aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (5031)

geschrieben 02. April 2005 00:35:27:

Von den Idealen zu den Schmierläusen

Gut, gehen wir einmal davon aus, daß sie diese Ideale hatten. Sie wollten die Welt verbessern, Ungerechtigkeit und Ausbeutung beseitigen und für ein menschenwürdiges Dasein eintreten. Und bestimmt gab es noch weitere ehrliche, revolutionäre Ansinnen. Doch was ist aus ihnen geworden?

Als in den 80er Jahren das Ministerium für Staatssicherheit mit seinen Aktivitäten in die NSW-Staaten (nichtsozialistische Welt) expandierte, um diese zunehmend zu unterwandern, hatte man das schnelle Ende der DDR nicht im Visier. Aber die „Vorhut der Partei“ wußte natürlich zuerst, wie die Lage war. Und ihre Aufgabe war es auch, den Machterhalt unter veränderten Bedingungen zu sichern. Während also die IM´s weiter fleißig ihre Berichte schreiben „durften“, wurden in HVA-Kreisen ganz andere Szenarien durchgespielt. Mit dem stetigen Ansteigen der Teilnehmerzahlen an den Montagsdemos wurde auch am Peterssteinweg, am Dittrichring und an zahlreichen anderen Stellen klar, daß man nun schnellstens in die Spur gehen mußte, um Machtstrukturen zu sichern, zu inszenieren und neu aufzubauen. Spätestens die ersten Sprechchöre „Die Mauer muß weg!“ wurden dann von Stasileuten selbst zaghaft intoniert. Aber das war ja nur das, was maximal, wenn überhaupt, die Leute auf der Straße mitbekamen.

Leipzig unterscheidet sich von anderen ostdeutschen Städten dadurch, daß es hier eben „mehr als“ überschaubare Strukturen gab und bedingt durch die Leipziger Messe schwerpunktmäßig die sogenannten „Eliten“ gepflegt wurden. Die Auslands- bzw. Wirtschaftsspionage hatte ihre Posten nebst all den hoffnungsvollen Jungkadern an der Karl-Marx-Universität Leipzig und anderen gut getarnten Stellen, denen plötzlich die Karriere abhanden zu kommen drohte. Nun gut, manche Aktionen liefen vielleicht etwas überhastet, zumindest bei denen, die mit Westgeldkoffern ins Flugzeug gesetzt und irgendwo in die Weltgeschichte delegiert wurden. Aber im wesentlichen war es ein nicht geplanter, jedoch geordneter Umzug, so daß die systematischen Aktenvernichtungen mit strategischen Überlegungen der Kaderverteilung, -delegierung und -entwicklungen einhergingen. Sicherlich wurden auch gezielt Akten von denjenigen „Zukunftskadern“ abgezogen für den Fall, daß jemand von diesen nicht spurt. Die Besetzung von Personalkommissionen, Runden Tischen, neu zu bildenden Gremien, Posten etc., wo man Einfluß nehmen mußte, damit keine Überprüfungen stattfinden bzw. die Umverteilung erfolgte so, daß die Macht erhalten blieb. Während also die „popligen IM´s“ vielleicht nicht gehalten werden konnten, blieb das ja den „Eliten“ bis heute erspart, zumindest im Rathaus, an der Universität Leipzig und an anderen Einrichtungen. Die Frage ist nun: Was ist daraus nach 15 Jahren geworden?

Mehltau

Dieser Begriff geistert in Leipzig umher, und er illustriert treffend die verhängnisvolle Situation in Leipzig. Unter den genannten Vorzeichen sind eben jene klebrigen, intransparenten, verschleiernden und schädigenden Strukturen gewuchert, die u.a. auch das wirtschaftliche Wachstum Leipzigs weiterhin schmälern.

Denn diese Strukturen fürchten eben den frischen Wind demokratischer Meinung und Willensbildung. Und es wurde mehrfach festgestellt, daß Entscheidungen im Leipziger Rathaus nicht über die Abgeordneten liefen. Die können dann vielleicht mal was davon abhaben wie bei der bfb-Liquidation, aber ansonsten gibt es immer große, große Fragezeichen, wer denn nun eigentlich die Verwaltungsspitze ist. Wenn also nicht die Fraktionen eingebunden wurden, wer dann??

