Leipziger Universitätsleitung mißbraucht Hochschulrektorenkonferenz
Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz
Frau Prof. Dr. Margret Wintermantel
Ahrstraße 39
53175 Bonn
Sehr geehrte Frau Professor Wintermantel,
da Sie bisher weder auf meinen Gesprächswunsch eingingen noch auf meine letzten Schreiben reagierten, muß ich Sie nochmalig darauf hinweisen, daß entgegen dem Plenumsbeschluß der HRK 5/2003 vom 18. Februar 2003 die Leipziger Universitätsleitung über den Universitätskanzler Herrn Dr. Frank Nolden in der LVZ vom 22.01.2007 verkünden ließ, statt der Universitätskirche auf einer Aula zu bestehen, was Rektor Prof. Franz Häuser in der LVZ vom 24.01.2007 hülsenreich unterstrich, daß er (direkt wie Walter Ulbricht und die SED) keine Kirche wolle. Hinsichtlich der damit verbundenen Problematik hatte ich Herrn Dr. Nolden kurz nach seinem Amtsantritt am 5. Juli 2005 als Mitglied der Vereinigung von Förderern und Freunden der Universität Leipzig e.V. auf die Hintergründe aufmerksam gemacht und ihm angeboten, sich hierzu genau informieren zu lassen.
Auch wenn ich mich eigentlich für die Universität Leipzig schämen muß, an der ich studiert habe, muß ich für Sie und die weiteren Mitlesenden Kernpunkte zusammenfassen, die für die Universität derzeit gelten. Denn die Leipziger Universitätsleitung stellt seit Jahren nur Forderungen, u.a. „in prunkvoller Umgebung“, in einer neuen Aula als „Perle für die Stadt“, „fantastisch“, als „Augenweide“ den 600. Geburtstag am Mittwoch, den 2. Dezember 2009, 10 oder 11 Uhr feiern zu können.
Dem stehen diametral entgegengesetzt deren erbrachte Leistungen und Tatsachen gegenüber.
1. Vorsätzliches Nichtwissenwollen einer Universitätsleitung
Die Leipziger Universitätsleitung entzieht sich seit mehreren Jahren einer demokratischen und offenen Diskussion. Entgegen ihrem Auftrag verweigert sie sich vorhandenem Wissen und dessen Vervollkommnung, insbesondere zu ihrer Bau-, Geistes- und Kulturgeschichte und verstößt damit fortwährend gegen die Verfassung des Freistaates Sachsen.
2. Beibehaltung von Kulturbarbarei
Entgegen der Forderungen von CDU und SPD zur Bildung von Eliteuniversitäten,
bezeichnete der ehemalige Universitätskanzler, Herr Peter Gutjahr-Löser, unter Rektor Prof. Häuser dieses laut SPIEGEL als „Schnapsidee“ und beansprucht dennoch, in entsprechenden Verfahren berücksichtigt zu werden. Während weltweit Eliteuniversitäten wie mit der Memorialchurch in Harvard und Stanford oder der Universitychurch in Oxford und Cambridge alle über ein Traditionsbewußtsein sowie über Universitätskirchen verfügen, setzt sich die Leipziger Universitätsleitung im Sinne der SED-Verbrechen für eine Beibehaltung der Vernichtung von bürgerlichen Kulturwerten ein.
3. Fatale Pläne
Die Leipziger Universitätsleitung will im Jahre 2009 feiern, obwohl ihre geschichtsfälschenden Vorhaben grundlegende Planungsfehler enthalten und keinerlei Aussicht auf einen gesellschaftlichen Konsens. Die gesamten Planungen stehen auf keinem universitären Niveau, das ein 21. Jahrhundert fordert. So sollen z.B. nebeneinander eine Aula und ein Auditorium Maximum stehen sowie Mathematik und Informatik in Schrägdächerbereichen über der „Aula“ untergebracht werden. Weiterer Unfug, der gar nicht optimal funktionieren kann, ist aufgrund dessen, daß nur ab und gehübschte Bilder an die Öffentlichkeit dringen, nur erahnbar.
Besonders schauerlich ist die große Affinität zu nationalsozialistische Plänen des Umbaus der Universitätskirche St. Pauli zu einer „führergerechten“ Aula von Lossow (1936/7), indem durch Verdrängung der vorhandenen Kunstschätze sowie der Kanzel und der auswechselbaren Frontalausrichtung des Raumes sehr große Ähnlichkeiten zutage treten.
