Sachverhaltserklärung: Mißbräuchliche Verwendung des Einigungsvertrages

Auch wenn es das eigentliche Thema nicht tangiert, ist hier leider eine Hintergrundinformation unerläßlich.

Zum Deutschen Einigungsvertrag gibt es in Ausfüllung des Artikels 9 Abs. 3 eine Zusatzvereinbarung vom 18.09.1990, 
die u.a. das Ministerium für Staatssicherheit der DDR betreffen und deren Inhalt nur auszugsweise veröffentlicht ist. 
Der Artikel 3 ist nur zu Teilen nachzulesen, Artikel 4 und 5 fehlen völlig. Im Artikel 1 steht zumindest, 
daß es bei der politischen, historischen und juristischen Aufarbeitung um einen „gebotenen Schutz“, geht. 
Das ist deshalb wichtig zu nennen, weil ein Großteil bezüglich schwerwiegender SED- und Stasi-Verbrechen 
(ohne Nennung dieses Vertragsteiles) einfach verdrängend zur BStU abgeschoben wird und dort in der Regel erfolglos endet.

Das ist ein grundsätzlicher inhaltlicher und methodischer Fehler. Denn es ist ein grundlegender Unterschied nicht 
nur im strafrechtlichen Sinne, ob es sich um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vorsätzlichen Mord, Körperverletzung,
schweren Raub, Diebstahl oder z.B. um Sachbeschädigung handelt. Dies möge vielleicht in den Rahmen, der gegenwärtig 
als Täterschutz im Volksmund gebraucht wird, fallen.

Hier geht es aber im Unterschied dazu um die Wiedergewinnung von Kulturwerten. Das bedeutet, daß Werte, die teils 
bereits über zwei Diktaturen hinweg im Osten Deutschlands seit 1933 verachtet, verdrängt oder vernichtet werden 
sollten, aufgedeckt, aufgearbeitet und für die Allgemeinheit wieder zugänglich gemacht werden.

Kulturelle Werte werden benötigt, um geschichtliche Kontinuität und Identität wieder herstellen zu können. 
Dazu gehören z.B. das Wissen über Kultur-, Geistes- und Baugeschichte, historische Wurzeln bzw. Traditionen. 
Es ist schlicht Bildung!, die hier verlangt ist. Dies ist Grundvoraussetzung, um an geschichtliche Qualitäten 
(durchaus auch zeitkritisch) anknüpfen und diese daraufhin fortschreiben zu können.

Es interessiert folglich überhaupt nicht, welches NSDAP-Mitglied oder welcher Stasi-Mitarbeiter beteiligt war oder 
wer hier und da etwas auf dem Kerbholz hat, sondern es geht schlicht darum, wo Kulturgut abgeblieben bzw. wieder 
auffindbar ist. Es geht in diesen Fällen nicht um strafrechtliche Verfolgung, sondern nur darum, daß man bitte 
einfach sagt, was damals geschehen ist, auch wenn es teils schon über 50 Jahre her ist. 
Es ist doch heute keinem, in einer Wissenschaftsgesellschaft aufwachsenden Menschen erklärbar, warum man zu den 
Geschehnissen in der DDR nicht die Wahrheit sagt und Sachverhalte wie zur Paulinerkirche offenlegt, die unter 
damaligen Umständen heute durchaus erklärbar sind.

Da sich ein Aufklärungsbedarf zu zwei Diktaturen angestaut hat (teils seit 1933), ist dieser recht umfangreich
 – von jüdischem Eigentum, über tatsächliche Kriegsschäden, Raub nach 1945 bis zum zentral geleiteten 
kommerziellen Ausverkauf von Kulturgütern in DDR-Zeiten. Und es betrifft nicht nur die Vernichtung von Bauakten, 
sondern den Verbleib von Bibliotheksbeständen, Inventar und wichtige stadtgeschichtliche Materialien*.

Welchen Schaden Deutschland nimmt, wenn man eben nicht die Diktaturen aufarbeitet, sondern im Gegenteil neuen Schaden 
erzeugt, belegt das Negativbeispiel Leipzig. Hier kam es zu einer Melange von SED-Perspektivkadern in allen Parteien, 
legendierten Stasi-Spitzeln und gecasteten Neuzugängen (Die Hauptabteilung Aufklärung des Ministeriums für 
Staatssicherheit der DDR (Auslandsspionage - HV A) zog keine DDR-Kritiker nach Ostdeutschland, sondern aufgrund 
ihrer ausgekundschafteten Partner vorwiegend SED- und DDR-freundlich eingestellte Personen in die „neuen Länder“, 
die nicht zu viel nachfragten bzw. geneigt waren, einen gut bezahlten Job angeboten zu bekommen.).

