Projektbereich - Nationales Kulturgut

Stand 15.05.2017

Erläuterung für Zeitzeugen und Angehörige

Keiner, der die Geschehnisse am 25. und 26. Mai 1968 in der Paulinerkirche persönlich erlebte, konnte diese vergessen. Weder derjenige, der als erster in Anbetracht der ersten Leichenbergung sein Frühstück sofort erbrach und ersetzt werden mußte, noch derjenige, der infolge seines Rauchens durch eine Verpuffung eine Brandverletzung erlitt. Auch "IM Steinbach" las im Gespräch krampfhaft von einem Schriftstück ab, weil er sich nicht traute, frei über das Erlebte zu sprechen.

Und so gibt es zahlreiche, die das Erlebte möglichst bis zu ihrem Lebensende verdrängt vor sich herschieben wollen.

Dies sollte nicht sein. Denn bei diesem Zeugenaufruf geht es ausschließlich um Wiedergewinnung von Kulturgut und um Aufklärung von Geschichte.

Hier geht es nicht um Täter oder Opfer, nicht um persönliche Eingeständnisse, nicht um Rechthaberei, nicht um Fehlverhalten oder Weltanschauungen, denen man sich verpflichtet sieht, nicht um Sieg oder Niederlage, nicht um Recht oder Unrecht. Es geht nicht um Parteien und Vereine oder anderweitige Rollenspiele. Es geht nur darum, den kommenden Generationen Erfahrungen aus eigenem Erleben mitzugeben, aus denen sie vielleicht lernen können.

Wenn ich dies so explizit formuliere, dann weil doch einige der Zeitzeugen sich weiterhin Schweigeverpflichtungen verbunden fühlen und getreu damaliger Denkungsart sich möglichst nicht mehr äußern möchten.

Doch wie die Entwicklung hat gezeigt hat und auch hier formuliert wurde, konnte und kann jeder praktische Erfahrungen sammeln, so daß sowohl die Enkelgeneration als auch wir dazulernen und ein wechselseitiges Verständnis gewinnen können. Gerade darin liegt der wichtige konstruktive und zu würdigende Beitrag von Zeitzeugen, daß sie aus ihrer Sicht die Geschehnisse (die sie damals kaum beeinflussen konnten und heute selbst bestimmt auch etwas anders sehen) schildern und damit den Nachgeborenen die Möglichkeit geben, ihr Verhalten zu verstehen, ihnen ähnlich negativ traumatische Erfahrungen zu ersparen und sie gleichzeitig gegen schädliche Bedrängnisse immun zu machen.

D.h. wer sich an alte Schweigeverpflichtungen unbedingt halten möchte, kann aber zu seiner Entlastung seine Erlebnisse, Erfahrungen und Hinweise z.B. schriftlich notieren und Angehörigen bzw. einer Vertrauensperson übergeben, damit diese nicht mit dem Tod verlorengehen und später zugesandt werden.

Analog zahlreicher Beispiele der Geschichte werden aber auch anonyme Zusendungen sorgsam und vertraulich behandelt, da es ausschließlich um die Aufklärung der damaligen Geschehnisse und die Wiedergewinnung von Kulturgut geht.


Aus inzwischen vorliegenden Dokumenten der damaligen Zeit sowie verschiedenen Zeugenaussagen wird die namentliche Zuordnung der in der Operation Eingesetzten früher oder später komplettiert, so daß es auch aus diesem Grunde ein wichtiges Motiv ist, sich einer freien Zeugenaussage nicht mehr zu verweigern.
Dies betrifft u.a. die für die Operation am 25. und 26. Mai 1968 eingesetzten Kraftfahrer, die die Leichen in Kindersärgen transportierten und sich noch im Jahre 2002 absprachen, sich nicht zu äußern.



Wieland Zumpe © 2002-2017