aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (2610)
geschrieben am 04. Februar 2004 12:19:05:
Re: geheimes desaster
Als Antwort auf: Re: geheimes desaster geschrieben von Henrike Dietze am 04. Februar 2004 03:39:43:
In aller Kürze:
Zuerst bitte ich zu beachten, daß mdr-Beiträge meist viele Fehler enthalten, oft zu viele. Die Erfahrung ist, daß diese, nachdem man den mdr darauf aufmerksam gemacht hat, ganz verschwinden oder daß sich überhaupt nichts tut. Seriöse Rückmeldungen von der Redaktion habe ich bisher nicht bekommen.
Desweiteren ist die dortige Berichterstattung tendenziös. Schließlich geht es z.B. nicht um einen "Glaubenskrieg", sondern um eine nationale Kulturbarbarei und merkantile Interessen, die immer noch nicht aufgedeckt sind und weiter betrieben werden! All dies gehört aber in die Öffentlichkeit!
Ein weiterer schauerlicher Satz ist auch z.B. folgender: "Die Ausschreibung gewann der Bauhausschüler und Star-Architekt der DDR, Hermann Henselmann." Damit komme ich
zum Architekturwettbewerb 1967:
Das Politbüro beschloß am 28.11.1967, in Leipzig ein "politisch-kulturelles Zentrum" aufzubauen.
Darauf schrieb der Amtsvorgänger von Herrn Tiefensee (der dieses Erbe immer noch nicht gebührend öffentlich aufgearbeitet hat), Walter Kresse, einen Ideenwettbewerb für den "zentralen Komplex der Karl-Marx-Universität" aus, der in den Wettbewerb mündete, der vom 4.1.1968 bis 20.031968 stattfand. All dies ist an anderen Stellen ausführlich nachzulesen (u.a. "Die Zerstörung" von Katrin Löffler, St benno Verlag 1993).
Der Rostocker Entwurf beinhaltete die Paulinerkirche nur, weil die Architekten den Termin zur Einweisung in Leipzig nicht wahrnehmen konnten und bei ihrem anschließenden Besuch ihnen niemand sagte, daß diese gesprengt werden soll.
Dies ist ein Unterschied zum Wettbewerb vom Jahre 2001, wo es Architekten bewußt auf sich nahmen, aus dem Wettbewerb zu fliegen, weil sie die Paulinerkirche in ihre Pläne aufnahmen.
Wichtiger wäre aber für die 60er Jahre die Rolle des Wirkungskreises um Dr. Helmut Ullmann im Leipziger Rathaus zu untersuchen, wo jahrelang auf die Sprengung hingearbeitet wurde.
Was Henselmann-Schüler Prof. Kulka zu seinem Lehrer zu sagen hat, vermag ich nicht zu deuten. Allerdings positioniert er sich mit "Lunkenbein" (so wird der schwarze Klotz für den mdr im Volksmund genannt, wo zur Schwärze eines Beerdigungsinstitutes nur noch ein großes Kreuz fehlt.).
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aus dem Forum Wiederaufbau Paulinerkirche Leipzig (2644)
geschrieben am 05. Februar 2004 13:46:07:
Re: geheimes desaster
Als Antwort auf: Re: geheimes desaster geschrieben von Henrike Dietze am 04. Februar 2004 15:03:15:
> Darf ich auch sagen, dass mir persönlich der mdr-Anbau gefällt? Vor allem dann, wenn man das Hochhaus als gegeben ansieht? Weder das Hochhaus noch der mdr-Anbau würden einen Wiederaufbau der Kirche aber behindern.
Natürlich dürfen Sie das sagen. Jeder soll seine persönliche Meinung äußern. Das ist ja die Grundlage freier Selbstbestimmung.
Hier geht es aber nicht um Wertungen, sondern um Grundlagen des Wissens und um die städtebauliche Qualität.
Die "Ulbrichtschen Pläne"propagierten mit dem Hochhaus eine "Klumpfußarchitektur", d.h. knüpften nicht an das historische städtebauliche Wachstum an. Gerade aber der Augustusplatz ist diesbezüglich außerordentlich intensiv in seiner Geschichte bedacht worden.
Nicht nur mit dem Kroch-Hochhaus erfolgten sorgfältige Überlegungen, es gab schon im Jahr 1945/46 (!) Pläne zur Komplettierung der kriegszerstörten Gebäude und auch in den 50er wurde dies sorgfältig in Erwägung gezogen.
Die Zerstörung der Dimensionierung hat ja auch weitere negative Folgen. Im Prinzip merken Sie das schon selbst, wenn Sie an dieser "windigen" Ecke vorbeilaufen. Der Funktionsablauf im Gebäude hatte sich ja schon zu DDR-Zeiten als abschreckend erwiesen, sowohl weil Sie über 15 Minuten auf den Fahrstuhl warten oder x Stockwerke laufen mußten, weil die Grundrisse durch die Gebäudeform völlig verkorkst sind, weil die Belüftung Probleme bereitet, weil die Fachbereiche nur beschränkt Bücher aufnehmen konnten, weil man aufgrund der Raumgrößen gar keine sinnvollen Treffen abhalten konnte... Viele Mitarbeiter hielten nur ihre Präsenzzeiten ein und dann - nix wie raus - würde man heutzutage sagen! Und selbst die Tagungsräume in der unteren Etage gaben ein ungutes Gefühl in diesem Betonkoloß.
Eine Identifikation mit den Räumen war da nicht zu spüren.
Wahrscheinlich kann man nach der Berliner Bank mit der Aufrechterhaltung dieses Ungetüms auch weitere Beteiligte in die Pleite treiben...
Aber mit der Bebauung wurde auch die Schillerstraße, wo sozusagen der vierte Zugang zur "Sonntagstischdecke" Leipzigs war, praktisch abgeschnitten. Dies verstärkt "Lunkenbein". D.h. die städtebauliche Erlebnisqualität können Sie gern selbst vergleichen.