4. SED-Kader mit SED-Verbrechen betraut
Wo es um Verbrechen im Auftrag der SED geht, wurde ausgerechnet ein SED-Professor für sozialistischen Städtebau bestimmt, Vorschläge für die Planungen der Leipziger Universitätsleitung zu erarbeiten. Weitere SED- und DDR-Nomenklaturkader waren einbezogen. Statt einer Ausrichtung an die universitäre Baukultur folgte im SED-Stil prompt die Richtlinie, an den nachweislich funktionsuntüchtigen „sozialistischen Bauten anzudocken“.
Die Leipziger Universitätsleitung weigerte sich, vor die Planung eine Bestandsaufnahme und die notwendige Aufarbeitung zu setzen. Dem vormaligen Rektor Prof. Volker Bigl wurden auch Namen derer genannt, die in eigentlich dafür zuständigen universitätseigenen Kommissionen saßen, aber untätig blieben. Auch hieraus zog die Leipziger Universitätsleitung keine Konsequenzen.
5. Spitzel in Lehre und Forschung
Auch 16 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung ist die geschichtliche Aufarbeitung an der Universität Leipzig nicht vollzogen. Die ehemalige „Karl-Marx-Universität“ Leipzig funigerte, wie inzwischen belegt ist, als wichtige Ausbildungsstätte bzw. „Kaderschmiede“ des Ministeriums für Staatssicherheit, sowohl in wissenschaftlich-technischen Richtungen, als auch besonders in der allgemeinen weltanschaulich gerichteten „Aufklärung“ im „westdeutschen Operationsgebiet“ und dem gesamten „nichtsozialistischen“ Ausland. Gleich ob im kirchlichen Bereich, der Friedenspolitik oder in der Literaturszene – vorwiegend höhere Kader für die Abteilung XX des MfS bzw. der Auslandsspionage wurden hier herangezogen und „beschäftigt“ wie der ehemalige Dozent Rainer Gummelt an der Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität. Dieser exemplarische Fall „kundschafterischer Tüchtigkeit“ wurde erst im Jahre 2006 offenkundig, als im Zusammenhang mit dem bösartigem Stasifall Hagen Boßdorf bekannt wurde, daß Rainer Gummelt über ein Dutzend gefälschter BRD-Reisepässe verfügte, zig Westeinsätze als Spitzel und Agentenführer in der damaligen Bundesrepublik tätigte u.v.a. Symptomatisch für ihn und seinesgleichen: Bis zu seiner Berentung 2006 war er leitend tätig u.a. als Vizepräsident des Mitteldeutschen Presseclubs. Und natürlich hatte er eidesstattlich beim mdr versichert, nicht für die Stasi aktiv gewesen zu sein.
Da die Karl-Marx-Universität Leipzig bereits Erfahrung in der Unterbringung aufgeflogener Spitzel zu DDR-Zeiten hatte, bedeutete das für die offensive Strategie der Hauptabteilung Aufklärung des MfS ab 1989 natürlich, gezielt ihr Wissen dafür einzusetzen, Spitzel des MfS oder „DDR-freundliche“ bzw. „geeignete“ Kader aus der ehemaligen Bundesrepublik an ostdeutsche Einrichtungen wie nach Potsdam oder an die Universität Leipzig zu holen.
Vereinbarungen wie zwischen dem MfS und dem KGB für 1985-1990 belegen nicht nur exzellentes Detailwissen bundesdeutscher Bildungseinrichtungen und -organisationen, sondern konkrete Aktionen, die nach der „Wende“ offensiv zum Aufbau neuer Strukturen in Ostdeutschland genutzt werden konnten.
Zwar wurde die Journalistik an der Universität in dieser Form abgewickelt, aber andere belastete Bereiche und Kader bilden nach wie vor aus und selbst strukturelle Neuaufbauten konnten in der Annahme, daß alle HV A-Akten vernichtet wurden, mit besetzt werden. Nur ein einziger Fall betreffs der HV A führte an der Universität Leipzig bisher zu Konsequenzen. Eine entsprechende Prüfung der „Westkader“ nach den Datenbeständen von Rosenholz und Sira ist nicht bekannt.
Solange die geschulten Eliten und Spitzel der SED und ihrer Ableger an der Universität Leipzig mitbestimmend sind, kann von einer Demokratisierung keine Rede sein, insbesondere wenn es darum geht, eines ihrer europaweit größten Kulturverbrechen nach dem II. Weltkrieg „zuzudeckeln“.
