocken erweitern oder ein dem Spinngewebe ähnliches Gespinnst bilden. Er greift rasch weiter, indem aschgraue Fäden von seidenartigem Glanz vorgeschoben werden. Das Herauswachsen farbig bunter Knollen von fleischiger Masse zeigen das Fortschreiten. Auf ungestrichenem Holz erkennt man den Schwamm durch kleine schwarze, auf der Oberfläche verteilte Punkte. Ist es mit Leimfarbe gestrichen, so treten pelzartig kleine Farbenteilchen hervor, die meist etwas gelblich sind. Das Holz klingt beim Aufschlagen hohl, gibt auf Druck nach, riecht faulig, pfefferig. Bemerkt man diese Zeichen, so ist es höchste Zeit, einen tüchtigen Maurer oder Zimmermeister zu berufen, der die vom Schwamm angegriffenen Gebäudeteile entfernt samt ihrer Umgebung und die Mittel anwendet, die das Wiederauftreten vermeiden, namentlich indem er dem Bauteil Luftverkehr zuführt und für seine Trockenheit sorgt. Der chemischen Mittel zur Bekämpfung des Schwammes gibt es sehr viele, aber keines hilft ausreichend, wenn nicht die Anlage des Baues selbst durchgreifend verbessert wird.

Unbemaltes und bemaltes Holzwerk.
        Im deutschen Mittelalter äußerte sich die Kunst des Bildhauers in Werken für Bronzeguß und solchen aus Sandstein, nicht minder aber in Holzschnitzereien. Berühmt sind als solche z. B. die romanische Kreuzigungsgruppe aus Wechselburg und Freiberg in Sachsen. Sie waren durchgängig bemalt und verhielten sich nun seit mehr als sieben Jahrehunderten im besten Zustand.
        Auch das spätere Mittelalter bemalte das geschnitzte Holzwerk. Ebenso noch zum Teil die Renaissance. Ich erinnere mich holsteinischer Eichenschnitzereien aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die mein Vater aus einer Kirche gekauft hatte, und die mit Ölfarbe, doch ohne Grund, bemalt waren und die er mit Mühe reinigte. Doch scheint der große, von Brüggemann 1514—21 gefertigte Altar des Domes zu Schleswig, von jeher nicht bemalt gewesen zu sein. Aber bald erkannte man die Schönheit des Holzes, das Bemalen ließ nach und wurde nur auf minder reich gemasertem Holz angeordnet. Man beschränkte sich auf das Beizen und auf das Vergolden einzelner Teile. Selten wird aber das Holz heute noch verwendet für kunstgewerbliche und künstlerische Aufgaben, ohne daß man seiner Erscheinung durch irgendein Mittel nachhilft. Und das mit Recht, denn es wird dadurch in seiner Wirkung stark gehoben. Ein ästhetischer Grundsatz, der im Bauwesen gewiß seine Berechtigung hat, wenn er verständig angewendet wird, besagt, daß der Herstellungsstoff der einzelnen Teile so gezeigt werden soll, daß man ihn in seiner Eigenart erkennt. Durch ihn kam man dazu, den Anstrich auf Holz als eine unberechtigte Verhüllung des Stoffes anzusehen. Nun ist aber der Farbstoff hier ja nicht willkürlich angewendet, sondern für das Holz selbst ein Schutzmittel ebenso wie ein Mittel zum Schmuck, und daher ist er künstlerisch durchaus berechtigt. Man hielt das Beizen des Holzes, das Behandeln desselben mit Säuren, die das Holz meist tiefer färben und die Maserung kräftiger hervortreten lassen, jederzeit für erlaubt. Gleichen Zwecken dient das Polieren, das man namentlich bei Möbeln verwendet, also ein Aufbringen eines mit Terpentin und Kolophonium gemischten Wachses oder eines gefärbten Schellackfirnisses. Endlich nahm man auch die Ölfarbe auf, jedoch haben Theoretiker es für richtig befunden, Holz mit "Holzfarbe" zu streichen, also mit einem der Naturfarbe verwandten Ton, auf den dann oft mit großen Geschick eine Maserung aufgemalt wurde. Mich erinnern diese meist bald stumpf werdenden Töne an die Wartesäle III. Klasse, wie denn auch das Anstreichen des Holzes mit Holzfarbe, an jenen braven Mann mahnte, der um seinen Glatzkopf zu schützen sich eine Perücke machen ließ, um aber nicht Lockenfülle zu heucheln, ein solche ohne Haare.
        Ich meine eben, wenn man Holz mit Ölfarbe streicht, so soll man die Vorteile künstlerisch ausnützen, die die Farbe bietet. Man erschrecke nicht, wenn ein rot, blau oder sonst wie gestrichenes Gestühl in der Kirche zunächst "schreiend" wirkt. Ist die Farbe unmittelbar auf das Holz gemalt — nicht auf einen Kreidegrund — so dunkelt sie sehr bald nach, so daß sie ruhig und vornehm erscheint. Wird der Farbenton von vornherein zu stark gebrochen, so wird er bald trübe und mithin auch trübselig wirken.
        Es gibt aber noch außerdem treffliche Mittel, um das Holzwerk zu beleben. So durch Intarsia, Einlegarbeit in Holz. Es werden zwei dünne Platten (Furniere) verschiedener edler Holzarten übereinander gelegt und aus ihnen mit der feinen Laubsäge Figuren geschnitten. Nun können in jeder Platte die aus ihr ausgesägten Figuren wechselseitig vertauscht werden. Es entstehen damit zwei als Gegenbilder wirkende Zeichnungen, die auf die zu schmückende Fläche aufgeleimt werden. Durch Beizen in verschiedenen Tönen, leichtes Versengen mittels eines glühenden Stiftes und andere Mittel wird der Farbenreichtum noch vermehrt. Marquetterie nennt man das Zusammensetzen eines Mosaiks aus verschieden gefärbten rechtwinkligen Holzplättchen. Haben sich Schäden in dieser Arbeitsweise, die im 16. bis 18. Jahrhundert und dann wieder in den 1880er Jahren mit Meisterschaft geübt wurde, gezeigt, sind z. B. einzelne Plattenteile ausgefallen, so wende man sich an einen geübten Kunsttischler. Ihm tritt der Schnitzer zur Seite, dem die Kirche wichtige Aufträge stellt. Es wird später von den Flügelaltären die Rede sein, die für Bemalung eingerichtet sind. Aber neben diesen boten sich noch viele Aufgaben. Da ist das Chorgestühl in seiner oft außerordentlich reichen Gestaltung. Aber man beachte auch das von einfacher Ausbildung: Die Klappsitze, die auf der Unterseite eine Knagge, die Misericordia, haben, die beim Stundengottesdienst dem Kleriker als Stütze dient, die aus mächtigen Bohlen geschnittenen Armlehnen, die verzierten Gestühlwangen, die Pulte und endlich die Baldachine über jedem Sitz. Da sind die Lesepulte für die Missalien, die Beichtstühle und Sakristeieinrichtungen, die Gestühle für die Gemeindemitglieder, die reichen vergoldeten Rahmen um Wanddenkmäler und Bilder und was sonst der Schnitzer für Kirchen noch zu schaffen hat.
        Die für die kirchliche Kunst wichtigste Form der Bemalung von Holz ist die vom Mittelalter geübte, jetzt fast ganz vergessene des "Fassens" von Statuen in lebhaften Farben, sowie der entsprechenden Bemalung von Tafeln mit Bildern, wie sie sich an zahlreichen Flügelaltären erhalten hat. Diese stehen teilweise noch an der Stelle, für die sie geschaffen waren, wurden aber teilweise als dem Geschmacke der Folgezeit nicht entsprechend, in protestantischen Kirchen auch wohl ihrer katholischen Darstellungen wegen, beiseite geschafft, etwa auf den Kirchboden. Es handelt sich da zum größten Teil um wertvolle Kunstwerke. Schon der Umstand, daß die Skulpturen bemalt wurden, widersprach den Kunstanschauungen des 19. Jahrhunderts. Damals galt die griechische als die allein vorbildliche Kunst. Man nahm an — was freilich, sich später als ein Irrtum erwies — daß die Griechen ihre Statuen nicht bemalt hätten. Man hielt daher die Altäre für Erzeugnisse barbarischer Kunstzeiten und verzichtete auf sie aus Gründen einer angeblich "idealeren" Kunstanschauung.
        Ein solcher Altar besteht aus mehreren Teilen, sämtlich aus Holz. So dem unteren Aufsatz, der Predella, an deren Seiten sich Ansätze vorstrecken. In der Mitte ist oft eine figurliche Schnitzerei angebracht. Darüber erhebt sich der stattliche Schrein, in dem zumeist eine, drei oder fünf Holzstatuen in Hochrelief stehen. Feine Schnitzereien, oben und unten durchbrochene Galerien, seitlich schlankes Säulenwerk umgeben sie. Mit Scharnieren sind Flügel befestigt, in denen sich weitere Statuen oder auch Bilder befinden, und zwar finden sich öfter mehrere solche Flügel so angebracht, daß je nach den Festen der der Gemeinde zugewendete Teil verändert werden kann. Man nennt solche Altäre daher auch Wandelaltäre. Über deren Schrein erhebt sich weiter feines Schnitzwerk, das Gespärre, in das öfters weitere Figuren eingestellt sind. Manchmal erhebt sich ein solcher Altaraufsatz bis zum Scheitel des Gewölbes und schließt den Chor in fast der ganzen Breite ab. Es befinden sich Werke darunter, die zu den bedeutendsten Kunstleistungen ihrer Zeit gehören.
        Sie waren in weitaus den meisten Fällen reich vergoldet, versilbert und in lebhaften Farben bemalt. Die Schnitzerei ist darauf eingerichtet, daß auf sie eine manchmal ziemlich kräftige Kreideschicht aufgetragen wurde. Entfernt man diese, so erscheinen die Figuren oft ziemlich roh geschnitzt und zu schlank. Denn der Künstler modellierte noch die feineren Teile in den Kreidegrund, musterte die Flächen der Gewänder und der Rückwand, vor der die Statuen standen, durch Verwendung geschnitzter Stempel. Dann erfolgte die Vergoldung und Versilberung großer Teile und die Bemalung, die entweder unmittelbar auf den Kreidegrund mit Ölfarbe erfolgte oder in leichtem Auftrag auf das Gold und Silber, so daß dies durch die Farbe hindurchschillert. Der Maler arbeitete mit starkem Wirklichkeitsgefühl, strich nicht etwa bloß die Statue an, sondern stellte z. B. in einem Kopf die Feinheiten her, durch die Wesen und Stimmung der Heiligen verdeutlicht werden sollten. Man sieht da die feinen Töne des Gesichts, die Adern unter der Haut, das Leben in voller Realistik, ja oft mit einer starken Betonung gerade dieser.
        Alle die oben aufgezählten Beschädigungen treten an den Altären auf. Der Wurm setzt sich in die feinen ornamentalen Schnitzereien und zerstört sie bald, sie fallen herunter. Die Figuren und Bildtafeln zeigen Risse, die Farbe und der Kreidegrund bröckeln ab. Alle Tage findet man Wurmmehl auf dem Altar, unter dem Aufbau. Das Ganze wird unscheinbar, ja es droht zusammenzubrechen, wenn der Wurm sein Zerstörungswerk fortsetzt.
        Was tun? Hier hilft nur eine umfassende Erneuerung oder der Verzicht auf das Kunstwerk, etwa durch Abgabe an ein Museum. Dieses wird sich damit begnügen, das zu tun, was weiteren Verfall aufhält. Ihm ist der Altar ein kunstgeschichtliches Denkmal, das in dem Zustande zu erhalten ist, in dem es ihm überliefert wurde. Nur das soll ergänzt werden, was unbedingt sicher als früher bestehend erkannt wird. Sonst soll der Rest als "Original" bestehen bleiben. Denn man rechnet in erster Linie mit kunstverständigen Beschauern, ja mit Kunstgelehrten. Das Museum ist nicht nur Belehrungsanstalt für die Menge, sondern zugleich ein wissenschaftliches Forschungsinstitut für Fachleute.
        Die Kirche ist aber, wie schon oft gesagt, kein Museum. Sie hat die Pflicht, das Alte zu pflegen, aber nicht in erster Linie um der Kunst, sondern um des Gottesdienstes willen. Sie hat mit den Ansichten der Gemeinde zu rechnen und dieser das sie Erbauende darzubieten. Und ein den Verfall deutlich zeigendes Werk auf dem Altare leistet ihr diesen Dienst nicht. Also muß der Altar wiederhergestellt werden. Das ist ein schwieriges und meist recht kostspieliges Werk, das eine große Erfahrung erfordert, eine solche die nur wenige, für diesen Zweck ausgebildete Künstler besitzen.
        Da ist es z. B. oft nicht möglich, die aus dem Kreidegrund abgebröckelten Teile zu ergänzen, da der neue Teil nicht genug Halt bekommt, der alte, jetzt nur noch leicht haftende bald vollends abbrechen würde. Es muß also die alte Bemalung abgewaschen, die ganze Arbeit neu gemacht werden. So namentlich an den Statuen, während hinsichtlich der Bilder die Arbeit meist einfacher ist. Man hebt sich Farbenreste auf, um danach die Neubemalung einzurichten, man photographiert das Ganze, um sich möglichst klar über den ursprünglichen Zustand zu bleiben — aber man schafft doch ein Werk, das im Sinne der Kunstwissenschaft entwertet ist, aufgehört hat ganz "echt" zu sein. Es ist eben, trotz des alten Kernes eine "Kopie".
        Hier steht die Denkmalpflege vor den schwersten Entscheidungen. Erleichtert werden sie ihr in dem Falle, wo die Farbe ganz oder fast ganz verschwunden ist. Fehlen dazu den vielleicht von der Rückwand getrennten Figuren infolge von Wurmfraß ganze Glieder, so ist das Kunstwerk so entwertet, daß man freier darüber verfügen kann. Hat es doch auch für das Museum nur geringen Wert.
        Die Entscheidung hat die Gemeinde oder die Oberbehörde in Gemeinschaft mit dem Sachverständigen zu treffen. Sie wird zumeist zu lauten haben: Abgabe in ein Museum; oder: Vollständige Erneuerung; es sei denn, daß die Kirche selbst einen geeigneten Raum habe, wo das beschädigte, aber in seinem Halt neu befestigte Werk Aufstellung finden kann.
        Hier ist nur die Frage zu behandeln, was von der Erneuerung vom Standpunkt der Denkmalpflege zu halten ist. Daß diese mit. größter Sorgfalt durchzuführen sei, muß als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Soll das Fehlende, etwa der Kopf, eine Hand einer Figur, das Gespärre nach dem Entwurf des Restaurators ergänzt werden? Soll man es so gestalten, daß man es für alt zu halten geneigt ist, oder soll es sich als neu kennzeichnen? Das heißt: Soll der Sachverständige vom Werke selbst ablesen können, was an ihm alt sei? Es sind dies zwar theoretische Fragen, aber solche an den erneuernden Künstler, die nicht so sehr von seinem Willen als von seinen Fähigkeiten abhängen. Es muß sich um einen selbstlosen Künstler handeln, der sich dem alten Werke unterzuordnen versteht, ohne seine Eigenart dadurch zu verlieren.
        Der Erfolg wird sein, daß ein Werk der Kirche zurückgegeben wird, das nach bestem Wissen und Können des Restaurators so aussieht, wie es aus der Hand des ersten Meisters hervorging. Die an der Erneuerung Beteiligten werden sowohl Lob wie Tadel finden. Gewöhnlich ist die Mehrzahl der Gemeindemitglieder entzückt von dem in blanken Gold und in lebhaften Farben prangenden Werke. Andere werden es "schreiend", "brutal" finden. Sie werden den alten Zustand loben, ihn als den "feineren", "künstlerischeren" erklären. Die Kunstgelehrten werden über Zerstörung einer geschichtlichen Urkunde klagen. Aber wir wollen nicht vergessen, daß die Zeit es war, die dem Werk den milderen Glanz gab und daß die Zeit ihn auch dem jetzt blitzblanken Werk geben wird. Das lehren die Erfahrungen. Es dauert zwar in einer trockenen, gut gepflegten Kirche länger, bis die Farbe eine andere Tönung annimmt, das Gold den glänzenden Schein verliert, aber die Zeit kommt, in 20, in 30 Jahren. Und die Denkmalpflege arbeitet nicht für heute, sondern mit den Werken der Vergangenheit auf eine hoffentlich ferne Zukunft.
        Aufgabe der Denkmalpflege ist das Erhalten des Bestehenden. Erhalten wird auf die Dauer nur das, was der Gemeinde lieb und wert ist. Ist ihr der Besitz unerwünscht, so ist die Gefahr groß, daß sie sich seiner so oder so zu entledigen bestrebt ist. Der Denkmalpfleger soll nicht mit polizeilicher Gewalt einzugreifen genötigt sein, sondern ein Lehrer der Ansichten sein, die er durch sein Amt zu vertreten hat. Und er wird vom Pfarrer erwarten dürfen, daß er ihn darin unterstütze.
        Mit der Mitte des 16. Jahrhunderts verschwinden die Flügelaltäre, und jene Wandaltäre treten auf, wie sie Renaissance, Barock und Rokoko liebten, architektonische Gestaltungen, seitlich mit Säulen, in der Mitte meist mit einem Gemälde auf Leinwand, oben mit reicher Bekrönung. An Schmuckwerken, Statuen, Vergoldungen wird nicht gespart. Dagegen tritt die Farbe zurück. Die Architektur wird meist weiß oder grau in Leimfarbe gestrichen und wirkt durch die bewegte Linienführung, durch geschnitztes Zierwerk.
        Das Kunsturteil des 19. Jahrhunderts war diesen Werken noch weniger günstig, als den Flügelaltären. Gehörten sie doch der "frivolen" Zeit Ludwigs XIV. an, galten sie doch den Protestanten als Ausdruck des Jesuitentums, den Ästhetikern als "regellose" Versündigungen am heiligen Geiste der klassisch-antiken Kunst; die Romantiker dagegen vermissten daran die der mittelalterlichen Zeit eigene tiefere Gläubigkeit. Zahlreiche solche Altäre wurden zu Feuerholz zerschlagen, und man glaubte damit ein künstlerisch gutes Werk zu tun, da der barocke Altar in die gotische Kirche nicht passe. Noch heute hört man gelegentlich solche rückständige Urteile. Entgegen steht diesen die Ansicht der Menge, die ihre prächtigen Barockkirchen liebt, ohne durch ästhetische Scheuklappen beirrt zu werden. Freilich war nicht jeder der entfernten Altäre ein Meisterwerk, aber das, was an seine Stelle kam, stand meist künstlerisch viel tiefer. Man begnügte sich damit, daß es zum Stil der Kirche "passe". Man nahm der Vergangenheit übel, was zu erlangen man selbst eifrig herbeisehnte, nämlich den Zeitstil, den Ausdruck des eigenen Empfindens, und glaubte ihn durch Entlehnung aus fernerer Vergangenheit ersetzen zu können.
        Heute haben sich die Meinungen auch hierin geändert. Den Barockaltar wird niemand mehr aus der älteren Kirche entfernen wollen der Stileinheit, des "Purismus" wegen.
        Auch solchen Altar greift der Wurm an. Aber er ist kräftiger in seinen Teilen, so daß er ihm längere Zeit widersteht, mit Ausnahme von feineren Ornamenten. Man wird sich daher lange Zeit mit Ausbessern begnügen können; auch ist die Einzelheit leichter zu ergänzen, da die Kunstformen derber, wuchtiger sind. Wer sie aber kennt, wer die Kirchen durchwandernd, sie untereinander zu vergleichen befähigt ist, der staunt über den Reichtum der Gestaltungskraft, die sich in diesen Altären offenbart und lernt sie nach ihrem künstlerischen Wert würdigen.
        Hinzu kommen noch die Orgelgehäuse, die sogenannten Prospekte. Von den Zinnpfeifen, die einen wesentlichen Teil davon bilden, sei an anderer Stelle gesprochen. Gotische Orgeln sind sehr selten, auch solche der frühen Renaissancezeit sind nicht häufig. Wohl aber gibt es prachtvolle reichbemalte Werke aus dem 17. Jahrhundert und der folgenden Zeit. Nun bedarf das Orgelwerk mancherlei Ausbesserungen, und bald wird der Organist ein neues, besseres zu erhalten streben, obgleich zurzeit ein Werk des berühmten Orgelbauers Johann Gottfried Silbermann (1683—1753) schon wegen seines musikgeschichtlichen Wertes hoch eingeschätzt wird. Ebenso die Werke seines in Straßburg tätigen Bruders Andreas (1678—1734) und seiner Neffen, von denen der Jüngste bis 1799 tätig war. Viel schöne Gehäuse wurden bei solchen Erneuerungen zerstört und durch neue, sehr selten künstlerisch gleichwertige ersetzt. Das, was die spätere Zeit Tischlergotik nannte, feierte da wahre Orgien — nüchterne, aber stilvoll gotische Werke, meist statt lebhaft farbiger Arbeiten solche in gebeiztem Holz. Nun ist es aber sehr wohl möglich, für eine neue Orgel das alte Gehäuse zu verwenden. Jedenfalls soll man den Orgelbauer nicht allein befragen, wenn es sich um eine Änderung der Gesamtanlagen handelt, sondern neben dem Musikverständigen auch den Denkmalpfleger um Rat angehen, damit er das Recht des Alten als dessen Verteidiger mit auf die Waage der Entscheidung lege.
        Das 16. bis 18. Jahrhundert liebte es, hölzerne, bemalte Wanddenkmäler (Epitaphien) in die Kirche zu hängen zur Erinnerung an dort begrabene Persönlichkeiten. Das Begraben in den Kirchen selbst galt als Ehrung für den Verstorbenen, woran den Nachlebenden das Monument erinnern sollte. Wir wollen ja nicht vergessen, daß moneo in Erinnerung bringen heißt und daß etwas zum Begräbnis Gehöriges ist. Beides mahnt zur Erhaltung, gleichviel ob der Gegenstand uns gefällt oder nicht. Die Erhaltung fordert die gleichen Vorkehrungen wie bei den Holzaltären.