Diese Strukturen brauchen zwangsläufig jemanden an der Spitze, der scheinbar von allem nichts weiß, viel redet und dabei nichts sagt, und immer möglichst glanzvoll und freundlich lächelt, damit ihm möglichst niemand ankreiden kann, er hätte die Unwahrheit gesagt.

Man muß noch einmal betonen: Es geht um solche Themen, wo man von einem Oberbürgermeister ausführliche, offene und ehrliche Stellungnahmen erwartet hätte – bfb, Olympiabewerbung, Kleine Funkenburg, Paulinerkirche, MIB, Schaffung von Arbeitsplätzen, Städtische Firmen, Verschwendung von Steuergeldern und weitere, bereits im Forum genannte Punkte.

Aber wie war doch das Motto der Leipziger Auskunftei Böhme: „Nur Schuld scheut Licht!“

Wer zieht da die Fäden? Warum versickern viele Anliegen der Bürger im Rathaus? Wie kam denn Herr Wolfgang Tiefensee in die SPD? Für welche Seilschaften hat Herr Tiefensee „viel erreicht“? Wie kam denn Herr Andreas Müller in die SPD? Wie konnte man sich als DDR-Bürger für ein Studium in Zürich bewerben? Wer beantragte und wer genehmigte dies? Wer waren seine Befürworter? Welche Verbindungen sind daraus entstanden? Fragen über Fragen...

Was ist denn aus den Oiebes (Offiziere im besonderen Einsatz), Umas (Unbekannte Mitarbeiter) und weiteren „unbekannten“ überzeugten Revolutionären geworden?

Nun gut, im Paulinerverein flog inzwischen die diplomierte Beinahe-Marximus-Leninismus-Professorin u.a. durch ihre Biographieklitterung auf und mancher dort rätselt noch, wieso man im Regionalschulamt so viel Geld hat, sich einen „Pressesprecher“ zu leisten. Aber das ist nur ein Verein, der sich dem Wiederaufbau der Paulinerkirche widmet. Wie steht es aber im Rathaus mit den Rosenholzdateien? Oder ist z.B. Herr Prof. Porsch der einzige an der ehemaligen Karl-Marx-Universität gewesen, der sich über die Stasi für internationale Aufgaben „empfahl“??

Um zum Ausgangsthema zurückzukommen: Was ist von den Idealen übrig?

Sie leugnen, vertuschen und verdrängen ihre Vergangenheit. Und ihre Kinder werden vermutlich erst aus Akten erfahren, welches Doppelspiel sie trieben. Sie rangeln zumindest bis zu ihrer Rente weiter um Positionen, Posten, Pöstchen, Aufträge und Einfluß unter Zuhilfenahme alter und neuer Seilschaften. Egal, wohin Geld nach Leipzig fließt, sie müssen dabei sein... Von ihren ehemaligen Idealen ist nichts mehr übrig als das Kleben am Schreibtisch bzw. Positionen, die Eigenversorgung oder die Versorgung ihrer Kumpanen. Das sollten sie sich nach 15 Jahren vor Augen halten. Es scheint gerade so, daß sie nun ihre gelernte Auffassung vom „faulenden, parasitären und absterbenden Kapitalismus“ in ihrer eigenen Person vollenden wollen.

Leipzig hat einen schlimmen Rekord an Erwerbslosigkeit, der sich auf alles andere auswirkt bis hin zur Bausubstanz, weil eben jene „Eliten“ gigantische Fördermittel auffraßen und vergeigten, demokratische Willensbildung und konstruktives Herangehen in den Wind schlugen und großmäuliges Ballonaufblasen besser zu schillern schien als eine grundsolide Sacharbeit.

Das hat diese Stadt nicht verdient, und es ist an der Zeit, daß Bürger, Rechnungshöfe, Staatsanwaltschaft, Gauck-Behörde, Landes-, Bundes- und EU-Mittelgeber den tiefen Sumpf in den städtischen Strukturen trockenlegen, Licht und Transparenz in die Verwaltung bringen, damit der städtische Organismus wieder solide wachsen und gedeihen kann.