Damit konnten Perspektivkader- und Stasi-Geflechte fortbestehen bzw. neu aufleben (Betrieb für 
Beschäftigungsförderung, Leipziger Olympiabewerbung etc.).

Dort, wo nach der „Wende“ Informationen über das hohe städtebauliche Niveau Leipzigs gebraucht wurden 
(Bestand der Alten Stadtplanung) fehlen bis heute nicht nur die Nachweise des Verbleibs, sondern es wurde im Gegenteil 
getunnelt. Statt mit der herausragenden Kulturgeschichte intelligenzintensiv zu werben, wurde in Leipziger Verwaltungen 
abgeblockt. Projektmöglichkeiten für eine transparente Stadtplanung wie „MEDIA@Komm“ wurden von 
Herrn Christian Scheibler „an die Wand gefahren“. Vorschläge wie Lipsikon wurden nicht angenommen. 
Es hätte damit nämlich sehr leicht herauskommen können, daß – wie sich später herausstellte – 
z.B. Gebäude öffentlich zu sehen gewesen wären, die unter die nach 1989 in der Leipziger Stadtverwaltung 
langjährig betriebene Immobilienkriminalität zu Zeiten des Bürgermeisters Andreas Müller fielen. 

Die Zerstörung wichtiger Bausubstanz wie des Henriette-Goldschmidt-Hauses und der Kleinen Funkenburg gehören 
ebenso in dieses Raster wie der fehlende bedingungslose und notwendige Wiederaufbau der Leipziger Synagoge in 
der Gottschedstraße. Stattdessen wurde im SED-Stil an Erinnerungsplaketten und „Trostpflästerchen“ festgehalten. 

Gleichzeitig wurden in der Gier nach Fördergeldern und eben ohne ausreichenden historisch hochwertigen städtebaulichen 
Bezug Neubauten propagiert, die wie das Leipziger Bildermuseum und das geschichtsfälschende „Paulinum“ nicht nur 
maßlos überteuert, sondern architektonisch wie funktional mißraten sind. 

Statt Investoren, Bauherren und neuen Grundstückseigentümern das überreiche Material der international 
anerkannten Leipziger Baukultur zu offerieren, ließ man Bauten zu, als hätte es in Leipzig keine Geschichte 
und nur die grüne Wiese gegeben.

So stellen sich auch die Sachverhalte zur (vorläufigen) Verhinderung des Wiederaufbaus der 1968 aus ideologischem 
Haß gesprengten Leipziger Paulinerkirche dar – von Martin Luther als erste evangelische Universitätskirche geweiht, 
von Johann Sebastian Bach über Felix Mendelssohn Bartholdy bis Max Reger mit musikalischen Uraufführungen
erfüllt und mit Reden und Predigten in die Geschichte eingegangen wie mit Gottfried Wilhelm Leibniz, 
Johann Christoph Gottsched über die Vorträge der Rektoren zu ihrem Amtswechsel bis zu Martin Niemöller ...

Dies vergessen zu machen, war Anliegen all jener in dieser Melange bis in Berliner Parteigremien hinein, die unter dem 
pseudowissenschaftlichen Begriff einer „Erinnerungskultur“ versuchten und immer noch versuchen, Kulturwerte zu negieren, 
nationales Kulturerbe zu schmälern, Kulturgut zu separieren und ihnen nur genehme Derivate zuzulassen. Das bedeutet,
alles, was nicht eilfertig genehm, zu kompliziert oder mit negativen Werten behaftet ist, wird unter den Teppich gekehrt!
So müffelt es beträchtlich, wo statt Zivilcourage wieder Untertanengeist und der Hang zum Kadavergehorsam herrscht.

Bei einem entsprechenden Forschungsprojekt zum Thema gab es in meinem Fall trotz mehrjähriger Dauer seitens der 
BStU keine einzige verwertbare Zeile von Hinweisen oder Informationen. Alles mußte de facto ohne die dafür 
zuständigen Ämter und Behörden von Land und Bund erstellt werden. 

Das heißt zugleich, nicht Bildung, Wissenschaft und Forschung wurde in diesem Falle unterstützt, sondern mit 
gewaltigem Aufwand nur deren Behinderung, wo Ausgangspunkt (ohne deren Nennung – wie auch in anderen Fällen) 
oben genannte Zusatzvereinbarung mißbräuchlich angewandt wird.


Wieland Zumpe					Leipzig, den 9. April 2017


* Schreiben an den Leipziger OBM Burkhard Jung
* Unbeantwortet daraus als PDF-Datei