Die Vergoldung des Holzes.
        Die Vergoldung erfolgt auf dem Kreidegrund, nachdem dieser abgeschliffen, oft auch durch Einpressen von Mustern mit Metallstempeln vorbereitet ist, indem das sogenannte Poliment aufgetragen wird, eine aus Verschiedenen Stoffen zusammengesetzte Flüssigkeit. Auf diese wird dann mit einem sehr weichen, breiten Pinsel Blattgold aufgelegt. Ist dieses durch das Auftrocknen des Poliments fest geworden, so wird es mit einem glatten Gerät, dem Vergolderzahn, poliert. Ähnlich wird über Öl vergoldet, und zwar auch auf Gips und ähnlichen Stoffen. In gleicher Weise erfolgt das Versilbern. Wenn dann über die Silberschicht ein feiner Lack gestrichen wird, so ergibt sich eine ähnliche Farbe wie die des Goldes. Statt Blattgold wird auch Bronze verwendet, die in Staubform aufgetragen wird. Sie ist natürlich billiger, wird aber bald, namentlich in feuchten Räumen, unscheinbar und schwärzlich. Auch das weißlichere Zwischgold, das aus einer Mischung von Gold und Silber besteht, hat nicht den gleichen Bestand wie Blattgold.
        Der Goldschläger nützt die außerordentliche Dehnbarkeit des Goldes aus, so daß das Blatt ganz außerordentlich dünn werden kann. Gegen 9000 Blatt Gold aufeinandergelegt ergeben erst einen Millimeter, dem gegen 4000 Blatt Silber entsprechen. Trotzdem erhält sich das Gold trefflich, ja alte Vergoldungen werden höher geschätzt als neue, da sie bei schwindendem Glanz eine vornehmere, stillere Stimmung annehmen.
        Ist aber an Vergoldungen durch Abreiben Schaden angerichtet, so tritt das braunrote Poliment hervor, das meist nicht störend wirkt. In vielen Fällen genügt bei Beschädigung der Vergoldung ein Nachvergolden der betreffenden Stellen, wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, daß bei dieser Ausbesserung nicht Flecke entstehen.

Wandmalereien.
        Man kann annehmen, daß jede mittelalterliche Kirche ursprünglich ausgemalt war. Späteren Zeiten mißfiel die ältere Kunst, namentlich wenn ihre Erzeugnisse gelitten hatten, und sie schuf entweder neue an Stelle der alten oder wählte an ihrer Stelle einen glatten Anstrich. Gelegentlich findet man alte Bilder unter diesem oder unter einer Kalkschicht, die auf die ursprüngliche aufgetragen wurde. Dabei war es üblich, die alte Schicht mit Spitzhacke rauh zu hauen, damit die neue besser hafte. Wird ein Fund etwa durch einen Zufall, durch Abbröckeln eines Teiles des Putzes oder dgl. gemacht, so ist der dringende Rat an den Kirchenvorstand zu richten, sobald als möglich sich an die Stelle zu wenden, die berufen ist, einen Fachmann zur Untersuchung der Sachlage zu benennen. Dieser wird versuchen, durch Klopfen mit einem Gummihammer, weitere Teile der Gemälde freizulegen, um somit einen Überblick über den Wert der Kunstwerke zu erlangen. Er wird sogar gelegentlich mehrere Schichten von Malereien feststellen können und sich zu entscheiden haben, auf welche von diesen er die Aufmerksamkeit zu lenken habe. Handelt es sich doch oft um Arbeiten von hervorragendem kunstgeschichtlichen Wert, deren Wiedersichtbarmachung auch von einer kunstfreundlichen Gemeinde gewünscht werden wird, wenn ihr gleich dadurch Kosten und Störungen des Gottesdienstes erwachsen. Denn die abgestoßenen Kalkschichten bringen Schmutz und Staub in die Kirche. Dazu kommt, daß selten die alten Kunstwerke in einer Verfassung zutage kommen, die die Mehrzahl der Beschauer erfreuen wird. Es treten also kirchliche mit künstlerischen Bedenken in Zwiespalt. Wer aber in der Kirche nicht nur eine Stätte des Kultus, sondern auch der Kultur erblickt, wird die vorübergehende Beeinträchtigung des ersteren gewiß im Sinne des letzteren zu ertragen sich geneigt zeigen.
        Wie ist nun ein durch die Spitzhaue beschädigtes, teilweise verblaßtes Gemälde dieser Art vom Denkmalpfleger zu. behandeln? Je älter es ist, desto weniger wird er sich befähigt finden, das Fehlende zu ergänzen. Denn ihm fehlt die "Naivität", die alte Malereien auszeichnet, jener Ton sachlicher Erzählung mit allerhand Schwächen oder doch Eigenarten in der Darstellungsweise. Es sei dies an einigen Beispielen erklärt: In den Gewölbezwickeln einer kleinen spätmittelalterlichen Stadtkirche fand man Heiligengestalten von statuarischer Haltung. Vieles von ihnen, so z. B. die Gliederung der Gesichter, war nicht erhalten. Es wurde lediglich der Grund, der ebenfalls fleckig zutage getreten war, neu bemalt, einzelne entfärbte Stellen ausgefüllt. Der mit dem Augenglase Bewaffnete sieht vom Boden aus diese Schäden, auf das Hinsehen mit bloßem Auge erkennt man aus den Umrissen und den sie teilenden Farbenmassen die Gestalten in vollständig ausreichendem Maße. Wo sie fehlten, wurden neue angebracht. Die Kirche erscheint in wohltuender Weise geschmückt. Und der Kunstforscher erkennt leicht, was an den Bildern alt oder neu sei, da der Maler des Neuen sich nicht die undankbare Mühe gab, in fremdem Stile zu arbeiten, sondern seiner Art insofern freien Lauf ließ, als er sich nur in der Massenverteilung an die alten Vorbilder hielt.
        In einem anderen Falle wurden die Bilder in dem Zustand unberührt belassen, in dem sie vorgefunden wurden. Aber es wurden Kopien von ihnen angefertigt, bei denen der Maler nach bestem Wissen das ergänzte, was an den Originalen fehlte. Und diese Kopien wurden vor den Bildern so angebracht, daß sie jederzeit entfernt werden können. Dem Besucher des Raumes wird dadurch soweit möglich der ursprüngliche Zustand der Ausschmückung vor Augen geführt, der Forscher kann sich jederzeit darüber unterrichten, inwieweit der neue Maler dem alten gerecht zu werden verstand.
        Wenn diese oder andere Mittel zur Erhaltung alter Malereien nicht angewendet werden können, so wird die Frage auftauchen, ob sie von der Wand entfernt, an einen anderen Ort in der Kirche oder im äußersten Notfall in ein Museum überführt werden können. Es ist im Loslösen großer Kalkschichten Außerordentliches geleistet, große Bilder sind z. B. aus Italien in deutsche und andere Museen überführt worden. Hier handelt es sich nicht um die Darstellung der technischen Maßnahmen, die hierbei sich nötig machten, sondern nur um den Nachweis, daß die Erhaltung von Gemälden hierdurch jedenfalls möglich ist. Bei Abbruch des gräflich Brühischen Palais in Dresden wurde die Decke des großen Festsaales in dieser Weise erhalten und in der Aula der Kunstgewerbeschule wieder angebracht, ohne dabei in ihrer Wirkung beeinträchtigt zu werden.
        Freskogemälde, d. h. solche, die auf frischen Kalk so ausgeführt werden, daß die aufgetragene Farbe gleichzeitig mit dem Kalk erhärtet, können durch geeignete Mittel übermalt, also Bilder, die gelitten haben, wieder in guten Zustand versetzt werden. Es ist dabei zu bedenken, daß die Kunst von heute der der Fresken, die bei uns zumeist erst der Zeit nach 1650 angehören, näher steht als jener des Mittelalters, daß mithin ihre sachgemäße Erneuerung leichter zu erreichen ist. Trotzdem sei hier wie überall vor dem Übermalen, alter Bilder gewarnt, durch das diese in ihrem Bestände verändert werden. Den Restauratoren, namentlich den minder begabten und unerfahrenen, wird man streng auf die Finger zu sehen haben, damit sie sich keine Willkürlichkeiten erlauben, d. h. es wird, ehe man ihnen ein Werk überläßt, durch Beschreibung und photographische Aufnahme der Zustand festzulegen und der Umfang der Erneuerungsarbeiten zu vereinbaren sein, all dies unter Zuziehung des berufenen Denkmalpflegers.
        Gerade hinsichtlich alter Wandmalereien ist bei den Geistlichen oft starke Abneigung zu bemerken. Sie stört der Fleck an der Wand, sie finden die Malerei nicht "schön", der beschädigte Zustand widerspricht ihrem Ordnungssinn. Und gerne sind sie bereit, das eben Aufgefundene wieder überstreichen zu lassen. Es werden Scherereien befürchtet und es wird angenommen, etwas Rechtes käme doch bei der Sache nicht heraus. Wenn sich die Gemeinde im Besitz der höchsten Kunstweisheit glaubt, so würde man ihr Recht geben müssen. Aber eine solche hat niemand, und mithin ist niemand berechtigt, die Schöpfungen der Vergangenheit zu vernichten. Es handelt sich nur darum, den rechten Mann zu finden, dessen Kunst die alten Reste in den veränderten Raum sachgemäß einordnet, so daß sie der Gemeinde zur Freude gereichen. Wer Erfahrung in diesen Dingen hat, weiß, wie rasch der Geschmack sich ändert!

