unbeantwortet

 

Herrn Prof. Dr. Norbert Lammert, MdB

- persönlich -

Präsident des Deutschen Bundestages

Deutscher Bundestag

Platz der Republik 1

 

11011 Berlin

 

 

Unkultur und Verletzung der Grundordnung im Amt: Prof. Dr. Norbert Lammert

 

Einschreiben-Rückschein /RICHTER,GISELA 04.04.12

Leipzig, den 3. April 2012

Sehr geehrter Herr Prof. Lammert,

 

es ist nicht Gleichgültigkeit und Unachtsamkeit – wie es Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel vor Angehörigen der Opfer des NSU und vor Ihnen zum Ausdruck brachte –, sondern die Vernachlässigung normaler Umgangsformen menschlicher Kultur in Deutschland und in Ihrem eigenen Verantwortungsbereich. Denn erst Untätigkeit, Wegschauen und Wissen ohne zu handeln ermöglicht ursächlich Fehlentwicklungen, Zersetzungserscheinungen des Staates und eben jene damit ermöglichten Verbrechen.

 

Wenn sich Bürger gemäß Grundgesetz Artikel 20 (4) sorgenvoll an Sie wenden, haben sie zumeist nachweisliche Gründe dafür, denn es geht dabei um die verfassungsfeindliche Schädigung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates. Nachdem Sie meine kurze Erläuterung zum NSU zur Kenntnis erhielten, stellt sich auch die Frage: Wie wirken sich tschekistische Methoden in der Verwaltung aus – in mitteldeutschen Städten wie in Leipzig (aktuell „rechtsfreies“ Rechtsamt und weitere Skandale), im Freistaat Sachsen (aktuell Harald Noeske: „Regieren in Sachsen“) und im Bundestag in Ihrem Amt als Bundestagspräsident?

Da sich inzwischen zahlreiche Problemfelder der Kultur- und Wissenschaftsunterdrückung aufgestaut haben, beschränke ich die Darstellung auf drei ausgewählte Fälle.

 

Fall 1: Fotoarchiv Mittelmann

 

Die Kulturstiftung des Bundes hatte im Falle des Fotoarchivs Mittelmann im Jahre 2005 unter Ihrer Mitwirkung eine Förderung alter und legendierter SED-Seilschaften genehmigt und öffentlich bekanntgegeben. Als ich Ihnen die Umstände mitteilte, ließ man diese Aufarbeitung jüdischer und deutscher Zeitgeschichte unter Ihren Augen einfach fallen. Bis heute. Das bedeutet im Klartext, daß es Ihnen nicht um das inhaltliche Anliegen ging, sondern nur um die scheinheilige Vorspiegelung einer Aufarbeitung aus der Ersten Deutschen Diktatur. Gefördert werden sollte in der Tat eine legendierte Projektleiterin, die mit einer Geheimdissertation parteiinternen Materials am Institut für Wissenschaftlichen Kommunismus beim ZK der SED 1981 zur Rolle der Parteikollektive in Arbeitskollektiven ihre akademischen Würden empfing.

 

Fall 2: Leipziger Universitätskirche St. Pauli

 

Nachdem ich Sie über die Geschehnisse in Leipzig bezüglich der Leipziger Universitätskirche St. Pauli informierte, schrieben Sie mir am 29.01.2007, daß „die beabsichtige Fertigstellung im Herbst des Jahres 2009 ... immer wahrscheinlicher“ wird.

Realität ist, daß statt des Wiederaufbaus weiterhin Unsummen an Steuergeldern in eine unfertige „Betonkiste“ (Bezeichnung des Architekten) gesteckt werden. Im Gegensatz zur Elbphilharmonie

geht es nicht nur um jahrelangen Bauverzug und überdimensionierte Kosten, sondern darum, daß weder Herr Stanislaw Tillich noch Sie es erreichen, daß wie vorgesehen die Sonne hell aus nördlicher Richtung in die Betonlücken scheint und Säulen sich im Nichts auflösen. Ein Kultur unterdrückende und verleugnende „Betonkiste“ hat keine Zukunft.

 

Wer sich besser dünkt als Tetzel, Luther, Bach, Leibniz, Gellert, Gottsched, Mendelssohn, Wundt, Ostwald und viele, viele andere, die über Jahrhunderte in der Paulinerkirche wirkten und die ca. 800 in der Paulinerkirche begrabenen Persönlichkeiten dem Vergessen anheim stellen und keine geschichtliche Kontinuität wieder herstellen will, macht sich einer nationalen Kulturschande schuldig.

 

Der Deutsche Bundestag geht unter Ihrer Präsidentschaft sogar so weit, nicht von der ideologisch motivierten Sprengung der Leipziger Paulinerkirche zu sprechen, sondern von „Abriß“.

