aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (6972)

geschrieben am 18. Februar 2006 02:29:39:

Transparenz – 1.2 – Was sieht man auf dem Bild?

Zum Handwerkszeug in der Kunstbetrachtung gehört, genau hinzuschauen, was eigentlich auf Bildern dargestellt wird und was daraus mit weiteren Informationen gefolgert werden kann.

Fangen wir links an. Dort ist eine massive graue Fläche mit hellen Punkten. Da ist das ehemalige Universitätshochhaus der ehemaligen Karl-Marx-Universität Leipzig zu sehen. Ungemein viele Lichter brennen. Aber der heute im Volksmund genannte „Leerstandsknochen“ steht bis auf die Etagen oben und unten größtenteils leer. Und es ist kaum zu erwarten, daß sich dieses, schon für Universitätszwecke von Anfang an funktional vollends mißratene Bauwerk jemals wieder füllen wird. In die Schlagzeilen kam es eigentlich nur noch zur Illumination als Weihnachtsbaum oder als triviale Projektionsfläche für die Fußball-WM sowie als Negativheimstatt für die gescheiterte Olympiabewerbung in den ehemaligen Räumen der Sektion Marxismus-Leninismus.

Links unten – dunkel wie in der Realität – das angeschnittene Gebäude, was der Stadtkenner und Fotograf Lindner als „Lunkenbein“ bezeichnete, weil nur noch das Kreuz des betreffenden Bestattungsinstitutes fehlt. Vor der gesamten Szenerie gibt es nur eine große freie Fläche. Keine Milchtöpfe mehr, keine Tiefgarage, sogar Straßenbahn und Autos sind verschwunden. Nur eine weibliche Person mit Latzhose schreitet in der Dunkelheit mit ihrem Schatten über den Platz. Im Hintergrund scheint es etwas zu geben, was wie Sitzbänke aussieht mit etwa ein Dutzend Personen, die dort irgendwie Platz genommen zu haben scheinen. Genauer ist dies nicht erkennbar. Ein paar etwa fünf Meter hohe sehr transparente Bäume säumen den Platz.

Doch nun zur eigentlichen Architektur van Egeraats. Sie zeigt am Abend Spiegelungen eines Gebäudes vom Tage (!). Das Gebäude, was man gespiegelt sieht, steht zumindest nicht in Leipzig. Gleiches gilt bei dem übergroßen Fenster und bei der großen runden Luke darüber.

Falls das Gebäude wirklich so angestrahlt werden sollte wie ein Lampenladen, ist die Frage, was davon von außen und was von innen kommt. Dort, wo Oberlichtbereiche im Innern zu sein scheinen, macht es den Eindruck, daß alle Teile neben den senkrechten Streben transparent sind. D.h. man sieht zwar keine arbeitenden Menschen darin und etwas, was auf eine Nutzung schließen läßt, aber man hat den Eindruck, daß jeder Arbeitsplatz und jeder Computer transparent von unten angestrahlt würde. Eingangsportale scheint es nicht zu geben. Die glatten Flächen gehen alle von unten bis oben gerade durch und werden nur noch von den oberen randlosen Abschrägungen abgelöst, also eine ganz glatte Architektur.

Wie einige optische Effekte dennoch an dieser Fassade zustande kommen, bleibt dennoch ein Rätsel. Aber vielleicht kann das mancher besser interpretieren.

Man beachte das „Café Felsche“. Dort wo früher ein einladendes Plätzchen war mit Freisitzen, sowohl zu ebener Erde als auch in der ersten Etage, sind die Kanten ebenso schnittig wegrasiert. Besonders imposant wirkt hier die ebenso unregelmäßige Dachfläche. Auch hier gilt der gleiche Eindruck wie auf der Fläche vom ehemaligen „Augusteum“.

Zwischen der Aula und dem „Café Felsche“ gibt es eine Schlucht, die in dieser Ansicht leider nicht erkennbar ist. Aber „Lichtschlitze“ scheinen diese dunkle Seite vermutlich aufzuhellen.

Noch dunkler ist es im kommenden Straßenverlauf der „Grimmschen“. Dort deutet sich ein trister anonymer Formbau an, der in jedem beliebigen Gewerbegebiet stehen könnte.

Am attraktivesten von der Gesamtansicht erscheint rechts das ehemalige Gebäude von Bamberger & Hertz, der sogenannte Königsbau. Aber der steht dort schon über 80 Jahre.

Original-Untertitelung der Abbildung aus dem Jahre 2004 im „LVZ-Marktplatz“ vom 9. Februar 2006: Außenansicht der neuen Paulineraula mit Universitätsgebäude (links) und Café Felsche (rechts).