aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (7672)
geschrieben am 30. Mai 2006 02:03:35:
4.9 Transparenz - Notwendigkeit des Wiederaufbaus
Der originalgetreue Wiederaufbau der Universitätskirche St. Pauli und weiterer Teile der Universität bedeutet mehr als eine Wiedergutmachung für eine kriminelle Tat, die vor weniger als 40 Jahren eine über 700jährige Kulturgeschichte auslöschen sollte.
Wenn es eine UNESCO-Liste der Kulturbarbarei der letzten 50 Jahre geben würde, wäre Deutschland mit der Sprengung der Leipziger Universitätskirche St. Pauli und weiterer Universitätsbauten mit auf einem der vordersten Plätze.
Diesem Unrecht der SED-Diktatur gilt Wiedergutmachung im Zuge der Vollendung der deutschen Einheit.
Wie sich bereits mit dem Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche eindrucksvoll zeigte, ist eine Versöhnung möglich. Und gleichsam zieht der beschlossene Wiederaufbau des Berliner Schlosses täglich mehr Touristen an, die verstehen lernen, welche städtebauliche Qualität für Berlin damit wieder erschlossen wird und welche wirtschaftlichen und kulturellen Ressourcen dieses Vorhaben neu erschließt.
Ihrer kulturgeschichtlichen Verantwortung haben sich die genannten Organe und Leitungsebenen in Leipzig und teilweise in Dresden noch nicht gestellt. Noch herrscht Ausgrenzung der Befürworter des Wiederaufbaus der Universitätskirche St. Pauli. Noch verweigert sich die Leipziger Universitätsleitung sektenhaft einer Diskussion und verstößt damit fortwährend gegen ihre eigene Verfassung.
Aber gemäß den Regeln eines demokratischen Rechtsstaates muß man sich dort darauf einrichten, daß man eben nicht mehr wie 1968 mit Zensur, Haus- und Berufsverbot, Verfolgung und weiteren Repressalien alles kaschieren, auf Dauer unterdrücken oder fälschen kann.
Und auch wenn es der Schar von Sprengungsgewinnlern und Sympathisanten nicht paßt, daß Versöhnung gefordert wird, während diese noch in „Amt und Würden“ sind (schließlich war es nach 1945 noch so, daß viel länger, ja sogar Jahrzehnte Übeltäter ihre Schande vertuschen konnten), drängt sich mit der notwendigen Wiederbebauung auf dem Gelände des mißratenen Zukunftsbaus der SED-geführten „Karl-Marx-Universität“ der Wiederaufbau der Universitätskirche St. Pauli nicht nur förmlich auf, weil damit der Weg für eine Wiedergutmachung eingeschlagen wird, der neben der jahrhundertealten Architektur auch eine Heilung gesellschaftlicher Prozesse der jüngeren deutschen Geschichte bewirken kann.
Es ist demnach aber nicht nur der gesellschaftliche Konsens, der den Wiederaufbau als konstruktive Aufgabe und als eine übergreifende Herausforderung notwendig macht. Und es ist nicht nur der finanzielle Aspekt, daß nur ein Wiederaufbau wie bei der Dresdner Frauenkirche ein spendenmittelfinanziertes Versöhnungswerk ermöglicht und Gelder für eine bessere Wiederbebauung weiterer Universitätsbauten freisetzt.
Es ist auch die heraufbeschwörende Gefahr, daß, wenn sich kultur- und demokratiefeindliche Kräfte von Stasi, Alt-SED und Alt-Blockparteien sowie eines desinformierten Sympathisantenumkreises durchsetzen und gezielt weiter einen gesellschaftlichen Dissens betreiben, Leipzig und der Freistaat Sachsen in den nächsten Jahren nicht mehr aus den Negativschlagzeilen herauskommen. Denn anders als in diesem Beitrag wird ja dann jeder einzelne, der vorsätzlich Geschichtsklitterung betrieb, erpreßte oder sich erpressen ließ, namentlich befragt und benannt werden. Es wird dann bei jedem einzelnen sein Verhältnis zur Verfassung des Freistaates Sachsen hinterfragt und öffentlich, wenn er oder sie, gleich in welcher Position und welchem Amt, eine seriöse Aufarbeitung und Planung hintertrieb. Denn die SED-Parole „Was die Partei beschloß, wird sein!“ impliziert eben den Denkfehler, der für einen demokratischen Rechtsstaat nicht gelten sollte. Daß nämlich zum einen gesetzlich bereitstehende Steuergelder für mutwillig geschönte Jubelexperimente verschleudert werden, und daß zum anderen unter vorsätzlich bzw. wissentlich falschen Vorgaben gehandelt wird.
Man kann eben nicht mehr die Tagesordnung oktroyieren und unaufgeklärte Verbrechen seitens der Universität Leipzig zudeckeln.
Die Arbeit vieler Generationen von Wissenschaftlern und Persönlichkeiten aller Lebensbereiche, die sich mit der Leipziger Universitätskirche St. Pauli verbinden, angefangen von Markgraf Heinrich von Meißen, Otto von Münsterberg, Caspar Borner, Kurfürst Moritz von Sachsen, Martin Luther, Johann Camerarius über Johann Sebastian Bach, Johann Christoph Gottsched, Gotthold Ephraim Lessing, Christoph Friedrich Gellert, Johann Adam Hiller, Johann Gottfried Schicht, Felix Mendelssohn Bartholdy, Friedrich Schinkel, August Geutebrück bis zu Arved Rossbach, Richard Wagner, Paul Flechsig, Max Klinger, Wilhelm Wundt, Max Reger und hunderter weiterer gebietet es, daß ihr Wiederaufbau ohne wenn und aber erfolgt.