Was würde Gustav Theodor Fechner dazu sagen?
Die Leipziger Universität, der ich so viel zu verdanken habe, wird bald 600 Jahre alt.
70 Jahre lang habe ich selbst die Universität und den Augustusplatz mit all den gravierenden Veränderungen erlebt: den Abbruch des Grimmaischen Thores, die Auffüllung des Stadtgrabens, den Bau von Universitätsbauten, des Bildermuseums und des Neuen Theater, den Brand von Teubners Haus und vieles andere, was es zu berichten gäbe.
Wohl kaum ein anderer Platz in Deutschland ist so intensiv in seinem Werdegang betrachtet worden wie der Augustusplatz durch das Titelbild der Illustrirten Zeitung.
Mit Freude sah ich den Neubau mit den Gebäuden von Arwed Rossbach, der einen geschichtlichen Glanzpunkt zur 500-Jahrfeier meiner Universität bildete.
Um so mehr betrübte mich natürlich die nachfolgende Entwicklung, als durch zwei Kriege und die Teilung Deutschlands vieles von dem zugrunde ging, wofür Generationen ihr Lebenswerk eingebracht hatten. Die Bombenangriffe auf Leipzig und die Sprengung der Paulinerkirche wirken immer noch nach.
Nur gut, dass der Mensch aus Fehlern lernt. Ich würde freilich heute den Deutsch-Französischen Krieg auch anders sehen, und in Fragen der Emanzipation der Frauen hat sich für damalige Verhältnis Unvorstellbares getan. Und dass man Werke von mir einmal weltweit lesen kann (ohne Papier) ich hätte es nicht für möglich gehalten. Selbst meine Tagebücher, die durch Zufall den Krieg überlebten, werden nach teils über 150 Jahren erstmals gedruckt (insgeheim habe ich ja gehofft, dass man hier und da meine schlechte Handschrift entziffern kann aber dass es veröffentlicht wird, daran dachte ich wirklich nicht.).
Es freut mich, dass sich die Universität der Vergangenheit besinnt und noch mehr, dass sie die Kraft und das Wissen unserer vorangegangenen Generationen aufnimmt, um in einer neuer Zeit weltweit Maßstäbe zu setzen. Ich bin gespannt, wie das Gebiet von der Bürgerschule über den Sperlingsberg bis zur Grimmschen wieder ein Domizil für die studentische Welt wird. Dazu wünsche ich ihr ein gutes Gelingen.
Was mich natürlich stört, ist dieser große, hohe und hässliche Klotz am Platze. Aber auch hier werde ich mit philosophischer Gelassenheit den Werdegang betrachten. Man sollte ruhig so bauen, als gäbe es ihn nicht. Eines Tages wird dieser gestutzt, und die Stadt wird selbst symbolisch wieder überschaubar in jenen menschlichen Maßen, wo sich die Silhouetten der Bauten von Kirchen, Rathaus, Universität, Wirtschaft, Kultur und Kunst gleichberechtigt begegnen. Und wenn meine Nachfolger mit Muße und Stolz den Augustusplatz betrachten, so sitzen sie bestimmt auf der Terrasse des dann ganz modernen "Café français".