Bronze und Messing.
        Bronze besteht in der Hauptsache aus Kupfer, dem im geschmolzenen Zustande Zinn, Zink, Blei und andere Metalle beigemischt werden. Je nach den Mischungsverhältnissen gibt man ihm verschiedene Namen. Eine Mischung aus Kupfer und Gold nennt man Tombak, ein Name, der aus dem Malaischen stammen soll. In dem, was man bei uns als Tombak bezeichnet, wird man vergeblich Gold suchen. Es ist Rotguß, in dem das Gold durch Zinn ersetzt ist. Halbgold (Mannheimer Gold, Semilor u. a.) nennt man Zusammensetzungen aus Kupfer, Zinn und Zink, die eine goldähnliche Farbe haben. Werden die Erzeugnisse daraus noch vergoldet, so wirken sie echtem Gold sehr ähnlich. Im sogenannten Nürnberger Gold dagegen sind einige wenige Teile des wertvollen Metalls dem Kupfer beigemischt. Auch in Japan mischt man Kupfer und Gold zu feinen Schmuckarbeiten. Aber all das sind Dinge, die in unseren Kirchen selten vorkommen werden. Wichtiger ist der Messing-Gelbguß, der etwa ein Viertel Zink dem Kupfer beigemischt zeigt, gelb erscheint, leicht flüssig, hart und spröde ist. Je weniger Zink die Mischung enthält, desto röter wird die Masse, je mehr, desto gelber, endlich weißlich bis weiß-grau (Weißmischung). Reines Kupfer verwendet man zu gewissen Gefäßen und zur Abdeckung von Dächern. Es wird durch Kalthämmern verarbeitet, poliert und gebeizt und dient zur Herstellung vieler kunstgewerblicher Erzeugnisse. Es ist dies das "hammergare Kupfer".
        Wertvoll ist das Metall auch durch seine Farbe. Jede Hausfrau kennt das glänzende Rot der gut gescheuerten Kupferkessel. Der Künstler liebt die schwärzlich braune Farbe der Bronze, die bald unter der Einwirkung von Luft und Feuchtigkeit einen Rost ansetzt; dieser frißt sich aber nicht in die Tiefe, sondern schützt vielmehr das Metall vor Zerstörung: Es ist dies der Edelrost, die Patina, die den Stoff mit einem leuchtenden Weißgrün, Blaugrün, Braungrün überzieht, das zu erhalten Aufgabe der Pflege ist. Hier also ist das Verrosten zu begrüßen, wenn es sich nicht um das Entstehen des giftigen Grünspanes handelt, der die Bronze zerstört. Er entsteht durch die Einwirkung von Säuren auf Kupfer.
        Bronze ist der klassische Stoff für den Kunstguß.
        Da sind zunächst die Glocken, als die gewichtigsten Gußstücke der kirchlichen Kunst. Sie hängen droben auf dem Turme, und nur wenige Mitglieder der Gemeinde haben sie jemals gesehen, außer etwa von unten. Der Weg zu ihnen ist selten bequem und für Besuch nicht eingerichtet, selten sogar rein gehalten. Sie hängen in der Glockenstube am Glockenstuhle, einem schweren Holzgerüst, dessen Zweck ist, die bei den Schwingungen entstehenden Schwankungen des Gebäudes aufzufangen und den Druck gleichmäßig auf das Turmmauerwerk zu verteilen. In den Stuhl sind Pfannen eingelassen, die die Zapfen der sogenannten Holme oder Wölfe aufnehmen. An den Holmen ist die Glocke befestigt. Das Schmiermittel, das in die Pfannen gebracht wird, verunreinigt den Stuhl, so daß die enge Glockenstube selten ein Ort ist, der sich zum Besuche eignet.
        Die Glocke wird entweder durch Schwingen geläutet, indem der Holm mittels eines herabhängenden Seiles und durch ihn die fest an ihm hängende Glocke bewegt wird, bis der schmiedeeiserne frei bewegliche Klöppel an die Glockenwand schlägt: oder sie wird durch seitlich angebrachte kleine Hämmer geschlagen, so auf mechanischem Weg durch die Stundenuhr. Beiern nennt man das Anschlagen des Klöppels an die still hängende Glocke.
        Als Teil der Glocke selbst vermittelt die Krone, die aus mehreren henkelförmigen Teilen besteht, die Befestigung am Holm. Sie sitzt auf der Haube, an der nach unten ein Ring befestigt ist; dieser hält an einem kurzen Lederriemen den Klöppel. Der Leib der Glocke, dessen Grundgestalt ja alle kennen, ist an den oberen Teilen, der Schweifung, verhältnismäßig dünnwandig, an dem weit ausladenden unteren Teil, dem Schlagring, aber viel stärker. Der Ton der Glocke ist abhängig von der Gestaltung dieses Leibes, von der Rippe, wie die Gießer den Querschnitt nennen. Diese Rippe hat sich nun im Laufe der Zeit vielfach geändert. Die ältesten Glocken sind lang und schmal, erst im 15. Jahrhundert erhalten sie die Grundform, die sich seither im wesentlichen erhielt. In manchem deutschen Turm hängen Glocken aus dem 13., ja 12. Jahrhundert, die also seit sieben bis acht Jahrhunderten die Gemeinde mit ihrem Klang zu den wichtigsten Ereignissen ihres Lebens wie zum Gebet begleitet haben; eine so ehrwürdige und treue Freundin, die nun, wie eine einfache Rechnung ergibt, sechs bis sieben Millionen mal den Ortsbewohnern die Stunde verkündete, wird die Achtung aller genießen.
        Um eine Glocke herzustellen, mauert man einen Kern auf und formt diesen nach der Innenschablone der Rippe aus. Darüber baut man den Mantel aus, der wieder, diesmal an der Innenseite, nach der Rippe geformt wird. Wenn er auf den Kern herabgelassen wird, so entsteht ein leerer Raum. Dies ist die Form, die die Glocke erhalten soll. Der Zapfen des Schmelzofens wird ausgestoßen, und die flüssige Masse füllt die Leere aus, aus der die Luft durch Röhren im Mantel, Pfeifen genannt, entweicht. Der Schmuck auf der Außenseite entsteht dadurch, daß man ihn, wenn er erhaben erscheinen soll, in den Mantel vertieft.
        Es ist ein hartes Schicksal für die Glocken, daß sie aus derselben Bronze gefertigt werden wie die Kanonen. Der Krieg frißt die Glocken auf, und so sind denn auch während des Weltkrieges ungezählte Glocken von den Türmen heruntergeholt und in die Arsenalwerkstätten gebracht worden. Ehre den Gemeinden, die dem Vaterlande dies Opfer brachten, ein Opfer, das noch lange in der Geschichte des Ortes rühmend erwähnt werden wird. Man gab in erster Linie neue Glocken hin, da man sich des höheren geistigen Wertes der alten bewußt war. Und so sind denn auch unter der sorgsamen Aufsicht der Denkmalpfleger viele alte Glocken erhalten geblieben, die zu ihrem Teil den geschichtlichen Zusammenhang mit der Vergangenheit pflegen und hoffentlich dereinst noch eine bessere Zeit einläuten werden.
        Aber auch durch ihren Schmuck sind uns die alten Glocken wert. Viele tragen Namen von Heiligen als Inschriften, oder Sprüche, die eine Fürbitte enthalten. Der Ton der Glocke wird als laute Wiederholung dieser aufgefaßt: O rex gloriae veni cum pace. Oder: Ave Maria gratia plena dominus tecum benedicta tu in mulieribus. Oder: Defunctos plango, vivos voco, fulgura frango. Oder: Vox mea vox vitae, voco vos ad sacra, venite. Oder: Hilf Maria unde berat. Oder: O heiliger Bischof Sanct Martin, bitte Gott vor uns. So und ähnlich im Mittelalter. In protestantischen Kirchen: Verbum Domini manet in aeternum. Oder: Da pacem Deus in diebus nostris. Oder eine Inschrift von 1645:

                Als ich bin gegossen worden
                War Krieg und Streit an allen Orten
                Gar wenig Volk, gar wenig Geld
                Verwüstet waren Stadt und Feld
                Doch meld ich Stund, Freud, Tauf und Tod
                Sobald Ihr höret Hall und Schall
                Zur Kirche kommt, Gott lobet all.
        Weiter werden oft die Stifter der Glocken und die Gießer angegeben: X. Y. goss mich; auch die Jahreszahl und der Ort der Gieshütte. Dazu kleine Reliefs, Münzen, besonders gern Wallfahrtszeichen, wie sie an den betreffenden Kirchen dem Pilger ausgehändigt wurden. All dies bescheiden, auch im Ornament nicht aufdringlich; es schlingt das sich etwa um den "Hals" der Glocke, den oberen Teil der Schweifung, der auch zumeist die Inschrift trägt.
        Es gehen wohl gelegentlich Glockengießer durchs Land und weisen die Gemeinden daraufhin, daß ihre Glocken nicht "stimmen", d. h. daß ihrer mehrere nicht harmonisch zusammen klingen. Sie ermahnen dann zum Umgießen. Es findet sich vielleicht ein Stifter, der die dadurch entstehenden Kosten trägt, und bald sind die Glocken eingeschmolzen. Ob man damit recht tut, ist vorher zu untersuchen, und jedenfalls soll man dabei auf den Freund der alten Glocken hören, der vielleicht Wege anzugeben weiß, wirklich vorhandene Mißklänge zu beseitigen, ohne die alte Glocke zu zerstören.
        Ein letzter Weg ist an der Zarkólokol, der Königin der Glocken in Moskau, eingeschlagen worden: Sie stürzte 1737 ab, wobei ein Stück herausbrach, und wurde 1876 auf einem Sockel vor ihrem Glockenturm aufgestellt. Auch in Deutschland hat man dies mit alten Glocken getan und den Gemeinden damit eine dauernde Freude bereitet.
        Eine zweite, in Kirchen häufig vorkommende Form des Bronzegusses ist die der Denkmäler. Manche Dome sind reich an solchen Werken, manche Gießerhütten sind für diese Arbeiten weltberühmt, so namentlich die der Vischer in Nürnberg, von denen der älteste, Hermann, 1487 starb, der größte, Peter, von 1455 bis 1529 lebte. Sie unterscheiden sich vielfach in der Form, die hier nicht beschrieben werden soll, da es sich nicht um die Kunstgeschichte in diesen Zeilen handelt.
        Da gibt es glatte Platten, die im Guß hergestellt sind und eine vertiefte eingeritzt erscheinende Zeichnung aufweisen, oder in ähnlicher Technik, aber mit leicht erhabener Modellierung, in Halbrundung (Relief) oder Vollrundung die Gestalten darstellend. Die Platten liegen meist im Fußboden, oder der Guß erstreckt sich auch auf einen vom Boden aufsteigenden Bau, eine Tumba bildend. Dazu kommen in Bronze gegossene Taufbecken, Fünten, Grapen, aufrecht stehende Bronzestatuen, alles dies Schätze von höchstem Wert für die Kirche.
        Was hat zu ihrer Pflege zu geschehen? Solange sich nicht deutliche Schäden zeigen, nichts! Höchstens soll man sie von Zeit zu Zeit abstäuben oder sie mit Petroleum und weichen Lappen reinigen. Gefahr droht nur den auf dem Kirchboden liegenden Platten. Sie wurden dorthin gelegt mit dem Wunsche auf Selbsterniedrigung, gerade in vielbegangene Gänge hinein, damit der grobe Stiefel über sie hinschreite. Er beschädigt sie dabei natürlich, namentlich die erhaben gearbeiteten Teile. Man hat sie wohl durch Matten zu schützen versucht. Aber in diesen sammelt sich Sand, sie scheuern, durch die Schritte hin und her gezogen, erst recht schädigend auf der Bronze. Man hat sich nun zu entscheiden, ob man den ursprünglichen Willen der Begrabenen, auch nach Jahrhunderten, ehren oder ob man diese selbst vor Vergessenheit schützen will, die doch durch die Zerstörung der Platten bewirkt wird. Und weiter wird der Kunstwert der Platten in Frage kommen, so daß man sich wohl in den meisten Fällen dazu veranlaßt sehen wird, sie vom Boden aufzuheben, die Stätte, an der sie lagen, in anderer Weise als das Grab des Verstorbenen zu kennzeichnen, etwa durch eine vertiefte Inschrift in Stein, und die Platte an einer ihre Besichtigung erleichternden Stelle, etwa an der Umfassungsmauer der Kirche aufzustellen.
        Unter den kirchlichen Arbeiten in Messing sind vor allem gewisse alte Taufschüsseln zu erwähnen, die in der Mitte meist eine figürliche Darstellung, etwa die Taufe Christi oder Josua und Kaleb mit der Traube des Gelobten Landes darstellen, am Rand aber Zierranken oder vielleicht Inschriften. Sie wurden gestanzt, d. h. durch ein Schraubenwerk eingetrieben. Es wiederholt sich daher oft dieselbe Schmuckform. Häufig erscheint eine Anzahl Buchstaben im Rande, die aber nicht jenen der bekannten Schriftarten entsprechen, sondern frei erfunden sind durch europäische, namentlich Nürnberger Kunsthandwerker, vielleicht in Nachahmung jener Schriften, die man auf orientalischen Vorbildern fand. Solche Stücke sind sorgfältig zu bewahren, gelegentlich mit unscharfen Mitteln zu reinigen, nicht aber etwa mit Sand zu scheuern.
        Die Kronleuchter sind vielfach aus Messing gegossen. Selten wird sich in den Kirchen ein Werk dieser Art finden, das ins Mittelalter zurückgeht, es sei denn allgemein als Sehenswürdigkeit bekannt: Jene großen kreisförmigen an Ketten herabhängenden Reifen, die das himmlische Jerusalem darstellen, dessen turmartigen Tore die Leuchter aufnehmen, wie einer im Münster zu Aachen hängt. Gelegentlich findet sich wohl auch ein Leuchter, der aus einem Mittelstabe besteht, mit Figuren geschmückt ist und nach verschiedenen Seiten Arme vorstreckt. Diese nehmen dann die Kerzen auf. Ähnlich sind die Kugelleuchter, deren Mittelstab nach unten mit einer Kugel endet, Anordnungen, die freilich im 19. Jahrhundert vielfach nachgeahmt und für Gas- und elektrische Beleuchtung eingerichtet wurden.
        Aus Bronze, seit dem späteren Mittelalter aus Messing, sind oft die Standleuchter, die zu zweien auf den Altar gestellt werden. Sie sind oben mit einem Dorn versehen, auf den eine Wachskerze aufgesteckt wird. Diese dient nicht der Beleuchtung der Kirche, sondern hat die Opferflamme symbolisch anzudeuten. Wohl entsteht der Wunsch, diese Leuchter durch solche aus edlem Metall zu ersetzen. Aber nicht dieses gibt ihnen den kirchlichen Wert, sondern die künstlerische Form und das Alter. In die Sprache des Altertumshändlers übersetzt: Dieser zahlt für einen romanischen Standleuchter in Bronze mit seinem kunstvoll ausgebildeten Fuß, seinem Schmuck in Schmelz das Zehnfache, ja Hundertfache wie für einen modernen Silberleuchter — eine Mahnung an die Kirche, das Zehn- und Hundertfache an Sorgfalt für die Erhaltung des in ihrem Besitz befindlichen ehrwürdigen Gerätes zu verwenden.
        Aus Messing sind vielfach die Opferschalen, die an den Türen stehen, um die Gaben der Mildtätigen aufzunehmen, und so manches andere, was der Aufmerksamkeit des Kirchpflegers zu empfehlen ist, sobald es die Hand eines geschickten Handwerkers verkündet.
        Aber Kupfer und Messing werden nicht allein verwendet: Hinzu kommen allerhand neue Metallmischungen mit Kupfer. So das Alfenid, Brittania-Metall, Alpaka, Chinasilber, Argentin, Neusilber, Neugold und wie sie sonst heißen mögen. Es wäre nun ein Irrtum, wollte man die Waren des neuzeitlichen Kunsthandels um des Stoffes willen mehr oder weniger achten, als die aus früher benutzten Metallmischungen hergestellten. Wenn nur den neuen nicht so oft ein künstlerischer Makel anhinge, nämlich daß sie sich als etwas Feineres, Vornehmeres geben wollen als sie sind. Durch die Absicht zu täuschen, werden sie Ersatz, "Surrogat" und verlieren die Anwartschaft, in einer Kirche beim Gottesdienste mitzuwirken, ebenso wie Abgüsse nach feiner Handarbeit und alles, was heuchlerisch wertvoller zu sein vorgibt, als es wirklich ist. Nicht falscher Prunk ziert die Kirche, so wenig wie unechter Schmuck die ehrbare Frau.

