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Wenn es um Ethik an maßgeblichen Stellen und Funktionen in Deutschland geht, wird es heutzutage bei Verantwortungsträgern meist sehr, sehr still.
Das muß sich ändern. Denn im Zeitalter einer sich permanent mit Wissen anreichernden Gesellschaft entscheiden gerade Werte, die dieses Wissen in Denk- und Verhaltensweisen u.a. mithilfe von Anstand, Moral, Toleranz, Weitsicht und Weisheit einbinden und anwenden.
Es ist eben nicht mehr so, daß man fünf Generationen oder bis zum Absterben von Wissensträgern warten kann, bis bestimmte Entwicklungen abgelöst werden oder neu einsetzen. Ideologien und Herrschaftswissen funktionieren nicht mehr wie im 20. Jahrhundert. Ein Aussitzen, Stummstellen oder Wegschauen hilft nicht. Eine revoluzzerhafte Naivität der Alt-1968er oder die Negation kultureller und bürgerlicher Werte gehen an den Realitäten vorbei.
Heute werden Entscheidungen getroffen, die nicht nur den Bestand unserer Gesellschaft und Kultur tangieren, sondern die die langfristige Existenz der Menschheit betreffen.
Das erfordert, sich geänderte Formen des Wissens als Handlungsgrundlage zu eigen zu machen. Denn weniger die Beherrschung ausufernde Faktenansammlungen ist gefragt als viel mehr die Durchdringung komplexer Entwicklungen und Wechselwirkungsprozesse. Zu meistern ist das Verständnis für Verursachungsmechanismen und für nur integrativ lösbare, heterogene Zusammenhänge. Wie ein lebendiger Organismus braucht eine Gesellschaft ein strukturadäquates Verhalten.
Wenn das nicht so ist, kann es zu Situationen kommen wie auf dem Foto aus dem Jahre 1989. Doch während damals viele wie ich die Entwicklungen recht naiv betrachteten, wissen wir heute mehr. Und eben dies verpflichtet dazu, diese Erkenntnisse und Erfahrungen verständlich zu machen, damit Deutschland nicht erneut in einen Abgrund gezogen wird. Aus diesem Grunde zeigen eine Reihe von Beispielen konkret das Versagen, dem abzuhelfen ist.
Wieland Zumpe Leipzig, den 06.03.2011
Ergänzungen Anlaß Reformationstag/Allerheiligen/Allerseelen 2012
Die Dokumentation wurde um eine kleine aktuelle Auswahl ergänzt.
Anhand der Fehlleistungen könnte man nun die verschiedensten Argumente und Gründe anführen, sei es,
daß Forderungen aufgestellt werden, gegen die Funktionäre selbst verstoßen, sei es, daß sich Verantwortungsträger
mit immer mehr abschirmenden Unterlingen (Bezeichnung Prof. Günter Blobel) umgeben, so daß Breimäulerei
kontinuierliche Problemlösung weitreichend erstickt oder sei es, daß diese aufgrund ihrer vermeintlichen
Kaderperspektive weiterhin erpreßbar sind...
Entscheidend ist jedoch, daß hier derzeit menschliche und gesellschaftliche Normen wie Gewissenhaftigkeit,
Umsicht, Sorgfalt, Solidität und Redlichkeit nicht mehr erkennbar sind.
Mit dieser Botschaft (wissen ohne entsprechend zu handeln) wirken sie in ihrer Verantwortung und Vorbildfunktion
auf Schüler, Jugendliche, Studierende und die unterschiedlichsten Bereiche der Gesellschaft.
Dagegen ist gemäß Grundgesetz Artikel 20 (4) vorzugehen wenn diese Untätigkeit nicht endet.
Wieland Zumpe Leipzig, den 06.11.2012
Mein Blick aus dem Gewandhaus am 6. November 1989
Ein neuer Aufbruch für Wissenschaften in Leipzig
Die Wissenschaft in Leipzig bedarf wieder ihrer Identität. Einst
war sie so anziehend, daß zwei Drittel ihrer Studenten aus dem Ausland
kamen und sodann Anregungen aus dieser Stadt in ihre Heimatländer
nahmen, in die sie weltweit Leipziger Traditionen einbrachten.
Leipzig war als Garten- und Lindenstadt bekannt, als das "Herz Deutschlands“.