 

Fall 3: Leipziger Katholische Kirche St. Trinitatis

 

Als Präsident des Deutschen Bundestages und Katholik äußern Sie sich zu einem Bauvorhaben, ohne sich genau zu informieren. Für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR wurden im westlichen Umkreis des Leipziger Neuen Rathauses vom Dittrichring bis zur Gustav-Mahler-Straße Neubauten geschaffen. Parallel zum großen Stasi-Stützpunkt „Heinz Gronau“ in Leipzig-Leutzsch betrieben diese auch „Nachwuchsförderung“ mit der 1985 eröffneten „Heinz-Gronau-Oberschule“. Dieses inzwischen marode Gebäude grenzt am Areal der 1847 geweihten und 1955 auf Geheiß der SED gesprengten, kriegsbeschädigten Katholische Kirche St. Trinitatis. Statt der Wiederaufnahme geschichtlicher Bezüge auf dem historischen, gewidmeten Boden weichen Sie mit Ihren Worten zugunsten der SED-Stadtentwicklungspläne einem Stasi-Kommandeur, Generalmajor im Wachregiment Feliks Dzierzynski und Leiter der Hauptabteilung I des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

 

Allein diese drei Fälle vergegenwärtigen, daß die Ursache für die „Distanz zwischen Regierenden und Regierten“ – wie es Bundespräsident Joachim Gauck formulierte, einzig bei Ihnen und in Ihrem eigenen Verantwortungsbereich liegt. Es ist das vielleicht teils unbedacht übernommene Methodenrepertoire tschekistischen Machterhalts – nämlich, u.a. überhaupt nicht mehr zu reagieren und damit der Willkür und weiteren Staatsschädigungen Tür und Tor zu öffnen.

 

Während die Altvorderen ihr Augenmerk stets auf Strukturadäquatheit lenkten, d.h. auf eine ausgewogene Kommunikation im Schriftverkehr wie im Gespräch, um zeitnah themen- und zielorientierte Lösungen abzudecken, findet dieser Austausch in der Bundestagsverwaltung, in der Sächsischen Staatsregierung und z.B. beim Leipziger OBM Burkhard Jung (SPD) nicht mehr statt. Während sogar zu DDR-Zeiten auf Eingaben geantwortet werden mußte, endet die Teilhabe, Gestaltung und Mitgestaltung seit Jahren bei Ihnen im Nichts und in der Untätigkeit von Herrn Staatssekretär Harro Semmler, Frau Beatrix Kühl-Meyer, Herrn Olaf Rieß, Frau Angelika Dümenil oder wer auch immer Briefe bekommt, liest bzw. Einschreiben-Rückscheinbriefe wie Frau Gisela Richter im Erhalt gegenzeichnet.

Es macht sehr betroffen zu erleben, wie über Jahre hinweg sich unverzichtbar machende, gut vernetzte, legendierte Vorzimmertschekisten mit gezielter Desinformation und mit Steuergeldern alimentiert, auf Sie einwirken, daß derartige staatsschädigende Konsequenzen folgen (allein ein dreistelliger Millionenschaden im Falle 2, der weiter wächst, wenn diesem Frevel keine Schranken gesetzt werden). Genau jene Anonymität, die Sie zum Internet monieren, ist die willkürlich entscheidende Anonymität in der Bundestagsverwaltung und jeweiliger „Zuträger“ und „Abschirmer“ wie in Dresden und Leipzig, die es nicht „abzuschalten“, sondern aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen gilt, damit eine rechtsstaatliche Grundordnung gewährleistet wird und Sachverhalte korrekt bearbeitet werden können.

 

Dabei ist zweifelsfrei, daß die drei Fälle unterschiedlichen Zuständigkeiten und Prioritäten zuzuordnen sind. Gemeinsam haben sie aber, daß damit ethische, kulturelle und geistige Werte verbunden sind, die man nicht wegdelegieren oder unzuständig machen kann.

 

Mein Anliegen ist es nur, daß mit größter Solidität, Sachwissen und Sorgfalt nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet wird. Dieses gilt m.E. auch und gerade für Ihr Amt. D.h. ich fordere gemäß dieser drei Fälle, daß die von mir vorgebrachten Sachverhalte einschließlich der damit verbundenen Materialien und Ausarbeitungen der Wissens- und Handlungsgrundlage dienen, entsprechend verwendet und nicht länger ausgegrenzt bzw. unterdrückt werden.

 

Ich fordere daher Untersuchungen zu den SED- bzw. DDR-Staatsverbrechen in Leipzig 1968 (u.a. Raub von Kulturgut, Verbringung der 800 Begrabenen), die seitens der Sächsischen Staatsregierung und des Leipziger OBM Burkhard Jung (SPD) verdrängt werden.

 

Und schließlich fordere ich eine vollständige Rehabilitierung meiner Person, um meine wissenschaftlichen Tätigkeiten gemäß Grundgesetz fortsetzen zu können.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Wieland Zumpe

 

Dipl.-Kulturwissenschaftler

 

Links der eigenen Hauptbezüge:

http://www.paulinerkirche.org

http://www.paulinerkirche.org/archiv/diktatur/index.html

http://www.paulinerkirche.org/archiv/forum0.html

 

Links eigener Einzelseiten zu den Themen:

http://www.paulinerkirche.org/tmp/matth/bach4.htm

http://www.paulinerkirche.org/Benedikt/rath.html

http://www.paulinerkirche.org/kath/kath1847.htm

http://www.paulinerkirche.org/kath/stadtkat.html

 

Der Verteiler wird so ausgelegt, daß das Schreiben nicht wieder in den vermeintlichen Paralleluniversen der Bundestagsverwaltung unbearbeitet und reaktionslos verschwindet.

 

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