aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (7671)
geschrieben am 30. Mai 2006 01:59:56:
4.8 Transparenz - Bürgerlichen Rechtsstaat wiederherstellen
Die Friedfertigkeit der Leipziger Bürger wurde bereits von Goethe beschrieben. Und auch den genannten SED- und Stasikreisen hätte man nach 1989 gegönnt, ihren Weg in diesem Sinne zu gehen: „... es stickt unglaublich viel hier beysammen. Die Leipziger sind als eine kleine moralische Republick anzusehn. Jeder steht für sich, hat einige Freunde und geht in seinem Wesen fort, kein Obrer giebt einen allgemeinen Ton an, und ieder produzirt sein kleines Original, er sey nun verständig, gelehrt, albern, oder abgeschmackt, thätig, gutherzig, trocken oder eigensinnig, und was der Qualitäten mehr seyn mögen. Reichthum, Wissenschafft, Talente, Besitzthümer aller Art geben dem Ort eine Fülle die ein Fremder wenn er es versteht sehr wohl geniessen und nutzen kann.“
Aber leider kam dies anders, denn SED, DDR-Blockparteien, Stasi und Nomenklaturkader wollten auch nach 1989 voll in ihrer Macht unter neuen Vorzeichen den Ton angeben. Von diesen angesetzten Kadern zogen sich nur wenige von selbst zurück. Eine ganze Reihe von ihnen flog auf, weil die Aktenordner doch zu dick waren. Andere sitzen weiterhin an maßgeblichen Schaltstellen im Freistaat Sachsen, sei es wie folgend zitiert hochdotiert mit Staatsgeldern oder ehrenamtlich. Es ist sehr aufschlußreich, wie der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle dies (Dresdner Neueste Nachrichten vom 11. Mai 2006 und Neues Deutschland vom 13. Mai 2006) formulierte. Nachdem die Bundesrepublik bei der Aufarbeitung von NS-Verbrechen „jämmerlich versagt“ habe, sei auch DDR-Vergangenheitsbewältigung ausgeblieben. In Sachsen seien MfS-Hauptamtliche Beamte geworden: „Da stimmt was nicht.“. Dem kann nur zugestimmt werden. Denn schließlich werden diese ja irgendwie über Personalkommissionen auf diese Posten gehievt worden sein. Und es wäre interessant zu erfahren, über welche Netzwerke und Befürwortungen das lief, welche Klientel sie bedienten und welche Bürger nicht und ob sie nur im Sinne der Verfassung des Freistaates tätig waren oder nicht eventuell Schaden angerichtet haben.
Noch beachtenswerter ist aber die Stimmenenthaltung des gleichen Landtagsabgeordneten zur Abgeordnetenklage gegen den ehemaligen Professor der Universität Leipzig, Peter Porsch, wo dann in der gleichen Argumentationskette ausgeführt wird, daß IM-Tätigkeit zu Mandatsverlust führen könne. Was sind das für Relativierungen? Welcher Partei und welcher Klintel soll dies noch dienen?
Wenn der Freistaat Sachsen gesunden soll, sollte man sich auch in den Parteien von jenen trennen, die unter Klitterung ihrer Biographie und ggf. unter weiterem Einsatz geheimdienstlicher Mittel bzw. nachrichtendienstlicher Konspiration agieren. Das trifft für alle Positionen zu, wo gesellschaftliche Verantwortung als Macht mißbraucht werden kann, gleich ob auf Landes- oder städtischer Ebene.
Sicherlich sind in den Parteien und an vielen anderen Stellen neue Kräfte nachgewachsen und zur Erneuerung bereit, die frei von diesen Altlasten sind, aber gleichzeitig lernen, daß sich ein derartiges Verhalten nicht wiederholen darf.
Gleiches gilt für die Universität Leipzig. In zehn Jahren wird der Einfluß der SED-Altkader und der Wissenschaftsspitzel weiter geschwunden sein, so daß kaum noch die Frage kommen würde, warum denn die Universitätskirche St. Pauli denn nicht wieder aufgebaut werden sollte. Zweifellos ist es für jeden, der heute diesen mißgestalteten Platz kennenlernt, gewöhnungsbedürftig, daß dies mal einer der schönsten Plätze Europas war. Aber er kann es wieder werden, wenn man sich nicht weiter an Negativbeispielen orientiert wie dem funktionsuntüchtigen Uni-Hochhaus sowie den unbrauchbaren Haupt- und Seminargebäuden.
Goethe, der selbst auch die "Akademische Kirche zu Leipzig" erlebte, und viele Generationen von Wissenschaftlern, Ärzten, Künstlern, Baumeistern, Staatsmännern, Handelsleuten etc. haben uns eine Bau-, Kultur- und Geistesgeschichte übertragen, an der es nun anzuknüpfen gilt.