Eisen.
Eisen rostet, es oxydiert, oder wie der Chemiker sagt, es verwandelt sich in Eisenoxydhydrat, wenn es mit Feuchtigkeit in Verbindung kommt. Jeder kennt die rotbraunen Flecken, die nach und nach einen rotbraunen Überzug über das ganze Eisen bilden, der in die Tiefe dringt und endlich das Stück zerstört. Nun wird Eisen in der Kirche vielfach verwendet. Selten wird es ganz frei gelassen. Es wird mit Eisenlack oder Ölfarbe gestrichen, verzinnt, ja oft teilweise vergoldet. Das alles sind Schutzmittel, aber keine untrüglichen. In feuchten Räumen schreitet der Rost trotzdem fort. Zeigen sich Rostspuren, so hilft wohl einige Zeit ein Betupfen mit Öl, ein Ablaugen mit Petroleum. Aber bald wird es sich auch hier nötig machen, den Fachmann, in einfachen Fällen einen tüchtigen Schlossermeister, herbeizurufen.
        In den Kirchen finden sich oft sehr kunstvolle Eisenarbeiten, die vielfach nicht sachgemäß behandelt sind. Da sind die fein durchgearbeiteten Kastenschlösser mit ihrem oft sehr kunstvollen Innenbau, ihren reich verzierten Schlüsseln, mit zierlich ausgebildeten Griffen und Barten daran. Da sind die Gitter vor den Abstellnischen und Sakramentshäusern, die schweren Beschläge an den Türen, die starken, diese zusammenhaltenden Bänder. Als Abschluß der Chöre, der Kapellen finden sich oft prächtig geschmiedete Gitterwerke, Arbeiten von ebenso feiner Handwerkskunst wie von edelstem Künstlerentwurf. Einst waren sie oft reich und bunt bemalt, teilweise vergoldet. Feine durchbrochene und getriebene Eisenbleche decken hier und dort die Flächen, die mit rotem Leder unterlegt wurden, so daß dieses durch die durchbrochenen Stellen hervorschaut. Nur zu oft hat aber eine spätere Zeit all dies überstrichen und, wie beim Holz ein nüchternes Braun, so hier als "Eisenfarbe" ein noch unerfreulicheres bläuliches Grau, vielfach auch Schwarz gewählt.
        Zumeist bestreicht man Eisen zunächst mit Mennige, einer Bleioxydfarbe, die einen trefflichen Schutz bildet. Sie ist von kräftigem, leuchtendem Rot. Mancher sah wohl, daß z. B. neu aufgerichtete gußeiserne Laternenpfähle mit diesem Rot abgefärbt werden und freute sich deren stattlicher Wirkung, namentlich im Grün einer Gartenanlage. Mit Arger sieht er dann, daß dies blos als Untergrund für die langweilige Eisenfarbe dienen soll.
        Wenn sich also die Gelegenheit bietet, soll man dafür sorgen, daß die häßlichen Anstriche vom Eisen entfernt werden, die seine feine Schmiedearbeit verdecken. Dafür aber soll entweder ein Verzinken oder eine mit gutem Empfinden für das Schickliche durchgeführte farbige Behandlung eintreten.
        Ebenso bei dem Eisen, das sich außerhalb der Kirche befindet, namentlich an den so reizvollen schmiedeeisernen Grabkreuzen, den Umfassungsgittern, den Wetterfahnen usw.
        Einen vornehmen Schmuck erhält das Eisen durch Ätzen, indem ein Muster mit einer Wachslösung aufgezeichnet und das Ganze dann mit einer Säure behandelt wird, die sich in die nicht bemalten Teile einfrißt, den sogenannten Ätzgrund bildend, während die bemalten Teile gereinigt und dann poliert werden: Rüstungen, Waffen, aber auch Schlüsselschilde, kleine Truhen u. dgl. werden auf diese Weise geschmückt. Hat sie der Rost angefressen, so bedarf es hier besonders kunstreicher Arbeit, um die Schäden zu beseitigen.
        Das Schneiden in Eisen, d. h. das Behandeln dieses nach Art des Steines durch Herausmeißeln einiger Teile ist eine schwierige Arbeit. An den Schlüsselgriffen findet man sie gelegentlich.

Zinn.
        Das Zinn ist lange unterschätzt worden. Einst war es das im Haushalt meistverwendete Metall: Schüsseln, Kannen, Krüge, Teller zierten die Tische, bis das leichtere Porzellan sie verdrängte. Heute wird Zinn im Hause wohl als Schmuck auf Wandborden benutzt und höchstens für die Deckel auf Biergläsern und Bierkrügen verwendet. In den Kirchen ist es fast ganz verdrängt, und wo es sich doch noch findet, steht es meist wenig geachtet in den Schränken.
        Und doch gibt es Edelzinn, Weinkannen, Hostienteller, Waschschüsseln mit oft kugelförmigen, geflügelten Wassergefäßen, die mittels eines Hahnes geöffnet werden und in den Sakristeien Verwendung finden, Teller usw. Es sind das Arbeiten, die entweder mit leicht erhabenem Schmuckwerk pflanzlicher oder figürlicher Art oder mit reichen Arabesken in Ätzung verziert sind. Namentlich das 16. Jahrhundert fertigte solche Arbeiten von hohem Wert. Eine Kanne oder eine Taufschüssel des Mömpelgarder Meisters Francois Briot, des Basler Kaspar Enderlein, beide aus dem 16. Jahrhundert, gelten heute als Museumsstücke von hohem Rang und entsprechendem Sammlerpreis. Auch solche mit Darstellungen von Figurenreihen geistlicher und weltlicher Art, z. B. der Apostel oder der Kurfürsten, sind sehr geschätzt. Aber auch die einfachen, nur mit Gravierungen versehenen offenen oder mit Klappdeckel versehenen Krüge, die bescheidenen Abendmahlkelche und stattlichen Weinkannen oder viereckigen, mit Schraubendeckel versehenen Reiseflaschen steigen im Wert, je seltener sie in den Kirchen wie in den Haushaltungen werden. Wenn auch die Invintarisatoren der Kunstdenkmäler an diesen schlichteren Erzeugnissen des Gewerbes meist teilnahmslos vorbeigehen, sollte die Kirche sie doch bewahren. Brauchen sie doch wenig Pflege. Man mag sie gelegentlich leicht abputzen; nötig ist dies aber nicht, da sie sich wenig verändern und gerade der milde Glanz an ihnen am besten wirkt. Etwas Schlemmkreide und Seegras wird gute Dienste bei der Reinigung tun. Verziertes Zinn putzt man besser gar nicht, um die erhabenen Teile nicht abzustumpfen.
        Einen leider bisher unerbittlichen Gegner hat das Zinn, den man Zinnpest nennt. Es entstehen warzenartige Gebilde auf der Oberfläche, die bei einer Berührung in Staub zusammenfallen. Nach und nach wird so das ganze Stück zugrunde gehen, ohne daß man bisher ein Mittel zu seiner Erhaltung gefunden hat. Empfohlen wird nur, ein erkranktes Stück von gesunden abzutrennen.
        An der Unterseite irgend eines Teiles der Zinnarbeiten findet man eingeschlagene Marken, zumeist deren drei. Sie erklären dem Kenner, in welcher Stadt und manchmal auch von welchem Meister das Stück gefertigt sei. Man sorge dafür, daß bei Ausbesserungen diese Marken erhalten bleiben.