Besonders verwerflich ist, daß die entsprechenden Kader bzw. Professoren nicht ihrer Aufgabe der Freiheit von Bildung und Forschung nachkommen, Wissensmaßstäbe setzen und dieses vermitteln, sondern daß, wie im Falle der pogromartigen Angriffe nach dem Beschluß der sächsischen Staatsregierung vom 28.1.2003, den Studenten Wissen vorenthalten wurde und sie somit für Ziele der Geschichtsklitterung bewußt mißbraucht werden.
(PS: Gemäß der Hauptamtlichenliste des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR geht der letzte ausgewiesene Kader in Leipzig erst am 24. Mai 2038 in Rente.)
6. Kriminelle Hintergründe
Wie im Dezember 2006 mit der ersten Aufstellung von ca. 800 in der Leipziger Universitätskirche St. Pauli begrabenen und im Jahre 1968 „verschwundenen“ Persönlichkeiten dargestellt (ein nicht geringer Teil derer ist in entsprechenden Lexika vertreten bzw. war prägend für unterschiedlichste Wissenschaftsentwicklungen), wird erahnbar, daß es mit der generalstabsmäßigen Tilgung bürgerlicher Werte weitere kriminelle Aktivitäten gab, die aufgeklärt werden müssen. Schließlich geht es im Falle der gezielten Vernichtung der Leipziger Universitätskirche St. Pauli nicht nur um Millionenwerte z.B. in Form von Grabschmuck, sondern es geht schlichtweg um das ethische Selbstverständnis der Wissenschaft in Deutschland heute.
Sehr geehrte Frau Professor Wintermantel,
da ich Sie schon im Jahre 2003 ausführlich über die Zustände an der Universität Leipzig informierte, stellt sich die Frage: Wie lange wollen Sie noch zu diesen Ungeheuerlichkeiten schweigen?
Ungeachtet aller Widrigkeiten habe ich mich stets konstruktiv, intensiv und ausführlich mit der Geschichte der Universität Leipzig und den notwendigen Planungen befaßt. Ohne ins Detail zu gehen, fasse ich kurz zusammen, wo die Prioritäten liegen und was m.E. getan werden muß. Denn das Argument des vormaligen Rektors Prof. Volker Bigl, der mir am 11. Juli 2001 schrieb, daß es keine grundsätzlichen Änderungen geben kann, ohne das Gesamtvorhaben von vorn zu beginnen, ist falsch.
Die Prioritäten habe ich Ihnen bereits ausführlicher mitgeteilt, so daß ich hier nur drei Gesichtspunkte nenne.
a) Das innerstädtische Planungsgebiet im Herzen Leipzigs stellt für die Entwicklung der Universität den historischen Kern dar. Aus diesem Grunde ist auf dessen Baugeschichte wie auf das Fürstenhaus, den „Goldenen Bär“, das Augusteum und die Universitätskirche St. Pauli Bezug zu nehmen.
b). Die Leipziger Universitätskirche St. Pauli wurde am 12. August 1545 von D. Martin Luther geweiht mit der Predigt: „Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus sein, ihr aber habt es zu einer Mördergrube gemacht“.
c) Die Leipziger Universitätskirche St. Pauli war Wirkungsstätte und Uraufführungsort der Kompositionen von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit ihr verbindet sich das deutsche Geistesleben mehrerer Jahrhunderte u.a. mit den Namen Borner, Camerarius, Gottsched, Gellert, Lessing, Hiller, Schicht, Wagner, Flechsig, Wundt, Ostwald, Reger etc.
Mit den ausgeführten Themen (1-6) ergibt sich die Notwendigkeit von Prüfungen, da die Planungen seitens der Leipziger Universitätsleitung den Tatbestand der arglistigen Täuschung zur Erlangung von Landes- und Bundesmitteln übersteigen. Da dies jedoch nicht mein Thema ist, grenze ich hier ab.
Meines Erachtens ist folgendes unabdingbar:
I. Die Bergung der anonym verscharrten Persönlichkeiten, die in der Universitätskirche begraben waren. (hierbei muß noch abgewartet werden, ob die angefertigten Listen in den Akten der BstU aufgefunden werden).
II. Die Bergung der Bauteile der Universitätskirche St. Pauli, des Augusteums und Johanneums aus der Etzoldschen Sandgrube (kann mit Sponsorengeldern abgedeckt und sofort in Angriff genommen werden, da auch das Grünflächenamt und das Landesamt für Archäologie dieses für wünschenswert erachten.).