Wissenschaftler wie Ernst Heinrich Weber, Gustav Theodor Fechner,
August Friedrich Möbius, Rudolph Hermann Lotze und Alfred Volkmann
wirkten gleichzeitig in einer Atmosphäre, die nicht nur von Persönlichkeiten
des Handels und der Wirtschaft geprägt wurde, sondern auch durch
Felix Mendelssohn Bartholdy, Richard Wagner, Clara und Robert Schumann,
Ferdinand David sowie durch die Tätigkeit von Hermann Härtel, Salomon
Hirzel, Anton Philipp Reclam, Heinrich Brockhaus und Otto Wigand,
um nur einige Verleger zu nennen. Dieser schöpferischen Verflechtung,
die im Gewandhaus, im Alten Theater, in den Kuchengärten und in
den Privathäusern in vielen Begegnungen das Leben bereicherte, ist
es zu danken, daß sich die Stadt damals so produktiv entfalten konnte
und später zur Heimat wurde für Paul Flechsig, Wilhelm His, Wilhelm
Wundt, Carl Friedrich Wilhelm Ludwig, Wilhelm Ostwald, Werner Heisenberg
u.v.a..
Heute hat Leipzig das Zehnfache der damaligen Einwohnerzahl, während
sich das geistige Potential nicht verzehnfacht hat. Doch es gibt
heute viele Parallelen zu der damaligen Entwicklung. Leipzig erlebte
jene Blüte erst Jahrzehnte nach dem Krieg von 1813 und den revolutionären
Umwälzungen durch die Leipziger Bürger im Jahre 1830. Nun steht
die Stadt Jahrzehnte nach dem Krieg wieder vor einer Zäsur, in der
sie ihre Schwächen erkennen sollte, um ihre Stärken zu nutzen.
Der qualitativ bedeutsame Unterschied zur Zeit der beginnenden technischen
Revolution besteht darin, daß die damalige, scheinbar unbelastete
Erweiterung auf allen Gebieten das Bewußtsein für deren Folgewirkungen
nicht einschloß. Der Stadt wurde mit schnellem Wachstum (in 30 Jahren
von 100000 auf 500000 Einwohner um 1900) zwangsläufig der fruchtbare
Boden entzogen. Großzügigkeit im Bauen ging einher mit einer Verödung
der geistigen Landschaft. Die gesellschaftliche Integration fiel
damit unaufhaltsam auseinander. Dieser Fehler muß in Zukunft vermieden
werden. Der kulturelle Raubbau, der 1933-1945 einen unrühmlichen
Höhepunkt fand, begann eigentlich schon vor der Jahrhundertwende.
Selbst der sichtbare Beweis der Kulturschande aus neuerer Zeit,
die 1968 erfolgte Sprengung von Universitätsgebäuden und der Universitätskirche
und der Bau eines funktional mißratenen Universitätskomplexes, ist
in diesem Rahmen zu sehen.
Gerade aus dieser Geschichte erwächst die verpflichtende Verantwortung,
im qualitativ neuen Geflecht gesellschaftlicher Ausprägungen Leipzig
wieder eine sorgsame Pflege angedeihen zu lassen. So bedarf es wieder
jenes selbstverständlichen Austausches zwischen verschiedenen Erfahrungsbereichen,
jener sozialen Überschaubarkeit, Kommunikation und weltoffenen Sichtweise,
die im Wechselspiel mit den Messen neue Erfahrungen aufnimmt und
weiter anreichert.
Die Stadt benötigt eine wissenschaftliche Infrastruktur, die sich
ihrer Vorbilder bewußt ist und eigene Wissenschaftsentwicklungen
und Technologien anwendbar macht.
Der tötende Raubbau an der Leipziger Umwelt in den vergangenen Jahrzehnten
zwingt zu der Elementareinsicht, daß Naturverbundenheit der Grundgedanke
der Wissenschaft ist. Das umfassende Verständnis biologischer Bedingungssysteme,
effiziente Energienutzungen und ökologische Verbesserungen sind
einige Themenbereiche, die notwendigerweise wissenschaftlich erarbeitet
werden müssen.
In diesem Sinne gilt die umfassende Herausforderung, daß es bei
allem, was, von wem auch immer, für den Wiederaufbau von Leipzig
getan wird, nicht erneut zerstörerische Widersprüche geschaffen
werden. Wenn Leipzig stark sein kann in seinem Eigenleben, ist es
auch stark für andere.
Wieland Zumpe
Leipzig, den 26. Dezember 1989
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