Gold und Silber.
        Die große Mehrzahl der in Edelmetall hergestellten kirchlichen Gegenstände, die verschiedenen Arten von Kelchen, die Hostienteller (Patenen), Monstranzen, Gefäße usw. sind in Silber getrieben und ganz oder teilweise vergoldet. Das Treiben erfolgt in der Weise, daß ein Silberblech durch Hammerschläge nach einer bestimmten Richtung ausgedehnt wird, so daß vertiefte Formen entstehen. So entsteht in langsamer Arbeit etwa die Kuppa, das eigentliche Gefäß eines Kelches. Ist somit die rohe Grundform hergestellt, so erfolgt die Ausschmückung durch Hämmern von außen nach innen zu, oder durch besondere Werkzeuge (Punzen) von innen nach außen, indem man den Wandungen eine Unterlage von Treibpech gibt, einer hartzähen etwas elastischen Masse. Es empfiehlt sich, einmal ein Stück gute Arbeit daraufhin genau von außen und innen anzusehen, um sich zu vergegenwärtigen, welche Teile durch Hämmern aus einem Bleche entstanden und welche durch Schrauben oder Anlöten nach der Fertigstellung zusammengefügt sind. Man wird daraus ebensosehr die Größe der Arbeit wie die Dehnbarkeit des Silbers erkennen, die von der des Goldes noch wesentlich übertroffen wird, während Silber dieses an Härte überragt.
        Silber und Gold rosten nicht. Silber läuft zwar unter dem Einfluß in der Luft befindlicher chemischer Stoffe an. indem es einen bräunlichen Niederschlag erhält. Aber dieser dringt nicht in die Tiefe und kann von einem geschickten Goldschmiede wieder entfernt werden, ohne daß das Stück Schaden erleidet. Man härtet das Silber durch Zuführung meist von Kupfer, das erst bei einem bedeutenden Zusatz auf die hellweißliche Farbe einwirkt, dagegen die Politurfähigkeit erhöht. Mit anderen Metallen gemischt, ändert es seine Farben, ebenso wie das Gold auf diese Weise von Rot zu hellerem Gelb gewandelt werden kann, Umstände, die der Goldschmiedekunst mancherlei Anregungen boten.
        Früh sorgte man dafür, daß der Käufer von Erzeugnissen aus Edelmetall über den Silber- und Goldgehalt derselben sich unterrichten konnte. Es wurden Bestimmungen getroffen, durch die der Gehalt, namentlich der Silberwaren, festgelegt wurde. Der Erzeuger hatte sein Werk einem Schauamt vorzulegen, das es darauf untersuchte, ob es den gesetzlichen Bestimmungen entsprach. Man findet auf dem Boden alter Silbergefäße meist eine eigentümliche Zickzacklinie, die dadurch entstand, daß ein "Span" aus dem Gefäß zur Prüfung entnommen wurde. War die Arbeit als vollwertig befunden, so schlugen das Schauamt und der Goldschmied ihre Marken ein. Diese belehren den Kenner, aus welcher Stadt und von welchem Meister die Arbeit stammt. Denn die Fachwissenschaft sammelte und erklärte diese Marken. Der Wert eines Gegenstandes, im Sinne des Sammlers gesprochen, steigert sich dadurch, daß er einem berühmten Meister entstammt. Daher soll man die Marken schonen, nicht aber, wie es häufig geschieht, bei Ausbesserungen beseitigen. Man findet sie zumeist an der Unterseite des Randes oder sonst an versteckten Stellen. In Augsburg wurde seit 1445 gemarkt, seit 1529 mit der "Stadtbirne", dem Pinienapfel des Städtwappens; in Nürnberg begann das Marken schon um 1370, seit dem 16. Jahrhundert wird ein N als Marke benutzt. In Wien erscheint das Bindenschild mit einem W seit 1528. Vielfach werden noch Jahreszeichen hinzugefügt, etwa Buchstaben, die dem Kenner gestatten, die Entstehungszeit genau festzulegen.
        Zur Pflege der Edelmetalle ist nicht großer Eifer zu empfehlen, sondern mehr ruhiges Gewährenlassen. Es soll nicht die Ansicht regsamer Hausfrauen hier maßgebend sein, die alles "blitzblank" haben möchten. Man bleibe dem Silber mit allen scharfen Putzmitteln fern: Es wirkt vornehmer in seinem milden Glänze, das häufige Putzen verdirbt die feinen Teile getriebener Arbeit, rundet diese ab, stört die beabsichtigte Wirkung. Die dünne Schicht der Vergoldung ist leicht fortgeputzt. Also staube man lieber das Silber ab, wische höchstens mit einer weichen, also alten Leinwand oder einem Lederlappen, der weich sein muß, um Kratzen auf der Oberfläche des Silbers zu vermeiden. Nach dem Gebrauch, etwa eines Kelches, spüle man ihn mit lauwarmem Wasser ab und trockne ihn sorgfältig, doch ohne Scheuern und Drücken ab. Ist eine gründliche Reinigung nötig, etwa bei stark beschlagenen Stücken, so verwende man gute Silberseife, d. h. jene flüssige Seife, die mit Schlemmkreide und Englischrot versetzt und im Handel überall zu haben ist. Eine sehr milde Zahnbürste wird dabei gute Dienste leisten.
        Es gibt sehr viel Arten des Schmuckes für den Goldschmied. Eine der wichtigsten ist der Schmelz, Emaille. Es wird eine bleihaltige, daher leicht flüssige und durch lösliche Metalloxyde gefärbte Glasmasse (Smalte) auf das Metall durch Malen aufgetragen. Schmelzen die Oxyde im Brande vollständig, so erscheint die Masse durchsichtig, transluzid; bleiben Teile ungeschmolzen, so wirken sie undurchsichtig, mehr einem Steine ähnlich, opak. Oder es werden in der zu schmückenden Fläche durch feine Metalldrähte Abteilungen gebildet — Zellen — und in diese das gefärbte, zerstoßene und mit Wasser angemachte Glas mit einer Spachtel aufgebracht und dann das Ganze gebrannt. Es entsteht der Zellenschmelz. Die trennenden Stäbe heißen cloison, Scheidewand, daher der Schmelz émail cloisonne im Gegensatz zu der Arbeitsweise, daß Gruben in das Metall eingetieft und diese gefüllt werden, Grubenschmelz, émail champlevé. Wenn Teile des Schmelzes ausgebrochen sind, so können sie von geschickter Hand wieder hergestellt werden, freilich ist Vorsicht in der Auswahl dieser Hand nötig, denn nicht jeder Goldschmied hat die Vorkehrungen, Schmelz herzustellen und daher auch nicht die nötige Übung.
        Eine viel verwendete Schmuckform ist weiter das Filigran, die Arbeit aus feinem runden oder glatten Gold- oder Silberdraht. Bei der großen Dehnbarkeit der Edelmetalle kann der Drahtzieher Fäden von großer Feinheit herstellen, die dann dazu benutzt werden, um zierliches Flechtwerk nach bestimmten Mustern herzustellen. Beliebt ist, den Draht an einzelnen Stellen zu knöteln und die kleinen Anhäufungen dann zu schmelzen, so daß aus ihnen Kügelchen entstehen. Aus solchem Draht werden dann auch oft die Zellen hergestellt, nachdem er auf einer Metallplatte befestigt wurde.
        Schmelz wird nicht nur auf Edelmetall, sondern auch vielfach auf Kupfer aufgebracht; namentlich geschah das im Mittelalter. Es gibt Stücke dieser Art von höchstem Alter und mithin besonderem Wert, so daß an solchen eine Beschädigung lieber hingenommen wird als eine moderne Ergänzung. So findet sich z. B. vielfach Schmelz auf den Roteln, das ist auf den vorstehenden Verzierungen des Stielknaufes der Kelche,der dadurch sich als Grubenschmelz kennzeichnet, weil ein Rand und ein Buchstabe erhaben stehen blieb, dazwischen aber der Grund vertieft und mit Smalten gefüllt wurde. Aber das ist eine der einfachsten Formen der Verwendung, die bis zu der reichsten farbigen Behandlung weitergeführt wird.
        Vielfach bauen sich Edelmetallarbeiten auch aus mehreren, etwa durch einen Eisenstift und eine Schraubenmutter zusammengefaßten Teilen auf. Da erscheint der vornehme Bergkristall, ein farblos durchsichtiger, dem reinen Eis in der Wirkung verwandter Quarz, der an Glanz das beste Glas übertrifft. Da sind allerhand Halbedelsteine, da sind solche Mineralien, die nur halb, oft gar nicht durchsichtig, durch feine Färbung oder vornehme Zeichnung sich auszeichnen wie Karneol, Achat, Onyx, Lasurstein, Türkis und viele andere mehr; dann der Bernstein, ein im Meer zu findendes fossiles Harz. Alle jene Steinarten, die in verschiedenen Schichten lagern, werden zu Cameen verwendet, d. h. es wird eine Figur aus der oberen Schicht gebildet, die dann auf der unteren, meist dunkleren Schicht aufruht; oder es werden Gemmen hergestellt, vertiefte Einzeichnungen in die geglättete Oberfläche, ähnlich unseren Petschaften. All das sind uralte Techniken, die auf die Frühzeit alles künstlerischen Schaffens zurückweisen. Unmöglich hier, all diese Arbeitsweisen zu besprechen, deren jede in ihrer Art den Gegenstand im Werte steigert.
        Die Opferfreudigkeit reicher Stifter verzierte manche Gefäße mit echten Edelsteinen. Diese als solche zu erkennen ist Sache eines Kundigen. Denn sie werden mit großem Geschick nachgeahmt. Der König der Edelsteine, der Diamant, der aus reinem Kohlenstoff besteht, zählt durch seinen Glanz, sein Schillern in den Regenbogenfarben (das Feuer), seine Härte, zu den höchst geschätzten Dingen im Handel. Aber neben ihm stehen mehr oder minder wertvolle Halbedelsteine, die ihm durch verschiedene Mittel ähnlich gestaltet werden, bis zu den Nachahmungen in Glas, den Simili-Diamanten, dem pierre de Strass, so nach dem Wiener Erfinder Strasser genannt, einem Zeitgenossen der Kaiserin Maria Theresia. Es erwächst also für den Pfleger so wertvollen Gutes die Pflicht besonderer Vorsicht, daß nicht durch betrügerische Hände die Edelsteine ausgebrochen und durch geringwertige Nachahmungen ersetzt werden, die zu erkennen er nicht in der Lage ist.
        Reicher Besitz lockt Verbrecher an. Man hat auch in Kirchen mit Einbruch zu rechnen. Alles, was sich leicht forttragen läßt, ist diesem besonders ausgesetzt. Während ein durch Kunst und Alter ausgezeichnetes Kunstwerk schwer an Hehler zu ungefähr angemessenem Preis zu verkaufen und von diesen weiter zu verhandeln ist, weil solche Stücke bekannt sind und die ehrlichen Altertumshändler bald von ihrem Verschwinden benachrichtigt werden können, bietet ein Stück von hohem Materialwert besonderen Anreiz. Die Steine werden ausgebrochen, das Edelmetall eingeschmolzen, das Stück verschwindet damit für die Nachforschung.

Elfenbein und Verwandtes.
        Elfenbein nennt man die Masse, aus der der Stoßzahn der Elefanten gebildet ist. Dieser ist bei dem jungen Elefanten hohl, füllt sich aber bei älteren nach der Spitze zu immer mehr aus. Die Zähne des erwachsenen Tieres sind bis 1,6 m lang und wiegen bis zu 90 Kilo. Schon im frühen Mittelalter wurde in Europa Elfenbein verarbeitet. Und wenn man gleich weiß, daß starke Handelsbeziehungen zum Orient bestanden, so ist doch klar, daß unter den damaligen Verkehrsverhältnissen das Elfenbein eine seltene und teure Ware sein mußte. Daher suchte man Ersatz, indem man die Zähne des Nilpferdes und vom Norden her die des Walrosses herbeischaffte, daß man tierische Knochen (Bein) benutzte, so vom Rind, Hirsch, Pferd, daß man Geweihe vom Hirsch, Rind u. a. an der Sonne auslaugte oder mit chemischen Mitteln bleichte, um sich Ersatz zu schaffen. Es gehört Sachkenntnis dazu, Elfenbein von den Nachahmungen zu unterscheiden, so auch von den aus Gips und ähnlichen Mitteln hergestellten Elfenbeinmassen, unter denen z. B. die in Schwefelsäure erhärtete Kartoffel eine Rolle spielt, sowie gewisse amerikanische Nüsse.
        Elfenbein ist eine feine elastische Masse, die am äußeren Rande braun, sonst von glänzendem gelblichem Weiß ist. Es läßt sich meißeln, sägen, schneiden, drechseln. Feine sogenannte passigte Drechslerarbeiten findet man häufig, die dadurch entstehen, daß das zu drehende Stück nicht um eine feststehende, sondern um eine sich hin- und herbewegende Achse dreht, so daß ein welliger statt des kreisrunden Querschnittes entsteht. Das Elfenbein bietet somit dem Künstler einen guten Stoff für sein Werk, abgesehen davon, daß etwa der Umfang der Masse gegeben, der Künstler also gezwungen ist, sich mit seiner Gestaltung innerhalb dieses Umfanges zu halten, will er sein Werk nicht aus Teilen zusammensetzen. So ist stets ein Elfenbein-Kruzifix in der Weise hergestellt, daß der Körper Christi aus der Spitze eines Zahnes so groß als möglich gebildet ward. Beschränkt wird seine Länge durch den hohlen Teil des Zahnes und den nach der Spitze zu laufenden Zahnnerv. Die Arme des Kruzifixes müssen gesondert hergestellt und an den Rumpf mit Schrauben angesetzt werden, weshalb sie sich oft mit der Zeit lockern.
        Man findet aber wohl auch Gefäße, namentlich Krüge aus Elfenbein, die durch Abtrennen eines Stückes des Zahns im Querschnitt hergestellt wurden, mit Benutzung des hohlen Teiles als Innenraum, während Boden und Deckel angearbeitet sind.
        Elfenbein wurde früher bemalt. Doch finden sich jetzt selten noch Farbspuren an alten Gegenständen. Bei starker Besonnung und starkem Wechsel in der Wärme reißt es leicht in kleinen, bald schwarz erscheinenden Rissen. An der Luft vergilbt es, wie es denn auch von vornherein gelbliches gibt. Doch wird es an der Sonne oder durch chemische Mittel gebleicht. Solche Arbeiten bedürfen jedoch einer sachverständigen Hand, um die wertvollen alten Erzeugnisse nicht zu beschädigen. An Bischofsstäben, Bucheinbänden, jenen zu zweien zusammenklappbaren Plättchen, die unter dem Namen Diptychon bekannt sind, an Hostienbüchsen, Tragaltären und vielen weltlichen Dingen findet man Elfenbein im Mittelalter verwendet, während die folgenden Jahrhunderte es namentlich zur Herstellung kleinerer Figuren, zu Kruzifixen und zur Ausstattung von Holzarbeiten benutzte.
        Ein ähnlicher Stoff ist das Schildkrot, so genannt nach der Schildkröte oder Schildpadde, deren Rückendecke zu künstlerischen Arbeiten verwendet wird. Nachahmungen aus Horn sind nicht selten, wie solche ja auch noch heute zu allerhand Geräten, namentlich Kämmen hergestellt werden. Andere Stoffe sind: Fischbein, die sensenförmigen, hornartigen Platten (Barten) der Walfische und Finnwale; Kokus, die Schale der seit der Entdeckung Amerikas vielfach eingeführten und seiner Zeit um ihrer Größe, aber auch um der Härte und Bildbarkeit ihrer Schale willen geschätzten Nuß; Straußeneier, Korallen, jene baumartig sich entwickelnden Seetiere, die durch Ausscheiden jene leuchtend dunkelrote bis weiße Masse bilden, die als Schmuck in der verschiedensten Weise verwendet wird, Perlmutter, die silbern glänzende irisierende Schale der Perlmuschel, und andere Muschelarten, wie der Nautilus, dessen Gehäuse aus drei Schichten besteht, von denen die äußeren entfernt und die Perlmutterschicht in Verbindung mit Goldschmiedearbeiten zu freilich meist profanen künstlerischen Arbeiten verwendet wird. Jeder dieser Stoffe hat seine besonderen Anforderungen an die Pflege, von denen keiner sachunkundigen Händen überlassen werden sollte. Auch die Reinigung, wenn eine solche sich nötig macht, ist so sorgfältig wie möglich, keinesfalls aber mit scharfen, die Stoffe angreifenden Mitteln auszuführen.