III. Wiederaufbau der Universitätskirche ohne wenn und aber (über Spendenmittelfinanzierung, sofortige Variantenentwicklung gemäß dem zu 85% erhaltenen Sachbestand der Kunstwerke. (Da Johann Sebastian Bach bis auf fünf Epitaphien alle zu seinen Lebzeiten vorfand und Felix Mendelssohn Bartholdy in eben dieser Ausstattung seine Kompositionen dort aufführte, wäre vermutlich die optimale Fassung vom Jahre 1712 der Ausgangspunkt für den Wiederaufbau, während vom Äußeren die Rossbachsche Fassung wiederhergestellt werden sollte, die 1968 gesprengt wurde und ein Symbol des Augustusplatzes und heute des Freiheitswillens, der Wiedergutmachung der zweiten deutschen Diktatur und der Identifikation der Bürger darstellt)).
Alle andere ist gegenüber diesem nachrangig.
Schwierigkeiten ergeben sich nur an der Stelle, wo schon mit der geschichtsklitternden Bebauung (Verplanung als Mensa) angefangen wurde und der Standort „Goldener Bär“ damit entwertet ist.
Nur durch einen identifikationsstiftenden, spendenmittelfinanzierten Wiederaufbau der Universitätskirche (ca. 25 Mio Euro) können Gelder eingespart werden, die an anderer Stelle dringend vonnöten sind.
Das weitere „Andocken“ an „sozialistische Bauten“ wie das mißratene und verschlissene Seminargebäude ist ebenso widersinnig wie dessen Sanierung. Dafür wäre es wesentlich sinnvoller, das historisch überaus wertvolle Fürstenhaus in seinen Konturen wieder zu errichten, wofür man ebenfalls Spendengelder einwerben kann. Hierzu müssen auch die Investorenverträge der Universitätsleitung einer Prüfung unterzogen werden. Da dies jedoch nicht direkter Gegenstand des Plenumsbeschlusses 5/2003 war, sondern die Frage einer weitsichtigen Detailplanung ist, begrenze ich hier meine Ausführungen. Sie verstehen mich recht, daß es mir nicht darum geht, „Recht zu haben“, sondern aus meiner Sachkenntnis heraus die besten sinnstiftenden, langfristigen wie konsensfähigen Lösungen einzubringen.
Unabdingbar ist nach notwendigen Prüfungen eine umfangreiche Bestandaufnahme und überregionale öffentliche Darstellung der reichen Bau-, Geistes- und Kulturgeschichte der Universität Leipzig, damit die von der SED bereits Anfang der 60er Jahre eingeleitete Periode der gezielten Geringschätzung und Herabwürdigung bürgerlicher Werte wie der Leipziger Universitätskirche St. Pauli, die heute noch in der Lokalpresse, bei Provinzpolitikern und sonstigen Altlasten anhält und in Ostdeutschland ein weit verbreitetes symptomatisches Problem darstellt, beendet wird.
Sich dieser Herausforderung anzunehmen, ist daher meine erneute dringliche Bitte an Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Wieland Zumpe
http://www.technologienpsychologie.org
Online-Quellen zum Text
Zu 1.-3.
http://www.paulinerkirche.org/wende.htm
diverser Schriftwechsel zur Planungsvorbereitung, u.a.
Fragen: http://f15.parsimony.net/forum25088/messages/2019.htm
Offener Brief an die Neue Zürcher Zeitung
http://f15.parsimony.net/forum25088/messages/3897.htm
Beiträge mit Namensnennungen wurden bisher nicht online gesetzt.
Betr.: SPIEGEL siehe Eintrag 8.1.2004
http://www.f-tor.de/board/archive/index.php/t-23200.html
Die Lossow-Pläne werden nicht online gesetzt, eine Abbildung ist aber im Material zur 460. Jahrestag der Weihe der Leipziger Universitätskirche St. Pauli durch D. Martin Luther enthalten.
Zu 4.
http://f15.parsimony.net/forum25088/messages/3418.htm
http://f15.parsimony.net/forum25088/messages/3419.htm
Leistungen des Stura:
http://www.paulinerkirche.org/tmp/stura1.jpg
http://www.paulinerkirche.org/tmp/stura05.jpg
http://www.paulinerkirche.org/tmp/stura06.jpg
Zu 5.
Bestätigte Vereinbarung zwischen MfS, Mielke, und KGB, Tschebrikow, für den Zeitraum 1986-1990, in Gerhard Besier/Stephan Wolf (Hg.): „Pfarrer, Christen und Katholiken“, 1992
http://stasi2004.tripod.com/sw/
Zu 6.-III
Begräbnisstätte Paulinerkirche:
http://www.paulinerkirche.org/graeber.htm
Erläuterungen dazu:
http://f15.parsimony.net/forum25088/messages/13411.htm
Eine Publikation von Dr. Manfred Wurlitzer in Vorbereitung