Glas.
        "Glück und Glas, wie leicht bricht das!" Vorsicht also mit allen Gläsern, namentlich auch beim Reinigen. Man wasche sie mit warmem, bemalte mit lauwarmem Wasser ohne Hinzunahme von Soda auf, wische sie vorsichtig ab und bewahre sie umgestülpt.
        Gläser sind in Kirchen weniger in Gebrauch. Doch gibt es in katholischen Kirchen sogenannte Ampullen, Ampeln, Glasgefäße, die in Hängeleuchtern sich befinden und mit Öl und einem Dochte versehen als Opferflamme nahe dem Altar hängen. Auch wird das Öl in besonderen Gefäßen, für die eigene Behälter in Holz bestimmt sind, in den Sakristeien aufbewahrt. Manche dieser Gläser sind mit Emailmalerei versehen, andere gefärbt, etwa durch Einmengen von Gold in die flüssige Glasmasse, wodurch sie rot werden, oder von Silber, das sie gelb, von Kupfer, das sie grün erscheinen läßt, gleich dem für Glasgemälde an den Fenstern bestimmten Glas. Durch Schleifen, Ätzen und manche andere Behandlung werden verschiedene Wirkungen erzeugt.
        Außer dem Bruch ist dem Glas eine Zersetzung des Gebildes gefährlich, bei der sich Teile in weißer mehlartiger Form absondern. Die von dieser "Schwindsucht" befallenen Gläser sind meist verloren. Da aber die Krankheit für ansteckend gilt, sondere man das von ihr befallene Glas von anderen.
        Von großer Wichtigkeit ist dagegen die Pflege der Fensterglasmalerei. Die mittelalterlichen Arbeiten dieser Art sind in der Weise hergestellt, daß aus etwa handgroßen in der Masse gefärbten Glasstücken ein Mosaik nach einer vorher entworfenen Zeichnung zusammengesetzt und die einzelnen Stücke durch Bleiruten zusammengefaßt sind. Die Ruten haben im Durchschnitt die Form eines lateinischen H, so daß die jederseitigen beiden Flantschen die Gläser aufnehmen. Auf die Glasstücke wird dann mit Schwarzlot gemalt, einer schwarzbraunen verglasbaren Farbe aus Kupferoxyd und grünem und blauem Glas, das in die Scheibe eingebrannt wird. So wird z. B. ein Gesicht aus einem Glasstück hergestellt, Augen, Nase und Mund dagegen eingemalt. Die Ruten geben den Gestalten die feste Umrißlinie, die statuarische Haltung; das einheitliche Gebilde des Glases verleiht diesem die tiefe Leuchtkraft, die die alten Glasmalereien auszeichnet. Man erkennt später eingefügte Teile leicht daran, daß sie im Sonnenschein als helle Flecken erscheinen, und an der Spiegelung am Boden, wo die beschienenen alten Flächen durch das Brechen der Strahlen als ein teppichartig buntes Gebilde erscheinen, während sich die neuen Scheiben als lebhaft gefärbte Kreise unruhig kennzeichnen.
        Später wurde das sogenannte Überfangglas angewendet. Die einzelnen Glasteile wurden größer, und man färbte sie durch Auftragen verglasbarer Farben auf die farblose Tafel ab, indem man diese Farben einschmolz, an gewissen Stellen herausschliff und teilweise wieder mit Schmelzfarbe überging, so daß man mit Hinzunahme des Schwarzlotes mehr die Wirkungen eines Ölgemäldes erreichte. Oder man schuf Grisaillen, Malereien Grau in Grau, mit herausgeschliffenen weißen Stellen. Die technischen Fortschritte der Glasmalerei, die freilich nicht immer auch künstlerische waren, führten immer weiter in der bildartigen Ausgestaltung. Die teppichartigen Hintergründe hinter den Gestalten oder Gruppen, die Aufteilung der Fenster in Einzelbilder und architektonische und ornamentale Gebilde wurde verlassen, und die ganze Fläche wurde für einheitliche Gemälde ausgenutzt, was namentlich in der letzten Zeit des Mittelalters und in der Renaissance zu hervorragenden Arbeiten im Großen führte. Gleichzeitig entstand die Sitte, einzelne Scheiben als Stiftungen in die Fenster einzusetzen, etwa mit dem Wappen des Stifters in figürlicher, architektonischer oder ornamentaler Umgebung. Im 18. Jahrhundert zeigen sich noch einige Reste der Kunst, indem weiße Scheiben mit Emailfarben bemalt wurden.
        Unter dem Einfluß der Romantik des 19. Jahrhunderts wurde die Glasmalerei wieder aufgenommen und namentlich in München mit großem Eifer betrieben. Die größten Maler jener Zeit waren für ihre Zwecke tätig und lieferten die Entwürfe, ohne die Wirkung der alten Malereien auch nur einigermaßen zu erreichen, namentlich was die Leuchtkraft und den Stimmungswert der alten Fenster betrifft. Später warfen sich viele geschäftseifrige Firmen auf die "Branche" und lieferten den Kirchen überraschend billige, aber entsprechend schlechte Ware. Solche Fenster wirken nicht wie ein teppichartiger Abschluß der Wand, sondern wie Löcher in dieser. Sie ziehen durch ihre blendende Helligkeit die Augen auf sich, während die alten den Raum beschließen und seine Innerlichkeit damit stärken. Die neuen wirken aufdringlich, die so viel wertvolleren alten aber beruhigend.
        Vielfach findet man in alten Kirchenfenstern noch Butzenscheiben, freilich meist in Sakristeien und Nebenräumen. Es sind dies Scheiben, die beim Blasen des Glases dadurch entstehen, daß die starkwandige Blase auf einen glatten Stein gesetzt und dann vom Blasrohr abgestoßen wird. Es entsteht eine runde Scheibe mit erhöhtem Mittel (Butz) und Rand, die dann in Ruten gefaßt und mit gleichartigen Scheiben zur Ausfüllung des Fensters in eine Fläche vereinigt wird. Das Glas ist meist grünlich und ungefärbt. Solche Scheiben wurden auch im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und werden jetzt noch vielfach gefertigt.
        Kirchenfenster werden auch aus Kathedralglas hergestellt, d. h. aus besonders starkem Glas von rauher, oft gerippter Oberfläche, das das Licht nicht so stark durchläßt wie das Kristallglas etwa der Spiegel- und Ladenscheiben, so daß der grelle Sonnenschein gebrochen in die Kirche eindringt. Man wählt dabei wieder nicht große Scheiben, sondern mustert die Fläche durch Bleiruten und Einfügen einzelner farbiger Teile.
        Moderner Erfindungsgeist hat noch manche andere Arten der Glasmalerei eingeführt, so Scheiben, in denen die Grundfarben in Schichten übereinander angebracht sind: Durch Ausschleifen kann jede der Farben rein oder in der gewünschten Mischung hervorgebracht werden, wenn zwei Farben sich decken, wobei durch stärkeres oder geringeres Ausschleifen jeder gewünschte Ton geschaffen werden kann. Es entsteht also ein farbiges Gemälde in Glas — selten mit dem gewünschten Erfolg.
        Während es die Absicht der Glaserzeugung zumeist ist, das Glas so durchsichtig als möglich zu machen, die ihm eigentümliche grünliche Färbung durch chemische Mittel (durch sog. Seifen) und die im Glase leicht sich einfindenden Bläschen und Unklarheiten zu entfernen, ist man auf der anderen Seite bemüht, es zu trüben, namentlich bei der Anwendung in Kirchen. Da wird ein irisierendes streifiges und fleckiges, mit milchigen Farben gemischtes Glas unter dem Namen Opalglas hergestellt, aus dem der Glasmaler Figuren usw. herstellt, indem er die Zufälligkeiten der Färbung benutzt und aus den Scheiben herausschneidet, um sie zu Gemälden zu vereinen. Man kann sich bei solchen Bestrebungen auf das Mittelalter berufen. Denn auf Einfachheit und Vermeidung von Prunk sehende Ordensgemeinschaften, wie die der Zisterzienser, forderten, daß die Fenster ihrer Kirchen des bunten Glases entbehren sollten. Wo auch sonst solche fehlen, ist dies nicht Mangel an Wohlstand oder an künstlerischen Kräften, sondern wahrscheinlich oft genug absichtlicher Verzicht. Dieses hätte sich sicher noch stärker geltend gemacht, wenn die Glasmalereien jene Buntheit aufzuweisen gehabt hätten, jene großen helleuchtend farbigen Flächen, wie dies moderne billige Arbeiten tun.
        Dagegen haben einzelne Glasmaler der jüngsten Zeit sehr ernst die künstlerische Aufgabe aufgegriffen, mit Benutzung alter Techniken nicht altertümliche, sondern unserer Zeit angemessene, aber von aller Nachahmerei und süßlicher Romantik freie Werke zu schaffen. Wo es sich darum handelt, alte Glasfenster auszubessern oder neue in Anlehnung an diese herzustellen, etwa früher vorhandene zerstörte zu ergänzen, da kommt es darauf an, den rechten Mann zu finden, der kirchlichen Sinn mit künstlerischem Ernst, vollkommene Beherrschung der Technik mit starkem Können verbindet. Es sind dies zumeist nicht die Firmen, die sich aufdringlich den Kirchenvorständen empfehlen, sondern in der Stille arbeitende Meister, auf die der Denkmalpfleger hinzuweisen in der Lage ist.
        Zum Schutz alter Glasmalereien, namentlich solcher, die den Steinwürfen böser Buben oder sehr schwerem Hagelschlag ausgesetzt sind, hat man das Anbringen von kleinmaschigen Drahtgittern empfohlen. Das Anstoßen von Vögeln ist nur bei durchsichtigem Glas, das von ihnen nicht bemerkt wird, zu befürchten. Die mittelalterlichen Scheiben sind an Windeisen befestigt, d.h. an wagerechte Eisenstäbe, die bestimmt sind zugleich den sehr schwachen und trotzdem sehr hohen Pfosten der gotischen Fenster einen Halt zu geben. Man überzeuge sich, ob diese die nötige Festigkeit haben, da durch die Bewegung im erwärmten Eisen die Lager in den Steinen oft beschädigt sind, auch die Verbindungen der Fenster mit diesen rosten.
        Weiter werden die Glasmalereien selbst beschädigt. Zunächst durch Schmutz, Rauch und Staub, der sich an ihnen festsetzt. Dann durch den Eisenrost, der von den Windeisen herabgeschwemmt wird. Endlich durch Oxydieren der Farben. Von Zeit zu Zeit, namentlich sobald sich von unten sichtbare Schäden zeigen, etwa das Herausbrechen eines Glasstückes infolge Beschädigung der Ruten, wende man sich an einen bewährten Glasmaler, nicht aber an den ersten besten Glaser, und halte ihn zu den ersten Pflichten des Denkmalpflegers an: das Alte soviel als möglich zu erhalten, selbst wenn es Schäden aufweist, und das Neue dem Erhaltenen tunlichst unterzuordnen. Gut wird es sein, den alten Bestand vorher durch Photographien festzustellen, um die Erneuerung nachträglich prüfen zu können.

Leder und Papier.
        Leder ist die Haut der Tiere, d. h. jene Schicht, die zwischen der mit dem Fleische verbundenen und der Außenschicht liegt. Es kommt darauf an, aus dieser die der Fäulnis unterliegenden Teile zu beseitigen, was durch Trocknen, Einsalzen, Schwemmen, Walken (Hämmern), Schaben, Schwitzen, Einäschern in Kalkbrühen, Haaren, Beizen (Gerben), also durch eine lang andauernde Behandlung geschieht, mit dem Erfolge, daß eine geschmeidige und sehr dauerhafte Haut entsteht, die bei entsprechendem Schutz gegen Zerstörung Jahrhunderten Trotz bietet. Benutzt wird das Leder von Rindern, Kälbern, Schweinen, Eseln, Fischen, Amphibien, Ottern, Schwänen, ja es sind sogar Menschenhäute gegerbt worden.
        Das Leder von Schweinen, Kälbern, Schafen, Ziegen, Eseln u. a. wird zu Pergament verarbeitet, und zwar geschah dies im Altertum in hervorragender Weise in der vorderasiatischen Stadt Pergamon, von der es den Namen erhalten hat. Es wird mit Bimsstein und Kreide sorgfältig geglättet und bietet somit die Unterlage für Schrift und Bemalung. Das für feine Arbeiten verwendete narbige, nicht geglättete Ziegenleder hat nach dem Herstellungsort Cordova und Marokko den Namen Corduan und Maroquin erhalten. Der ähnliche Saffian wird nach der Marokkanischen Stadt Safi benannt. Juchten ist ein russisches Erzeugnis, benannt danach, daß je zwei Leder zusammen gefärbt werden. Chagrin nennt man ursprünglich die rauhe gegerbte Haifischhaut, später auch die Nachbildungen, die durch Einpressen von breiten Narben hergestellt werden, also künstlich gerauht sind.
        Papier wird in Europa seit dem 12. Jahrhundert hergestellt, zuerst in Deutschland um 1190, als eine Errungenschaft aus den Kreuzzügen. Bis dahin war es durch die Islamiten in den von diesen besetzten Gebieten verbreitet worden, als eine Erfindung des fernen Ostens. Mit den Erzeugnissen der alten Ägypter, die aus zusammengelegten, unter der Rinde der Papyrusstaude befindlichen Markteilen gebildet und in Rollen aufbewahrt werden, hat es nichts zu tun, denn es besteht aus einem Gemenge von Teilchen tierischer und pflanzlicher Stoffe mit Leim, das mit Wasser angemacht und dann in dünnen Scheiben getrocknet wird. Aus Lumpen von Wolle, Seide, Baumwolle, aus Bast, Stroh und Rohr, neuerdings auch aus zermahlenem Holz hergestellter Brei wird mit rostartigen Schaufeln aus der Bütte herausgeschöpft (Büttenpapier), so daß das Wasser abläuft und eine zähe, später zu trocknende Schicht übrig bleibt. Man erkennt dieses Papier an dem unscharfen, schwächer werdenden Rande. Oder es wird in Maschinen hergestellt, über geheizte Trommeln gezogen und so getrocknet (Maschinenpapier). Die alten Papiermühlen besaßen besondere Zeichen, die dadurch hergestellt wurden, daß in der Schöpfkelle das Zeichen mit Draht aufgesetzt war. So wird oberhalb des Drahtes das Papier dünner, das Zeichen hebt sich also hell ab, wenn man das Blatt gegen das Licht hält. Am Zeichen erkennt der Fachmann den Herstellungsort des Papieres, oft auch die Herstellungszeit, da die Zeichen sorgfältig gesammelt und erklärt wurden.
        Die Größe der Kelle und deren Handbarkeit bestimmte die Größe des einzelnen Bogens. Sie stand für die Zeit vor Einführung des Maschinenpapiers annähernd fest. Wurde ein solcher Bogen einmal gebrochen, so nannte man die entstehende Blattgröße Folio (2°), wurde er ein zweites Mal in entgegengesetzter Richtung gebrochen, Quart (4°), bei dreimaligem Bruch Oktav (8°), wodurch also aus dem Bogen 8 Blatt zu 16 Seiten entstanden. Brach man ihn in 12 Seiten, so nannte man dies Duodez (12°). Obgleich heute die Maße stark von den früheren abweichen, hat man die alten Namen beibehalten, um die Größe eines Buches annähernd zu bezeichnen.
        Pergament wie Papier werden beschrieben, bedruckt oder bemalt. Bedruckte Pergamente sind selten, da die Erfindung Guttenbergs in eine Zeit fiel, in der das Papier schon allgemein Verwendung fand. Es war schon zu jener Zeit billiger als Pergament, so daß dieses nur zu besonderen Prachtwerken Verwendung fand.
        Der Wert von Büchern ist zweifellos in erster Linie abhängig von deren geistigem Inhalt. Aber hier handelt es sich nicht um diesen. Wer ein berühmtes altes Werk lesen will, wird — solange es ihm nicht um wissenschaftliche Sonderarbeit zu tun ist — besser tun, einen von gelehrter Hand herausgegebenen Neudruck zu benutzen. Hier ist die Frage des Altertums- und Kunstwertes der Bücher zu erörtern, jener Gesichtspunkt, mit dem der Bibliophile ihm gegenübertritt, der Sachkundige, der das Buch um seiner Ausstattung willen schätzt und sammelt, seien es nun mit besonderer Pracht hergestellte neue oder durch diese oder sonst eine Merkwürdigkeit beachtenswerte alte Werke. Manche Kirchenbibliothek mag noch Schätze auch nach dieser Richtung beherbergen, ohne daß dies bekannt geworden ist.
        Der Bucheinband, die Kunst des Buchbinders, spielt dabei vielfach eine besondere Rolle. Solange Bücher geschrieben werden mußten, die Herstellungsstoffe teuer waren, also das ganze an sich einen hohen Wert darstellte, waren auch die Einbände von besonderer Pracht: Metall- und Elfenbeindeckel, oft ausgelegt mit edlen Steinen, faßten sie ein, Arbeiten, von denen die Kunstgeschichte rühmend Kenntnis nahm. Mit dem Vordringen des Papiers kam der Einband in Leder auf, der in verschiedener Weise bearbeitet wurde. Rindsleder wurde vielfach geschnitten, d. h. es wurde in feuchtem Zustande mit scharfen Messern eine Zeichnung eingeritzt; Schweinsleder wurde mit heißen Punzen gepreßt, wobei Goldblättchen untergelegt wurden (Goldpressung) oder die als leichtes Relief erscheinende Pressung allein die Fläche belebte (Blindpressung). Oder es wurde ein Mosaik aus verschiedenfarbigem Leder hergestellt und auf einer Pappe dadurch befestigt, daß man mit besonderen Werkzeugen (Fileten) zur Linienziehung, Stempeln zur Ausschmückung, Goldpressungen ausführte. Die glatt abgeschnittene Außenseite der Bücher, der Schnitt, wurde zusammengepreßt, vergoldet und mit allerhand Ornament versehen, so daß ein winziger Teil von diesem auf jedem Blatt festsitzt, auch wenn dieses bewegt wird. In einer großen Menge von Schmuckmitteln äußert sich die zu allen Zeiten gleichbleibende Liebe zum Buche, namentlich auch zum Buche für den Gottesdienst, dem Missale, den Codices, Bibeln, Gebet- und Gesangbüchern usw.
        Im Buche ist außer dem hier nicht zu behandelnden textlichen Inhalt mancherlei Beachtenswertes: Die feinen Malereien der älteren Zeit, bis ins 16. Jahrhundert hinein, die Miniaturen, oft mit reicher Vergoldung, figürliche Darstellungen oder prachtvolle Anfangsbuchstaben (Initialen), sowie die verschiedenen Arten von Holzschnitten und Kupferstichen, die mit dem höheren Alter immer wertvoller werden, bis zurück ins 15. Jahrhundert, und die reiche, oft ausgemalte Bebilderung (Illustrierung) mit Holzschnitten aus dem 16. Jahrhundert, ferner die von Liebhabern gesuchten Drucke bestimmter berühmter Druckereien in ihren künstlerischen Lettern und geschickter Anordnung, auch die feinen Eckstücke und Schließen in Messing oder Silber an schweren Bänden bis ins 18. Jahrhundert, endlich die kunstvoll bunten Versatzpapieren und die Exlibris. Alles Sachen, die von der Liebe sprechen, mit der das Buch einst ausgestattet, und von dem Opfersinn, der einst der Kirche entgegengebracht wurde.
        Ein reicherer Besitz an Büchern, das Anwachsen zu einer Bibliothek legt dem Verwalter besondere Pflichten auf. Der Pfarrer wird für seine Amtstätigkeit einer Anzahl von Büchern bedürfen, die ihm zur Hand stehen müssen, die Handbibliothek, die in seinem Arbeits- und Dienstzimmer ihre Aufstellung erhalten muß. Darüber hinaus sind aber theologische und andere Werke vorhanden, die nur selten oder nie von ihm benutzt werden, dazu Urkunden und Akten aller Art, also ein Archiv, von dem ebenfalls die Handakten abgezweigt werden. Für Bibliothek und Archiv ist wissenschaftliche Ordnung das erste Erfordernis. Handelt es sich dabei um eine Arbeit, die die Kräfte des Geistlichen übersteigt, so werden die Staatsbibliotheken und Staatsarchive mit ihren hierfür besonders ausgebildeten Beamten heranzuziehen sein. Vielfach üben diese schon eine geregelte Aufsicht über die Kirchenbibliotheken und Archive aus. Das Vorhandensein je eines nach Verfassernamen und nach dem Sachinhalt geordneten Zettelkatalogs ist das erste Erfordernis. Der Handel bietet Mittel an, die das Einordnen neuer Erwerbungen in solche Kataloge mehr erleichtern, als wenn dieser in einem gebundenen Buche besteht. Auch die Musikalien seien hierbei nicht vergessen, auch die nicht, die sich in der Obhut des Organisten und Kantors befinden, so daß der ganze Besitz der Kirche übersichtlich. werde.
        Die Aufstellung der Bibliothek und des Archivs in einem geeigneten Raum ist zu betreiben, wo sie noch nicht erfolgte. Dieser ist mit Gestellen (Regalen) für Bücher und Akten zu versehen. Auch für diese liefert der Handel praktische Modelle, die sich durch die Verstellbarkeit der Fächer, namentlich nach der Größe der Bücher auszeichnen.
        Grundsatz für die Erhaltung aller Arten von Büchern sei die Bewahrung an einem trockenen, nicht dumpfigen und leicht zu reinigenden Orte. Man beachte, ob die Fenster gut schließen, um das Eindringen von Ruß und Staub zu verhindern. Gelegentliches Abstäuben, je nach dem Grade der Verschmutzung der Bücher, ist zu empfehlen, wozu die jetzt bestellenden Saugapparate besonders geeignet sind. Diese werden von Geschäften der Großstadt gegen eine Leihgebühr hergegeben und von geübten Arbeitern bedient. Nässe und unmittelbares Sonnenlicht schädigen die Bücher, ebenso die Eingriffe mancher Tiere, der Mäuse und Ratten, die sie benagen, und der Bücher- oder Lederwürmer, die ihre Gänge durch sie fressen. Zeigen sich diese, so müssen ernsthafte Maßregeln zu ihrer Vertreibung getroffen werden. Man wendet sich nach den in jedem Falle einzuschlagenden Mittel am besten an die Leitung einer der großen Staatsbibliotheken, von denen man bereitwilligste Hilfe erwarten kann. Ist Wasser in die Bücher gedrungen, etwa infolge von Durchlässigkeit des Daches der Bibliothek, so müssen die Bücher sorgfältig an der Luft getrocknet und vom Buchbinder glatt gepreßt werden, damit sich nicht der Stock zeigt. Nur zu leicht bleiben gelbe Ränder an den Stellen, bis zu denen das Wasser eingedrungen war.
        Weiter ist zu beachten, daß wertvolle Einbände, namentlich solche mit nicht glatter Oberfläche, durch das Einstellen in dicht gedrängte Reihen leiden oder doch die Nachbarbücher beschädigen. Es werden in diesem Fall mit Glas abzudeckende Pulte anzuschaffen sein, die gegen Sonnenstrahlen mit Vorhängen zu versehen sind. Auf diese Weise können solche Bücher durch Fortziehen der Vorhänge auch der Besichtigung zugänglich gemacht werden.
        Urkunden auf Pergament sind in Papprollen aufzuheben. Man sorge für die an ihnen hängenden, meist in gedrechselten runden Holzkapseln befindlichen Siegel, die oft für die Wappenkunde (Heraldik) wichtig sind, Handschriftliche Werke (Manuskripte) verdienen besondere Beachtung, namentlich die Chroniken, die alten Kirchenbücher mit ihren Nachrichten über das Leben der Einwohner des Orts, die Kirchenrechnungen, die über die Entstehung der Kunstwerke in der Kirche und über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinde Aufschluß geben.
        Endlich sei man dafür besorgt, daß ein Gelehrter, der sich mit der Ortsgeschichte beschäftigt, auch einen Platz für ruhiges Arbeiten finde, daß also auch für Heizung und Beleuchtung des Bibliotheksraumes Vorkehrung getroffen ist.

Gewebe.
        Die katholische Kirche ist reich an Geweben von künstlerischer Ausstattung, an Paramenten. Die protestantische steht ihr in dieser Beziehung wesentlich nach, wenn auch in älterer Zeit die lutherische Kirche manche alte Stücke beibehielt. Sie verschwanden vollends in der Aufklärungszeit, bis auf den schwarzen Amtsrock, die Bäffchen und an manchen Orten noch die Halskrause. Es genügt also hier in den Sakristeien ein bescheidener Schrank zur Aufbewahrung der Amtstracht.
        Die lithurgischen Gewänder des katholischen Geistlichen sind sehr verschiedener Art. Fest steht die Regel, daß zumeist Leinen und Seide verwendet werden, Wolle nur ausnahmsweise, Baumwolle überhaupt nicht. Als Schmuck der Leinen, der Alben, Chorröcke und Altartücher dienen vorzugsweise Spitzen, für die Seide Stickereien. Den Wert alter Spitzen einzuschätzen ist Sache des Fachmannes. Der Unterschied ist sehr groß, wenn es sich einerseits um moderne Maschinenspitzen handelt, die auf langen Webstühlen mit Hunderten von Nadeln das Muster gleichzeitig herstellen, oder wenn sie andererseits mit der Hand auf dem Klöppelsack oder mit der Nähnadel hergestellt wurden. Manche alte Alba besitzt Spitzen, die, wenn sie auch stark beschädigt sind, doch sorgfältig ausgebessert zu werden verdienen. Eine sachkundige Frau wird nach dieser Richtung die Geistlichen schon zu beraten wissen. Es empfiehlt sich, ihr gelegentlich den Besitz der Kirche vorzulegen und den Zustand der Spitzen nach den Reinigungen und Ausbesserungen zu überwachen, da gute Spitzen leicht durch andere, minderwertige ersetzt werden können. Die Goldspitzen, geklöppelt aus Goldfäden, sind besonders zu berücksichtigen.
        An dem Leinengerät finden sich oft wertvolle Stickereien. Diese werden leicht übersehen, da sie unauffällig angebracht sind. Aber die Bescheidenheit ihres Auftretens schädigt ihren Wert nicht.
        Für die priesterlichen Gewänder und die Kelchbekleidungen, die Antependien, Altarbaldachine, Traghimmel wurden jederzeit die kostbarsten Stoffe verwendet, die der Zeitgeschmack bot. Die Muster offenbaren für den Fachmann klar die Entstehungszeit des einzelnen Stückes, oft auch das Land der Herkunft. Große Stoffsammlungen und zahlreiche Abbildungswerke geben in den Kunstgewerbe-Museen die Unterlage zur Erkenntnis des Wandels der Stilformen von den strengen und feierlichen Stil des alten Byzanz zu den kräftig schlichten Zeichnungen des Mittelalters, das in der Behandlung der Stoffe jedoch dauernd vom Orient abhängig blieb, ferner zu den prachtvollen geschorenen Samten mit den üppigen Granatmustern des endenden 15. und des 16. Jahrhunderts, sowie den mit Goldfäden durchwirkten Damasten der Folgezeit bis zu den zierlichen bunten Streublumen auf hellfarbigem Grund, wie sie das 17. und 18. Jahrhundert liebte, und zu den zarten, zurückhaltenden Zusammenstellungen bedeutungsreicher Gebilde aus dem 19. Jahrhundert, das endlich im letzten Drittel sich bestrebt zeigte, die mittelalterlichen Formen mit mehr oder weniger Erfolg wieder aufzunehmen.
        Wertvoll sind die Stoffe an sich. Manche Kirche weiß nicht, wie willkommen zur Vervollkommnung seiner Sammlung dem Direktor eines Museums ein Stück dieses oder jenes Stoffes wäre, wie sehr ihn aber auch der reiche Sammler zur Ausstattung seiner Zimmer wünscht. Zudem tragen die Stoffe noch die verschiedenartigsten Stickereien: Reliefstickerei, bei der der aufgenähte Stoff mit starken Watteschichten unterlegt ist, so daß einzelne Teile körperlich hervortreten und demgemäß im einzelnen durchgearbeitet sind; Applikation, indem Schmuckteile aus bunten Stoffen ausgeschnitten und durch Umränderung mit der Nadel auf den Grund aufgenäht werden, so ein Ornament bildend; Plattstickereien, an denen die Zeichnung durch nebeneinandergelegte bunte Fäden mit der Nadel hergestellt wird; und viele andere Arbeiten mehr. Dazu gesellen sich wertvolle Materialien, die Goldfäden, die auch zu Goldspitzen verarbeitet, die gewebten Borden, aus denen Muster gebildet werden, auch diese reich mit Goldfäden durchsetzt, die eingefügten Perlen, teils echte, teils Glasperlen. Die oft kostbaren Schließen (Agraffen) sind auch an neueren Gewändern oft von größerem Alter, da sie oft von alten abgetrennt und dann aufs neue an Pluvialen usw. befestigt wurden. Kirchliche Verfügungen, wie die, daß Blau und Gelb für die Meßgewänder verboten wurde, dann auch der Wechsel des Geschmackes in dem, was der Kirche angemessen erscheint, und endlich Beschädigung und Verfall einzelner vielgebrauchter Stücke lassen den Wunsch auftauchen, diese die Sakristeien belastenden Stücke zu verkaufen. Man tue dies nicht, ohne einen Sachverständigen zu befragen, der an dem Geschäfte nicht beteiligt ist. Meist findet sich unter den alten Gewändern für den Altertumshändler Wertvolles, für das er oder ein Sammler viel bezahlt. Aber auch der Gedanke mag bei Abschluß des Geschäftes maßgebend sein, ob es richtig sei, einen der Kirche gewidmeten, von ihr oft bei feierlichem Gottesdienst benutzten Gegenstand dazu verwenden zu lassen, daß er dem Sitzkissen oder dem Lehnstuhl einer müssigen Frau als Bezug diene. Die Stickereien wurden einst in Klöstern, namentlich aber von kunstgeübten Handwerkern, den Seidenstickern, ausgeführt. Auch heute gibt es Hände, die sich in gleicher Weise betätigen und in der Wiederherstellung unscheinbar gewordenen Stickereien oft Erstaunliches leisten, so daß das von einer wohlhabenden Kirche abgestoßene Stück sehr wohl noch für eine ärmere vorgerichtet werden und dieser zur Freude gereichen kann.
        Dasselbe gilt von Fahnen, namentlich von gestickten, wie sie auch für kriegerische Zwecke verwendet werden. In mancher Kirche hängen solche an den Denkmälern von Offizieren als Heereszeichen der von ihnen geführten Truppen oder als Siegeszeichen, die dem Feinde im Kampf abgenommen wurden. Sonnenstrahlen und Staub haben den Fahnenstoff oft stark beschädigt. Aber die fleißige Hand einer geschulten Stickerin bringt die Sache wieder in Ordnung, so verloren sie für den Nichtfachmann erscheint.
        Bekleidungen für Kanzel und Altar sind in allen Kirchen üblich. Es wirkt feierlich, wenn zu bestimmten Festtagen der Anblick des Innenraumes sich wandelt, die Farbe in ihrer Sprache zum Eintretenden redet. Aber oft wird diese Wirkung dadurch beeinträchtigt, daß z. B. an Kanzeln dauernd die Bekleidungen angebracht sind. Wenn aber durch die Hand des Künstlers die Kanzelbrüstungen sachgemäß ausgeschmückt sind, wirkt dies besser, als ein Stück Tuch mit einer mehr oder minder fragwürdigen Stickerei, das auswechselbar ist. Es gibt Gemeinden, die im hohen Grade über die Schönheit ihrer Kanzel überrascht sind, wenn durch Zufall die Bekleidung entfernt war; andere meinen, die Kanzel sei so, wie der Künstler sie schuf, nackt.
        Besondere Sorgfalt ist den Teppichen zu widmen, da diese im wesentlichen aus Wolle bestehen und Wolle dem Mottenfraß besonders ausgesetzt ist. Die Flugzeit der Motten ist Juni und Juli, die Zeit, in der man die kleinen Schmetterlinge zu vernichten bestrebt sein muß. Sonst hilft nur häufiges Ausklopfen, Sonnen und Lüften, da Kampfer und Naphtalin des starken Geruches wegen in Kirchen ungern angewendet werden. Auch sind die Motten wählerisch in ihrem Futter. Seide lehnen sie ab, in Leinen sind sie sehr selten, dagegen bevorzugen sie die Wolle; grüne Farben sind sicherer vor ihnen als gelbe; rot und blau sind besonders gefährdet.
        Teppiche werden geknüpft, gestickt oder gewebt, sie dienen zur Bekleidung von Fußböden und Wänden. Durchwandert man eine Gemäldegalerie oder durchblättert man ein kunstgeschichtliches Werk, so sieht man auf Darstellungen von Heiligen aus dem 14. bis 16. Jahrhundert sehr oft hinter diesen ausgespannte und zu ihren Füßen ausgebreitete Teppiche. Die Muster weisen fast durchweg auf den Orient. Die Kirchen besaßen damals also von den Künstlern bewunderte Stoffe, die ihnen der Handel aus Vorderasien, ja teilweise sogar aus China zuführte. Die neuzeitliche Teppichfabrikation hat die in den Bildern wiedergegebenen Muster aufgenommen und vielfach verwendet. Es handelt sich hinsichtlich der Bodenteppiche vorzugsweise um solche aus Persien. Wo sich alte Stücke erhielten, verdienen sie besondere Beachtung. Sie sind geknüpft, d. h. in ein grobes Leinengewebe werden kurze, verschiedenfarbige Wollfaden so eingeknotet, daß die beiden Enden emporstehen. Auch heute noch wird bei uns diese Technik verwendet oder mechanisch nachgeahmt.
        Unter den Wandteppichen sind die Gobelins die wertvollsten. Gobelins werden sie nach einer Weberfamilie genannt, die die Färberei der Wolle und das Knüpfen in Paris einführten. Gewebe entstehen im Webstuhl dadurch, daß Fäden in diesem eingespannt sind, die sogenannte Kette, und daß Webschiffchen, in denen sich Fäden befinden, zwischen den Kettenfäden hindurchgeführt werden, der Schuß. Am Ende der Kette kehrt das Schiffchen sich um und bildet somit die Salleiste. Bei reicheren Geweben überspringt der Schuß mehrere Kettenfäden oder läßt solche frei. Einfache Verbindungen, so daß Kette und Schuß regelmäßig einmal an der Vorderseite, dann an der Hinterseite auftreten, nennt man Leinwat, solche, wo in regelmäßiger Folge eine Anzahl Ketten- und Schußfäden ober- oder unterhalb der Schußfäden liegen, Köper, solche, wo durch das Weben größere, vielgestaltige Muster entstehen, nach der Stadt Damaskus Damast. Man betrachte einen Stoff dieser Art: So bunt er erscheint, so sind doch die einzelnen Farben stets wagerecht vereint. Die Kunst des Musterzeichners und des Patroneurs besteht darin, beim Übertragen des Musters auf die Anordnung des Webstuhles dem Gewebe — außer wo dies beabsichtigt ist — die Streifigkeit zu nehmen. Denn regelmäßig muß jeder Schuß bis an die Salleiste durchgeführt werden, nur liegt er dort, wo er nicht in die Erscheinung treten soll, auf der Rückseite.
        Anders bei der Bildweberei. Hier besteht die Kunst darin, nach einem gemalten Vorbild mit der Hand das Schiffchen einzuführen und zwar lediglich für die Strecke, die jede Farbe erfordert. Man erkennt leicht, daß eine Art Salleiste im Gewebe entsteht, so daß der Verband des Ganzen dort, wo lotrechte Farbengrenzen erscheinen, gelockert wird. Es kann hierbei also nicht ein ganzes "Stück" nach demselben Muster gewebt werden, für das der Stuhl einmal eingerichtet ist, sondern der Bildteppich kann zwar wiederholt nach demselben Gemälde, aber stets nur einmal hergestellt werden. Daher der besondere Handelswert, ganz abgesehen von dem des nachzuahmenden Bildes und dem Geschick in der Nachahmung. Es steht also ein solcher Bildteppich in vollem Gegensatz zu den billigen Erzeugnissen der Zeugdruckerei, die Gewebe mit hölzernen oder metallenen Formen (Modeln) und darauf aufgebrachter Farbe bedruckt.

Ton und Porzellan.
        Es ist meist nicht viel, was Kirchen an Ton und Porzellan besitzen: Ein paar Vasen für Blumen, ein paar Figuren von Heiligen in Porzellan, vielleicht ein Kruzifix in der Sakristei. Man erkennt die Herkunft der Porzellane an den meist auf der Unterseite angebrachten Marken, über die bei den Sachkundigen leicht Auskunft zu erhalten ist. Auch Vasen in Fayence sind gelegentlich zu finden, selten Majoliken. Der Unterschied zwischen diesen und dem Steinzeug liegt in der Art der Scherben und weiter im Orte der Herstellung. Es ist hier nicht die Aufgabe, diese Unterschiede darzustellen. Man beachte eines: Ist ein Stück aus Porzellan beschädigt, so zeigt sich ein milchweißer muscheliger Bruch, bei der Fayence meist ein körniger, grauer oder brauner und roter, ebenso bei der Majolika. Während jedoch bei ersterem die Grundfarbe der Glasur meist milchweiß ist, zeichnet sich Majolika durch allgemeine tiefe und kräftige Tönung aus. Mit dieser unzureichenden Schilderung wird man zwar nicht bei der Bestimmung auskommen, doch mag sie immerhin eine ungefähre Unterscheidung ermöglichen.
        Zur Erhaltung der Gegenstände gilt zunächst die Ermahnung, sie nicht zu zerbrechen; sind aber Teile abgebrochen, sie nicht selbst anzukleben, sondern das von einem Geübten machen zu lassen, der im Besitz der rechten Mittel ist.
        Wichtig wird für die Kirche die Tonware, wenn sie als Fußbodenbelag (Paviment) benutzt ist. Als solcher dient schon ein Ziegelpflaster aus gut gebrannten, tiefroten Ziegeln, etwa solchen von sechseckiger Platten-(Fliesen-)Form oder von reicherer Musterung. Ziegel sind deshalb nicht beliebt, weil sich auf ihnen ein roter Staub bildet, der sich an die schleppenden Kleider der Frauen legt. Und da bei Trauungen, Taufen, Begräbnissen Festgewand angelegt wird, ist dieser Staub besonders unerwünscht. Das Auflegen von Teppichen, zumal auf den Gängen, ist daher zu empfehlen.
        Schon das Mittelalter ging weiter. Es bedeckte die Tonfliese mit Glasur, meist in Grün und tiefem Gelb, brannte weißgraue und schwarze Platten von verschiedener Gestalt und setzte sie zu Mustern zusammen. So namentlich teppichartig im Chor, vor dem Altare. Es wurden auch in die Böden der Kästen, aus denen man die Fliesen formte, Verzierungen eingeschnitten, die dann erhaben erschienen und nach Art des Grubenschmelzes ausgemalt wurden. Auch auf diese Weise wurden Muster zusammengesetzt, die dann dem 19. Jahrhundert als Vorbilder dienten. Namentlich die Tonwarenfabrik von Mettlach lieferte solche Platten von großer Härte und vielfacher Ausführung, die sog. Mettlacher Platten. Alte Fliesen zu erhalten, selbst auf die Gefahr hin, daß sich im Gesamtbild des Fußbodens einige Unebenheiten und Unstimmigkeiten zeigen, ist um so mehr zu empfehlen, als es sich hier um eine schon recht selten gewordene Sache handelt. Vielfach hat man sich bemüht, an die Seite alter Fliesen genau nachgezeichnete neue zu bringen. Ich glaube nicht, daß man damit dem Kirchenbau einen Gefallen tut. Denn nun wird niemand mehr bemerken, daß ein Teil des Pflasters alt ist und welcher!
 

Schlußwort.

Noch eine Bitte an alle die mit der Leitung des Kirchenwesens im Großen und im Kleinen zu tun haben: Helft uns, den Denkmalpflegern, die Liebe zur Heimat, die Achtung vor dem geschichtlich Gewordenen, vor dem Werke menschlichen Kunstsinns zu beleben. Es handelt sich dabei um eine große Sache, um den Geist, aus dem die beiden großen Bewegungen des Denkmalschutzes und der Heimatpflege hervorgegangen sind. Daher erfüllt Euch selbst mit der Liebe zur Heimat, um Euch somit befähigt zu machen, andern diese Liebe einzuimpfen, den Kindern wie den Erwachsenen.
        So mancher, der in fremde Lande kam, erlebte eine eigentümliche Überraschung: Plötzlich ergreift ihn auf seiner Wanderung die Schönheit eines Ausblicks in die Natur, eines Bauwerkes, irgendeines Erzeugnisses der Menschenhand. Er erlebt in sich ein ihn tief im Innern packendes freudiges Gefühl, das nachwirkend im Gedächtnis auch später noch sein Wesen erwärmt und durchleuchtet. Und er sieht neben sich andere, die teilnahmlos an dem ihn Packenden vorbeigehen, namentlich Leute, die dies zu sehen eben gewöhnt sind.
        Die Gewohnheit! Wir sehen das Schöne nicht, das uns umgibt, weil wir zu sehr daran gewöhnt sind. Gottes Welt ist überall schön, und das, was der Mensch hineinlegte in Hingabe an sein Werk, wird mit der Zeit unweigerlich schön, wenn es sich nur erst in die Umgebung einlebte. Wir brauchen nur einen der Propheten aus dem Reiche der Schönheit zu rufen, einen Künstler: Er wird das Schöne schon in unserer Umgebung finden. Oft genügt es, eine gute Photographie der Kirche, der Landschaft zu machen, um im Bilde das als reizvoll erscheinen zu lassen, was draußen im Sonnenlicht nicht beachtet wird. Ist doch Kunst ein Lehrmittel zum Erkennen des Schönen; nennen wir doch das Reizvollste deshalb malerisch, pittoresk, weil wir uns erinnern, Ähnliches im Bilde gesehen zu haben. Man gehe nicht bloß in die Museen, um schöne Bilder zu sehen, sondern um sich das Gesehene tief ins Gedächtnis zu prägen und nun die gewonnenen Eindrücke in der Natur wiederzufinden. Da wird man bald lernen zu erkennen, warum der Künstler diese oder jene Stimmung malte, d. h. sein Können und seine Kraft einsetzte, um etwa "schlechtes Wetter" zu malen, weil gerade dies ihm schön erschien. Dann werden wir draußen den Reiz des nebeligen Tages, den eigenartigen Wandel aller Farben zur grauen Eintönigkeit als reizvoll erkennen lernen. Und wenn auch die anderen uns für Narren erklären, uns, die wir diese Schönheit sehen, so gehen wir still unseres Weges, innerlich beglückt, wo jener sich ärgert und zu klagen hat. Wir sind eben durch Kunst reicher geworden an Glücksmöglichkeiten.
        Die Künstler sind die Vorkämpfer für diese Bereicherung an der Welt des Schönen.
        So machten im 18. Jahrhundert Maler die Alpen, die bisher als erschreckend galten, zu einem Schönen, zum Ziel begeisternder Wanderung; so kann man aus den Werken der Holländer des 17. Jahrhunderts die Schönheit der weiten Ebene erlernen, der Wolken, die so oft großartiger sind als die höchsten Berge. Durch Bild und Wort wurde der Welt im 19. Jahrhundert klar gemacht, daß die gotischen Dome schön seinen, die vorher mißverstanden und mißachtet wurden, während es uns heute schwer wird zu verstehen, wie ein solches Urteil möglich war. Und Maler wie Ludwig Richter haben uns gelehrt, das schlichte Bauernhaus, die verträumte Dorfkirche als schön zu empfinden — eine unermeßliche Bereicherung unseres Glücksgefühles.
        Und dieses auf viele zu übertragen ist das Ziel von Denkmalpflege und Heimatschutz. Der Pfarrer möge überdenken, inwieweit er diese in die Seelsorge, der Lehrer, wo er sie in den Unterricht einbeziehen kann: Nicht sollen sie als Lehrfächer wissenschaftlich betrieben werden, wohl aber im Untergrund alles Lehrens und Tuns mit wirksam sein, so daß in der Predigt wie in der Lehre die Dinge, die die Kirche, das Dorf, die Stadt und deren Umgebung als Denkmäler, als Andenken der Vergangenheit enthält, erklärt werden; daß die Liebe für sie geweckt wird. So wird durch sie der geistige Zusammenhang der Gemeinde mit ihrer Vergangenheit, ihrer Geschichte geknüpft.
        Jeder Sammler weiß: Nur dadurch, daß man den Dingen Eifer und Sorgfalt entgegen bringt, werden sie uns zur Freude, wecken sie unsere herzliche Zuneigung. Und je mehr wir uns an sie ausgeben, je mehr es uns gelingt, in ihr Wesen einzudringen, desto stärker wird jene Liebe zu den Dingen, die auf Verstehen beruht und die feinsten Seiten in unserem Wesen erzittern macht.
        Was ist Heimweh? Das Schwinden der klaren Erinnerung an ein früher geistig Besessenes. Das Gehirn leidet Qualen, indem es ihm nicht mehr gelingt, das Bild einer früher uns lieb gewesenen Umgebung wieder herzustellen. Wohl dem, der heimkehrend das Bild unverändert findet, der die alten Dinge wieder sieht, die ihm einst so vertraut waren. Er empfindet hohes reines Menschenglück, er ist reich in seinem bescheidenen Besitz. Er erkennt, daß er dort, woher seine Erinnerungsbilder stammen, einen starken Anker für sein ganzes Wesen hat.
        Sollte dem Theologen, dem Pfarrer, aus der Erkenntnis dieser Dinge nicht ein Wink gegeben sein, daß er seine Kirche erhalte, pflege, daß er eifrig bemüht sei, sie der Gemeinde wertvoll und lieb zu machen? Und zwar möge er nicht nur den Bau und die kirchlichen Geräte sorglich erhalten, sondern soll sie zu der Gemeinde bekannten und ihr lieben Dingen machen, die sie gern und und oft sehen, deren Geschichte sie kennen, an die sich Erinnerungen von Geschlecht zu Geschlecht knüpfen.